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  • 25.04.2018 · IWW-Abrufnummer 200858

    Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg: Beschluss vom 09.01.2018 – 6 S 47.17

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    OBERVERWALTUNGSGERICHT BERLIN-BRANDENBURG

    BESCHLUSS

    OVG 6 S 47.17 / OVG 6 M 86.17 / OVG 6 M 87.17
    VG 15 L 686.17 / VG 15 K 687.17 Berlin

    In der Verwaltungsstreitsache
     
    des Herrn           
    Antragstellers und Beschwerdeführers,      
    bevollmächtigt:          
    Rechtsanwalt           

    g e g e n
              
    das Land Berlin, vertreten durch das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten - Ausländerbehörde -, Friedrich-Krause-Ufer 24, 13353 Berlin,          
    Antragsgegner und Beschwerdegegner,     

    hat der 6. Senat durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Buchheister und die Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Schreier und Panzer am 9. Januar 2018 beschlossen:

    Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 30. Oktober 2017 wird zurückgewiesen.

    Der Antragsteller trägt die Kosten der Beschwerde.

    Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

    Gründe

    Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des aus der Russischen Föderation stammenden Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seiner Klage VG 15 K 687.17 gegen den Bescheid des Landesamtes für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten vom 3. Juli 2017 anzuordnen, als unbegründet zurückgewiesen und den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eil- und das Klageverfahren abgelehnt, weil sich bei summarischer Prüfung keine Anhaltspunkte für einen Anspruch des Antragstellers auf Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG ergäben; ein rechtliches Ausreisehindernis liege nicht vor.

    1. Die gegen die Versagung einstweiligen Rechtsschutzes gerichtete Beschwerde ist nach dem insoweit allein zu berücksichtigenden Vorbringen im Beschwerdeverfahren (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) unbegründet.

    a) Das Verwaltungsgericht hat zutreffend erkannt, dass gesundheitliche Gründe, aufgrund derer dem Antragsteller in der Vergangenheit die humanitäre Aufenthaltserlaubnis erteilt worden war, deren Verlängerung nicht mehr gebieten.

    Das von dem Antragsteller im Beschwerdeverfahren vorgelegte Attest des Facharztes für Psychiatrie R_____ vom 20. November 2017 enthält keine eine andere Annahme rechtfertigenden Angaben. Soweit es um Behandlungsmöglichkeiten der dem Antragsteller bescheinigten psychiatrischen Erkrankungen im Heimatland geht, sind diese im vorliegenden Verfahren nicht zu berücksichtigen, weil es sich um zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse handelt, zu deren eigener inhaltlicher Prüfung der Antragsgegner als Ausländerbehörde nicht berechtigt ist, weil das für den Antragsteller als ehemaligem Asylbewerber zuständige Bundesamt für Migration mit Bescheid vom 13. Juni 2017 und vom 11. Dezember 2017 das Vorliegen solcher Abschiebungshindernisse verneint hat. Die im genannten Attest behauptete Reiseunfähigkeit „aufgrund seiner Suiziddrohungen“ ist nicht nachvollziehbar dargelegt. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Verwirklichung dieser Suiziddrohungen nicht durch geeignete Maßnahmen während der Abschiebung begegnet werden kann. Dementsprechend hat der polizeiärztliche Dienst mit Schreiben vom 8. Dezember 2017 die Reisefähigkeit des Antragstellers bei Beachtung entsprechender Sicherheitsvorkehrungen sowie ärztlicher und Sanitätsbegleitung ausdrücklich bejaht.

    b) Ein rechtliches Abschiebungshindernis ist auch nicht aus den familiären Beziehungen des Antragstellers zu der sog. Patchwork Familie aus Artikel 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG sowie aus Artikel 8 EMRK herzuleiten. Zur Begründung verweist der Senat die Ausführungen des angefochtenen Beschlusses.

    aa) Ohne Erfolg wendet der Antragsteller ein, die Kindsmutter der beiden minderjährigen Kinder des Antragstellers und der deutsche Kindsvater bezüglich des weiteren, am 18. Mai 2017 geborenen Kindes hätten vor dem Jugendamt des Bezirksamtes Lichtenberg am 14. November 2017 erklärt, das Sorgerecht gemeinsam ausüben zu wollen. Das Verwaltungsgericht hat insoweit zutreffend darauf hingewiesen, dass die lediglich formal-rechtliche Beziehung und die Übernahme der elterlichen Sorge allein nicht geeignet sind, eine schützenswerte Vater-Kind-Beziehung zu begründen, denn entscheidend ist die tatsächliche Verbundenheit zwischen Vater und Tochter. Auf die zwischenzeitliche gemeinsame Sorgeerklärung kommt es deshalb nicht entscheidungserheblich an.

    Dass sich hinsichtlich der Vater-Tochter-Beziehung in materieller Hinsicht etwas an der Einschätzung des Verwaltungsgerichts geändert hätte, legt die Beschwerde nicht dar. Das Verwaltungsgericht hat sich der Einschätzung des Antragsgegners angeschlossen, dass angesichts fehlender deutscher Sprachkenntnisse der Kindsmutter anzuzweifeln sei, dass zum deutschen Kindsvater nennenswerte Kontakte bestünden. Es dränge sich der Schluss auf, dass die Vaterschaft instrumentalisiert werde, um den russischen Familienmitgliedern zu einem gesicherten dauerhaften Aufenthalt zu verhelfen. Vor diesem Hintergrund reiche es nicht aus, wenn der Antragsteller pauschal behaupte, der deutsche Kindsvater treffe sich mindestens einmal wöchentlich mit der Tochter und sei sehr um sein Kind bemüht.

    Der Vortrag im Beschwerdeverfahren bleibt hinter dieser Einschätzung eher noch zurück. Danach hätten die Kindsmutter und der deutsche Kindsvater vereinbart, dass die gemeinsame Tochter alle zwei Wochen das Wochenende beim Kindesvater verbringe.

    Dessen ungeachtet ist dieser Vortrag auch nicht glaubhaft gemacht. Hierzu hätte es der Vorlage einer entsprechenden eidesstattlichen Versicherung des Kindsvaters bedurft. Daran fehlt es.

    Dass dieser Vortrag lediglich verfahrensangepasst erfolgt, legt demgegenüber der vom Antragsgegner angeführte Umstand nahe, dass es sich bei dem Kind um einen nur acht Monate alten Säugling handelt, welcher noch überwiegend auf die Fürsorge der Mutter, insbesondere mit Blick auf die Ernährung, angewiesen ist und es deshalb zweifelhaft erscheint, dass das Kind ein ganzes Wochenende dem Vater, mit welchen zu keinem Zeitpunkt eine häusliche Gemeinschaft oder eine familiäre Beziehung bestanden hat, in die Obhut gegeben wird.

    bb) Der weitere Vortrag des Antragstellers, er sei für die beiden gemeinsamen Kinder mit seiner Lebensgefährtin sowohl für die Schule als auch für die Kinder aufgrund seiner Sprachkenntnisse Ansprechpartner und regelmäßig derjenige, der sie zur Schule bzw. zur Kita bringe, rechtfertigt nicht die Annahme eines rechtlichen Abschiebungshindernisses.

    Das Verwaltungsgericht nimmt vielmehr auch insofern zutreffend an, dass die familiäre Gemeinschaft insoweit in Russland gelebt werden kann, denn diese Kinder besitzen wie der Antragsteller und seine Lebensgefährtin die russische Staatsangehörigkeit. Der Antragsgegner weist außerdem zutreffend darauf hin, dass besondere Umstände, die eine Verwurzelung im Bundesgebiet nahe legten, nicht vorgetragen oder aus den Gesamtumständen ersichtlich seien.

    c) Das Verwaltungsgericht hat weiter zutreffend angenommen, dass die Erteilung der begehrten Aufenthalt Erlaubnis an mangelnden Arbeitsbemühungen des Antragstellers scheitere (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG).

    Dem kann er nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass seine gesundheitlichen Probleme ihn daran hinderten, eine Arbeit zu finden. Der Antragsteller befindet sich seit nahezu 18 Jahren im Bundesgebiet, die gesundheitlichen Probleme sind erst im September 2013 aufgetreten. Dessen ungeachtet ist der Vortrag des Antragstellers auch nicht durch entsprechende ärztliche Atteste glaubhaft gemacht.

    d) Zutreffend hat das Verwaltungsgericht zudem angenommen, dass der Aufenthaltserlaubnis ein Ausweisungsinteresse im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG in Verbindung mit § 53 Abs. 1, § 55 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG entgegenstehe, weil der Antragsteller zwischen 1999 und 2016 vielfach strafrechtlich belangt wurde. Seine Behauptung, zwischenzeitlich seien alle noch laufenden Straf- und Ermittlungsverfahren eingestellt worden, hat er nicht glaubhaft gemacht.

    2. Soweit sich die Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe für das Eil- und das Klageverfahren richtet, bleibt sie ebenfalls erfolglos. Das Verwaltungsgericht hat hinreichende Erfolgsaussichten im Sinne des § 166 VwGO in Verbindung mit § 114 ZPO zutreffend verneint. Für die hiergegen gerichtete Beschwerde gilt aus den unter 1. dargelegten Gründen nichts Anderes.

    3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG.

    Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 In Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

    RechtsgebieteVwGO, ZPO, AufenthGVorschriften§ 146 Abs. 4 S. 6 VwGO, § 166 VwGO, § 114 ZPO, § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG