17.11.2021 · IWW-Abrufnummer 225885
Bundesgerichtshof: Beschluss vom 29.09.2021 – VII ZB 12/21
Zur Zumutbarkeit der Benutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs zur Übermittlung der Berufungsbegründung an das Berufungsgericht (in der Zeit bis zum Eintritt der aktiven Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs für Rechtsanwälte ab dem 1. Januar 2022), wenn am Abend des Ablaufs der Berufungsbegründungsfrist eine Übermittlung per Telefax aus von der Prozessbevollmächtigten des Berufungsklägers nicht zu vertretenden Gründen - hier: Defekt des gerichtlichen Empfangsgerätes - scheitert.
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. September 2021 durch den Vorsitzenden Richter Pamp, die Richter Halfmeier, Dr. Kartzke und Prof. Dr. Jurgeleit sowie die Richterin Sacher
beschlossen:
Tenor:
Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Aurich vom 12. Januar 2021 aufgehoben.
Dem Beklagten wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Norden vom 6. August 2020 gewährt.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Gegenstandswert: 4.601,31 €
Gründe
I.
1
Der Kläger verlangt vom Beklagten die Zahlung restlichen Werklohns für Malerarbeiten.
2
Das Amtsgericht hat den Beklagten zur Zahlung von 4.610,31 € nebstZinsen verurteilt.
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Gegen dieses Urteil hat der Beklagte fristgerecht Berufung eingelegt.
4
Innerhalb der antragsgemäß bis zum 6. November 2020 verlängerten Frist zur Begründung der Berufung ist eine Berufungsbegründung beim Berufungsgericht nicht eingegangen. Mit Schriftsatz vom 9. November 2020 hat der Beklagte vorsorglich beantragt, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, und die Berufungsbegründung an diesem Tag an das Gericht übermittelt. Zur Begründung hat er unter anwaltlicher Versicherung seiner Prozessbevollmächtigten ausgeführt: Er sei ohne sein Verschulden gehindert gewesen, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten. Seine Prozessbevollmächtigte habe die Berufungsbegründungsschrift noch am 6. November 2020 per Telefax versandt. Der Schriftsatz habe aufgrund eines Defekts des Empfangsgeräts beim Gericht nicht empfangen beziehungsweise ausgedruckt werden können. Dies sei seiner Prozessbevollmächtigten am 9. November 2020 telefonisch mitgeteilt worden.
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Mit Verfügung vom 3. Dezember 2020 hat das Berufungsgericht den Beklagten unter Bezugnahme auf den Beschluss des Oberlandesgerichts Dresden vom 18. November 2019 - 4 U 2188/19 darauf hingewiesen, dass ein etwaiger Hinderungsgrund dazu, warum die Nutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs zur Übersendung der Berufungsbegründung nicht möglich gewesen sei, bislang nicht glaubhaft gemacht sei, und Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zehn Tagen gegeben.
6
Mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2020 hat der Beklagte unter anderem vorgetragen, dass seine Prozessbevollmächtigte zwar das besondere elektronische Anwaltspostfach nutze, ihr eine fristwahrende Übersendung der Berufungsbegründungsschrift jedoch mangels vorhandener Signaturfunktion auf der beA-Karte bereits technisch nicht möglich gewesen wäre.
7
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Berufungsgericht den Antrag des Beklagten, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu gewähren, zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen.
II.
8
Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt, dem Beklagten sei die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu versagen, weil er nicht glaubhaft gemacht habe, dass seine Prozessbevollmächtigte ohne Verschulden an der Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist gehindert gewesen sei.
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Soweit der Beklagte vortrage, dass es am Abend des 6. November 2020 nicht möglich gewesen sei, die Berufungsbegründung per Telefax an das Landgericht zu versenden, sei zunächst auszuführen, dass das Faxgerät des Landgerichts tatsächlich seit dem Abend des 5. November 2020 andauernd nicht funktioniert habe, also auch nicht am 6. November 2020.
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Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dürften zwar grundsätzlich die aus den technischen Gegebenheiten des Kommunikationsmittels Telefax herrührenden besonderen Risiken nicht auf den Nutzer dieses Mediums abgewälzt und die Anforderungen an die dem Prozessbevollmächtigten obliegende Sorgfalt nicht überspannt werden. Dies gelte insbesondere für Störungen des Empfangsgeräts des Gerichts. In einem solchen Fall liege die entscheidende Ursache für die Fristversäumung in der Sphäre des Gerichts. Von einem Rechtsanwalt, der sich und seine organisatorischen Vorkehrungen darauf eingerichtet habe, einen Schriftsatz weder selbst noch durch Boten oder per Post, sondern durch Telefax zu übermitteln, könne daher beim Scheitern der gewählten Übermittlung infolge eines Defekts des Empfangsgeräts nicht verlangt werden, dass er unter Aufbietung aller nur denkbaren Anstrengungen innerhalb kürzester Zeit eine andere als die gewählte Zugangsart sicherstelle.
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So wie es dem Prozessbevollmächtigten im Falle einer technischen Störung des Empfangsgeräts nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aber gleichwohl abverlangt werde, eine weitere Telefaxnummer des Gerichts in Erfahrung zu bringen und den Schriftsatz an dieses Empfangsgerät zu versenden, müsse dies auch für die Forderung gelten, im Anschluss an einen gescheiterten Telefaxversand eines fristgebundenen Schriftsatzes diesen über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) zu versenden.
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Dass in der Anwaltskanzlei der Prozessbevollmächtigten des Beklagten ein entsprechender Zugang existiere, ergebe sich bereits daraus, dass die Berufungsbegründung am 9. November 2020 tatsächlich über das besondere elektronische Anwaltspostfach bei Gericht eingereicht worden sei. Auch wenn bislang keine über § 49c BRAO hinausgehende aktive Nutzungspflicht vor dem 1. Januar 2022 bestehe, könne allein hieraus kein Anspruch eines Rechtsanwalts abgeleitet werden, vor dem 1. Januar 2022 die Versendung von Nachrichten über das Anwaltspostfach auch in Eilfällen ohne Grund verweigern zu dürfen. Vor diesem Hintergrund könne ein Rechtsanwalt nur dann nach einem gescheiterten Faxversuch eines fristgebundenen Schriftsatzes die Nutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs verweigern, wenn er glaubhaft mache, dass eine elektronische Übermittlung aus dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach heraus aufgrund technischer oder zwingender organisatorischer Einschränkung ebenfalls nicht möglich sei.
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Einen solchen Hinderungsgrund habe der Beklagte nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Vorliegend sei nämlich nicht ausgeschlossen, dass die Nichteinhaltung der Frist auf einen Organisationsmangel in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten des Beklagten zurückzuführen sei.
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Vorliegend sei zu berücksichtigen, dass die Prozessbevollmächtigte des Beklagten erst um 23:40 Uhr mit der Übersendung der Berufungsbegründung begonnen habe. Die Sorgfaltspflichten seien aufgrund dieser Ausschöpfung der Frist bis kurz vor deren Ablauf mithin besonders erhöht; etwaigen Übermittlungshindernissen wäre allein schon aufgrund des späten Zeitpunkts kaum noch zu begegnen gewesen.
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Hinzu komme, dass die Uhrzeit des Faxgeräts nicht zutreffend eingestellt gewesen sei. Zu den Akten eingereichte Sendeberichte wiesen Uhrzeiten von 0:13 Uhr und 0:16 Uhr aus. Hierzu sei vorgetragen und unter Eides Statt versichert worden, dass die Sendeberichte erst um etwa 0:00 Uhr ausgedruckt worden seien. Auf diesen Berichten hätten falsche Uhrzeiten gestanden.
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Soweit schließlich vorgetragen werde, dass die für das Verfahren zuständige Rechtsanwältin zwar das besondere elektronische Anwaltspostfach nutze, aber nicht über eine vorhandene Signaturfunktion auf der beA-Karte verfüge, weswegen ihr eine Übermittlung über das besondere elektronische Anwaltspostfach technisch nicht möglich gewesen sei, sei dieser Umstand allein der Organisation der Kanzlei geschuldet. Bei voller Ausschöpfung von Fristen wäre die Bereitstellung einer möglichen Übersendungsalternative durch die Nutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs angezeigt gewesen.
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Das Verschulden seiner Prozessbevollmächtigten müsse sich der Beklagte gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen.
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Mit seiner Rechtsbeschwerde erstrebt der Beklagte die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie die Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
III.
19
Die Rechtsbeschwerde des Beklagten führt zur Aufhebung des Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
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1. Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist zulässig. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Denn die angefochtene Entscheidung verletzt den Beklagten in seinen Verfahrensgrundrechten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), das den Gerichten verbietet, den Beteiligten den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 23. Januar 2019 - VII ZB 43/18 Rn. 8, NJW-RR 2019, 500; Beschluss vom 25. Februar 2021 - III ZB 34/20 Rn. 5, AnwBl 2021, 488).
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2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
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Der Beklagte hat zwar die Berufungsbegründungsfrist versäumt. Ihm war jedoch antragsgemäß Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil er ohne Verschulden seiner Prozessbevollmächtigten (vgl. § 85 Abs. 2 ZPO) an der Einhaltung der Frist für die Berufungsbegründung gehindert war (§ 233 Satz 1 ZPO) und rechtzeitig um Wiedereinsetzung nachgesucht (§ 234 ZPO) sowie die Übermittlung der Berufungsbegründung nachgeholt (§ 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO) hat.
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a) Die Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax ist in allen Gerichtszweigen uneingeschränkt zulässig. Wird dieser Übermittlungsweg durch ein Gericht eröffnet, so dürfen die aus den technischen Gegebenheiten des Kommunikationsmittels herrührenden besonderen Risiken nicht auf den Nutzer dieses Mediums abgewälzt werden. Das gilt insbesondere für Störungen des Empfangsgeräts im Gericht. In diesem Fall liegt die entscheidende Ursache für die Fristsäumnis in der Sphäre des Gerichts (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2020 - III ZB 31/20 Rn. 17 m.w.N., NJW 2021, 390). Dementsprechend hat der Versender mit der ordnungsgemäßen Nutzung eines funktionsfähigen Sendegeräts und der korrekten Eingabe der Empfängernummer grundsätzlich das seinerseits zur Fristwahrung Erforderliche getan, wenn er so rechtzeitig mit der Übermittlung beginnt, dass unter normalen Umständen mit ihrem Abschluss vor 0:00 Uhr zu rechnen ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 15. September 2020 - VI ZB 60/19 Rn. 9 m.w.N., NJW-RR 2021, 54).
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Dabei muss der Versender allerdings Verzögerungen einkalkulieren, mit denen üblicherweise zu rechnen ist, wozu schwankende Übertragungsgeschwindigkeiten und die Belegung des Telefaxempfangsgeräts bei Gericht durch andere eingehende Sendungen gehören. Derartigen Verzögerungen hat der Versender durch einen zeitlichen - zur geschätzten Übermittlungszeit hinzuzurechnenden Sicherheitszuschlag Rechnung zu tragen. Dieser Sicherheitszuschlag beträgt etwa 20 Minuten (vgl. BGH, Beschluss vom 15. September 2020 - VI ZB 60/19 Rn. 9 m.w.N., NJW-RR 2021, 54).
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Von einem Rechtsanwalt, der sich und seine organisatorischen Vorkehrungen darauf eingerichtet hat, einen Schriftsatz weder selbst noch durch Boten oder per Post, sondern durch Telefax zu übermitteln, kann beim Scheitern der gewählten Übermittlung infolge eines Defekts des Empfangsgeräts oder wegen Leitungsstörungen nicht verlangt werden, dass er innerhalb kürzester Zeit eine andere als die gewählte, vom Gericht offiziell eröffnete Zugangsart sicherstellt (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2020 - III ZB 31/20 Rn. 18, NJW 2012, 390). Wenn er feststellt, dass das Empfangsgerät gestört ist, ist es aber zumutbar, jedenfalls im gewählten Übermittlungsweg nach Alternativen zu suchen, die sich aufdrängen (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2020 - III ZB 31/20 Rn. 18, NJW 2012, 390; BGH, Beschluss vom 27. Juni 2017 - II ZB 22/16 Rn. 14, NJW-RR 2017, 1084).
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b) Unter Berücksichtigung dieser - im Ausgangspunkt auch vom Berufungsgericht zugrunde gelegten - Grundsätze liegt ein dem Beklagten zuzurechnendes Verschulden seiner Prozessbevollmächtigten (vgl. § 85 Abs. 2 ZPO) nicht vor. Es ist insbesondere nicht darin zu sehen, dass diese die Berufungsbegründung am 6. November 2020 nicht über das besondere elektronische Anwaltspostfach an das Berufungsgericht gesandt hat, nachdem dies mittels Telefax nicht möglich war.
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aa) Soweit das Berufungsgericht der Prozessbevollmächtigten des Beklagten anlastet, dass diese am 6. November 2020 erst um 23:40 Uhr mit der Übersendung der Berufungsbegründung begonnen habe, womit der gebotene Sicherheitszuschlag von etwa 20 Minuten zusätzlich zur geschätzten Übermittlungszeit (30 Sekunden pro Seite) nicht strikt eingehalten worden sei, hat sich dieser Verstoß nicht ausgewirkt. Für die unzutreffende Einstellung der Uhrzeit des Sendefaxgeräts gilt Entsprechendes. Denn nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen hat das Empfangstelefaxgerät des Berufungsgerichts seit dem Abend des 5. November 2020 andauernd nicht funktioniert, also auch nicht am 6. November 2020. Danach wäre auch ein Übersendungsversuch vor 23:40 Uhr unter zutreffender Einstellung der Uhrzeit des Sendefaxgeräts gescheitert.
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bb) Ein dem Beklagten zuzurechnendes Verschulden seiner Prozessbevollmächtigten ist auch nicht darin zu sehen, dass diese die Berufungsbegründung am 6. November 2020 nicht über das besondere elektronische Anwaltspostfach an das Berufungsgericht gesandt hat, nachdem dies mittels Telefax nicht möglich war.
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Ausgangspunkt der Beurteilung, ob die Versäumung einer Frist auf dem Verschulden der Partei oder ihres Prozessbevollmächtigten (§ 85 Abs. 2 ZPO) im Sinne von § 233 Satz 1 ZPO beruht, ist die Frage, ob die Partei mit den nach der jeweiligen prozessualen Lage gegebenen und zumutbaren Anstrengungen die Wahrung ihres rechtlichen Gehörs zu erlangen vermocht hätte. Auf diesem Grundsatz beruht die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs, dass von einem Rechtsanwalt, der sich und seine organisatorischen Vorkehrungen darauf eingerichtet hat, einen Schriftsatz weder selbst noch durch Boten oder per Post, sondern durch Telefax zu übermitteln, beim Scheitern der gewählten Übermittlung infolge eines Defekts des Empfangsgeräts nicht verlangt werden kann, dass er innerhalb kürzester Zeit eine andere als die gewählte, vom Gericht offiziell eröffnete Zugangsart sicherstellt (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2020 - III ZB 31/20 Rn. 24 m.w.N., NJW 2021, 390).
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Entscheidend ist somit neben der Möglichkeit einer bestimmten Übermittlungsart ihre Zumutbarkeit. Daher ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ebenfalls anerkannt, dass es dem Rechtsanwalt, wenn er feststellt, dass das Empfangsgerät gestört ist, zumutbar ist, jedenfalls im gewählten Übermittlungsweg nach Alternativen zu suchen, die sich aufdrängen. Maßgeblich ist hier der geringfügige Aufwand, der zur Nutzung der Übermittlungsalternative erforderlich gewesen wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2020 - III ZB 31/20 Rn. 25, NJW 2021, 390; Beschluss vom 27. Juni 2017 - II ZB 22/16 Rn. 14 m.w.N., NJW-RR 2017, 1084 Rn. 14).
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Der Bundesgerichtshof hat es für erwägenswert erachtet, auch einen anderen als den gewählten Übermittlungsweg als zumutbar im vorgenannten Sinne zu erachten, wenn dieser Weg sich aufdrängt und der hierfür erforderliche Aufwand geringfügig ist (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2020 - III ZB 31/20 Rn. 26, NJW 2021, 390; BGH, Beschluss vom 25. Februar 2021 - III ZB 34/20 Rn. 17, AnwBl 2021, 488). In diesem Rahmen kommt bei einer gescheiterten Übermittlung mittels Telefax eine Versendung über das besondere elektronische Anwaltspostfach unter anderem dann nicht in Betracht, wenn der Prozessbevollmächtigte mit seiner Nutzung nicht hinreichend vertraut ist (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2020 - III ZB 31/20 Rn. 26, NJW 2021, 390).
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Von einer Unzumutbarkeit ist vorliegend auszugehen.
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(1) Rechtsanwälte sind derzeit nur zur passiven Nutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs verpflichtet (§ 31a Abs. 6 BRAO). Bis zum Eintritt der aktiven Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs für Rechtsanwälte spätestens ab dem 1. Januar 2022 (vgl. § 130d ZPO in der ab dem 1. Januar 2022 geltenden Fassung) besteht für die Rechtsanwaltschaft keine allgemeine Pflicht, sich mit den Anforderungen und der Funktionsweise der Erstellung und des Versands elektronischer Dokumente auseinanderzusetzen. Dieser Übermittlungsweg stellt daher für einen Rechtsanwalt, der das besondere elektronische Anwaltspostfach bisher nicht aktiv genutzt und hierüber keine Dokumente versandt hat, keine sich aufdrängende, mit geringfügigem Aufwand nutzbare Alternative dar, wenn am Tag des Fristablaufs die von ihm gewählte Übermittlung mittels Telefax aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen scheitert. Es ist ihm nicht zuzumuten, sich innerhalb kurzer Zeit vor Fristablauf erstmals mit den Voraussetzungen dieser für ihn neuen Zugangsart vertraut zu machen (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2020 - III ZB 31/20 Rn. 28, NJW 2021, 390).
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(2) Vorliegend hat der Beklagte mit den Ausführungen im Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 18. Dezember 2020 glaubhaft gemacht (§ 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO), dass der Prozessbevollmächtigten die Nutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs nicht zumutbar war.
Pamp
Halfmeier
Kartzke
Jurgeleit
Sacher