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  • 14.08.2018 · IWW-Abrufnummer 202930

    Oberlandesgericht Frankfurt a. M.: Beschluss vom 07.05.2018 – 6 W 37/18

    1. Beauftragt die Partei einen nicht am Gerichtsort, sondern am Sitz der Partei ansässigen Prozessbevollmächtigten ("Distanzanwalt"), sind dessen Reisekosten zur Wahrnehmung des Verhandlungstermins grundsätzlich erstattungsfähig; etwas anderes gilt ausnahmsweise nicht allein deshalb, weil dem Verfahren ein Eilverfahren vorausging. (Rn. 3 – 5)

    2. Die im Zusammenhang mit der Wahrnehmung eines Verhandlungstermins angefallenen Übernachtungskosten sind erstattungsfähig, wenn die Anreise am Prozesstag selbst - unter Berücksichtigung eines gewissen zeitlichen "Sicherheitspuffers" - vor 6.00 Uhr hätte begonnen werden müssen. Als "Sicherheitspuffer" in diesem Sinn ist bei einer normalen Reisedauer von knapp vier Stunden ein Zeitraum von 1:15 Stunden ausreichend, aber auch notwendig. (Rn. 9 und 10)


    OLG Frankfurt a. M.

    Beschluss vom 07.05.2018


    Tenor:
    In pp.

    1. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Frankfurt a.M. vom 05.09.2017 unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde teilweise abgeändert:

    Aufgrund der vorläufig vollstreckbaren Urteile des Landgerichts Frankfurt am Main vom 06.01.2016 und des Oberlandesgerichts Frankfurt a.M. vom 23.03.2017 sind von der Beklagtenseite an Kosten 3.351,22 € zu erstatten.

    2. Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen der Kläger 1/4 und die Beklagte 3/4.

    3. Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt 631,67 Euro.

    Gründe:

    Das nach § 104 Abs. 3 ZPO i. V. m. § 11 Abs. 1 RPflG als sofortige Beschwerde statthafte Rechtsmittel ist zulässig. In der Sache hat die sofortige Beschwerde allerdings nur teilweise Erfolg.

    1. Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Beauftragung eines nicht am Prozessgericht ansässigen Rechtsanwaltes der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung diente.

    Nach § 91 II 1 ZPO sind die Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt (sog. Distanzanwalt) nur insoweit erstattungsfähig, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig war. Die Mehrkosten, die einer im fremden Gerichtsstand prozessierenden Partei durch die Beauftragung eines an ihrem Wohn- oder Geschäftssitz ansässigen Anwalts entstehen, sind nach Abbau der Postulationsschranken für Rechtsanwälte im Grundsatz erstattungsfähig. Hierdurch erfährt zugleich das Bedürfnis nach einer persönlichen Beratung eine kostenrechtliche Anerkennung, da eine solche durch die räumliche Nähe von Partei und Anwalt zwar nicht erst ermöglicht, aber normalerweise doch wesentlich erleichtert wird. Grundlegend für den Informationsaustausch und die Entwicklung einer Prozessstrategie ist das persönliche Beratungsgespräch zwischen Partei und Anwalt. Hierfür ist, trotz aller Vorteile moderner Kommunikationstechnik, der geschützte Bereich der Anwaltskanzlei der am besten geeignete Ort. Es wird daher in der Regel im wohlverstandenen Interesse der Partei liegen, einen an ihrem Wohn- oder Geschäftssitz ansässigen Anwalt mit der Vertretung im Prozess zu beauftragen und sich auf diese Weise die Vorteile kurzer Wege nutzbar zu machen.

    Mehrkosten, die dadurch entstehen, dass sich die Kanzlei nicht am Sitz des Prozessgerichts befindet und der Anwalt daher zu den gerichtlichen Terminen anreisen muss, dienen normalerweise der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung und sind zu erstatten. Daneben sind Konstellationen denkbar, in denen zwar weniger der unmittelbare persönliche Kontakt im Vordergrund steht, gleichwohl aber eine zwischen Partei und Anwalt bestehende Vertrauensbeziehung die Erstattungsfähigkeit etwaiger Mehrkosten rechtfertigt.

    Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist das Landgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die Beauftragung eines Rechtsanwaltes in Stadt1 zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich war. Insbesondere kann die Tatsache, dass dem Verfahren ein Eilverfahren vorausging, nicht ausnahmsweise eine andere Bewertung rechtfertigen. Zum einen ist regelmäßig auch nach vorausgegangenem Eilverfahren ein persönliches Mandantengespräch als notwendig anzusehen, in dem z.B. die unterschiedlichen Risiken in Eil- und Hauptsacheverfahren, Notwendigkeit von Abschlussschreiben, ggf. Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen etc. mit dem Mandanten zu beraten ist. Die Tatsache, dass die Rechtsfragen sich teilweise überlagern, macht die Notwendigkeit regelmäßig nicht entbehrlich. Zum anderen ist für die Partei nicht zumutbar, einen eingearbeiteten, ihr Vertrauen genießenden Rechtsanwalt gegen einen neuen austauschen zu müssen.

    2. Dies hat zur Folge, dass die der Höhe nach nicht angegriffenen Reisekosten des Prozessbevollmächtigten erstattungsfähig sind.

    3. Die Kosten der Hotelübernachtungen sind hingegen entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht für beide Verhandlungstermine, sondern nur für den Termin am 21.04.2015 erstattungsfähig, da sie nur für einen Termin notwendig waren.

    Einer Partei kann nicht abverlangt werden, die in einer Rechtssache notwendig werdenden Reisen zur Nachtzeit durchzuführen. Als Nachtzeit ist in Anlehnung an § 758a IV ZPO die Zeit von 21.00 Uhr bis 6.00 Uhr anzusehen. Eine Anreise, bei welcher der Prozessbevollmächtigte seine Kanzlei vor 6.00 Uhr morgens hätte verlassen müssen, musste dieser also nicht durchführen.

    Dies wäre aber erforderlich gewesen, wenn der Prozessbevollmächtigte zu Terminsbeginn am 21.04.2015 um 11.00 Uhr im Gerichtsgebäude in Stadt1. hätte anwesend sein wollen. Ausgehend von einer durch X ermittelten Fahrzeit von 3:51 Min wäre eine Abreise um 06:00 Uhr nicht ausreichend gewesen, um den Termin um 11.00 Uhr rechtzeitig zu erreichen. Der Prozessbevollmächtigte konnte und musste nämlich einen Sicherheitspuffer einberechnen, um etwaigen Verzögerungen wie Staus begegnen zu können. Hier hält der Senat einen Zeitraum von 1:15 Std. für ausreichend, aber auch notwendig.

    Hinsichtlich des Termins am 23.03.2017 hingegen war schon nach dem eigenen Vortrag des Prozessbevollmächtigten eine Anreise am Prozesstag möglich und zumutbar. Er nämlich insoweit vorgetragen, bei einem Termin um 11.00 Uhr bereits um 06.00 Uhr losfahren zu müssen, für den Termin um 11.15 Uhr hingegen keine Aussage getroffen. Nach Auffassung des Senats ist ein Puffer von 1:15 ausreichend, um möglichen Eventualitäten wie z.B. Staus gegenüber gewappnet zu sein. Ein weitergehender Puffer ist hingegen in Anbetracht der Strecke und gewöhnlichen Fahrzeug nicht erforderlich. Für den Termin war daher eine Fahrzeit von 5:06 (3:51 Std. Fahrzeit zuzüglich 1:15 Std. Puffer) einzuplanen, so dass eine Abfahrt zum Termin um 11.15 Uhr nach 06:00 Uhr - und damit nicht mehr in der Nachtzeit - hätte erfolgen können.

    4. In der Folge waren daher die Übernachtungskosten für den Termin am 23.03.2017 in Höhe von 102,80 € ebenso abzusetzen wie die durch die Anreise am Vortrag entstandene 7005-Gebühr in Höhe von 40,00 €, was zu einem Gesamtbetrag in Höhe von 142,80 € führt.

    5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97, 92 I ZPO .

    Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde ( § 574 ZPO) liegen nicht vor.

    Der Beschwerdewert entspricht dem Interesse der Beklagten an der Abänderung der angefochtenen Entscheidung.

    RechtsgebieteRPflG, ZPO VorschriftenRPflG § 11 Abs. 1; ZPO § 92 Abs. 1,§ 97