20.11.2023 · IWW-Abrufnummer 238380
Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen: Urteil vom 20.10.2023 – 1 B 943/23
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberverwaltungsgericht NRW
Tenor:
Die Beschwerde wird verworfen.
Der Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird sowohl für das Beschwerdeverfahren als auch ‒ unter entsprechender Änderung der erstinstanzlichen Festsetzung von Amts wegen ‒ für das erstinstanzliche Verfahren auf jeweils 2.500,00 Euro festgesetzt.
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G r ü n d e
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Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist bereits unzulässig (dazu I.) und wäre darüber hinaus auch unbegründet (dazu II.).
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I. Die Beschwerde ist unzulässig. Die Antragstellerin hat sie nicht in der von § 55d Satz 1 VwGO vorgeschriebenen Form erhoben. Nach dieser Vorschrift sind vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln. Ist eine Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig (§ 55d Satz 3 VwGO). Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches Dokument nachzureichen (§ 55d Satz 4 VwGO).
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Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdeschrift vom 22. August 2023 nicht. Die Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin war als Rechtsanwältin gemäß § 55d Satz 1 VwGO zur elektronischen Übermittlung der Beschwerde verpflichtet. Die Beschwerde ist jedoch nicht als elektronisches Dokument, sondern per Telefax beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen eingegangen.
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Die Antragstellerin hat auch nicht glaubhaft gemacht, dass ihr eine Übermittlung der Beschwerdeschrift als elektronisches Dokument im Sinne von § 55d Satz 3 VwGO vorübergehend aus technischen Gründen unmöglich war. Hierzu führt sie in der Beschwerdeschrift lediglich aus, dass „trotz wiederholter und mehrfacher Versuche eine Übermittlung per beA nicht möglich“ gewesen sei. Nachweise für diese Versuche legt sie jedoch nicht vor. Insbesondere belegt die der Beschwerdeschrift beigefügte Mail der Zertifizierungsstelle der Bundesnotarkammer vom 22. August 2023 keine fehlgeschlagenen Übermittlungsversuche. Aus dieser automatisiert erstellten E-Mail ergibt sich lediglich, dass die Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin an diesem Tag eine Anfrage an die vorgenannte Zertifizierungsstelle gestellt hat. Welchen Inhalt diese Anfrage hatte, ergibt sich aus der E-Mail nicht mit der gebotenen Sicherheit. Die Betreffzeile der Mail („Re: Versand Pin-Brief […]) lässt es als möglich erscheinen, dass der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin die zur elektronischen Übermittlung erforderliche PIN nicht vorlag. Selbst wenn dies so gewesen sein sollte, läge hierin keine vorübergehende technische Unmöglichkeit im Sinne von § 55d Satz 3 VwGO. Diese Vorschrift entbindet professionelle Einreicher nicht von der Notwendigkeit, die notwendigen technischen Einrichtungen für die Einreichung elektronischer Dokumente vorzuhalten und bei technischen Ausfällen unverzüglich für Abhilfe zu sorgen.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10. März 2022‒ 19 E 147/22 ‒, juris, Rn. 4, unter Verweis auf den Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 17/12634 vom 6. März 2013, S. 28 (zur Parallelvorschrift des § 130d ZPO).
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Zu diesen vorzuhaltenden technischen Einrichtungen gehört nicht nur ein Lesegerät für die erforderliche Signaturkarte, sondern auch die PIN zur Autorisierung elektronischer Übermittlungen.
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II. Unabhängig von Vorstehendem wäre die Beschwerde auch unbegründet. Das mit Schriftsatz vom 22. August 2023 fristgerecht und durch eine Prozessbevollmächtigte i. S. v. § 67 Abs. 4 Satz 3 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 VwGO vorgebrachte Beschwerdevorbringen der Antragstellerin, auf dessen Prüfung der Senat im Beschwerdeverfahren nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, würde es nicht rechtfertigen, die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts abzuändern und dem sinngemäß weiterverfolgten Antrag der Antragstellerin zu entsprechen,
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im Wege der einstweiligen Anordnung das Dienstunfähigkeitsverfahren auszusetzen, zu überprüfen und die Begutachtung zu beenden.
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1. Das Verwaltungsgericht hat seine ablehnende Entscheidung damit begründet, dass der Antrag bereits unzulässig sei. Er sei nicht in der gemäß § 55d Satz 1 VwGO erforderlichen Form als elektronisches Dokument übermittelt worden. Weder die Einreichung der Antragsschrift per Telefax, noch die Übersendung einer Kopie in Papierform genügten der in §§ 55d Satz 1, 55a Abs. 3 Satz 1 VwGO vorgeschriebenen Form. Die Antragstellerin habe auch nicht glaubhaft gemacht, dass ihr die Übermittlung der Antragsschrift als elektronisches Dokument aus technischen Gründen gemäß § 55d Satz 3 und 4 VwGO vorübergehend unmöglich gewesen sei. Darüber hinaus sei der Antrag deshalb unzulässig, weil das Betreiben des Dienstunfähigkeitsverfahrens als reine behördliche Verfahrenshandlung im Sinne von § 44a Satz 1 VwGO nicht selbstständig angegriffen werden könne. Im Eilverfahren könne kein weitergehender Rechtsschutz als im Klageverfahren erlangt werden. In einem Hauptsacheverfahren könne wegen dieser Vorschrift nicht verlangt werden, das Verfahren zur Feststellung der Dienstunfähigkeit zu unterlassen. § 44a VwGO gelte auch für Anträge nach § 123 VwGO. Aus der Verpflichtung der Antragsgegnerin gemäß § 44 Abs. 3 Satz 1 SG, einen Berufssoldaten bei Dienstunfähigkeit in den Ruhestand zu versetzen, folge vielmehr, dass bei Hinweisen auf eine Dienstunfähigkeit der Sachverhalt nach dem dafür in § 44 Abs. 4 SG vorgesehenen Verfahren zu ermitteln sei. Eine gerichtliche Kontrolle, ob tatsächlich ausreichende Hinweise auf eine Dienstunfähigkeit für die Einleitung dieses Verfahrens bestanden hätten, erfolge nur im Rahmen des Rechtsschutzes gegen eine später ergehende rechtsschutzfähige Maßnahme. Die Antragstellerin wende sich vorliegend nicht gegen einen konkreten Befehl, zur Untersuchung vorstellig zu werden, sodass die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Kammerbeschluss vom 14. Januar 2022 ‒ 2 BvR 1528/21 ‒, juris) nicht einschlägig sei.
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2. Hiergegen macht die Antragstellerin geltend: Eine Übermittlung auch schon des Eilantrags per beA sei trotz wiederholter Versuche nicht möglich gewesen. Weiter führt sie aus: Sie müsse sich nicht gegen einen konkreten Befehl wenden, sondern es reichten die drohenden weiteren Maßnahmen, die durch Frau Regierungsamtfrau P. vorweg ohne Einhaltung des Dienstwegs übermittelt worden sein. Außerdem stehe im Gutachten der beratenden Ärztin, dass bei einer Wiedereinberufung der Antragstellerin eine Vorstellung beim Psychiater erforderlich sei. Damit sei der Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Januar 2022 ‒ 2 BvR 1528/21 ‒, juris, einschlägig. Zudem drohe der Antragstellerin bei einer Entlassung auch der Entzug der Approbation und damit der berufliche Ruin. Die entlassende Dienststelle könne keinen Facharztbefund vorweisen, der eine Entlassung rechtfertige. Das Truppenarztgutachten sei ohne Untersuchung und Gespräch von einem nicht promovierten Allgemeinarzt erstellt worden und nach der einschlägigen zentralen Dienstvorschrift daher nicht ausreichend. Die Gesundheitsziffer können nur durch einen Spezialisten vergeben werden. Das von der Antragsgegnerin gewünschte Ergebnis mit welchen Mitteln auch immer zustande zu bringen, sei in jeder Hinsicht rechtsmissbräuchlich. Das Truppendienstgericht Süd habe mit Beschluss vom 18. Juli 2020 bereits die Vorstellung der Antragstellerin bei einem Psychiater im 500 km entfernten Hamburg untersagt, weil die Gesundheit der Antragstellerin durch Gutachten seriöser Gutachter nachgewiesen sei. Dennoch sei ohne die Antragstellerin in Hamburg eine „Stellungnahme“ verfasst worden. Diese enthalte keine Diagnose einer Krankheit. Der Antragsgegnerin lägen mehrere Gutachten vor, nach denen die Antragstellerin gesund und dienstfähig sei.
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3. Dieses Vorbringen greift nicht durch.
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a) Es setzt sich schon nicht im Ansatz mit der Argumentation des Verwaltungsgerichts auseinander, der Antrag sei bereits mangels Wahrung der von § 55d Satz 1 VwGO vorgeschriebenen Form unzulässig. Gegen diese Begründung ist auch in der Sache nichts zu erinnern. Die Antragstellerin hat den Antrag am 13. Juli 2023 ‒ wie später auch die vorliegende Beschwerde ‒ durch ihre Rechtsanwältin per Telefax beim Verwaltungsgericht eingereicht. Dass hier eine elektronische Übermittlung der Antragsschrift im Sinne von § 55d Satz 3 VwGO vorübergehend technisch unmöglich war, ist nicht ersichtlich und wird von der Antragstellerin nicht substantiiert geltend gemacht.
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b) Auch die Begründung des Verwaltungsgerichts, der Antrag sei gemäß § 44a Satz 1 VwGO unzulässig, erschüttert die Antragstellerin mit dem Beschwerdevorbringen nicht. Ausweislich des erstinstanzlich gestellten Antrages wendet sich die Antragstellerin generell gegen die Durchführung des „Dienstunfähigkeitsverfahrens“, nicht aber gegen eine konkrete, bereits ergangene Einzelmaßnahme wie beispielsweise eine Aufforderung, sich ärztlich untersuchen zu lassen. Daher ist auch die von der Antragstellerin angesprochene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht einschlägig, die sich ausschließlich auf die Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung bezieht.
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Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 14. Januar 2022 ‒ 2 BvR 1528/21 ‒, juris, Rn. 3.
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Soweit sich die Antragstellerin auf weitere ‒ in der Beschwerdeschrift nicht näher spezifizierte ‒ durch Frau Regierungsamtfrau P. angedrohte Maßnahmen beruft, macht sie der Sache nach vorläufigen vorbeugenden Rechtsschutz geltend. Dieser erfordert ein qualifiziertes Rechtsschutzinteresse, das voraussetzt, dass es dem Betroffenen nicht zuzumuten ist, die befürchteten Maßnahmen der Verwaltung abzuwarten, und er nicht auf einen als ausreichend anzusehenden nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden kann.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Mai 1987 ‒ 3 C 53.85 ‒, juris, Rn. 25.
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Dass der Antragstellerin derartige Maßnahmen drohen, hat sie nicht dargelegt. Sollte sie zu diesen Maßnahmen die Versetzung in den Ruhestand zählen ‒ in der Antragsschrift führte die Antragstellerin aus, Frau Regierungsamtfrau P. habe „Schlussanhörungen“ wohl nach § 44 Abs. 4 Satz 2 SG versandt ‒, wäre der Antragstellerin jedenfalls zuzumuten, den Erlass der Verfügung zur Versetzung in den Ruhestand abzuwarten, um sodann erforderlichenfalls um geeigneten gerichtlichen Rechtsschutz nachzusuchen.
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Die Ausführungen der Antragstellerin zu den vorliegenden Gutachten betreffen die vom Verwaltungsgericht aufgeworfenen Zulässigkeitsfragen nicht und sind daher unerheblich.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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Die Festsetzung des Streitwerts für das erstinstanzliche Verfahren, die der Senat auf der Grundlage des § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 GKG unter Änderung der auf 5.000,00 Euro lautenden erstinstanzlichen Festsetzung vornimmt, beruht auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 und 2 GKG. Mangels genügender Anhaltspunkte für die Bemessung der Bedeutung der Sache für die Antragstellerin ist vom Auffangwert auszugehen, der mit Blick auf die Vorläufigkeit der angestrebten Regelung zu halbieren ist. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf den vorzitierten Vorschriften sowie zusätzlich auf § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG und folgt denselben Grundsätzen wie die korrigierte Festsetzung des Streitwerts für das erstinstanzliche Verfahren.
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Dieser Beschluss ist hinsichtlich der Streitwertfestsetzung nach den §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG und im Übrigen gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
RechtsgebietElektronischer Rechtsverkehr
Vorschriften§ 55d VwGO