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  • 10.05.2023 · IWW-Abrufnummer 235207

    Verwaltungsgerichtshof Bayern: Beschluss vom 09.02.2023 – 13a B 22.31201

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Verwaltungsgerichtshof Bayern

    Beschluss vom 09.02.2023


    AZ: 13a B 22.31201
    ** *** **********************

    gegen
    Bundesamt für Migration und Flüchtlinge,
    Referat 61E Prozessführung,
    Frankenstr. 210, 90461 Nürnberg,
    - Beklagter -

    wegen Verfahrens nach dem AsylG (Afghanistan);
    hier: Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München
    vom 19. August 2022,

    erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 13a. Senat, durch xxx ohne mündliche Verhandlung am 9. Februar 2023 folgenden

    Beschluss:

    Tenor:

    I.
    Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 19. August 2022 wird die Klage insgesamt abgewiesen.

    II.
    Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.

    III.
    Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

    IV.
    Die Revision wird nicht zugelassen.

    Gründe
    I.

    1
    1. Der am 8. Mai 1997 geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger tadschikischer Volkszugehörigkeit und sunnitisch-islamischen Glaubens. Nach der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland im Mai 2015 betrieb er zunächst erfolglos ein Asylverfahren. Die Rechtskraft des die Abschiebung androhenden ablehnenden Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 13. November 2017 trat am 13. Dezember 2018 ein.

    2
    Am 27. August 2020 ließ der Kläger durch seine Bevollmächtigte beim Bundesamt schriftlich einen Folgeantrag stellen. Die Bevollmächtigte legte dabei eine Vollmacht des Klägers für die Kanzlei "Rechtsanwälte Dr. M. G., O. S., S. D." vor. Die Bevollmächtigte selbst war nicht auf dieser vom Kläger unterzeichneten Vollmacht, aber auf dem Briefkopf der Kanzlei "Dr. G. und Kollegen" genannt (Bl. 7, 8 der vorgelegten Behördenakte - d.A.).

    3
    Mit Schreiben vom 1. Oktober 2020 an die Kanzlei "Dr. G. und Kollegen" lud das Bundesamt den Kläger zu einem Termin am 23. Oktober 2020. Daraufhin erklärte Rechtsanwalt Dr. G. mit Schreiben vom 5. Oktober 2020, dass die Kanzlei "Dr. G. und Kollegen" den Kläger nicht mehr vertrete und sich der Kläger in der Justizvollzugsanstalt (JVA) ******* befinde (Bl. 39, 42 d.A.). Am 15. Oktober 2020 teilte auch die Bevollmächtigte des Klägers mit, er werde zum für den 23. Oktober 2020 festgesetzten Anhörungstermin nicht erscheinen können, da er sich in Untersuchungshaft befinde. Die Mitteilung der Bevollmächtigten des Klägers erfolgte unter dem Briefkopf der Rechtsanwaltskanzlei D., auf deren Briefkopf sie nicht genannt war (Bl. 49 d.A.). Eine auf die Kanzlei D. oder die Bevollmächtigte persönlich lautende Vollmacht wurde nicht vorgelegt.

    4
    Das Bundesamt forderte mit Schreiben vom 23. Oktober 2020 gerichtet an die Kanzlei D. (Bl. 74 d.A.) die Bevollmächtigte des Klägers auf, eine auf sie lautende Vollmacht vorzulegen, da anderenfalls Schriftstücke an den Kläger persönlich geschickt werden müssten. Eine Vorlage der Vollmacht erfolgte zunächst nicht.

    5
    2. Mit dem streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamts, datiert auf den 23. Oktober 2020, wurde der Asylfolgeantrag als unzulässig abgelehnt (Nr. 1). Auch der Antrag auf Abänderung des Bescheids vom 13. November 2017 bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG wurde abgelehnt (Nr. 2). Auf den Inhalt des Bescheids wird Bezug genommen.

    6
    Vor dem Hintergrund der noch fehlenden Vollmacht entschied das Bundesamt am 30. Oktober 2020, den streitgegenständlichen Bescheid direkt an den Kläger zuzustellen und dessen Bevollmächtigter eine Kopie zu übermitteln (vgl. Aktenvermerke vom 30. Oktober 2020, Bl. 80, 95 d.A.). In der Folge veranlasste das Bundesamt die Zustellung des Bescheids mit Postzustellungsurkunde an den Kläger in der JVA *******. Das Schriftstück ging in der JVA am 3. November 2020 ein und wurde dort dem Personal der Anstalt übergeben (Bl. 104, 105 d.A.). Die JVA händigte das Schriftstück dem Kläger am 4. November 2020 aus (Bl. 99 d.A.). Dem Bescheid war eine auf eine zweiwöchige Klagefrist hinweisende Rechtsbehelfsbelehrung (Bl. 82 d.A.) beigefügt. Eine Kopie des Bescheids ging, ausdrücklich als "Kopie" bezeichnet, am 5. November 2020 bei der Bevollmächtigten des Klägers in der Rechtsanwaltskanzlei D. ein.

    7
    Mit Schreiben vom 18. November 2020 übermittelte die Bevollmächtigte des Klägers die vom Kläger am gleichen Tag unterzeichnete Vollmacht für die Rechtsanwaltskanzlei D. (Bl. 105, 106 der Behördenakte).

    8
    Mit Eingang beim Bayerischen Verwaltungsgericht München am 19. November 2020 ließ der Kläger durch seine Bevollmächtigte Klage erheben mit dem Antrag, die Beklagte unter Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids vom 23. Oktober 2020 zu verpflichten, das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen. Auf die Klagebegründung wird verwiesen.

    9
    Mit Schriftsatz vom 2. Februar 2021 beantragte das Bundesamt für die Beklagte, die Klage abzuweisen, da diese bereits unzulässig sei. Der streitgegenständliche Bescheid vom 23. Oktober 2020 sei am 3. November 2020 zugestellt worden, die zweiwöchige Klagefrist habe daher am 4. November 2020 zu laufen begonnen. Sie habe am 17. November 2020 geendet. Die Klage sei aber erst am 19. November bei Gericht eingegangen. Der streitgegenständliche Bescheid sei daher bereits bestandskräftig gewesen. Einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren werde zugestimmt.

    10
    Mit im schriftlichen Verfahren ergangenen Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 19. August 2022 (Az. M 25 K 20.33155) wurde das Verfahren eingestellt, soweit die Klage zurückgenommen wurde. Der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamts vom 23. Oktober 2020 wurde in seiner Ziffer 2 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistans vorliegen. Das Gericht führte dabei aus, der streitgegenständliche Bescheid sei dem Kläger am 4. November 2020 zugestellt worden, die Klage am 19. November 2020 erhoben worden. Auf den Vortrag der Beklagten zur Unzulässigkeit der Klage ging das Urteil nicht ein. Auf den Inhalt des Urteils wird Bezug genommen.

    11
    3. Auf Antrag der Beklagten hat der Senat die Berufung mit Beschluss vom 17. November 2022 (Az. 13a ZB 22.31044) wegen eines in § 138 VwGO bezeichneten Verfahrensfehlers zugelassen.

    12
    Zur Begründung ihrer Berufung hat die Beklagte auf die Ausführungen im Antrag auf Zulassung der Berufung vom 13. September 2022 verwiesen, mit denen sie erneut die Unzulässigkeit der Klage geltend gemacht hat. Der streitgegenständliche Bescheid sei am 3. November 2020 zugestellt worden, die Klage habe die zweiwöchige Klagefrist nicht eingehalten. Sie beantragt,

    13
    das erstinstanzliche Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 19. August 2022 (Az. M 25 K 20.33155) zu ändern und die Klage abzuweisen.

    14
    Der Kläger beantragt,

    15
    die Berufung als unbegründet zu verwerfen.

    16
    Der Kläger hat zur Begründung mit Schriftsätzen vom 5. Januar 2023 und 31. Januar 2023 erklären lassen, seitens der Bevollmächtigten sei mit Schreiben vom 15. Oktober 2020 mitgeteilt worden, dass der Mandant nicht zu einem Termin erscheinen werde. Weiter sei die Bevollmächtigte mit Schreiben vom 30. November 2020 seitens des Bundesamts drauf hingewiesen worden, dass der Kläger die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens beantragt habe. Das Bundesamt habe am 20. Oktober 2020 vermerkt, dass sie als Rechtsanwältin erfasst worden sei. Aus dem Rubrum des streitgegenständlichen Bescheids von 23. Oktober 2020 gehe hervor, dass die Kanzlei, in welcher die Unterzeichnerin tätig sei, als Vertreterin erfasst und in den Bescheid aufgenommen worden sei. Weiter sei auf Blatt 97 der Bundesamtsakte unter der Überschrift "XAVIA Entscheidungsübermittlung" die anwaltliche Vertretung durch die Kanzlei der Bevollmächtigten festgestellt und die Postempfangsbevollmächtigung bejaht worden. Es sei somit dem Bundesamt bekannt gewesen, dass die Bevollmächtigte den Kläger vertrete. Das Bundesamt selbst habe die Postempfangsbevollmächtigung bejaht. Nach § 167 Abs. 2 BGB könnten Vollmachten überdies formfrei erteilt werden. Es sei nicht zwingend erforderlich, dass die Vollmacht in Schriftform vorliege. Es sei mithin unschädlich, dass die Vollmacht erst am 18. November 2020 schriftlich beim Bundesamt eingereicht worden sei. Das Bundesamt habe zu keinem Zeitpunkt einen Hinweis auf § 31 Abs. 1 Satz 7, 5 AsylG vorgenommen. Die Regelung führe überdies zu einer gravierenden Einschränkung des effektiven Rechtsschutzes und begegne unionsrechtlichen Zweifeln. Die Rechtsbehelfsbelehrung sei überdies unrichtig gewesen, denn sie habe entgegen § 36 Abs. 3 Satz 2, § 29 Abs. 1 Nr. 1a AsylG i.V.m. der Dublin III-VO keinen Hinweis auf die Möglichkeit des gerichtlichen Eilrechtsschutzes enthalten. Es gelte deshalb nicht die zweiwöchige Klagefrist, sondern nach § 58 Abs. 2 VwGO die Jahresfrist. Somit sei bei Klageeingang am 19. November 2020 die Klagefrist noch nicht verstrichen gewesen.

    17
    Die Beteiligten sind mit gerichtlichen Schreiben vom 17. Januar 2023 zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 130a Satz 1 VwGO angehört worden. Mit Schriftsatz vom 31. Januar 2023 ist der Kläger dem entgegengetreten. Ein Einverständnis mit einer Entscheidung über die Berufung durch einstimmigen Beschluss bestehe nicht.

    18
    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

    II.

    19
    1. Das Gericht kann die Entscheidung nach Anhörung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung treffen, weil es die Berufung einstimmig für begründet hält und der entscheidungserhebliche Sachverhalt hinreichend geklärt ist, so dass eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist, § 130a Satz 1 VwGO. Die Entscheidung hierüber steht im Ermessen des Gerichts, wobei zu berücksichtigen ist, dass sich eine mündliche Verhandlung nach der Ausgestaltung des Prozessrechts als gesetzlicher Regelfall darstellt. Eine Entscheidung nach § 130a Satz 1 VwGO ohne mündliche Verhandlung wäre nur dann ausgeschlossen, wenn die Sache in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht außergewöhnliche Schwierigkeiten aufweist (vgl. zum Ganzen BVerwG, B.v. 29.6.2020 - 2 B 37.19 - juris; B.v. 8.6.2020 - 1 B 27.20 - juris; B.v. 10.7.2019 - 1 B 57.19 - juris jeweils m.w.N.). Das ist vorliegend nicht der Fall. Die Sache wirft keine Tatsachen- oder Rechtsfragen auf, die sich nicht unter Heranziehung der Akten und der schriftlichen Erklärungen der Parteien angemessen lösen ließen (BVerwG, B.v. 8.6.2020 a.a.O.). Das fehlende Einverständnis der Beteiligten steht einer Entscheidung nach § 130a Satz 1 VwGO nicht entgegen (BVerwG, B.v. 24.4.2017 - 6 B 17.17 - juris Rn. 15). Der Senat macht unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Kläger einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung entgegen getreten ist, dennoch Gebrauch von dieser Möglichkeit, weil weder eine weitere Sachaufklärung in einer mündlichen Verhandlung geeignet erscheint, neue Erkenntnisse zu den hier in Frage stehenden Abläufen zu Tage zu fördern, noch die vom Kläger vorgebrachten rechtlichen Gesichtspunkte Ansatzpunkte bieten, die zum Gegenstand einer mündlichen Verhandlung gemacht werden müssten. Es erscheint vielmehr sachgerecht, die vom Gesetzgeber in der Verwaltungsgerichtsordnung zur Verfügung gestellten Instrumente einer beschleunigten Verfahrensbearbeitung in Konstellationen wie der vorliegenden zu nutzen.

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    2. Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Insbesondere genügt die Begründung der Berufung den Anforderungen des § 78 Abs. 5 Satz 3 AsylG, § 124a Abs. 6, Abs. 3 Satz 4 VwGO. Sie ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung begründet worden. Ferner enthält sie einen bestimmten Antrag sowie die ausreichende Darlegung der Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Grundsätzlich ist nur erforderlich, dass die Gründe erkennen lassen, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art das angefochtene Urteil nach Ansicht des Berufungsklägers unrichtig ist und weshalb der Berufungskläger die tatsächliche oder rechtliche Würdigung des Verwaltungsgerichts in den angegebenen Punkten für fehlerhaft hält; Bezugnahmen sind möglich (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 27, 29). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entspricht eine Berufungsbegründung den Anforderungen des § 124a Abs. 6 VwGO, wenn durch die Bezugnahme auf die Begründung des Zulassungsantrags hinreichend zum Ausdruck gebracht wird, dass und weshalb das erstinstanzliche Urteil weiterhin angefochten wird. Gemessen hieran werden durch den Schriftsatz der Beklagten vom 24. November 2022 die an eine Berufungsbegründung zu stellenden Mindestanforderungen gerade noch erfüllt. Trotz der äußerst knappen Begründung lässt sich dem mit Schriftsatz vom 12. Januar 2023 ergänzten Begründungsschriftsatz durch Bezugnahme auf den ausführlichen Zulassungsantrag vom 13. September 2022 entnehmen, dass und aus welchen Gründen die Beklagte das Urteil für unrichtig hält.

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    3. Die Berufung ist auch begründet (§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 128 Satz 1 VwGO). Die Klage ist bereits unzulässig, weil mit Eingang der Klageschrift beim Verwaltungsgericht München am 19. November 2020 die Klagefrist nicht gewahrt wurde.

    22
    3.1. Anwendbar war im vorliegenden Fall die Klagefrist des § 74 Abs. 1 Halbs. 1 AsylG. Danach ist die Klage gegen Entscheidungen nach dem AsylG innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung zu erheben. Der Ausnahmefall des § 74 Abs. 1 Halbs. 2 AsylG ist hier nicht einschlägig. Danach wäre die Klage innerhalb einer Woche zu erheben, wenn der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO innerhalb einer Woche zu stellen ist. Das Gesetz verweist hier auf die Fälle des § 34a Abs. 2 Satz 1, Satz 3, § 36 Abs. 3 Satz 1, Satz 10 AsylG, von denen vorliegend keiner einschlägig ist. Insbesondere betraf der mit der Klage angegriffene streitgegenständliche Bescheid des Bundesamts vom 23. Oktober 2020 ein Folgeverfahren, enthielt aber gemäß § 71 Abs. 5 Halbs. 1 AsylG keine neue Abschiebungsandrohung im Sinne von § 36 Abs. 3 AsylG. Auch eine Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG enthielt der Bescheid nicht.

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    Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass vorliegend die Jahresfrist gemäß § 58 Abs. 2 VwGO gegolten hätte. Danach ist die Einlegung des Rechtsbehelfs innerhalb eines Jahres seit Zustellung des Bescheids zulässig, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung unrichtig erteilt ist. Das ist hier nicht der Fall. Eine Belehrung ist dann in diesem Sinn fehlerhaft, wenn sie die in § 58 Abs. 1 VwGO zwingend erforderlichen Angaben nicht enthält, diese unrichtig wiedergibt oder wenn sie geeignet ist, bei dem Betroffenen einen Irrtum über die formellen oder materiellen Voraussetzungen des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs hervorzurufen und ihn dadurch abzuhalten, den Rechtsbehelf überhaupt, rechtzeitig oder in der richtigen Form einzulegen. Entscheidend ist, welcher Eindruck bei einem (objektiven) Leser erweckt wird (stRspr., siehe nur BVerwG, B.v. 3.3.2016 - 3 PKH 5.15 - juris mit Verweis auf B.v. 31.8.2015 - 2 B 61.14 - NVwZ 2015, 1699; B.v. 16.11.2012 - 1 WB 3.12 - juris; U.v. 21.3.2002 - 4 C 2.01 - BayVBl 2002, 678).

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    Die dem streitgegenständlichen Bescheid vom 23. Oktober 2020 beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung genügt den Anforderungen des § 58 Abs. 1 VwGO. Als Rechtsbehelf ist zutreffend die Klage angegeben, die beim Verwaltungsgericht München einzureichen war. Die Belehrung wies auch auf die Zweiwochenfrist des § 74 Abs. 1 Halbs.1 AsylG hin. Der Vortrag des Klägers, es sei in der Rechtsbehelfsbelehrung entgegen den Anforderungen des § 36 Abs. 3 Satz 2 AsylG nicht auf die Möglichkeit des gerichtlichen Eilrechtsschutzes hingewiesen worden, geht fehl. Wie bereits dargestellt, lag mangels einer neuen Abschiebungsandrohung kein Fall des § 36 Abs. 3 AsylG vor. Ebenso war kein Fall einer Unzulässigkeit des Asylantrags aufgrund einer Zuständigkeit eines anderen Staats für das Asylverfahren nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG gegeben, so dass auch die Ausführungen des Klägers zu Art. 26 Abs. 2 Unterabs. 1 und Art. 27 Abs. 5 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (Dublin III-Verordnung) sowie zu § 31 Abs. 1 Satz 5, Satz 7 AsylG ins Leere gehen.

    25
    3.2. Maßgeblich für den Beginn der zweiwöchigen Klagefrist ist entgegen der Auffassung des Klägers vorliegend der Zeitpunkt der Zustellung des streitgegenständlichen Bescheids an den Kläger selbst und nicht der Zeitpunkt der Übermittlung der - so auch ausdrücklich bezeichneten - Kopie des Bescheids an seine Bevollmächtigte. Dem Kläger ist der streitgegenständliche Bescheid am 3. November 2020 durch Postzustellungsurkunde zugestellt worden.

    26
    3.2.1. Das Bundesamt durfte die Zustellung an den Kläger persönlich bewirken, obwohl dieser im Asylfolgeverfahren durch seine Bevollmächtigte anwaltlich vertreten war. Nach der einschlägigen Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG)können Zustellungen an den allgemeinen oder für bestimmte Angelegenheiten bestellten Bevollmächtigten gerichtet werden. Sie sind an ihn zu richten, wenn er eine schriftliche Vollmacht vorgelegt hat (§ 7 Abs. 1 Satz 2 VwZG).

    27
    Die Bevollmächtigte des Klägers hatte im Asylfolgeverfahren zwar ursprünglich eine vom Kläger unterzeichnete Vollmacht vorgelegt. Diese aber lautete auf die Kanzlei "Dr. M. G., O. S., S. D.", auf der Vollmacht war die Klägerbevollmächtigte nicht genannt. Diese Kanzlei teilte dem Bundesamt mit Schreiben vom 5. Oktober 2020 mit, den Kläger nicht mehr zu vertreten. Später wandte sich die Bevollmächtigte unter dem Briefkopf der Kanzlei D. an das Bundesamt. Eine Vollmacht des Klägers für die Kanzlei D. oder auch die Bevollmächtigte persönlich lag beim Bundesamt trotz gesonderter Aufforderung zum Zeitpunkt der am 30. Oktober 2020 veranlassten Zustellung des streitgegenständlichen Bescheids vom 23. Oktober 2020 nicht vor. Die Vollmacht wurde unstreitig erst am 18./19. November 2020 nachgereicht.

    28
    Im Fall des damit vorliegend gegebenen Fehlens einer schriftlichen Vollmacht handelt die Behörde bei der Zustellung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 VwZG unter Ausübung pflichtgemäßen Ermessens. Sie kann entweder an den Beteiligten oder stattdessen ausschließlich an dessen Bevollmächtigten oder an beide zustellen. Bei Nichtvorlage der schriftlichen Vollmacht führt die Zustellung an den Beteiligten selbst grundsätzlich zur Wirksamkeit der Bekanntgabe und zum Lauf etwaiger dadurch ausgelöster Rechtsbehelfsfristen (vgl. zu Art. 8 VwZVG: BayVGH, B.v. 23.2.2021 - 8 AS 20.40014 - juris Rn. 13 m.w.N.). Das ihm zukommende Ermessen hat das Bundesamt vorliegend durch Übermittlung an den Kläger persönlich und Übersendung einer Kopie an dessen Bevollmächtigte in rechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgeübt. Insbesondere bestand keine Rechtspflicht zur Zustellung alleine an die Bevollmächtigte aufgrund der früheren, durch schriftliche Vollmacht nachgewiesenen Bevollmächtigung der Kanzlei "Dr. M. G., O. S., S. D.", der damals die Bevollmächtigte des Klägers angehörte. Eine Ermessensreduzierung auf Null scheidet insoweit bereits deshalb aus, weil die Bevollmächtigte des Klägers auf dem Briefkopf der neuen Rechtsanwaltskanzlei D. nicht aufgeführt war. Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass sich das Bundesamt bei dieser Sachlage im Rahmen der Ermessensausübung für eine Zustellung an den Kläger persönlich und die Übermittlung einer Kopie an seine Bevollmächtigte entschieden hat. Schließlich kann auch aus dem vom Kläger betonten Umstand, dass das Bundesamt selbst im streitgegenständlichen Bescheid vom 23. Oktober 2020 von einer Bevollmächtigung der Kanzlei D. ausging, keine Rechtspflicht zur Zustellung an die Bevollmächtigte abgeleitet werden. Die gesetzliche Regelung des § 7 VwZG selbst setzt das Vorhandensein eines oder einer Bevollmächtigten gerade voraus und trifft die Differenzierung hinsichtlich der Rechtsfolgen sodann anhand des Vorliegens oder Nichtvorliegens einer schriftlichen Vollmacht. § 7 Abs. 1 Satz 2 VwZG sieht gerade nur nach deren Vorlage eine Pflicht zur Zustellung an den Bevollmächtigten vor. Hat der Bevollmächtigte umgekehrt eine schriftliche Vollmacht nicht vorgelegt, so verbleibt es bei dem der Behörde zukommenden Ermessen (§ 7 Abs. 1 Satz 1 VwZG).

    29
    3.2.2. Die Zustellung erfolgte vorliegend am 3. November 2020 im Wege der Ersatzzustellung nach § 3 Abs. 2 Satz 1 VwZG i.V.m. § 178 Abs. 1 Nr. 3 Zivilprozessordnung (ZPO) durch Übergabe an eine ermächtigte Vertreterin der JVA *******. Die Ersatzzustellung an einen Häftling nach § 178 Abs. 1 Nr. 3 ZPO setzt dabei nicht voraus, dass der Postzusteller sich zuvor vergeblich darum bemüht hat, den Häftling in der JVA anzutreffen und ihm das Schriftstück persönlich zu übergeben. Der Schriftwechsel im Bereich des Straf- und Untersuchungshaftvollzugs ist nach Art. 33 Abs. 1 Bayerisches Strafvollzugsgesetz (BayStVollzG), Art. 19 Abs. 4 Bayerisches Untersuchungshaftvollzugsgesetz (BayUVollzG) grundsätzlich durch die Anstalt zu vermitteln. Der Postzusteller ist mithin aus Rechtsgründen daran gehindert, den Häftling in der Justizvollzugsanstalt anzutreffen und ihm das zuzustellende Schriftstück persönlich zu übergeben. Er hat die Zustellung vielmehr unmittelbar an den Leiter der Justizvollzugsanstalt oder einen dazu ermächtigten Vertreter zu bewirken (vgl. OVG Lüneburg, B.v. 2.7.2019 - 13 LA 36/19 - juris Rn. 7 m.w.N.). Dies ist im vorliegenden Fall am 3.November 2020 geschehen. Die Übermittlung der Kopie an die Bevollmächtigte des Klägers am 5. November 2020 ist für den Beginn des Fristenlaufs ohne Belang.

    30
    3.3. Die zweiwöchige Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 1 AsylG begann danach am 4. November 2020 zu laufen (§ 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1 BGB). Sie endete mit Ablauf des 17. November 2020 (§ 188 Abs. 2 BGB) und wurde durch die am 19. November 2020 beim Verwaltungsgericht eingegangene Klageschrift nicht gewahrt. Selbst wenn mit dem Erstgericht auf den Eingang des Bescheids beim Kläger persönlich am 4. November 2020 abgestellt würde, wäre die Klagefrist bereits am 18. November abgelaufen und die am 19. November 2020 eingegangene Klage verfristet.

    31
    4. Die Klage war deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylG gerichtskostenfrei.

    32
    5. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708ff. ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO sind nicht gegeben.

    RechtsgebieteMandatsverhältnis, AsylverfahrenVorschriften§ 7 Abs. 1 S. 1 VwZG