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  • 07.02.2024 · IWW-Abrufnummer 239564

    Landgericht Bonn: Urteil vom 19.12.2023 – 5 S 34/23

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Landgericht Bonn


    Tenor:

    Auf die Berufung des Klägers wird das das Urteil des Amtsgerichts Bonn vom 28.03.2023 (112 C 136/22) teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

    Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft über die bei der Beklagten über den Kläger vorhandenen und verarbeiteten personenbezogenen Daten zu erteilen und ihm eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand einer Verarbeitung sind, zu überlassen.

    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

    Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

    Der Streitwert für die erste und zweite Instanz wird auf 1.800,00 EUR festgesetzt.

    1
    Az.:  5 S 34/23

    2
    112 C 136/22

    3
    Amtsgericht BonnVerkündet am:  19.12.2023

    4
    Landgericht Bonn

    5
    Urteil

    6
    In dem Rechtsstreit

    7
    in pp.

    8
    Spruchkörper: 5. Zivilkammer des Landgerichts Bonn

    9
    Vorinstanz:

    10
    Nachinstanz:

    11
    Leitsätze:

    12
    Normen:

    13
    Schlagwörter:

    14
    für Recht erkannt:

    15
    Auf die Berufung des Klägers wird das das Urteil des Amtsgerichts Bonn vom 28.03.2023 (112 C 136/22) teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

    16
    Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft über die bei der Beklagten über den Kläger vorhandenen und verarbeiteten personenbezogenen Daten zu erteilen und ihm eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand einer Verarbeitung sind, zu überlassen.

    17
    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

    18
    Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.

    19
    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    20
    Die Revision wird nicht zugelassen.

    21
    Der Streitwert für die erste und zweite Instanz wird auf 1.800,00 EUR festgesetzt.

    22
    Gründe:

    23
    I.

    24
    Der Kläger begehrte von der Beklagten ursprünglich, die Auskunft über von ihrer Kanzlei betrauten Verfahren in Bezug auf Honorar-, Gebühren- und den Sachstand. In der zweiten Instanz erweitert er diesen Antrag auf eine Datenauskunft gemäß Art. 15 Abs. 1 und 3 DSGVO i.V.m. Art. 4 Nr. 1 und 6 DSGVO.

    25
    Der Kläger war Mandant des Rechtsanwalts A, welcher bis zum Jahr 2018 in der Anwaltssozietät der Beklagten tätig war und im Anschluss eine eigene Kanzlei eröffnete. Das Amtsgericht hat die Klage mit Urteil vom 28.03.2023 vollumfänglich abgewiesen. In seiner Begründung führt das Amtsgericht aus, dass der Auskunftsanspruch - soweit er sich auf Verfahren und Mandate bezieht die bis zum Jahr 2018 beendet worden sind - verjährt sei. Für die weiteren Verfahren, welche der Rechtsanwalt A nach dem Ausscheiden aus der Sozietät aus der neuen Kanzlei weitergeführt habe, sei die beklagte Kanzlei nicht der richtige Anspruchsgegner.

    26
    Mit der Berufungsbegründung vom 26.04.2023 wendet sich der Kläger in vollem Umfang gegen das amtsgerichtliche Urteil.

    27
    Er rügt, dass sich das Amtsgericht nicht über den Auskunftsanspruch nach §§ 675, 666, 667 BGB hinaus auch noch mit einer möglichen Anspruchsgrundlage nach Art. 15 Abs. 1,3 DSGVO auseinandergesetzt hat. Dieser Anspruch stünde dem Kläger jedenfalls unabhängig von einer etwaigen Verjährung des Auskunftsanspruchs zu.

    28
    Mit Schriftsatz vom 27.11.2023 erklärt der Kläger seinen Anspruch - im Hinblick auf ihm bereits durch Dritte übermittelte Informationen ‒ unter Bezugnahme auf die Anlagen 1 bis 10 des Schriftsatzes für erledigt. Die Beklagte hat sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen.

    29
    Der Kläger beantragt nunmehr sinngemäß,

    30
    1. das Urteil des Amtsgerichts Bonn, 112 C 136/22, vom 28.3.2023 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Ausgangsgericht zurück zu verweisen,

    31
    2. hilfsweise zu 1.), das Urteil des Amtsgerichts Bonn, 112 C 136/22, vom 28.3.2023 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Auskunft über den Honorar-, Gebühren- und Sachstand betreffend sämtliche bei der Beklagten registrierten Verfahren, insbesondere zu den intern vergebenen Aktenzeichen c3/1X, c4/1X, c5/1X, c6/1X, c7/1X, c7/1X, c8/1X, c9/1X, c10/1X, c11/1X und c12/1X und zugehörende Abschlussrechnungen zu erteilen, einschließlich einer Datenauskunft gem. Art. 15 Abs. 1 und 3 DSGVO i.V.m. Art. 4 Nr. 1 und 6 DSGVO zu den bei der Beklagten über ihn vorhandenen personenbezogenen Daten,

    32
    3. festzustellen, dass sich der Antrag zu 2. im Umfang der Anlagen 1 ‒ 10 zu seinem Schriftsatz vom 27.11.2023 erledigt hat.

    33
    Die Beklagte beantragt,

    34
    die Berufung zurückzuweisen.

    35
    Sie ist der Auffassung, die in der Berufung nun angeführte Erteilung einer Datenauskunft nach § 15 Abs. 1 und 3 DSGVO halte sich nicht in den Grenzen des § 253 Abs. 2 ZPO.

    36
    Das Amtsgericht habe die Klage zudem zutreffend abgewiesen, da die Auskunftsansprüche des Klägers aus dem Auftragsrecht des BGB verjährt seien.

    37
    II.

    38
    Auf die zulässige Berufung hin war die Beklagte nach der Klageerweiterung zur Datenauskunft nach Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 DSGVO zu verurteilen. Im Übrigen bleibt es bei der Klageabweisung.

    39
    1.

    40
    Die formalen Voraussetzungen nach § 520 Abs. 3 S. 2 ZPO sind erfüllt. Die Klageänderung in Form der Klageerweiterung auf Auskunftsansprüche nach Art. 15 Abs. 1 und 3 DSGVO ist zulässig, da diese sachdienlich im Sinne des § 533 Nr. 2 ZPO ist. Die Sachdienlichkeit einer Klageänderung ist dabei nicht kleinlich zu beurteilen, sie ist im Sinne der doppelten Nutzung des Streitsstoffs schon immer dann zu bejahen, wenn damit bei objektiver Betrachtung der Streit zwischen den Parteien endgültig erledigt und einem weiteren Prozess vorgebeugt wird (MüKoZPO/Rimmelspacher, 6. Aufl. 2020, ZPO § 533 Rn. 13). Gründe für eine Zurückverweisung (§ 538 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.

    41
    2.

    42
    Die Klage ist im Hinblick auf die Klageerweiterung begründet. Der ursprünglich in der ersten Instanz geltend gemachte Auskunftsanspruch gemäß §§ 675, 667 BGB ist hingegen unbegründet.

    43
    a)

    44
    Der Antrag des Klägers ist zunächst so auszulegen, dass er weiterhin den konkret formulierten Auskunftsantrag in Bezug auf die Honorare, Gebühren und den Sachstand der von ihm in Bezug genommenen Verfahren gemäß §§ 675, 667 BGB geltend macht und er darüber hinaus zusätzlich eine Datenauskunft gemäß Art. 15 Abs. 1 und 3 DSGVO begehrt. Sofern er die Formulierung „einschließlich“ wählt, so ist dies auf die Verurteilung zur Auskunft zu beziehen und nicht als Einschränkung in Bezug auf die begehrte Datenauskunft.

    45
    Die von dem Kläger erklärte teilweise Erledigung aus dem Schriftsatz vom 27.11.2023 bezieht sich folglich nur auf den konkret geltend gemachten Auskunftsantrag nach §§ 675, 667 BGB, da der Datenauskunftsklageantrag selbst schon hinreichend bestimmt ist, wenn er dem Wortlaut des Art. 15 Abs. 1 Halbsatz 2 DS-GVO entsprechend auf Erteilung einer vollständigen Auskunft über die der verantwortlichen Stelle verarbeiteten personenbezogenen Daten des Betroffenen gerichtet ist. Eine Spezifizierung dieser Daten ist grundsätzlich nicht erforderlich (vgl. OLG Köln, Urteil vom 10. August 2023 ‒ I-15 U 78/22 ‒, juris - Rn. 29). Der Anspruch besteht, sofern die Datenauskunft nicht vollständig erfüllt ist.

    46
    Art. 15 DSGVO enthält nach der jüngsten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs einen einheitlichen Auskunftsanspruch. Dieser einheitliche Anspruch muss grundsätzlich ohne eine Spezifizierung der personenbezogenen Daten einheitlich geltend gemacht werden können (vgl. OLG Köln, Urteil vom 10. August 2023 ‒ I-15 U 78/22 ‒, juris - Rn. 30). Die Aufnahme von Beschränkung und/oder Klarstellungen sind daher nicht erforderlich und im Rahmen der Auskunftsklage überflüssig. Die Beschränkung würde lediglich klarstellen, das bereits erteilte Auskünfte gegebenenfalls nicht wiederholt werden müssen.

    47
    b)

    48
    Zutreffend hat das Amtsgericht zunächst die Auskunftsansprüche in Bezug auf konkrete Auskünfte betreffend das Mandatsverhältnis des Klägers mit der Beklagten gemäß §§ 675, 667 BGB wegen der Einrede der Verjährung abgewiesen. Dementsprechend ist auch der sinngemäße Antrag des Klägers auf Feststellung der Erledigung unbegründet.

    49
    Mit der Mandatsannahme wird ein Dienstvertrag geschlossen auf den die Vorschriften der §§ 666, 667 BGB Anwendung finden. Danach ist zur Auskunft und Rechenschaft verpflichtet, wer von einem anderen zur entgeltlichen Besorgung von Geschäften beauftragt wird. Nach unstreitigem Vortrag hat der Kläger mit der Beklagten einen solchen Vertrag geschlossen. Die Mandate die dort beendet worden sind waren alle spätestens im Jahr 2018 abgeschlossen. Die Mandate die danach weiterbearbeitet wurden hat der sachbearbeitende Rechtsanwalt A mit in seine neue Kanzlei genommen. Die Klage wurde erst im November 2022 eingereicht, zu diesem Zeitpunkt war der Anspruch bereits verjährt, denn Verjährung ist bereits mit Ablauf des 31.12.2023 eingetreten.

    50
    Die Verjährungsfrist des Auskunftsanspruchs beträgt gemäß § 195 BGB grundsätzlich drei Jahre und beginnt mit der Beendigung des erteilten Auftrages (vgl. OLG Koblenz 3 U 540/14 ‒, juris Rn. 31) und nicht erst mit der Geltendmachung des Auskunftsanspruchs. Diese Auffassung wird auch durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 15.10.2020 (AZ. IX ZR 243/19) gestützt. Demnach verjährt der Anspruch auf Herausgabe der Handakten nach den bürgerlich-rechtlichen Vorschriften und wird spätestens mit der Beendigung des Mandatsverhältnisses fällig. Der Bundesgerichtshof hat in dieser Entscheidung auch klargestellt, dass der Herausgabeanspruch aus § 667 BGB unabhängig davon besteht und verjährt, ob den Rechtsanwalt eine Aufbewahrungspflicht nach § 50 Abs. 2 S. 3 BRAO trifft. Die berufsrechtlichen Bestimmungen über die Länge der Aufbewahrungsfrist haben keinen Einfluss auf den Lauf der Verjährung (BGH, Urteil vom 15. Oktober 2020 ‒ IX ZR 243/19 ‒, juris Rn. 18).

    51
    c)

    52
    Der Anspruch auf Datenauskunft des Klägers gegen die Beklagte gemäß Art. 15 Abs. 1 und 3 DSGVO hingegen besteht. Der Kläger hat einen Anspruch darauf, dass ihm eine originalgetreue und verständliche Reproduktion aller dieser Daten überlassen wird (vgl. so auch EuGH, Urteil vom 26. Oktober 2023 ‒ C-307/22 ‒, juris).

    53
    Für den zu entscheidenden Fall im Rahmen eines Arzt-Patienten-Verhältnisses hat der EuGH darüber hinaus wie folgt ausgeführt:

    54
    „Dieses Recht setzt voraus, eine vollständige Kopie der Dokumente zu erhalten, die sich in der Patientenakte befinden und unter anderem diese Daten enthalten, wenn die Zurverfügungstellung einer solchen Kopie erforderlich ist, um der betroffenen Person die Überprüfung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Daten zu ermöglichen und die Verständlichkeit der Daten zu gewährleisten. In Bezug auf die Gesundheitsdaten der betroffenen Person schließt dieses Recht jedenfalls das Recht ein, eine Kopie der Daten aus ihrer Patientenakte zu erhalten, die Informationen wie beispielsweise Diagnosen, Untersuchungsergebnisse, Befunde der behandelnden Ärzte und Angaben zu an ihr vorgenommenen Behandlungen oder Eingriffen umfasst.“

    55
    Diese Wertung ist auf den vorliegenden Fall übertragbar. Dem Kläger steht im Rahmen des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 Abs. 1, 3 DSGVO ein Anspruch auf Überlassung einer kostenlosen Kopie der Handakte der Beklagten sowie der sonstigen im Zusammenhang mit seiner Person gespeicherte Daten zu. Die eingewandte Verjährung der Beklagten greift im Rahmen des Art. 15 Abs. 1, 3 DSGVO nicht ein.

    56
    III.

    57
    1.

    58
    Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1 S.1 ZPO. Im Hinblick darauf, dass der Kläger mit dem Auskunftsanspruch nach §§ 675, 667 BGB unterliegt, jedoch mit dem Anspruch nach Art. 15 Abs. 1 und 3 DSGVO obsiegt, ist eine Kostenteilung angemessen. Die Anwendung von § 97 Abs. 2 ZPO bleibt im Hinblick auf die in der ersten Instanz zunächst nicht bewilligte Prozesskostenhilfe außer Betracht.

    59
    2.

    60
    Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

    61
    3.

    62
    Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder eine grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

    63
    4.

    64
    Der Streitwert für die erste Instanz war gemäß § 63 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 GKG anzupassen und wird mit fünf Prozent der gezahlten Honorare in Höhe von 36.000,00 EUR angesetzt. Der Kläger begehrt die Auskunft vorrangig um etwaige Rückforderungsansprüche geltend zu machen. Der Streitwert ist daher mit einem Bruchteil nach § 3 ZPO zu schätzen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Kläger selbst nicht davon ausgeht, dass er die gesamten Honorare zurückverlangen kann, sondern möglicherweisen nur einen überzahlten Teilbetrag. Der Bruchteil war dementsprechend gering anzusetzen.

    65
    Dem allgemeinen Anspruch auf Datenauskunft kommt darüber hinaus kein eigenständiger über diesen Anspruch hinausgehender Wert zu. Isoliert betrachtet wäre für ihn auch lediglich mit einem Streitwert von 500,00 EUR zu bemessen (vgl. so auch OLG Köln, Urteil vom 10. August 2023 ‒ I-15 U 78/22 ‒, juris Rn. 38), so dass für diesen Anspruch auch kein höherer Streitwert als die schon festgesetzten 1.800,00 EUR in Betracht kommt.

    RechtsgebieteAuskunfts- und Herausgabeanspruch, HandakteVorschriften§ 194 BGB