14.02.2024 · IWW-Abrufnummer 239734
Arbeitsgericht Stuttgart: Urteil vom 12.12.2023 – 25 Ca 749/23
1. Sofern eine aktive Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs gemäß § 46g ArbGG (iVm. § 253 Abs. 4 ZPO) besteht, kann eine per Post oder Fax eingegangene Klageschrift - abgesehen von den Fällen der zulässigen Ersatzeinreichung gemäß § 46g Satz 3 ArbGG - die Dreiwochenfrist aus § 17 Satz 1 TzBfG bzw. § 4 Satz 1 KSchG nicht wahren.
2. Die zwingende Einreichung von Erklärungen in der elektronischen Form nach § 46g ArbGG betrifft die Frage ihrer Zulässigkeit und ist von Amts wegen zu prüfen.
3. Die Verbandssyndikusrechtsanwälte einer Gewerkschaft unterliegen auch dann der aktiven Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs, wenn sie lediglich als "Rechtssekretäre" bzw. "Gewerkschaftssekretäre" auftreten.
4. Der Rechtsirrtum eines (Verbandssyndikus)Rechtsanwalts ist regelmäßig nicht unverschuldet. Wenn die Rechtslage zweifelhaft ist, muss der bevollmächtigte Anwalt bis zur höchstrichterlichen Klärung den sicheren Weg wählen. Dies gilt besonders bei fristgebundenen Schriftsätzen.
5. Die papierhafte Einreichung einer Befristungskontrollklage durch einen Verbandssyndikusrechtsanwalt nach dem 01.01.2022 ist verschuldet. Es gibt keinen Rechtssatz dergestalt, dass das Vertrauen auf die Gefolgschaft der Instanzgerichte betreffend eine in der Literatur geäußerten Rechtsansicht "ihres" Präsidenten des Landesarbeitsgerichts ein Verschulden im jeweiligen Gerichtsbezirk ausschließen könnte.
6. Das allgemeine Prozessgrundrecht auf ein faires Verfahren kann zwar eine gerichtliche Hinweispflicht im ordnungsgemäßen Geschäftsgang auslösen, wenn ein fristgebundener Schriftsatz nicht in der vorgesehenen Form übermittelt worden ist. Hieraus folgt indes keine Pflicht zur unverzüglichen Prüfung einer (nicht offen gelegten) Rechtsanwaltszulassung unter Nutzung des allgemein zugänglichen bundesweiten Anwaltsverzeichnisses (https://bravsearch.bea-brak.de/bravsearch/index.brak).
7. Selbst bei offen gelegter Rechtsanwaltszulassung besteht jedenfalls keine Pflicht zur sofortigen Hinweiserteilung, weil wegen der Möglichkeit einer zulässigen Ersatzeinreichung im Zeitpunkt der papierhaften Klageeinreichung noch nicht einmal sicher feststeht, ob der eingegangene Schriftsatz überhaupt unter Verstoß gegen § 46g ArbGG übermittelt worden ist.
In der Rechtssache
- Kläg. -
Proz.-Bev.:
gegen
- Bekl. -
Proz.-Bev.:
Tenor:
- Der Antrag auf nachträgliche Zulassung der Klage wird zurückgewiesen.
- Die Klage wird abgewiesen.
- Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
- Der Streitwert wird auf 12.305,88 EUR festgesetzt.
- Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.
Tatbestand
Der 1971 geborene Kläger war von 01.07.2017 bis einschließlich 31.12.2022 bei der Beklagten als Logistiker zu einem durchschnittlichen Monatsgehalt in Höhe von zuletzt 4.101,96 EUR brutto tätig. Das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde mehrmals befristet, zuletzt mit Vereinbarung vom 21.12.2021 zum 31.12.2022. Der Kläger ist Mitglied der IG-Metall. Die Beklagte stellt Kraftfahrzeuge her.
Nachdem die Beklagte eine weitere Verlängerung des Arbeitsverhältnisses über den 31.12.2022 hinaus abgelehnt hatte, erhob der Kläger, vertreten durch die IG-Metall, mit Schreiben vom 19.01.2023 Befristungskontrollklage. Die Klage ging beim Arbeitsgericht Stuttgart am Donnerstag, den 19.01.2023, um 14:31 Uhr vorab per Fax ohne Anlagen und am Freitag, den 20.01.2023, im Original mit Anlagen ein. Die Klageschrift war von Frau S. E. unter Beifügung der Bezeichnung "Rechtssekretärin" handschriftlich unterschrieben. Frau S. E. ist seit 27.06.2020 als Verbandssyndikusrechtsanwältin bei der IG-Metall zugelassen.
Die Klageschrift nebst Anlagen wurde auf der Eingangsgeschäftsstelle des Arbeitsgerichts Stuttgart eingescannt und am Dienstag, den 24.01.2023, der damaligen Vorsitzenden in der elektronischen Akte vorgelegt. Am selben Tag erfolgte die PEBB§Y-Produkterfassung durch die Vorsitzende sowie die Bestimmung des Termins zur Güteverhandlung.
Nach mehrmaligem Wechsel der Vorsitzenden wies der neue Vorsitzende der Kammer mit Verfügung vom 13.11.2023 darauf hin, dass angesichts der Zulassung von Frau S. E. als Verbandssyndikusrechtsanwältin bei der IG-Metall die papierhafte Klageeinreichung nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Beschluss vom 23.05.2023 - 10 AZB 18/22) wegen § 46g ArbGG wohl unwirksam sei.
Mit Schriftsatz vom 14.11.2023, eingegangen am selben Tag, beantragte der Kläger hilfsweise "die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 233 ZPO" und in der Kammerverhandlung am selben Tag die nachträgliche Zulassung der Klage, wobei der Befristungskontrollantrag nochmals zu Protokoll erklärt wurde.
Der Kläger ist der Ansicht, die Befristung sei unwirksam. Insbesondere greife die Fiktion gemäß § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 7 KSchG nicht. Die vom Bundesarbeitsgericht im Beschluss vom 23.05.2023 (10 AZB 18/22) getroffene Rechtseinschätzung könne nicht pauschalisiert für alle Verbandsvertreter und in jedem Fall gelten. Frau E. habe ihre Zulassung als Verbandssyndikusrechtsanwältin im Außenverhältnis, anders als der Syndikusrechtsanwalt in dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall, nicht genutzt. Die IG-Metall treffe erst ab 01.01.2026 eine aktive Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs. Die Gewerkschaft könne zudem wählen, ob sie Rechtsdienstleistungen durch Verbandssyndikusrechtsanwälte oder durch Gewerkschaftssekretäre erbringen wolle. Im vorliegenden Fall habe sich der Verband für letzteres im Verhältnis zu seinen Mitgliedern entschieden. Alle Gewerkschaftssekretäre würden einheitlich als solche auftreten, damit die vertretenen Mitglieder den zutreffenden Eindruck einer gleichwertigen Rechtsvertretung bekämen, egal ob der jeweilige Gewerkschaftssekretär über eine Zulassung verfüge oder nicht.
Jedenfalls sei die Klage nachträglich zuzulassen. Die Ausdehnung der aktiven Nutzungspflicht auf im Außenverhältnis nicht als Syndikusrechtsanwälte auftretende Verbandsvertreter durch das Bundesarbeitsgericht sei völlig überraschend gekommen und selbst bei Einhaltung der anzuwendenden Sorgfalt, etwa dem Studium der Fachliteratur und instanzgerichtlichen Entscheidungen, nicht vorhersehbar gewesen. Der im Zeitpunkt der Klageeinreichung amtierende Präsident des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg Dr. Natter habe in der Literatur die Auffassung vertreten, dem Verbandssyndikusrechtsanwalt stehe ein Wahlrecht zu, ob er seine Zulassung nutzen wolle oder nicht. Unter Anwendung der erforderlichen Sorgfalt habe deshalb davon ausgegangen werden können, dass diese Auslegung von § 46g ArbGG an den Instanzgerichten in Baden-Württemberg Beachtung finde.
Schließlich gebiete auch das Gebot des fairen Verfahrens eine nachträgliche Zulassung der Klage. Es habe unmittelbar nach Klageeingang ein Hinweis gemäß § 139 ZPO durch die damalige Vorsitzende erteilt werden müssen. Dies sei nicht geschehen. Die Prüfung, ob eine Rechtsanwaltszulassung vorliege, erfordere kaum mehr als 20 Sekunden. Die Vorlage des Posteingangs an die damalige Vorsitzende drei Werktage nach Eingang der Klage erscheine als zu spät. Aufgrund des Fehlers seitens des Gerichts sei auch die Versäumung der Frist aus § 5 Abs. 3 KSchG ohne Relevanz.
Der Kläger beantragt zuletzt,
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristung in der Zusatzvereinbarung vom 21.12.2021 mit Ablauf des 31.12.2022 beendet ist.
2. Die Befristungskontrollklage nachträglich zuzulassen.
Die Beklagtenseite beantragt,
die Klage abzuweisen und den Antrag auf nachträgliche Zulassung zurückzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, die Befristungsabrede sei wirksam. Dies ergebe sich bereits aus der Versäumung der Klagefrist. Eine nachträgliche Zulassung sei nicht zu gewähren. Im Übrigen bestehe ein Sachgrund für die vereinbarte Befristung gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG aufgrund eines vorübergehenden betrieblichen Bedarfs an der Arbeitsleistung. Im August 2016 sei es zu einem erheblichen Brand in der sogenannten "Crashhalle" auf dem Werksgelände in W. gekommen. In dieser Halle würden Versuche in Form von Crashtests an einzelnen Fahrzeugkomponenten und vollständigen Fahrzeugen vorgenommen. Bis zur Fertigstellung der neuen Halle im Jahr 2022 seien die Sicherheitsversuche zu 100 % fremdvergeben worden. Damit sei vorübergehend ein starker Anstieg der internen und externen Logistikaufwände einhergegangen.
Zu den weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die Schriftsätze der Parteien verwiesen, die diese gewechselt haben, sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Befristung gilt nach § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 7 KSchG wegen Versäumung der dreiwöchigen Klagefrist als wirksam (I.). Eine nachträgliche Zulassung der Klage war nicht zu gewähren (II.).
Im Einzelnen:
1. Die materielle Präklusion gemäß § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 7 KSchG ist eingetreten. Die Befristung gilt aufgrund Versäumung der Klagefrist von Anfang an als wirksam.
a) Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass die Befristung eines Arbeitsvertrages unwirksam ist, so muss er nach § 17 Satz 1 TzBfG innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsverhältnisses beim Arbeitsgericht Klage auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristung nicht beendet ist (BAG 06.10.2010 - 7 AZR 569/09 - BAGE 136, 30 ff, Rn. 9). Andernfalls gilt die vereinbarte Befristung als wirksam (BAG 28.09.2016 - 7 AZR 128/14 - BAGE 157, 44 ff, Rn. 75).
Dabei können zwar im Einzelfall auch nicht vollumfänglich zulässige Klagen zur Fristwahrung ausreichen (BAG 01.10.2020 - 2 AZR 247/20 - BAGE 172, 360 ff, Rn. 31). Genauso wie im "Papierzeitalter" aber zur Fristwahrung zwingend notwendig war, dass die Klage von einer postulationsfähigen Person unterzeichnet wurde (BAG 01.10.2020 - 2 AZR 247/20 - BAGE 172, 360 ff, Rn. 31), bedarf es im "elektronischen Zeitalter" hierfür die Einhaltung der zwingenden Übermittlungsvorschriften in § 46c Abs. 3 ArbGG und § 46g ArbGG. Sofern eine aktive Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs gemäß § 46g ArbGG (iVm. § 253 Abs. 4 ZPO) besteht, kann eine per Post oder Fax eingegangene Klageschrift die Dreiwochenfrist aus § 17 Satz 1 TzBfG bzw. § 4 Satz 1 KSchG nicht wahren (LAG Schleswig-Holstein 15.07.2021 - 5 Sa 8/21 - Rn. 37). Die zwingende Einreichung von Erklärungen in der elektronischen Form nach § 46g ArbGG betrifft die Frage ihrer Zulässigkeit und ist von Amts wegen zu prüfen. Wird die vorgeschriebene Form nicht eingehalten, ist die Prozesserklärung unwirksam (BAG 21.09.2023 - 10 AZR 512/20 - Rn. 7).
b) Gemessen hieran wahrte die am 19.01.2023 vorab per Fax und am 20.01.2023 im Original eingereichte Klage die Frist gemäß § 17 Satz 1 TzBfG nicht. Die Klageerhebung war unwirksam, weil Frau E. im Zeitpunkt der Klageeinreichung über eine Zulassung als Verbandssyndikusrechtsanwältin bei der IG-Metall verfügte. Sie hätte die Klage deshalb gemäß § 46g Satz 1 ArbGG (iVm. § 253 Abs. 4 ZPO) zwingend als elektronisches Dokument einreichen müssen.
aa) Es war lange und heftig umstritten, ob die Verpflichtung gemäß § 46g Satz 1 ArbGG, den ERV aktiv zu nutzen, auch für den Verbandssyndikusrechtsanwalt besteht.
Mit Blick auf die fehlende Unterscheidung in § 46g Satz 1 ArbGG und die grundsätzliche Geltung der Vorschriften über Rechtsanwälte für Syndikusrechtsanwälte nach § 46c Abs. 1 BRAO wurde in der Literatur teilweise angenommen, auch Verbandssyndikusrechtsanwälte seien verpflichtet, den elektronischen Rechtsverkehr zu nutzen (Heimann/Steidle NZA 2021, 521 ff.; Siegmund NJW 2021, 3617, 3617; Müller FA 2022, 62, 64 f.; Biallaß in Ory/Weth jurisPK-ERV Bd. 2 Stand 14. April 2023 § 130d ZPO Rn. 9 f.; Nier jurisPR-ArbR 46/2022 Anm. 1).
Demgegenüber wurde eingewandt, die Eingabe eines Verbandssyndikusrechtsanwalts sei weder eine solche durch einen Rechtsanwalt iSv. § 46g Satz 1 ArbGG noch handle der Verbandssyndikusrechtsanwalt als vertretungsberechtigte Person iSv. § 46g Satz 2 ArbGG. Syndikusrechtsanwälte unterlägen, soweit sie überhaupt dazu berechtigt seien, in der Tätigkeit für den Verband nicht der Pflicht, mit den Gerichten unter Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs zu kommunizieren (Schrade/Elking NZA 2021, 1675, 1676; Elking NZA 2022, 1009, 1012).
Nach einer vermittelnden Meinung konnten Verbandssyndikusrechtsanwälte über die Verweisung in § 46c Abs. 1 BRAO grundsätzlich die prozessuale Stellung von Rechtsanwälten erlangen. Hierfür wurde aber für erforderlich gehalten, dass der Syndikusrechtsanwalt als solcher nach außen auftrete (Pulz NZA 2018, 14, 16 f.; Natter in Ory/Weth jurisPK-ERV Bd. 2 Stand 14. Februar 2023 § 46c ArbGG Rn. 61) oder dass der bevollmächtigte Verband im Rahmen seiner Satzung festlege, ob der beschäftigte Prozessvertreter das Mitgliedsunternehmen in seiner Rolle als Syndikusrechtsanwalt vertrete (Thöne RDi 2022, 97, 99 f.).
Das Bundesarbeitsgericht hat sich mit Beschluss vom 23.05.2023 (10 AZB 18/22 - Rn. 16 ff) der erstgenannten Ansicht angeschlossen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die dortigen Entscheidungsgründe verwiesen. Die erkennende Kammer macht sich die Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts nicht zuletzt aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsvereinheitlichung ausdrücklich zu eigen.
Da der Kläger im hiesigen Verfahren nochmals ausführlich auf die aktive Nutzungspflicht der Verbände, die erst ab 01.01.2026 besteht, verweist, wird darauf aufmerksam gemacht, dass sich das Bundesarbeitsgericht auch mit diesem Gegenargument erschöpfend befasst hat (BAG 23.05.2023 - 10 AZB 18/22 - Rn. 35 ff). Zudem ist dem Kläger zwar zuzugestehen, dass der Entscheidung vom 23.05.2023 ein Fall zugrunde lag, in dem der handelnde Verbandssyndikusrechtsanwalt - anders als im vorliegenden Fall - als solcher aufgetreten war. Indes hat das Bundesarbeitsgericht in einem obiter dictum auch ausdrücklich die vermittelnde Ansicht verworfen und so umfassende Rechtssicherheit über den dort entschiedenen Fall hinaus geschaffen. Danach ist gerade nicht maßgeblich, ob im konkreten Fall der handelnde Verbandssyndikusrechtsanwalt als solcher durch entsprechende Unterzeichnung oder Benennung nach außen auftritt (bestätigt in BAG 21.09.2023 - 10 AZR 512/20 - Rn. 11). Der Umstand, dass Frau E. vorliegend als "Rechtssekretärin" und nicht als "Syndikusrechtsanwältin" auftrat, ist daher ohne Relevanz. Sie hätte die Klage zwingend als elektronisches Dokument gemäß § 46g Satz 1 ArbGG einreichen müssen. Da dies innerhalb der Frist des § 17 Satz 1 TzBfG nicht geschehen ist, greift die Fiktion gemäß § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 7 KSchG.
2. Eine nachträgliche Zulassung der Klage kommt nicht in Betracht. Die Voraussetzungen aus § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG liegen nicht vor (a). Auch das allgemeine Prozessgrundrecht auf ein faires Verfahren aus Art. 2 Abs. 1 GG iVm. dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) gebietet vorliegend keine nachträgliche Zulassung bei Nichtvorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen hierfür (b).
a) War ein Arbeitnehmer trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert, die Befristungskontrollklage innerhalb von drei Wochen zu erheben, so ist nach § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG auf seinen Antrag die Klage nachträglich zuzulassen. Den an einer rechtzeitigen Klagerhebung gehinderten Arbeitnehmer darf kein Verschulden an der verspäteten Klageerhebung treffen. Da er alle ihm zuzumutende Sorgfalt beachtet haben muss, darf ihm ebenso wie im Falle einer verspäteten Kündigungsschutzklage noch nicht einmal leichte Fahrlässigkeit vorwerfbar sein (LAG Hamburg 30.06.2022 - 3 Sa 19/21 - Rn. 81). Der Arbeitnehmer muss sich nach § 85 Abs. 2 ZPO das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten an der Versäumung der gesetzlichen Klagefrist zurechnen lassen (BAG 24.11.2011 - 2 AZR 614/10 - Rn. 15). Nach § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 5 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 KSchG ist mit dem Antrag auf nachträgliche Klagezulassung die Klageerhebung zu verbinden. Der Antrag kann gemäß § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 5 Abs. 3 Satz 2 KSchG nach Ablauf von sechs Monaten, vom Ende der versäumten Frist an gerechnet, nicht mehr gestellt werden (BAG 12.08.2015 - 7 AZR 592/13 - Rn. 23).
b) Danach kam eine nachträgliche Zulassung der Klage gemäß § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG aus mindestens zwei Gründen nicht in Betracht.
aa) Zunächst lief die Frist gemäß § 17 Satz 1 TzBfG aufgrund des Befristungsendes am 31.12.2023 bereits am Montag, den 23.01.2023, gemäß §§ 188 ff BGB ab. Die wirksame Klagerhebung war daher gemäß § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 5 Abs. 3 Satz 2 KSchG bis spätestens 23.07.2023 nachzuholen. Dies ist nicht geschehen.
bb) Zudem liegt ein zurechenbares Verschulden der Prozessbevollmächtigten des Klägers vor.
(1) Der Rechtsirrtum eines Rechtsanwalts ist regelmäßig nicht unverschuldet. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung muss ein Rechtsanwalt die Gesetze kennen, die in einer Anwaltspraxis gewöhnlich zur Anwendung kommen. Eine irrige Auslegung des Verfahrensrechts kann als Entschuldigungsgrund nur dann in Betracht kommen, wenn der Verfahrensbevollmächtigte die volle, von einem Rechtsanwalt zu fordernde Sorgfalt aufgewendet hat, um zu einer richtigen Rechtsauffassung zu gelangen. Hierbei ist ein strenger Maßstab anzulegen, denn die Partei, die dem Anwalt die Verfahrensführung überträgt, darf darauf vertrauen, dass er dieser als Fachmann gewachsen ist. Wenn die Rechtslage zweifelhaft ist, muss der bevollmächtigte Anwalt den sicheren Weg wählen. Dies gilt besonders bei fristgebundenen Schriftsätzen (BVerwG 12.10.2021 - 8 C 4/21 - Rn. 16). Von einem Rechtsanwalt ist zu verlangen, dass er sich anhand einschlägiger Fachliteratur über den aktuellen Stand der Rechtsprechung informiert. Dazu besteht umso mehr Veranlassung, wenn es sich um eine vor kurzem geänderte Gesetzeslage handelt, die ein erhöhtes Maß an Aufmerksamkeit verlangt (BAG 05.06.2020 - 10 AZN 53/20 - BAGE 171, 28 ff, Rn. 37; BGH 15.05.2019 - XII ZB 573/18 - BGHZ 222, 105 ff, Rn. 25; BSG 27.09.2023 - B 2 U 1/23 R - Rn. 20).
(2) Gemessen hieran war der Rechtsirrtum der Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht unverschuldet.
Einem Rechtsanwalt muss bekannt sein, dass ihn ab dem 01.01.2022 nicht nur die ("passive") Pflicht trifft, elektronische Zustellungen und Erklärungen über das von ihm vorzuhaltende elektronische Anwaltspostfach zu empfangen (§ 31a Abs. 6 BRAO), sondern auch eine ("aktive") Nutzungspflicht bezüglich des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten (BGH 10.01.2023 - VIII ZB 41/22 - Rn. 28 ff). Die entsprechenden Bestimmungen aus § 130d ZPO bzw. § 46g ArbGG gehören zum verfahrensrechtlichen Grundwissen eines im Zivilprozess tätigen Rechtsanwalts. Da sie die Voraussetzungen regeln, unter denen ein Rechtsanwalt wirksam schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen sowie vorbereitende Schriftsätze gegenüber einem Gericht stellen beziehungsweise abgeben kann, betreffen sie grundlegend die Art der Kommunikation mit dem Gericht und haben damit eine elementare Bedeutung für die anwaltliche Vertretung (BGH a.a.O.).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass es sich bei der Frage nach der Nutzungspflicht von Syndikusrechtsanwälten um ein Sonderproblem handelt und erst einige Monate nach Klageeinreichung im hiesigen Verfahren mit Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 23.05.2023 (10 AZB 18/22) eine höchstrichterliche Klärung erfolgte. Denn die streitige Rechtsfrage war mit dem Aufsatz von Pulz (NZA 2018, 14, 16 f) schon vor einigen Jahren erstmals aufgeworfen worden. Bereits lange vor Klageerhebung im hiesigen Verfahren war in der Literatur die nunmehr vom Bundesarbeitsgericht vertretene Ansicht prominent vertreten worden (etwa Heimann/Steidle NZA 2021, 521 ff; Siegmund NJW 2021, 3617, 3617; Müller FA 2022, 62, 64 f.; Nier jurisPR-ArbR 46/2022 Anm. 1). Auch in der Rechtsprechung war der "bunte Strauß an Rechtsauffassungen" (so Tiedemann, jurisPR-ArbR 28/2023 Anm. 6) vielfach ausführlich dargelegt und diskutiert worden (etwa LAG Hamm 27.09.2022 - 10 Sa 229/22 - Rn. 21 ff mwN). Allenthalben wurde deshalb geraten, bis zu einer höchstrichterlichen Klärung sicherheitshalber Schriftsätze auch als elektronisches Dokument zu übermitteln (statt aller Elzer ArbRAktuell 2022, 450, 452).
Dem folgend hatten zahlreiche Verbände ihr prozessuales Verhalten ab 01.01.2022 auf die unsichere Rechtslage eingestellt und bis zur Klärung durch das Bundesarbeitsgericht Mehrfacheinreichungen durch ihre Verbandssyndikusrechtsanwälte, jedenfalls bei bestimmenden Schriftsätzen, vorgenommen. Dies kann den Prozessbevollmächtigten des Klägers kaum verborgen geblieben sein, zumal auch die Arbeitgeberverbände im Metallbereich in Baden-Württemberg gerichtsbekannt seit 01.01.2022 derart handelten. Die Prozessbevollmächtigten des Klägers hätten nach den oben dargelegten Maßstäben im Kernbereich des Verfahrensrechts (§ 46g ArbGG; § 130d ZPO) jedenfalls bei fristgebundenen Schriftsätzen mehr als ein Jahr nach Inkrafttreten der aktiven Nutzungspflicht und offenkundig umstrittener Rechtslage ebenfalls zwingend den sichersten Weg wählen müssen.
Es gibt schließlich auch keinen Rechtssatz dergestalt, dass das Vertrauen auf die Gefolgschaft der Instanzgerichte betreffend einer in der Literatur geäußerten Rechtsansicht "ihres" Präsidenten des Landesarbeitsgerichts ein Verschulden im jeweiligen Gerichtsbezirk ausschließen könnte. Abgesehen davon, dass ein derartiger Rechtssatz erkennbar der richterlichen Unabhängigkeit entgegenstehen würde, ist offensichtlich, dass im Instanzenzug nicht das Landessarbeitsgericht - auch nicht sein Präsident - "das letzte Wort" hat, sondern das Bundesarbeitsgericht. Hinzu kommt, dass die Gegenansichten ebenso prominent von der Präsidentin des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein (Heimann/Steidle NZA 2021, 521 ff) sowie dem Präsidenten des Landesarbeitsgerichts Hamm (Schrade/Elking NZA 2021, 1675 ff) vertreten worden waren.
b) Auch das allgemeine Prozessgrundrecht auf ein faires Verfahren aus Art. 2 Abs. 1 GG iVm. dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) gebietet vorliegend keine nachträgliche Zulassung der Klage bei Nichtvorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen hierfür.
aa) Aus dem allgemeinen Prozessgrundrecht auf ein faires Verfahren aus Art. 2 Abs. 1 GG iVm. dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) folgt die Verpflichtung des Richters zur Rücksichtnahme gegenüber den Verfahrensbeteiligten in ihrer konkreten prozessualen Situation. Es ist ihm hiernach untersagt, aus eigenen oder ihm zuzurechnenden Fehlern oder Versäumnissen Verfahrensnachteile für die betroffenen Prozessparteien abzuleiten. Der Anspruch auf ein faires Verfahren kann eine gerichtliche Hinweispflicht auslösen, wenn ein fristgebundener Schriftsatz nicht in der vorgesehenen Form übermittelt worden ist. Eine Partei kann erwarten, dass dieser Vorgang in angemessener Zeit bemerkt wird und innerhalb eines ordnungsgemäßen Geschäftsgangs die notwendigen Maßnahmen getroffen werden, um eine drohende Fristversäumnis zu vermeiden. Unterbleibt ein gebotener Hinweis, ist der Partei Wiedereinsetzung bzw. nachträgliche Zulassung zu bewilligen, wenn er bei ordnungsgemäßem Geschäftsgang so rechtzeitig hätte erfolgen können und müssen, dass es der Partei noch möglich gewesen wäre, die Frist zu wahren. Kann der Hinweis im Rahmen ordnungsgemäßen Geschäftsgangs nicht mehr so rechtzeitig erteilt werden, dass die Frist durch die erneute Übermittlung des fristgebundenen Schriftsatzes noch gewahrt werden kann, oder geht trotz rechtzeitig erteilten Hinweises der formwahrende Schriftsatz erst nach Fristablauf ein, scheidet eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bzw. eine nachträgliche Zulassung allein aus diesem Grund dagegen aus. Aus der verfassungsrechtlichen Fürsorgepflicht der staatlichen Gerichte und dem Anspruch auf ein faires Verfahren folgt keine generelle Verpflichtung der Gerichte dazu, die Formalien eines als elektronisches Dokument eingereichten Schriftsatzes sofort zu prüfen, um erforderlichenfalls sofort durch entsprechende Hinweise auf die Behebung formeller Mängel hinzuwirken. Dies nähme den Verfahrensbeteiligten und ihren Bevollmächtigten ihre eigene Verantwortung dafür, die Formalien einzuhalten. Eine solche Pflicht überspannte die Anforderungen an die Grundsätze des fairen Verfahrens. Die Abgrenzung dessen, was im Rahmen einer fairen Verfahrensgestaltung an richterlicher Fürsorge aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten ist, kann sich nicht nur am Interesse der Rechtsuchenden an einer möglichst weitgehenden Verfahrenserleichterung orientieren, sondern hat auch zu berücksichtigen, dass die Justiz im Interesse ihrer Funktionsfähigkeit vor zusätzlicher Belastung geschützt werden muss. Hiervon ausgehend gebietet es die aus dem verfassungsrechtlichen Gebot eines fairen Verfahrens folgende gerichtliche Fürsorgepflicht, eine Prozesspartei auf einen leicht erkennbaren Formmangel - wie die fehlende Signatur auf einem bestimmenden Schriftsatz - hinzuweisen und ihr Gelegenheit zu geben, den Fehler fristgerecht zu beheben (zum Ganzen BAG 14.09.2020 - 5 AZB 23/20 - BAGE 172, 186 ff, Rn. 27 ff). Liegt ein solcher Fall vor, kann ausnahmsweise auch die Versäumung der Frist gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 KSchG wegen der Anforderungen an ein faires Verfahren unschädlich sein (BAG 30.07.2020 - 2 AZR 43/20 - BAGE 172, 18 ff, Rn. 30).
bb) Diese hohen Voraussetzungen für eine ausnahmsweise nachträgliche Zulassung der Klage liegen aus mehreren Gründen nicht vor.
(1) Zunächst war zum Zeitpunkt, in dem der damaligen Vorsitzenden die Klage erstmals vorgelegt worden war (24.01.2023), die Frist gemäß § 17 Satz 1 TzBfG bereits am Vortag abgelaufen. Auch bei sofortiger Erteilung eines Hinweises hätte die Frist mithin nicht mehr gewahrt werden können.
Die Vorlage einer an einem Nachmittag neu eingegangenen Klage an die zuständige Vorsitzende am dritten Arbeitstag nach der Einreichung stellt zudem den ordnungsgemäßen Geschäftszugang dar (vgl. den identischen Fall OLG Hamm 28.04.2022 - I-30 U 32/22 - Rn. 30 f, in dem die Vorlage eines am Donnerstag eingegangenen Rechtsmittels an den Vorsitzenden am Dienstag der Folgewoche erfolgte). Dies gilt vorliegend umso mehr, als die vollständige Klage nebst Anlagen sogar erst am Freitag, den 20.01.2023, bei Gericht einging. Zur Vorlage an die Vorsitzende musste die Klage nebst Anlagen anschließend noch gescannt und ordnungsgemäß nach den Regeln des Geschäftsverteilungsplans zugeteilt werden. Ein Zeitraum von zwei Arbeitstagen gemessen ab Eingang der vollständigen Klage nebst Anlagen ist hierfür keineswegs zu viel. Der ordnungsgemäße Geschäftsgang wurde eingehalten.
(2) Hinzu kommt, dass es sich gerade nicht um einen für das Gericht leicht erkennbaren, offensichtlichen Mangel wie die fehlende Signatur im Falle des § 46c Abs. 3 Satz 1 Var. 2 ArbGG handelte. Denn Frau E. hatte den Schriftsatz nicht mit dem Zusatz "Syndikusrechtsanwältin" unterzeichnet. Vielmehr bedurfte es, um das Problem zu erkennen, einer Prüfung im Anwaltsverzeichnis (https://bravsearch.bea-brak.de/bravsearch/index.brak). Eine solche - gemäß der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nunmehr von Amts wegen durchzuführende Prüfung der Prozessvoraussetzungen unter Nutzung dieses öffentlichen Verzeichnisses - kann zwar in der Tat in sehr kurzer Zeit durchgeführt werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn man den oben genannten Link als Favorit in seinem Browser angelegt hat. Dennoch würde es die Anforderungen an die Grundsätze des fairen Verfahrens weit überspannen, von einem Gericht zu verlangen, neueingehende Klagen unmittelbar auf versteckte, nicht aus der Akte erkennbare Mängel zu untersuchen und sei es auch nur bei fristgebundenen Klagen.
Im Gegenteil müssen die Gerichte vor dieser zusätzlichen Belastung auch deshalb geschützt würden, weil der einreichende (Syndikus)Rechtsanwalt aufgrund des vorhandenen Informationsgefälles nicht schutzwürdig ist. Der einreichende (Syndikus)Rechtsanwalt kennt im Gegensatz zum Gericht seinen - vorliegend nicht offen gelegten - Status und muss sein prozessuales Handeln hieran ausrichten. Tut er dies nicht, darf er nicht darauf vertrauen, dass das Gericht durch sofortige Prüfung aller Voraussetzungen einer wirksamen Einreichung gemäß den Vorschriften zum elektronischen Rechtsverkehr ihm dennoch mittels Hinweiserteilung zur Fristwahrung verhilft.
Selbst wenn der Status als (Syndikus)Rechtsanwältin aber offengelegt worden wäre, hätte die damalige Vorsitzende nach Ansicht der Kammer jedenfalls nicht sofort bei Klageeingang auf § 46g Satz 1 ArbGG hinweisen müssen. Denn eine papierhafte Einreichung muss nicht zwingend ein Versehen des (Syndikus)Rechtsanwalts darstellen, auf das er hingewiesen werden muss, sondern kann sich bei Vorliegen der Voraussetzungen auch als zulässige Ersatzeinreichung gemäß § 46g Satz 3 ArbGG darstellen. Diese Voraussetzungen einer Ersatzeinreichung kann der (Syndikus)Rechtsanwalt nach der zutreffenden Ansicht des 6. Senats des Bundesarbeitsgerichts auch unverzüglich nach der Ersatzeinreichung noch darlegen und glaubhaft machen, wobei hierfür regelmäßig ein Zeitraum von einer Woche zur Verfügung steht (BAG 25.08.2022 - 6 AZR 499/21 - Rn. 32, 36; siehe aber auch BGH 17.11.2022 - IX ZB 17/22; 21.06.2023 - V ZB 15/22). Der Grundsatz des fairen Verfahrens verlangt aber jedenfalls keinen sofortigen Hinweis des Gerichts zu einem Zeitpunkt, in dem noch nicht einmal feststeht, ob der eingegangene Schriftsatz überhaupt unter Verstoß gegen § 46g ArbGG übermittelt worden ist (weitergehend BGH 19.07.2023 - AnwZ (Brfg) 31/22 - Rn. 18: Eine Hinweispflicht auf die aktive Nutzungspflicht ergibt sich überhaupt nicht aus dem Anspruch auf ein faires Verfahren).
c) Aus Gründen der Rechtsklarheit erfolgt die Aufnahme der Entscheidung über den Antrag auf nachträgliche Zulassung in den Tenor der hiesigen Entscheidung (vgl. Ascheid/Preis/Schmidt/Hesse, 6. Aufl. 2021, KSchG § 5 Rn. 105).
II.
Die Kammer hat die nach Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Verkündungstermin eingereichten Schriftsätze der Parteien zur Kenntnis genommen und eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung geprüft. Hierbei haben die Richter mitgewirkt, die an der vorangegangenen letzten mündlichen Verhandlung beteiligt waren (BAG 25.01.2012 - 4 AZR 185/10 - Rn. 14 ff). Es sind indes weder die Voraussetzungen des § 156 Abs. 2 ZPO (1.) noch des § 156 Abs. 1 ZPO (2.) für einen Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung erfüllt.
1. Die Pflicht zur Wiedereröffnung besteht in den Fällen des § 156 Abs. 2 ZPO, wenn das Gericht eine Verletzung des rechtlichen Gehörs oder einen sonstigen erheblichen Verfahrensfehler feststellt, Wiederaufnahmegründe vorliegen oder ein Richter ausgeschieden ist. Keiner dieser Fälle liegt vor.
2. In allen übrigen Fällen steht die Wiederaufnahme des Verfahrens im Ermessen des Gerichtes. Hierbei ist einerseits die Konzentrationsmaxime zu beachten, die den raschen Abschluss der Instanz gebietet. Auf der anderen Seite ist in die Abwägung einzustellen, dass ein nachfolgendes Rechtsbehelfsverfahren vermieden werden kann, das erst recht zur Verfahrensverzögerung führt (LAG Baden-Württemberg 10.02.2023 - 12 Sa 50/22 - Rn. 112 ff).
Vorliegend haben die Parteien nach Abschluss der mündlichen Verhandlung lediglich vertiefte Rechtsausführungen zu der bereits im Rahmen der mündlichen Verhandlung ausführlich diskutierten Frage nach der Versäumung der Klagefrist und den Voraussetzungen einer nachträglichen Zulassung der Klage gemacht. Diese wechselseitigen rechtlichen Ausführungen hat die Kammer in ihre Entscheidung einbezogen. Einer (nochmaligen) mündlichen Erörterung im Rahmen einer Wiederöffnung der mündlichen Verhandlung bedurfte es nicht.
III.
1. Die Kosten des Verfahrens waren dem Kläger als unterliegende Partei gemäß §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 Abs. 1 ZPO aufzuerlegen.
2. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes ergibt sich aus §§ 61 Abs. 1 ArbGG, 3 ff. ZPO. Dabei wurde unter Berücksichtigung des Rechtsgedankens aus § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG ein Quartalsverdienst der klagenden Partei berücksichtigt.
3. Die Entscheidung über die Zulassung der Berufung folgt aus § 64 Abs. 3a Satz 1 ArbGG. Soweit die Berufung nicht bereits kraft Gesetzes zulässig ist, war keine gesonderte Zulassung der Berufung gemäß § 64 Abs. 2 a), Abs. 3 ArbGG veranlasst.