06.09.2023 · IWW-Abrufnummer 237249
Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen: Beschluss vom 09.03.2023 – 6 A 2407/22.A
Diese Entscheidung enhält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Der Antrag der Kläger auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Begründung ihres Antrags auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 26. August 2022 - 16 K 8034/18.A - wird abgelehnt.
Die Anhörungsrüge der Kläger vom 8. Dezember 2022 gegen den Beschluss des Senats vom 23. November 2022 im Verfahren 6 A 1953/22.A wird verworfen.
Die Kläger tragen die Kosten des Rügeverfahrens zu je einem Drittel.
G r ü n d e :
2I. Die beantragte Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung kommt nicht in Betracht. Die Kläger haben die versäumte Rechtshandlung - die Begründung ihres Antrags auf Zulassung der Berufung - nicht wie von § 60 Abs. 2 Satz 3 VwGO vorausgesetzt innerhalb der Antragsfrist nachgeholt. Die Antragsfrist, die gemäß § 60 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz VwGO einen Monat betrug, endete vorliegend (spätestens) mit Ablauf des 4. November 2022, nachdem der Senat den Prozessbevollmächtigten der Kläger mit am selben Tag zugegangener Verfügung vom 4. Oktober 2022 darauf hingewiesen hatte, dass eine Verlängerung der gesetzlichen Frist zur Begründung des Zulassungsantrags nicht möglich ist. Bis heute haben die Kläger indes keine Zulassungsbegründung vorgelegt.
3II. Der Senat entscheidet über die Anhörungsrüge in der Besetzung des Senats, wie sie sich aus dem aktuellen Geschäftsverteilungsplan des Oberverwaltungsgerichts ergibt.
4Vgl. zur Entscheidungszuständigkeit bei Anhörungsrügen Senatsbeschluss vom 10. September 2021 ‑ 6 B 1262/21 -, juris Rn. 1 ff.
51. Die Anhörungsrüge ist unzulässig, weil die Kläger sie nicht innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 152a Abs. 2 Satz 1 VwGO entsprechend den Anforderungen des § 152a Abs. 2 Satz 6 VwGO begründet haben. Danach muss die innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erhebende Anhörungsrüge die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen - die entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör - darlegen. Diese Frist endete hier mit Ablauf des 9. Dezember 2022, nachdem der angefochtene Senatsbeschluss dem Prozessbevollmächtigten der Kläger am 25. November 2022 zugestellt worden war. Innerhalb dieser Frist haben die Kläger die Anhörungsrüge zwar erhoben; es fehlte jedoch an einer Begründung, aus der sich ein Gehörsverstoß hätte ergeben können.
6Eine Wiedereinsetzung in die verstrichene Frist zur Begründung der Anhörungsrüge nach § 60 Abs. 1, Abs. 2 Satz 4 VwGO kommt nicht in Betracht, weil Wiedereinsetzungsgründe nicht ersichtlich sind. Die vom Prozessbevollmächtigten der Kläger vorgelegten Atteste beziehen sich auf den Zeitraum vom 12. bis zum 25. Dezember 2022 und vermögen daher nicht zu belegen, dass die Kläger bzw. ihr Prozessbevollmächtigter unverschuldet gehindert waren, die am 9. Dezember 2022 abgelaufene Frist für die Begründung der Anhörungsrüge einzuhalten. Selbst wenn die Arbeitsunfähigkeit des Prozessbevollmächtigten aufgrund einer subkapitalen Humerusfraktur links - wie er geltend macht - bereits seit dem 9. Dezember 2022 bestand, folgte daraus nichts anderes, weil nicht dargetan ist, dass er organisatorische Vorkehrungen für einen derartigen Fall unerwarteter Erkrankung getroffen hatte. Ein Einzelanwalt ist verpflichtet, ihm zumutbare Maßnahmen, zum Beispiel eine Absprache mit einem vertretungsbereiten Kollegen, zu ergreifen, die sicherstellen, dass auch bei einem unerwarteten Ausfall etwa infolge plötzlicher Erkrankung oder Unfalls jedenfalls unaufschiebbare Prozesshandlungen vorgenommen werden können.
7Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. August 2008 - 6 B 22.08 -, juris Rn. 15.
8Dafür ist nichts ersichtlich. Das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten wird den Klägern gemäß § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 85 Abs. 2 ZPO zugerechnet.
9Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob die Anhörungsrüge auch deshalb unzulässig ist, weil sie gegenüber dem - von den Klägern auch gestellten, hier aber erfolglos gebliebenen, s. o. - Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der versäumten Frist zur Begründung des Zulassungsantrags nach § 60 Abs. 1 VwGO subsidiär ist, der Wiedereinsetzungsantrag also als "anderer Rechtsbehelf" im Sinne von § 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VwGO anzusehen ist.
10Vgl. zum Verhältnis von Wiedereinsetzungsantrag und Anhörungsrüge OVG NRW, Beschluss vom 22. April 2013 - 18 B 991/12 -, AuAS 2013, 140 = juris Rn. 6 f., NK-VwGO/Guckelberger, 5. Aufl. 2018, VwGO § 152a Rn. 14, BeckOK VwGO/Kaufmann, 64. Ed. 1.1.2020, VwGO § 152a Rn. 9, Eyermann/Happ, 16. Aufl. 2022, VwGO § 152a Rn. 9, Schoch/Schneider/Rudisile, 43. EL August 2022, VwGO § 152a Rn. 17.
112. Ungeachtet dessen wäre die Anhörungsrüge auch unbegründet, weil mit der unter dem 6. März 2023 vorgelegten Begründung keine tatsächlichen Umstände dargelegt werden, aus denen sich ergeben könnte, dass der Senat den Anspruch der Kläger auf Gewährung rechtlichen Gehörs in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat (§ 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 6 VwGO).
12Anders als die Kläger meinen, folgt ein Gehörsverstoß nicht daraus, dass der Senat ihren Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 26. August 2022 - 16 K 8034/18.A - mit Beschluss vom 23. November 2022 - 6 A 1953/22.A - als unzulässig verworfen hat. Eine Begründung des Zulassungsantrags hatten sie innerhalb der hierfür geltenden Monatsfrist des § 78 Abs. 4 Sätze 1 und 4 AsylG nicht vorgelegt. Die von den Klägern unter dem 26. September 2022 beantragte Verlängerung der Frist zur Begründung ihres Zulassungsantrags konnte ihnen nicht gewährt werden, weil es sich hierbei um eine gesetzliche Frist handelt, die gemäß § 57 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 224 Abs. 2 ZPO nicht verlängert werden kann. § 224 Abs. 2 ZPO erlaubt eine Abkürzung oder Verlängerung von richterlichen und gesetzlichen Fristen, wenn hierfür erhebliche Gründe glaubhaft gemacht sind, für gesetzliche Fristen jedoch ausdrücklich "nur in den besonders bestimmten Fällen". Daraus folgt, dass eine im Gesetz bestimmte Frist nur dann verlängert werden kann, wenn das Gesetz selbst eine solche Verlängerungsmöglichkeit vorsieht.
13Vgl. Musielak/Voit/Stadler, 19. Aufl. 2022, ZPO § 224 Rn. 3; MüKoZPO/Stackmann, 6. Aufl. 2020, ZPO § 224 Rn. 4; BeckOK ZPO/Jaspersen, 47. Ed. 1. Dezember 2022, ZPO § 224 Rn. 8; Saenger/Wöstmann, Zivilprozessordnung, 9. Auflage 2021, § 224 Rn. 4.
14Dies ist im Hinblick auf die hier inmitten stehende Frist zur Begründung des Berufungszulassungsantrags nach § 78 Abs. 4 Sätze 1 und 4 AsylG nicht der Fall. Vor diesem Hintergrund kann keine Rede davon sein, dass - wie die Kläger meinen - die von Ihnen beantragte Fristverlängerung "unschwer und ohne unverhältnismäßige Verzögerung des Rechtsstreits (…) im Rahmen des richterlichen Ermessens [hätte] erteilt werden können und müssen".
15Mit ihrem Einwand, § 224 Abs. 2 ZPO genüge nicht dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot, weil sich nicht erschließe, wie die Fälle verlängerbarer gesetzlicher Fristen "besonders bestimmt" würden, dringen sie ebenfalls nicht durch. Wie gezeigt, nimmt § 224 Abs. 2 ZPO Bezug auf die im Einzelfall durch ein Gesetz ausdrücklich vorgesehene Möglichkeit der Verlängerung oder Abkürzung einer gesetzlichen Frist. Inwiefern dies dem Bestimmtheitsgebot nicht genügen könnte, erschließt sich nicht.
16Soweit die Kläger schließlich vortragen, es erscheine willkürlich, "warum die Frist zur Begründung eines Rechtsmittels oder Rechtsbehelfs auf Antrag und nach Glaubhaftmachung ohne weiteres möglich sein soll, die Begründung der Zulassung
17desselben - vorliegend der Berufung - allerdings nicht", bleibt schon der Sinngehalt dieses Einwands im Unklaren. Sofern damit gerügt werden soll, dass bestimmte gesetzliche Fristen zur Begründung eines Rechtsmittels aufgrund entsprechender gesetzlicher Regelungen auf Antrag verlängert werden können, die Frist zur Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung nach § 78 Abs. 4 Sätze 1 und 4 AsylG jedoch nicht, beruht die unterschiedliche gesetzliche Regelung auf sachlichen Gründen, insbesondere dem Ziel der Verfahrensbeschleunigung in Asylstreitverfahren, und rechtfertigt daher nicht den Vorwurf der Willkür.
18Vgl. zum Ziel der Verfahrensbeschleunigung im Asylrecht BeckOK AuslR/Seeger, 36. Ed. 1.1.2023, AsylG § 78 Rn. 1.
19Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO i. V. m. § 100 Abs. 1 ZPO.
20Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 und § 152a Abs. 4 Satz 3 VwGO).