06.09.2023 · IWW-Abrufnummer 237248
Oberlandesgericht Brandenburg: Urteil vom 12.12.2022 – 13 UF 164/22
Ein Wiedereinsetzungsantrag muss eine vollständige, aus sich heraus verständliche und geschlossene Schilderung enthalten, der sich entnehmen lässt, welche konkreten Umstände zum Versäumen der Frist geführt haben.
Tenor:
Der Antrag der Antragstellerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Bezug auf die Frist zur Begründung ihrer Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Nauen vom 24.08.2022 wird abgelehnt.
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Nauen vom 24.08.2022 wird als unzulässig verworfen.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Beschwerdewert wird festgesetzt auf 7.195 €.
Gründe
I.
Die beschwerdeführende Antragstellerin wendet sich gegen die teilweise Zurückweisung ihres Antrags auf Zahlung von Trennungsunterhalt gegen den Antragsgegner, ihrem von ihr seit Januar 2020 getrennt lebenden Ehemann, mit dem sie zwei Kinder hat, die bis Juni 2020 im Wechselmodell von ihr und dem Antragsgegner betreut wurden.
Die Antragstellerin hat gemeint, der Antragsgegner schulde ihr Trennungsunterhalt in der von ihr errechneten Höhe, denn sein Einkommen sei höher, als von ihm angenommen und in die Unterhaltsberechnung habe die Zahlung einer Nutzungsentschädigung für ihre mietfreie Nutzung des gemeinsamen Einfamilienhauses einzufließen.
Die Antragstellerin hat beantragt,
den Antragsgegner zu verpflichten, an sie für den Zeitraum Januar 2020 bis einschließlich Juni 2021 Trennungsunterhalt in Höhe von 7.824 € zu zahlen, sowie laufenden Trennungsunterhalt ab März 2022 in Höhe von 787 € zu zahlen.
Der Antragsgegner hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er hat vorgetragen, von ihm auf das Gemeinschaftskonto eingezahlte Beträge seien auf den Unterhalt zu verrechnen, die Antragstellerin habe ihr Einkommen nicht hinreichend dargelegt und eine Nutzungsentschädigung erhalte er nicht.
Mit dem angefochtenen Beschluss, auf den der Senat wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist (Bl. 335 ff.), hat das Amtsgericht den Antragsgegner zur Zahlung rückständigen Trennungsunterhalts für den Zeitraum Januar 2020 bis einschließlich Juni 2021 in Höhe von 5.969 € verpflichtet und weitergehende Ansprüche aufgrund einer eigenen Unterhaltsberechnung verneint.
Die Antragstellerin hat gegen den am 24.08.2022 erlassenen, ihr ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 25.08.2022 (Bl. 262 a) zugestellten Beschluss am 26.09.2022 beim Amtsgericht Beschwerde eingelegt (Bl. 381), wobei der 25.08.2022 ein Sonntag war. Mit gerichtlicher Verfügung vom 02.11.2022 (Bl. 4 e-Akte) wurde sie auf das Fehlen einer Beschwerdebegründung hingewiesen und darauf, dass ihre Beschwerde gemäß §§ 117 Abs. 1 S. 4 FamFG, 55 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen sei. Auf den ihr am 03.11.2022 zugestellten Hinweis (Bl. 17 e-Akte) hat sie mit Schriftsatz vom 03.11.2022 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und mit am selben Tag eingegangenem Schriftsatz die Beschwerde begründet.
Zur Wiedereinsetzung macht die Antragstellerin geltend, ihr Verfahrensbevollmächtigter habe die bereits Anfang Oktober gefertigte Beschwerdebegründung zunächst an sie gesandt. Ihre Anmerkungen habe ihr Verfahrensbevollmächtigter entgegen seiner üblichen Praxis nicht gleich eingearbeitet, da er eine bis 14.10.2022 erkrankte Rechtsanwältin der Kanzlei habe vertreten müssen. Die qualifizierte Vertreterin der eigentlich zuständigen aber bis 21.10.2022 urlaubsabwesenden Rechtsanwaltsfachangestellten sei nach einer Erkrankung bis 21.10.2022 erst den zweiten Tag wieder im Büro gewesen und habe versehentlich und ohne weitere Rücksprachen die Beschwerdebegründungsfrist gelöscht. Der Verfahrensbevollmächtigte habe selbst erst im Rahmen einer gewöhnlichen Wiedervorlage am 02.11.2022 den Vorgang wieder zur Bearbeitung erhalten. Dem Wiedereinsetzungsschriftsatz beigefügt waren Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, Urlaubszettel und ein Abschlusszeugnis der Mitarbeiterin, die die Beschwerdebegründungsfrist gelöscht hat.
Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr erstinstanzliches Begehren teilweise weiter.
Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist der Senat auf den Schriftsatzwechsel im Beschwerderechtszug.
II.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§§ 113 Abs. 1 FamFG, 233 ZPO) ist unbegründet.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nicht gewährt werden, wenn die Möglichkeit offen geblieben ist, dass die Einhaltung der Frist schuldhaft versäumt worden ist (vgl. BGH NJW 2006, 1520 [BGH 06.02.2006 - II ZB 1/05], Rn. 4 m.w.N.). So liegt es hier. Nach dem zugrunde zu legenden Sachvortrag der Antragstellerin lässt sich nicht feststellen, dass die Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist unverschuldet war, wobei sich die Antragstellerin das Verschulden ihres Verfahrensbevollmächtigten wie eigenes Verschulden zurechnen lassen muss (§§ 113 Abs. 1 FamFG, 85 Abs. 2 ZPO).
Ein Wiedereinsetzungsantrag erfordert nach §§ 113 Abs. 1 FamFG, 236 Abs. 2 S. 1 ZPO eine vollständige, aus sich heraus verständliche und geschlossene Schilderung, der sich entnehmen lässt, welche konkreten Umstände zum Versäumen der Frist geführt haben (BGH, NJW 2008, 3501 [BGH 03.07.2008 - IX ZB 169/07], Rn. 15; NJW-RR 2005, 793, 794 [BGH 14.03.2005 - II ZB 31/03]; Senat, Beschluss vom 13. Mai 2019 - 13 UF 94/18 -, Rn. 14 - 16, juris). Erforderlich ist eine genaue Darstellung aller Umstände, die zwischen Beginn und Ende der Frist liegen und für die Antwort auf die Frage bedeutsam sind, wie und durch wessen Verschulden die Frist versäumt wurde (BGH, VersR 1978, 942; Senat aaO.). Alle Einzelheiten sind vorzutragen, die nach den allgemeinen Erfahrungen über die Üblichkeiten beim Umgang mit Rechtsmittel- und Rechtsmittelbegründungsfristen oder nach den Besonderheiten des zu beurteilenden Falles von Bedeutung sein können. Wer vermeintlich Selbstverständliches nicht erwähnt (vgl. BGH, VersR 1978, 942, zum Erteilen des Berufungsauftrages an den Prozessbevollmächtigten) oder allgemeine, zusammenfassende Formulierungen verwendet, wo die Schilderung von Einzelheiten von Interesse sein kann (vgl. BGH, NJW 2002, 2107, 2108 [BGH 07.03.2002 - IX ZR 235/01], zur Aufgabe zur Post; NJW 2002, 2180, 2181 [BGH 21.02.2002 - IX ZA 10/01] zu den einzelnen Handlungen bei der Fristenkontrolle), genügt dieser Substantiierungslast nicht (Senat, aaO.).
Die Antragstellerin hat das Vorhandensein einer den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Organisation des Fristenwesens genügenden Fristenkontrolle im Büro ihres Verfahrensbevollmächtigten nicht dargetan.
Die Sorgfaltspflicht in Fristsachen verlangt von einem Rechtsanwalt, alles ihm Zumutbare zu tun, um die Wahrung von Rechtsmittelfristen zu gewährleisten. Grundsätzlich obliegen alle Aufgaben, die dem Ziel der ordnungsgemäßen Fristwahrung dienen, dem Rechtsanwalt persönlich (MünchKommZPO/Stackmann, 5. Aufl., § 233 Rn. 112; Senat aaO.)
Überlässt der Rechtsanwalt die Führung des Fristenkalenders einschließlich der Notierung und Überwachung von Fristen einer gut ausgebildeten, als zuverlässig erprobten und sorgfältig überwachten Fachkraft, hat er diese stichprobenartig zu überwachen, Vorkehrungen gegen eigenmächtige Fristveränderungen oder - wie hier - eigenmächtige Fristenlöschungen zu treffen und dies durch geeignete Anweisungen sicherzustellen (BGH NJW 2003, 1815 (1816); BeckOK ZPO/Wendtland, 46. Ed. 1.9.2022, ZPO § 233 Rn. 29). Zudem müssen sämtliche organisatorischen Maßnahmen überdies auch so beschaffen sein, dass unerwarteten Störungen des Geschäftsablaufs, etwa durch Überlastung oder wie hier durch noch nicht vollständig abgeklungene Erkrankung der zuständigen Angestellten, in geeigneter Weise begegnet werden kann (vgl. BGH NJW 2003, 1815, 1816 [BGH 05.02.2003 - VIII ZB 115/02]).
Zu derartigen Vorkehrungen, Anweisungen und Kontrollen hat die Antragstellerin bereits nichts vorgetragen. Sie hat sich im Wesentlichen darauf beschränkt, das Zeugnis der Mitarbeiterin ihres Verfahrensbevollmächtigten über eine abgeschlossene Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellen vorzulegen, woraus sich aber Erkenntnisse über eine ordnungsgemäße Organisation des Fristenwesens durch ihren Verfahrensbevollmächtigten selbst nicht gewinnen lassen.
Insbesondere lässt der Vortrag der Antragstellerin, die qualifizierten Mitarbeiterinnen ihres Verfahrensbevollmächtigten hätten "nicht optimal" gehandelt, und die Rechtsanwaltsfachangestellte E... hätte "die Frist nicht eigenmächtig streichen dürfen" (Bl. 18 eAkte) nicht erkennen, welche konkreten allgemeinen organisatorischen Vorkehrungen ihr Verfahrensbevollmächtigter zur Vermeidung versehentlicher bzw. eigenmächtiger Fristenstreichungen getroffen hat, und auf welche Weise er die Einhaltung entsprechender eindeutiger Anweisungen durch eine erforderliche zumindest stichprobenartige Kontrolle (vgl. BGH BeckRS 2012, 20503; NJW 2003, 1815 1816 [BGH 05.02.2003 - VIII ZB 115/02]) überprüft.
Alle Tatsachen, die für die Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Bedeutung sein können, sind innerhalb der Antragsfrist von einem Monat vorzutragen (§§ 117 Abs. 5 FamFG, 234 Abs. 1 S. 2 ZPO). Nach Ablauf dieser Frist können nur unklare und ergänzungsbedürftige Angaben erläutert und vervollständigt werden. Neuer Tatsachenvortrag über einzelne Handlungen, die für das Erkennen und Wahren der versäumten Frist von Bedeutung sind, bislang aber nicht erwähnt wurden, kann hingegen nicht nachgeschoben werden (BGH, NJW 1998, 2678, 2679 [BGH 12.05.1998 - VI ZB 10/98]; 2000, 365, 366 [BGH 05.10.1999 - VI ZB 22/99]; 2002, 2107, 2108 [BGH 07.03.2002 - IX ZR 235/01]; 2002, 2180, 2181 [BGH 21.02.2002 - IX ZA 10/01]; BGH, Beschluss vom 23. September 2015 - IV ZB 14/15 -, Rn. 11; Senat aaO.).
Damit ist der erst nach Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist - durch am 5.12.2022 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz - erfolgte Vortrag der Antragstellerin, dass eine "Verpflichtung, qualifiziertes Personal noch weitergehender zu kontrollieren, als das Fristen notiert werden, ihre Einhaltung kontrolliert wird und die Anweisung, dass Fristenstreichung nur dann erfolgen darf, wenn der Anwalt sie verfügt hat," nicht verlangt werden könne (Bl. 31 eAkte), bereits unbeachtlich, ohne dass es darauf ankommt, dass auch diesem Vorbringen nicht entnommen werden kann, auf welche Weise das angesprochene Fristenmanagement in der Kanzlei ihres Verfahrensbevollmächtigten allgemein organisiert ist und ob und auf gegebenenfalls welche Weise die generelle Einhaltung entsprechender klarer Anweisungen überprüft wird.
III.
Die Beschwerde ist unzulässig. Sie ist nicht innerhalb der nach § 117 Abs. 1 S. 3 FamFG bestimmten Frist begründet worden. Die angefochtene Entscheidung ist der Antragstellerin ausweislich der bei der Akte befindlichen Empfangsbekenntnisse (Bl. 262 a) am 25.08.2022 zu Händen ihres Verfahrensbevollmächtigten zugestellt worden. Bis zum Ablauf der zweimonatigen Beschwerdebegründungsfrist mit Ende des 25.10.2022 ist in dieser Sache eine Beschwerdebegründung beim Rechtsmittelgericht nicht eingegangen.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 113 Abs. 1 FamFG, 97 Abs. 1 ZPO.
Die Festsetzung des Verfahrenswertes folgt aus den §§ 55 Abs. 2, 51 Abs. 2 S. 1 FamGKG.
V.
Der Antragstellerin steht gegen diesen Beschluss die Rechtsbeschwerde zu (§ 117 Abs. 1 S. 4 FamFG, § 522 Abs. 1 S. 4 ZPO). Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat nach der Zustellung dieses Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen dort zugelassenen Rechtsanwalt einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss die Bezeichnung dieses Beschlusses und die Erklärung enthalten, dass gegen diesen Beschluss Rechtsbeschwerde eingelegt werde. Die Rechtsbeschwerdeschrift ist zu unterschreiben. Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt mit der Zustellung dieses Beschlusses. Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten: die Erklärung, inwieweit der Beschluss angefochten und dessen Aufhebung beantragt werde (Rechtsbeschwerdeanträge), die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt, und, soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.
Im Übrigen besteht kein Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§ 70 Abs. 2 FamFG).
Der Antrag der Antragstellerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Bezug auf die Frist zur Begründung ihrer Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Nauen vom 24.08.2022 wird abgelehnt.
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Nauen vom 24.08.2022 wird als unzulässig verworfen.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Beschwerdewert wird festgesetzt auf 7.195 €.
Gründe
I.
Die beschwerdeführende Antragstellerin wendet sich gegen die teilweise Zurückweisung ihres Antrags auf Zahlung von Trennungsunterhalt gegen den Antragsgegner, ihrem von ihr seit Januar 2020 getrennt lebenden Ehemann, mit dem sie zwei Kinder hat, die bis Juni 2020 im Wechselmodell von ihr und dem Antragsgegner betreut wurden.
Die Antragstellerin hat gemeint, der Antragsgegner schulde ihr Trennungsunterhalt in der von ihr errechneten Höhe, denn sein Einkommen sei höher, als von ihm angenommen und in die Unterhaltsberechnung habe die Zahlung einer Nutzungsentschädigung für ihre mietfreie Nutzung des gemeinsamen Einfamilienhauses einzufließen.
Die Antragstellerin hat beantragt,
den Antragsgegner zu verpflichten, an sie für den Zeitraum Januar 2020 bis einschließlich Juni 2021 Trennungsunterhalt in Höhe von 7.824 € zu zahlen, sowie laufenden Trennungsunterhalt ab März 2022 in Höhe von 787 € zu zahlen.
Der Antragsgegner hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er hat vorgetragen, von ihm auf das Gemeinschaftskonto eingezahlte Beträge seien auf den Unterhalt zu verrechnen, die Antragstellerin habe ihr Einkommen nicht hinreichend dargelegt und eine Nutzungsentschädigung erhalte er nicht.
Mit dem angefochtenen Beschluss, auf den der Senat wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist (Bl. 335 ff.), hat das Amtsgericht den Antragsgegner zur Zahlung rückständigen Trennungsunterhalts für den Zeitraum Januar 2020 bis einschließlich Juni 2021 in Höhe von 5.969 € verpflichtet und weitergehende Ansprüche aufgrund einer eigenen Unterhaltsberechnung verneint.
Die Antragstellerin hat gegen den am 24.08.2022 erlassenen, ihr ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 25.08.2022 (Bl. 262 a) zugestellten Beschluss am 26.09.2022 beim Amtsgericht Beschwerde eingelegt (Bl. 381), wobei der 25.08.2022 ein Sonntag war. Mit gerichtlicher Verfügung vom 02.11.2022 (Bl. 4 e-Akte) wurde sie auf das Fehlen einer Beschwerdebegründung hingewiesen und darauf, dass ihre Beschwerde gemäß §§ 117 Abs. 1 S. 4 FamFG, 55 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen sei. Auf den ihr am 03.11.2022 zugestellten Hinweis (Bl. 17 e-Akte) hat sie mit Schriftsatz vom 03.11.2022 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und mit am selben Tag eingegangenem Schriftsatz die Beschwerde begründet.
Zur Wiedereinsetzung macht die Antragstellerin geltend, ihr Verfahrensbevollmächtigter habe die bereits Anfang Oktober gefertigte Beschwerdebegründung zunächst an sie gesandt. Ihre Anmerkungen habe ihr Verfahrensbevollmächtigter entgegen seiner üblichen Praxis nicht gleich eingearbeitet, da er eine bis 14.10.2022 erkrankte Rechtsanwältin der Kanzlei habe vertreten müssen. Die qualifizierte Vertreterin der eigentlich zuständigen aber bis 21.10.2022 urlaubsabwesenden Rechtsanwaltsfachangestellten sei nach einer Erkrankung bis 21.10.2022 erst den zweiten Tag wieder im Büro gewesen und habe versehentlich und ohne weitere Rücksprachen die Beschwerdebegründungsfrist gelöscht. Der Verfahrensbevollmächtigte habe selbst erst im Rahmen einer gewöhnlichen Wiedervorlage am 02.11.2022 den Vorgang wieder zur Bearbeitung erhalten. Dem Wiedereinsetzungsschriftsatz beigefügt waren Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, Urlaubszettel und ein Abschlusszeugnis der Mitarbeiterin, die die Beschwerdebegründungsfrist gelöscht hat.
Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr erstinstanzliches Begehren teilweise weiter.
Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist der Senat auf den Schriftsatzwechsel im Beschwerderechtszug.
II.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§§ 113 Abs. 1 FamFG, 233 ZPO) ist unbegründet.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nicht gewährt werden, wenn die Möglichkeit offen geblieben ist, dass die Einhaltung der Frist schuldhaft versäumt worden ist (vgl. BGH NJW 2006, 1520 [BGH 06.02.2006 - II ZB 1/05], Rn. 4 m.w.N.). So liegt es hier. Nach dem zugrunde zu legenden Sachvortrag der Antragstellerin lässt sich nicht feststellen, dass die Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist unverschuldet war, wobei sich die Antragstellerin das Verschulden ihres Verfahrensbevollmächtigten wie eigenes Verschulden zurechnen lassen muss (§§ 113 Abs. 1 FamFG, 85 Abs. 2 ZPO).
Ein Wiedereinsetzungsantrag erfordert nach §§ 113 Abs. 1 FamFG, 236 Abs. 2 S. 1 ZPO eine vollständige, aus sich heraus verständliche und geschlossene Schilderung, der sich entnehmen lässt, welche konkreten Umstände zum Versäumen der Frist geführt haben (BGH, NJW 2008, 3501 [BGH 03.07.2008 - IX ZB 169/07], Rn. 15; NJW-RR 2005, 793, 794 [BGH 14.03.2005 - II ZB 31/03]; Senat, Beschluss vom 13. Mai 2019 - 13 UF 94/18 -, Rn. 14 - 16, juris). Erforderlich ist eine genaue Darstellung aller Umstände, die zwischen Beginn und Ende der Frist liegen und für die Antwort auf die Frage bedeutsam sind, wie und durch wessen Verschulden die Frist versäumt wurde (BGH, VersR 1978, 942; Senat aaO.). Alle Einzelheiten sind vorzutragen, die nach den allgemeinen Erfahrungen über die Üblichkeiten beim Umgang mit Rechtsmittel- und Rechtsmittelbegründungsfristen oder nach den Besonderheiten des zu beurteilenden Falles von Bedeutung sein können. Wer vermeintlich Selbstverständliches nicht erwähnt (vgl. BGH, VersR 1978, 942, zum Erteilen des Berufungsauftrages an den Prozessbevollmächtigten) oder allgemeine, zusammenfassende Formulierungen verwendet, wo die Schilderung von Einzelheiten von Interesse sein kann (vgl. BGH, NJW 2002, 2107, 2108 [BGH 07.03.2002 - IX ZR 235/01], zur Aufgabe zur Post; NJW 2002, 2180, 2181 [BGH 21.02.2002 - IX ZA 10/01] zu den einzelnen Handlungen bei der Fristenkontrolle), genügt dieser Substantiierungslast nicht (Senat, aaO.).
Die Antragstellerin hat das Vorhandensein einer den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Organisation des Fristenwesens genügenden Fristenkontrolle im Büro ihres Verfahrensbevollmächtigten nicht dargetan.
Die Sorgfaltspflicht in Fristsachen verlangt von einem Rechtsanwalt, alles ihm Zumutbare zu tun, um die Wahrung von Rechtsmittelfristen zu gewährleisten. Grundsätzlich obliegen alle Aufgaben, die dem Ziel der ordnungsgemäßen Fristwahrung dienen, dem Rechtsanwalt persönlich (MünchKommZPO/Stackmann, 5. Aufl., § 233 Rn. 112; Senat aaO.)
Überlässt der Rechtsanwalt die Führung des Fristenkalenders einschließlich der Notierung und Überwachung von Fristen einer gut ausgebildeten, als zuverlässig erprobten und sorgfältig überwachten Fachkraft, hat er diese stichprobenartig zu überwachen, Vorkehrungen gegen eigenmächtige Fristveränderungen oder - wie hier - eigenmächtige Fristenlöschungen zu treffen und dies durch geeignete Anweisungen sicherzustellen (BGH NJW 2003, 1815 (1816); BeckOK ZPO/Wendtland, 46. Ed. 1.9.2022, ZPO § 233 Rn. 29). Zudem müssen sämtliche organisatorischen Maßnahmen überdies auch so beschaffen sein, dass unerwarteten Störungen des Geschäftsablaufs, etwa durch Überlastung oder wie hier durch noch nicht vollständig abgeklungene Erkrankung der zuständigen Angestellten, in geeigneter Weise begegnet werden kann (vgl. BGH NJW 2003, 1815, 1816 [BGH 05.02.2003 - VIII ZB 115/02]).
Zu derartigen Vorkehrungen, Anweisungen und Kontrollen hat die Antragstellerin bereits nichts vorgetragen. Sie hat sich im Wesentlichen darauf beschränkt, das Zeugnis der Mitarbeiterin ihres Verfahrensbevollmächtigten über eine abgeschlossene Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellen vorzulegen, woraus sich aber Erkenntnisse über eine ordnungsgemäße Organisation des Fristenwesens durch ihren Verfahrensbevollmächtigten selbst nicht gewinnen lassen.
Insbesondere lässt der Vortrag der Antragstellerin, die qualifizierten Mitarbeiterinnen ihres Verfahrensbevollmächtigten hätten "nicht optimal" gehandelt, und die Rechtsanwaltsfachangestellte E... hätte "die Frist nicht eigenmächtig streichen dürfen" (Bl. 18 eAkte) nicht erkennen, welche konkreten allgemeinen organisatorischen Vorkehrungen ihr Verfahrensbevollmächtigter zur Vermeidung versehentlicher bzw. eigenmächtiger Fristenstreichungen getroffen hat, und auf welche Weise er die Einhaltung entsprechender eindeutiger Anweisungen durch eine erforderliche zumindest stichprobenartige Kontrolle (vgl. BGH BeckRS 2012, 20503; NJW 2003, 1815 1816 [BGH 05.02.2003 - VIII ZB 115/02]) überprüft.
Alle Tatsachen, die für die Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Bedeutung sein können, sind innerhalb der Antragsfrist von einem Monat vorzutragen (§§ 117 Abs. 5 FamFG, 234 Abs. 1 S. 2 ZPO). Nach Ablauf dieser Frist können nur unklare und ergänzungsbedürftige Angaben erläutert und vervollständigt werden. Neuer Tatsachenvortrag über einzelne Handlungen, die für das Erkennen und Wahren der versäumten Frist von Bedeutung sind, bislang aber nicht erwähnt wurden, kann hingegen nicht nachgeschoben werden (BGH, NJW 1998, 2678, 2679 [BGH 12.05.1998 - VI ZB 10/98]; 2000, 365, 366 [BGH 05.10.1999 - VI ZB 22/99]; 2002, 2107, 2108 [BGH 07.03.2002 - IX ZR 235/01]; 2002, 2180, 2181 [BGH 21.02.2002 - IX ZA 10/01]; BGH, Beschluss vom 23. September 2015 - IV ZB 14/15 -, Rn. 11; Senat aaO.).
Damit ist der erst nach Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist - durch am 5.12.2022 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz - erfolgte Vortrag der Antragstellerin, dass eine "Verpflichtung, qualifiziertes Personal noch weitergehender zu kontrollieren, als das Fristen notiert werden, ihre Einhaltung kontrolliert wird und die Anweisung, dass Fristenstreichung nur dann erfolgen darf, wenn der Anwalt sie verfügt hat," nicht verlangt werden könne (Bl. 31 eAkte), bereits unbeachtlich, ohne dass es darauf ankommt, dass auch diesem Vorbringen nicht entnommen werden kann, auf welche Weise das angesprochene Fristenmanagement in der Kanzlei ihres Verfahrensbevollmächtigten allgemein organisiert ist und ob und auf gegebenenfalls welche Weise die generelle Einhaltung entsprechender klarer Anweisungen überprüft wird.
III.
Die Beschwerde ist unzulässig. Sie ist nicht innerhalb der nach § 117 Abs. 1 S. 3 FamFG bestimmten Frist begründet worden. Die angefochtene Entscheidung ist der Antragstellerin ausweislich der bei der Akte befindlichen Empfangsbekenntnisse (Bl. 262 a) am 25.08.2022 zu Händen ihres Verfahrensbevollmächtigten zugestellt worden. Bis zum Ablauf der zweimonatigen Beschwerdebegründungsfrist mit Ende des 25.10.2022 ist in dieser Sache eine Beschwerdebegründung beim Rechtsmittelgericht nicht eingegangen.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 113 Abs. 1 FamFG, 97 Abs. 1 ZPO.
Die Festsetzung des Verfahrenswertes folgt aus den §§ 55 Abs. 2, 51 Abs. 2 S. 1 FamGKG.
V.
Der Antragstellerin steht gegen diesen Beschluss die Rechtsbeschwerde zu (§ 117 Abs. 1 S. 4 FamFG, § 522 Abs. 1 S. 4 ZPO). Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat nach der Zustellung dieses Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen dort zugelassenen Rechtsanwalt einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss die Bezeichnung dieses Beschlusses und die Erklärung enthalten, dass gegen diesen Beschluss Rechtsbeschwerde eingelegt werde. Die Rechtsbeschwerdeschrift ist zu unterschreiben. Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt mit der Zustellung dieses Beschlusses. Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten: die Erklärung, inwieweit der Beschluss angefochten und dessen Aufhebung beantragt werde (Rechtsbeschwerdeanträge), die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt, und, soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.
Im Übrigen besteht kein Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§ 70 Abs. 2 FamFG).