12.11.2020 · IWW-Abrufnummer 218918
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen: Beschluss vom 28.09.2020 – L 7 AS 1021/20 NZB
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landessozialgericht NRW
Tenor:
1
Gründe:
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I.
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Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung in einem Gerichtsbescheid, mit dem eine isolierte Anfechtungsklage gegen einen Widerspruchsbescheid abgewiesen worden ist.
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Der am 00.00.1971 geborene Kläger lebt in E und bezieht seit September 2015 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Am 17.05.2018 unterzeichnete er eine "Rechtsanwaltsprozessvollmacht", mit der er seinem in E1 niedergelassenen Prozessbevollmächtigten "in Sachen C, D./.Jobcenter E zu: xxx" sowohl zur "außergerichtlichen Vertretung aller Art" bevollmächtigte als auch "Prozessvollmacht für alle Verfahren in sämtlichen Instanzen sowie Folge- und Nebenverfahren" erteilte. Die Vollmacht ermächtigte den Prozessbevollmächtigten des Klägers u.a., diese "ganz oder teilweise auf andere" zu übertragen (Ziffer 10). Die Vollmacht wurde für ein Verfahren bezüglich der Höhe der Unterkunftskosten erteilt.
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Mit Schreiben vom 06.12.2018 forderte die Stadt E (Jobcenter) den Kläger auf, sich zu einem Gesprächstermin am 13.12.2018 im Zusammenhang mit seiner beruflichen Eingliederung in der Niederlassung des Beklagten in E einzufinden. Mit anwaltlichem Schreiben vom 17.12.2018 legte der Prozessbevollmächtigte des Klägers Widerspruch gegen die Meldeaufforderung vom 06.12.2018 ein. Daneben beantragte er die Übernahme von Fahrtkosten aus Anlass der Wahrnehmung des Termins. Dem Schreiben vom 17.12.2018 war die "Rechtsanwaltsprozessvollmacht" vom 17.05.2018 beigefügt.
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Der Kläger erschien am 13.12.2018 beim Jobcenter in E. Er beantragte keine Fahrtkosten für diesen Termin. Den Widerspruch des Klägers gegen die Meldeaufforderung wies der Beklagte nach einer Untätigkeitsklage des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 08.03.2019 als unbegründet zurück. Die hiergegen erhobene Klage bei dem Sozialgericht Münster endete durch Klagerücknahmefiktion.
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Mit Bescheid vom 20.05.2019 lehnte die Stadt E (Jobcenter) den Antrag auf Fahrtkostenerstattung vom 18.04.2019 ab. Der Kläger habe auch nach entsprechender Anhörung keine Nachweise über etwaig angefallene Fahrtkosten vorgelegt. In einem Aktenvermerk hatte der Beklagte zuvor festgestellt, die Distanz zwischen der Wohnung des Klägers und dem Jobcenter E betrage lediglich 1,5 km. Die Niederlassung in E sei vom Wohnort des Klägers innerhalb von 19 min zu Fuß zu erreichen; der Kläger habe die Niederlassung zu Fuß aufgesucht.
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Am 21.06.2019 erhob der Kläger Untätigkeitsklage bei dem Sozialgericht Münster (S 5 AS 507/19). Der Beklagte habe über den Antrag auf Fahrtkostenerstattung vom 17.12.2018 anlässlich der Einladung vom 06.12.2018 noch nicht entschieden. Nachdem der Prozessbevollmächtigte des Klägers darüber informiert wurde, dass der Antrag bereits unter dem 20.05.2019 ablehnend beschieden wurde, erklärte der Kläger das Untätigkeitsklageverfahren für erledigt.
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Am 16.07.2019 legte der Kläger gegen den Ablehnungsbescheid vom 20.05.2019 Widerspruch ein, ohne diesen zu begründen. Mit Widerspruchsbescheid vom 08.10.2019 verwarf der Beklagte den Widerspruch als unzulässig. Der Widerspruch sei nicht fristgerecht erhoben worden, Wiedereinsetzungsgründe lägen keine vor.
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Am 11.11.2019 hat der Prozessbevollmächtigte bei dem Sozialgericht Münster Klage erhoben und beantragt, den Widerspruchsbescheid vom 08.10.2019 aufzuheben. Der Beklagte habe den Widerspruch des Klägers zu Unrecht als unzulässig verworfen. Der Beklagte habe es pflichtwidrig unterlassen, in der Rechtsbehelfsbelehrung auf die Möglichkeit des Widerspruchs in elektronischer Form hinzuweisen. Der Widerspruch sei daher gemäß § 66 Abs. 2 SGG fristgerecht erfolgt. Nach Aufforderung des Sozialgerichts, eine aktuelle Vollmacht vorzulegen, hat der Prozessbevollmächtigte die "Rechtsanwaltsprozessvollmacht" vom 17.05.2018 vorgelegt. Nach Mitteilung des Sozialgerichts, die vorgelegte Vollmacht sei nicht aktuell, hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers mitgeteilt, das Sozialgericht habe gem. § 73 Abs. 6 Satz 5 SGG bei einer Vertretung durch einen Rechtsanwalt die Vollmacht nicht zu prüfen. Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 13.02.2020 die Prozessvollmacht des Klägers gerügt. Diese legitimiere nur zur Vertretung des Klägers gegen das Jobcenter E und nicht für Verfahren gegen den beklagten Kreis D1. Nach erneuter Aufforderung durch das Sozialgericht hat es der Kläger weiterhin abgelehnt, eine aktuelle Vollmacht vorzulegen. Bei der Vollmacht vom 17.05.2018 handele es sich um eine Generalvollmacht.
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Nach Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht die Klage mit Gerichtsbescheid vom 25.06.2020 abgewiesen. Die Klage sei unzulässig, da es an einer ordnungsgemäßen Vollmacht des Bevollmächtigten mangele. Auf die Rüge des Beklagten habe das Sozialgericht die Bevollmächtigung zu prüfen. Die "Rechtsanwaltsprozessvollmacht" vom 17.05.2018 sei von dem Kläger in einer Sache gegen das Jobcenter E wegen SGB II-Angelegenheiten zu einem bestimmten Aktenzeichen erteilt worden. Diese Vollmacht beinhalte nicht zugleich die Bevollmächtigung, im Namen des Klägers ein isoliertes Klageverfahren allein gegen einen Widerspruchsbescheid gegen den Kreis D1 zu führen. Diese Vollmacht ergebe sich auch nicht aus dem Gesamtzusammenhang, da die isolierte Anfechtungsklage gegen eine Widerspruchsentscheidung der Widerspruchsbehörde im Vergleich zu einer materiell-rechtlichen Angelegenheit nach dem SGB II ein zusätzliches Prozesskostenrisiko für den Kläger bedeute.
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Gegen die Nichtzulassung der Berufung im Gerichtsbescheid vom 25.06.2020 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers am 06.07.2020 Beschwerde eingelegt. Er hat auch für die Nichtzulassungsbeschwerde die o.g. "Rechtsanwaltsprozessvollmacht" vom 17.05.2018 vorgelegt. Der Gerichtsbescheid vom 25.06.2020 beruhe auf einem Verfahrensfehler, da die Vollmacht bei einer Prozessvertretung durch einen Rechtsanwalt seitens des Sozialgerichts nicht hätte angefordert werden dürfen.
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II.
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Die Nichtzulassungsbeschwerde (§ 145 SGG) ist statthaft. Die Berufung ist zulassungsbedürftig. Gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der ausdrücklichen Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 EUR nicht übersteigt und keine wiederkehrenden oder laufenden Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Dies ist vorliegend der Fall. Die durch § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG normierte Zulassungsbedürftigkeit knüpft an das materielle Begehren des Berufungsklägers an, also das ursprüngliche Klageziel (BSG Urteil vom 10.10.2017 - B 12 KR 3/16 R), soweit dieses im Berufungsverfahren noch verfolgt wird (vgl. BSG Beschluss vom 05.08.2015 - B 4 AS 17/15 B). Unerheblich ist demgegenüber, ob das Sozialgericht eine Entscheidung in der Sache getroffen hat. So greift § 144 Abs. 1 SGG auch dann ein, wenn das Sozialgericht eine Klage als unzulässig abgewiesen hat (BSG Urteil vom 10.10.2017 - B 12 KR 3/16 R). Die Regelungen über die Berufung in den §§ 143 ff. SGG differenzieren nicht danach, ob das Sozialgericht eine Prozessentscheidung oder eine Sachentscheidung getroffen hat. Sinn und Zweck des § 144 Abs. 1 SGG, den Rechtszug in Streitigkeiten, denen der Gesetzgeber geringere Bedeutung für die Beteiligten beigemessen hat, grundsätzlich auf eine Instanz zu beschränken, gelten auch für Fälle, in denen eine Klage aus prozessualen Gründen als unzulässig abgewiesen worden ist; die Bedeutung der Sache wird dadurch nicht erhöht (BSG Urteil vom 19.03.2020 - B 4 AS 4/20 R). Ebenso ist in der Rechtsprechung des BSG anerkannt, dass § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG auch dann einschlägig ist, wenn Gegenstand des Berufungsverfahrens eine Untätigkeitsklage nach § 88 SGG ist (BSG Urteil vom 10.10.2017 - B 12 KR 3/16 R; BSG Beschluss vom 06.10.2011 - B 9 AS 45/11 B) oder wenn das Sozialgericht eine Klagerücknahmefiktion nach § 102 Abs. 2 SGG angenommen hat (BSG Urteil vom 19.03.2020 - B 4 AS 4/20 R), obwohl auch in diesen Fällen nicht über das materielle Begehren zu entscheiden ist. Unabhängig davon, dass erstinstanzlich lediglich der Widerspruchsbescheid vom 08.10.2019 isoliert angefochten worden ist, ist daher bei dem Streitwert auf das materielle Begehren des Klägers abzustellen. Der Kläger begehrt in der Sache die Kostenübernahme der Fahrtkosten für einen Meldetermin. Diese Kosten hat der Kläger nicht beziffert, jedoch ist angesichts einer Anfahrtstrecke von 1,5 km zum Meldetermin offensichtlich, dass diese Wegekosten 750 EUR nicht übersteigen.
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Die Nichtzulassungsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Dabei lässt der Senat im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung offen, ob der Prozessbevollmächtigte des Klägers für das Beschwerdeverfahren ausreichend durch die "Rechtsanwaltsprozessvollmacht" vom 17.05.2018 legitimiert ist. Es ist in einem Fall der Doppelrelevanz rechtlich bedeutsamer Umstände sowohl für die Zulässigkeit als auch für die Begründetheit eines Rechtsbehelfs gerechtfertigt, das Vorliegen der Verfahrensvoraussetzungen anzunehmen, um eine Sachentscheidung über diese doppelrelevante Tatsache zu ermöglichen (vgl. BGH Urteil vom 20.12.2017 - XII ZB 333/17; BAG Beschluss vom 19.09.2006 - 1 ABR 53/05; LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 23.02.2016 - L 8 R 29/15 B).
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Die Beschwerde ist unbegründet.
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Nach § 144 Abs. 2 SGG ist eine Berufung zuzulassen, wenn 1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 2. das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 3. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
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Der vom Kläger gerügte Verfahrensfehler (§ 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG) liegt nicht vor. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage als unzulässig abgewiesen, weil der Prozessbevollmächtigte seine Bevollmächtigung nicht nachgewiesen hat (hierzu Schmidt in: Meyer-Ladewig/Kellerer/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl., § 73 Rn. 66 mwN).
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Zwar sind Generalvollmachten grundsätzlich eine ausreichende Legitimationsgrundlage im Klageverfahren (vgl. Schmidt, in: Meyer-Ladewig, SGG, 13. Aufl., § 73 Rn. 62) und Zweifel an dem Nachweis einer Prozessvollmacht durch Generalvollmacht im Lichte von Art. 19 Abs. 4 GG nur unter außerordentlich gelagerten Umständen anzunehmen (BSG Urteil vom 17.03.2016 - B 4 AS 684/15 und Beschlüsse vom 20.01.2016 - B 14 AS 180/15 B und B 14 AS 188/15 B), jedoch handelt es sich bei der Vollmacht vom 17.05.2018 nicht um eine wirksame Generalvollmacht.
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Dem steht nicht bereits entgegen, dass die Vollmacht vom 17.05.2018 nur für Verfahren gegen das "Jobcenter E" erteilt wurde, während der Widerspruchsbescheid vom beklagten Kreis D1 erlassen wurde. Denn die Vollmacht ermächtigt sowohl zur gerichtlichen wie außergerichtlichen Interessenvertretung in Angelegenheiten "wegen SGB II", weshalb bei interessengerechter Auslegung (§§ 133, 157 BGB) und zur Sicherstellung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) von einer Ermächtigung zum Vorgehen gegen die Grundsicherungsträger auszugehen ist, die über das Begehren des Klägers zu entscheiden haben, unabhängig vom Umfang und Grenzen einer jeweilig erfolgten kommunalrechtlichen Delegation (vgl. zur interessengerechten Auslegung von Vollmachten Beschluss des Senats vom 19.06.2017 - L 7 AS 2038/16 B). Dem Charakter einer Generalvollmacht steht auch nicht entgegen, dass diese unter dem Aktenzeichen "xxx" erteilt wurde, denn hierbei handelt es sich um das dem Kläger allgemein zugewiesene Aktenzeichen der Stadt E (Jobcenter).
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Allerdings wird die "Rechtsanwaltsprozessvollmacht" vom 17.05.2018 den an eine Generalvollmacht zu stellenden Anforderungen nicht gerecht.
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Generalvollmachten sind nicht nur vorteilhaft, sondern können auch mit rechtlichen und wirtschaftlichen Nachteilen für den Vollmachtgeber verbunden sein. Der Vertretene muss Handlungen seines Vertreters gegen sich gelten lassen, ohne im Einzelfall eine interessengerechte Rechtsverfolgung prüfen zu können. Durch Handlungen eines Generalvertreters können weitreichende Kostenfolgen ausgelöst werden, deren Höhe im Einzelfall nicht mit dem individuellen Erfolgsaussichten abgewogen werden kann (vgl. hierzu BFH Beschluss vom 30.07.1991 - VIII B 88/89). Auch materiell-rechtlich können Handlungen eines Bevollmächtigten sich auf die Rechtsposition des Vollmachtgebers gravierend auswirken, indem zB Fristen eingehalten werden, Mitwirkungshandlungen in die Wege geleitet werden, Gestaltungsrechte ausgeübt werden und Anträge gestellt werden müssen. Angesichts dieser weitreichenden Konsequenzen für den Vollmachtgeber muss für die Annahme einer Generalvollmacht aus der Vollmacht ersichtlich sein, wer bevollmächtigt ist, wer bevollmächtigt hat und wozu bevollmächtigt worden ist (BSG Beschluss vom 20.01.2016 - B 14 AS 180/15 B). Führt die Auslegung zu keinem eindeutigen Ergebnis hinsichtlich des Umfangs der Vollmacht, so ist der geringere Umfang anzunehmen (vgl. OLG Hamm Urteil vom 04.12.2015 - I -7 U 99/14 mwN; im Ergebnis ebenso Meier ZFSH/SGB 2017, 144).
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Aus der vorgelegten Vollmacht wird nicht deutlich, dass der Bevollmächtigte unabhängig von einer Kenntnis des Klägers im Einzelfall wegen "sämtlicher in Betracht kommender Ansprüche" (hierzu BSG Beschluss vom 20.01.2016 - B 14 AS 188/15 B) nach dem SGB II, auch in Bezug auf "zukünftige" Streitigkeiten (hierzu BSG Beschluss vom 20.01.2016 - B 14 AS 180/15 B) für diesen tätig werden darf. Es kann nicht angenommen werden, dass der Kläger seinen Prozessbevollmächtigten in allen denkbaren Angelegenheiten nach dem SGB II umfassend, urkundlich und zeitlich unbefristet (§§ 170, 172 Abs. 2 BGB) mit Vertretungsbefugnissen ausstatten wollte. Dem steht bereits entgegen, dass die Vollmacht nicht eindeutig als Generalvollmacht gekennzeichnet ist. Nach ihrem Wortlaut handelt es sich zudem nur um eine Prozessvollmacht, was die Beantragung von Leistungen bei dem Jobcenter selbst nicht umfasst. Gegen das Vorliegen einer Generalvollmacht spricht zudem, dass die Vollmacht vom Bevollmächtigen ganz oder teilweise auf andere übertragen werden darf. Eine so weitreichende Befugnis, fremde Rechte wahrzunehmen, die mit einem Verzicht auf die Wahrung des Sozialdatenschutzes verbunden ist, bedarf hinsichtlich ihres Umfangs und ihrer zeitlichen Wirkung einer eindeutigen und zweifelsfreien Erklärung.
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Der Kläger hat auch keine auf die Durchführung des Verfahrens bezogene Einzelvollmacht nachgewiesen. Die Vollmacht vom 17.05.2018 war nur im Zusammenhang mit dem hier nicht betroffenen, hinsichtlich der Unterkunftskosten geführten Verfahren erteilt worden. Nicht ersichtlich ist, dass der Rechtsanwalt sich der Vollmacht zur Geltendmachung weiterer Ansprüche bedienen durfte. Dies gilt auch für den Fall, dass die dem Verfahren zugrundeliegenden Unterlagen dem Rechtsanwalt vom Kläger zur Kenntnis gebracht worden sein sollten, denn auch dann ist nicht gesichert, dass hiermit auch zum Ausdruck gebracht werden sollte, der Bevollmächtigte möge - wie hier - einen Anspruch geltend machen, der sich aus den Unterlagen gar nicht ergibt. Angesichts des Umstands, dass dem Kläger offensichtlich keine Fahrkosten entstanden sind, führt auch die Anwendung des Meistbegünstigungsgrundsatzes, wonach Erklärungen so ausgelegt werden müssen, dass das interessengerecht ausgelegte Begehren möglichst weitgehend zum Tragen kommt, nicht zu einer abweichenden Auslegung der Vollmacht.
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Aufgrund der durchgreifenden Zweifel an der Wirksamkeit der Vollmacht hat der Beklagte zu Recht die Bevollmächtigung des Rechtsanwalts gem. § 73 Abs. 6 Satz 4 SGG gerügt, weshalb das Sozialgericht den Kläger ungeachtet der Regelung des § 73 Abs. 6 Satz 5 SGG aufzufordern hatte, eine aktuelle, das Klageverfahren betreffende Vollmacht vorzulegen (vgl. Schmidt, in: Meyer-Ladewig, SGG, 13. Aufl., § 73 Rn. 67 und 68). Aufgrund der Zweifel war das Sozialgericht zudem auch befugt, von Amts wegen eine Vollmachtsurkunde anzufordern (BSG Beschlüsse vom 20.01.2016 - B 14 AS 180/15 B und B 14 AS 188/15 B).
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Nach Abweisung einer Klage, weil - wie vorliegend - trotz gerichtlicher Fristsetzung eine ordnungsgemäße Vollmacht nicht vorgelegt worden ist, kann dieser Mangel nicht mehr rückwirkend durch eine nunmehr erteilte Vollmacht und eine Genehmigung der bisherigen Prozessführung geheilt werden (Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl., § 73 Rn. 66). Dessen ungeachtet hat der Kläger auch weiterhin keine neue Vollmacht für das hiesige Verfahren vorgelegt.
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Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung iSd § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn sie eine bisher ungeklärte Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern (Klärungsbedürftigkeit). Zudem ist die Möglichkeit der Klärung durch den Senat erforderlich (Klärungsfähigkeit - vgl. Beschluss des Senats vom 06.09.2018 - L 7 AS 195/18 NZB). Zwar dürfte die Frage, ob und ggfs in welchen Konstellationen eine isolierte Anfechtung eines Widerspruchsbescheides in Betracht kommt (vgl. hierzu BSG Urteil vom 25.03.1999 - B 9 SB 14/97 R; SG Reutlingen Urteil vom 06.12.2018 - S 7 AS 2010/18; SG Duisburg Urteil vom 26.04.2018 - S 49 AS 857/17; SG Kassel Urteil vom 27.02.2019 - S 7 AS 29/19; zur Möglichkeit einer Aussetzung Beschluss des Senats vom 14.06.2011 - L 7 AS 552/11 B) grundsätzliche Bedeutung haben. Diese Rechtsfrage ist jedoch im vorliegenden Verfahren nicht klärungsfähig, weil die Klage - wie dargelegt - unzulässig war.
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Auch der Berufungszulassungsgrund des § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG (Divergenz) liegt nicht vor. Eine Divergenz liegt nur vor, wenn ein Sozialgericht in der angefochtenen Entscheidung einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem abstrakten Rechtssatz des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellt hat. Eine Abweichung ist nicht schon dann anzunehmen, wenn die Entscheidung des Sozialgerichts nicht den Kriterien entspricht, die diese Gerichte aufgestellt haben, sondern erst dann, wenn es diesen Kriterien widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Eine evtl. Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall begründet keine Divergenz (vgl. BSG Beschluss vom 05.10.2010 - B 8 SO 61/10 B mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen zum gleichlautenden § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG; ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. nur Beschluss vom 11.07.2019 - L 7 AS 689/19 NZB). Bei der Frage, ob eine Abweichung von einer Entscheidung des Landessozialgerichts zu bejahen ist, beschränkt sich die Prüfung auf das zuständige Berufungsgericht. Das Sozialgericht hat keinen abweichenden Rechtssatz in diesem Sinne aufgestellt, auf dem das Urteil beruht.
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Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
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Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).