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  • 14.06.2021 · IWW-Abrufnummer 222910

    Oberlandesgericht Nürnberg: Urteil vom 23.03.2021 – 2 U 3607/20

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Oberlandesgericht Nürnberg

    Beschluss vom 25.03.2021


    In dem Rechtsstreit
    A. + I. AG, vertreten durch d. Vorstand,
    - Klägerin und Berufungsbeklagte -
    Prozessbevollmächtigte:
    Rechtsanwälte B.
    Streithelferin:
    A. L. GmbH, vertreten durch d. Geschäftsführer
    Prozessbevollmächtigte:
    Rechtsanwälte S.
    gegen
    N.
    - Beklagter und Berufungskläger -
    Prozessbevollmächtigte:
    Rechtsanwälte S. Partnerschaftsgesellschaft mbB
    - Erinnerungsführerin -

    wegen Forderung
    hier: Erinnerung gegen Kostenansatz

    erlässt das Oberlandesgericht Nürnberg - 2. Zivilsenat - durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht xxx, den Richter am Oberlandesgericht xxx und den Richter am Oberlandesgericht xxx am 25.03.2021 folgenden

    Beschluss

    Tenor:

    Auf die Erinnerung der Rechtsanwälte S. Partnerschaftsgesellschaft mbB, hin wird der Kostenansatz des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 09.02.2021 - Kostenrechnung der Landesjustizkasse Bamberg vom 11.02.2021 mit Kassenzeichen 631210577407 - aufgehoben.

    Gründe

    I.

    Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Amberg vom 09.11.2020 begründete seine Prozessbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 08.02.2021. Dieser Schriftsatz wurde vom sachbearbeitenden Rechtsanwalt am 09.02.2021 um 4.25 Uhr elektronisch über das besondere Anwaltspostfach bei Gericht eingereicht. Wenig später, nämlich am 09.02.2021 um 4.29 Uhr sowie nochmals um 4.37 Uhr, ging der 29-seitige Schriftsatz weitere zweimal per Telefax ein und wurde von einer Empfangseinrichtung des Gerichts ausgedruckt. In der Folge setzte das Oberlandesgericht Nürnberg am 09.02.2021 für den Ausdruck der beiden Telefaxe, mithin für insgesamt 58 Seiten, unter Berufung auf die Dokumentenpauschale Nr. 9000 Ziffer 1 Buchstabe b KV-GKG gegenüber der Beklagtenvertreterin Kosten in Höhe von insgesamt 26,20 € an. Dieser Betrag wurden am 11.02.2021 unter dem Kassenzeichen 631210577407 der Beklagtenvertreterin in Rechnung gestellt.

    Dagegen wandte sich die Beklagtenvertreterin mit Schriftsatz vom 17.02.2021. Sie vertritt die Auffassung, der Kostenansatz verstoße gegen Art. 103 GG, der den freien Zugang zu den Gerichten mitumfasse. Ein Anspruch der Justizbehörden, Schriftsätze nur in bestimmter Anzahl oder nur auf einem Versandweg zu erhalten, existiere nicht. Es liege auch keine Mehrfertigung vor, wenn bei einer bedeutsamen Berufungsbegründungsfrist aus Sicherheitsgründen neben dem Versand über das besondere Anwaltspostfach auch der allgemeine Telefaxzugang genutzt werde. Die doppelte Einreichung über Telefax beruhe darauf, dass ein Telefax zunächst nicht erfolgreich versandt worden sei. Es seien durch den Ausdruck auch keine Schreibauslagen entstanden.

    Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beklagtenvertreterin wird auf den Schriftsatz vom 17.02.2021 Bezug genommen.

    Am 18.02.2021 entschied die Kostenbeamtin, der Erinnerung nicht abzuhelfen.

    Die Bezirksrevisorin bei dem Oberlandesgericht Nürnberg beantragt, die Erinnerung als unbegründet zurückzuweisen. Die Staatskasse verweist darauf, dass nach der Übermittlung als elektronisches Dokument die Mehrfacheinreichung des gleichen Schriftsatzes auf einem weiteren Übermittlungsweg nicht mehr notwendig gewesen sei und zu einem Mehraufwand geführt habe. Weil die zweimal per Telefax übersandte Berufungsbegründung bei Gericht ausgedruckt worden sei, sei nach Nr. 9000 Ziffer 1 Buchstabe b Halbsatz 2 KV-GKG eine Dokumentenpauschale angefallen. Dabei habe es die Beklagtenvertreterin zu verantworten, dass die Berufungsbegründung neben der elektronischen Einreichung unnötigerweise noch zweimal per Telefax übermittelt worden sei, weshalb sie hafte. Die Einreichung von - überzähligen - Schriftsätzen werde nicht begrenzt. Die Kostenpflicht resultiere daraus, dass die Beklagtenvertreterin für den Ausdruck der Mehrfertigungen die Empfangseinrichtungen des Gerichts in Anspruch genommen habe. Das rechtliche Gehör werde dadurch nicht verletzt.

    Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf die Stellungnahme vom 11.03.2021 Bezug genommen.

    Mit Beschluss vom 24.03.2021 wurde das Verfahren wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach Anhörung der Beteiligten auf den Senat übertragen.

    II.

    Die gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 GKG statthafte und auch im Übrigen zulässige Erinnerung gegen den Kostenansatz vom 09.02.2021 hat in der Sache Erfolg.

    Es steht außer Frage, dass die zusätzliche Einreichung eines (inhaltlich identischen) Schriftsatzes, der bereits zuvor elektronisch über das besondere Anwaltspostfach übermittelt worden ist, per Telefax letztlich dem System des elektronischen Rechtsverkehrs zuwiderläuft. Das gilt insbesondere dann, wenn das Telefax als weitere Form der Übermittlung von einem Rechtsanwalt "aus Sicherheitsgründen" gewählt wird. Denn bei der Übersendung von Schriftstücken an das Gericht über das besondere Anwaltspostfach geht sofort eine automatisierte Eingangsbestätigung ein (§ 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO). Hierdurch erlangt der Absender gerade unmittelbar Gewissheit darüber, ob eine Übermittlung an das Gericht erfolgreich war oder ob weitere Bemühungen zur erfolgreichen Übermittlung des elektronischen Dokuments erforderlich sind (BT-Drucksache 17/12634, Seite 26).

    Ungeachtet dessen ist eine Kostenerhebung auf der Grundlage von § 28 Abs. 1 Satz 2 GKG, Nr. 9000 Ziffer 1 Buchstabe b Halbsatz 2 KV-GKG aber nicht möglich, da es sich bei den Telefaxen nicht um Mehrfertigungen des Schriftsatzes vom 08.02.2021 handelt, die von einer Empfangseinrichtung des Gerichts ausgedruckt wurden. Auch weitere Kostenvorschriften sind nicht einschlägig. Insofern kann auch dahingestellt bleiben, ob die Prozessbevollmächtigte des Beklagten Kostenschuldnerin sein kann.

    1. Die Regelung in § 28 Abs. 1 Satz 2 GKG, Nr. 9000 Ziffer 1 Buchstabe b KV-GKG ist im Zusammenhang mit der aus § 133 Abs. 1 Satz 1 ZPO resultierenden prozessualen Pflicht der Parteien zu sehen, die erforderliche Anzahl von Abschriften der Schriftsätze als auch deren Anlagen beizufügen. Sie dient der Kostendämpfung. Im Übrigen bezweckt sie eine Kostengerechtigkeit: Wer Kosten verursacht, soll sie begleichen (Baden-Württembergischer VGH, Beschluss vom 27.11.2007 - 4 S 1610/07 -, juris Rn. 7; Toussaint in: Hartmann/Toussaint, Kostenrecht, 50. Aufl., § 28 GKG Rn. 2). Dies gilt insbesondere auch für Nr. 9000 Ziffer 1 Buchstabe b Halbsatz 2 KV-GKG: Der Mehraufwand, welcher der Justiz dadurch entsteht, dass sich die Partei bei der Wahrnehmung ihrer Verpflichtung aus § 133 Abs. 1 Satz 1 ZPO der Telefaxeinrichtung des Gerichts bedient, rechtfertigt den besonderen Auslagentatbestand (BT-Drucksache. 16/3038, Seite 77; vgl. auch: Zimmermann in: Binz, GKG, 4. Aufl., KV 9000 Rn. 21).

    2. Weil vom Beklagten aber keine Mehrfertigungen der Berufungsbegründung vom 08.02.2021 einzureichen waren, kann deren erforderlicher Anfertigung nicht gleichstehen, dass der Schriftsatz zusätzlich auch per Telefax übermittelt und von einer Empfangseinrichtung des Gerichts ausgedruckt wurde.

    Eine Partei, die - wie der Beklagte - einen Schriftsatz gemäß § 130a ZPO formwirksam als elektronisches Dokument einreicht, ist nicht gehalten, die für die Zustellung erforderliche Zahl von Abschriften in Papierform nachzureichen (Fritsche in: Münchener Kommentar, ZPO, 6. Aufl., § 133 Rn. 6). Dies ergibt sich aus § 133 Abs. 1 Satz 2 ZPO. Falls zum Zweck der Zustellung überhaupt noch ein Ausdruck erforderlich ist, weil der Prozessgegner nicht über einen elektronischen Zugang verfügt (§ 174 Abs. 3 ZPO), hat die Geschäftsstelle dafür Sorge zu tragen, dass das elektronische Dokument ausgedruckt und dem Gegner in der gesetzlich vorgeschriebenen Form übermittelt wird. Dadurch, dass die Verpflichtung beseitigt wird, die für die Zustellung erforderliche Zahl von Abschriften im Falle der elektronischen Übermittlung beizufügen, entfällt nicht nur die Verpflichtung zur Zahlung von Auslagen nach Nr. 9000 Ziffer 1 KV-GKG, sondern auch die Verpflichtung, die Auslagen für den Medientransfer nach Nr. 9000 Ziffer 2 KV-GKG zu zahlen (BT-Drucksache 15/4067, Seite 31).

    3. Zwar mag es den Zweck des Nr. 9000 Ziffer 1 Buchstabe b Halbsatz 2 KV-GKG berühren, wenn ein Schriftsatz, der bereits (erfolgreich) als elektronisches Dokument eingereicht worden ist, zusätzlich nochmals per Telefax übermittelt wird. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Übermittlung per Telefax doppelt erfolgt. Denn dadurch entstehen der Justiz zusätzliche Kosten nicht nur für Papier und Druck, sondern letztlich auch für Personal. Einer entsprechenden Anwendbarkeit der Kostenvorschrift steht allerdings das kostenrechtliche Analogieverbot entgegen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 15.10.2012 - 20 W 318/12 -, juris Rn. 8). Eine analoge Anwendung von Vorschriften des Kostenverzeichnisses scheidet aus, weil nach § 1 GKG, dem Vorbehalt des Gesetzes entsprechend, sämtliche gerichtlichen Handlungen kostenfrei sind, für die das Gesetz einschließlich des zugehörigen Kostenverzeichnisses (§ 3 Abs. 2 GKG) nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt (BGH, Beschluss vom 12.03.2007 - II ZR 19/05 -, juris Rn. 3).

    III.

    Der Beschluss ist nach § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar. Das Verfahren ist nach § 66 Abs. 8 GKG gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

    RechtsgebietKostenrechtVorschriften§ 28 Abs. 1 S. 2 Nr. 9000 Nr. 1 lit. b Hs. 2 KV-GKG