05.03.2024 · IWW-Abrufnummer 240083
Bundesgerichtshof: Beschluss vom 10.01.2024 – AnwZ (Brfg) 15/23
Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch die Präsidentin des Bundesgerichtshofs Limperg
am 10. Januar 2024
beschlossen:
Tenor:
Das Zulassungsverfahren wird eingestellt.
Das dem Kläger am 27. Februar 2023 an Verkündungs statt zugestellte Urteil des I. Senats des Anwaltsgerichtshofs Baden-Württemberg ist gegenstandslos.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
1
Der im Zeitraum zwischen dem 1. und 3. November 2023 verstorbene Kläger war im Bezirk der Beklagten zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Bescheid vom 5. März 2021 widerrief die Beklagte die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls ( § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ). Den dagegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Bescheid vom 7. Oktober 2021 zurück. Die Beklagte hat den Widerspruchsbescheid am 4. November 2021 nochmals ausgefertigt, mit einer - zuvor fehlenden - Rechtsbehelfsbelehrung versehen und dem Kläger nochmals zugestellt. Die gegen den Widerrufsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. November 2021 gerichtete Klage hat der Anwaltsgerichtshof Baden-Württemberg als unbegründet abgewiesen und die Berufung nicht zugelassen. Das Urteil wurde dem Kläger am 27. Februar 2023 zugestellt. Der Kläger hat beantragt, die Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs zuzulassen.
2
Der Senat hat den Kläger mit Verfügung vom 25. Mai 2023 auf Bedenken gegen die Zulässigkeit des Zulassungsantrags hingewiesen, weil der Kläger die Begründung des Zulassungsantrags am 27. April 2023 nicht als elektronisches Dokument eingereicht hat. Daraufhin hat der Kläger diesen Schriftsatz am 5. Juni 2023 nochmals, diesmal als elektronisches Dokument, eingereicht und - unkommentiert - Ausdrucke eines E-Mail-Verkehrs des Klägers mit der Zertifizierungsstelle der Bundesnotarkammer vom 24. und 25. April 2023 beigefügt, aus dem hervorgeht, dass der Kläger aufgrund einer fehlenden PIN nach dem Austausch seiner beA-Karte bereits seit dem 5. April 2023 keinen Zugang zu seinem besonderen elektronischen Anwaltspostfach mehr hatte.
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Mit Schriftsatz vom 25. Juni 2023 hat der Kläger wegen des verspäteten Eingangs der Begründung seines Zulassungsantrags Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Als Anlage zum Schriftsatz hat der Kläger weiteren E-Mail-Verkehr vorgelegt, aus dem u.a. hervorgeht, dass ihm das Sekretariat seiner Zustellungsbevollmächtigten die PIN am 26. April 2023 per E-Mail zugesandt hat.
II.
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1. Ein Verfahren, in dem höchstpersönliche, unvererbliche Rechte einer Partei wahrgenommen werden, wird durch den Tod dieser Partei in der Hauptsache erledigt (Senat, Beschlüsse vom 21. März 2011 - AnwZ (B) 19/09 , juris Rn. 2, und vom 17. Mai 1976 - AnwZ (B) 39/75 , BGHZ 66, 297, 299 ). Nach Erledigung der Hauptsache ist gemäß § 112e Satz 2 BRAO , § 125 Abs. 1 Satz 1 , § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO das Zulassungsverfahren einzustellen und entsprechend § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO , § 173 Satz 1 VwGO , § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO die Unwirksamkeit des Urteils des Anwaltsgerichtshofs festzustellen.
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2. Nach Erledigung der Hauptsache ist gemäß § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO , § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Danach waren die Kosten des Verfahrens dem Kläger aufzuerlegen.
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a) Der gegen das angefochtene Urteil des Anwaltsgerichtshofs nach § 112e Satz 2 BRAO , § 124a Abs. 4 VwGO statthafte Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung war unzulässig, da innerhalb der zweimonatigen Frist nach § 112e Satz 2 BRAO i.V.m. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO keine formwirksame Begründung des Zulassungsantrags eingegangen ist.
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aa) Die Begründungsfrist begann mit der am 27. Februar 2023 erfolgten Zustellung des vollständigen Urteils an den Kläger zu laufen ( § 112e Satz 2 BRAO , § 125 Abs. 1 Satz 1 , § 57 Abs. 1 VwGO ) und lief gemäß § 112e Satz 2 BRAO , § 125 Abs. 1 Satz 1 , § 57 Abs. 2 VwGO , § 222 Abs. 1 ZPO , § 187 Abs. 1 , § 188 Abs. 2 Variante 1 BGB am 27. April 2023 ab, ohne dass eine formwirksame Begründung eingegangen wäre.
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(1) Die am 27. April 2023 per Telefax eingereichte Begründung des Zulassungsantrags ist formunwirksam.
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(a) Nach § 55d Satz 1 VwGO (hier i.V.m. § 112e Satz 2 BRAO , § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO ) sind vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen - wie die hiesige Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung (vgl. Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl., § 124a Rn. 151 mwN) -, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln. Dem genügte die Übermittlung durch Telefax nicht.
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(b) Zwar bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig, wenn sie aus technischen Gründen vorübergehend nicht auf elektronischem Wege möglich ist ( § 112e Satz 2 BRAO , § 125 Abs. 1 Satz 1 , § 55d Satz 3 VwGO ).
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Vorliegend ist jedoch bereits zweifelhaft, ob im Zeitpunkt der Übersendung der Zulassungsbegründung am 27. April 2023 die vom Kläger behauptete Störung überhaupt noch vorgelegen hat. Ausweislich des vom Kläger mit dem Schriftsatz vom 25. Juni 2023 vorgelegten E-Mail-Verkehrs hat ihm das Sekretariat seiner Zustellungsbevollmächtigten die PIN bereits am 26. April 2023 per E-Mail übersandt. Letztlich kann dies jedoch dahinstehen. Denn es fehlt jedenfalls an einer rechtzeitigen Glaubhaftmachung der vorübergehenden Unmöglichkeit.
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Ist es dem Rechtsanwalt bereits im Zeitpunkt der Ersatzeinreichung eines Schriftsatzes möglich, die vorübergehende technische Unmöglichkeit der elektronischen Übermittlung darzulegen und glaubhaft zu machen, hat dies mit der Ersatzeinreichung zu erfolgen; in diesem Fall genügt es nicht, wenn der Rechtsanwalt die Voraussetzungen für eine Ersatzeinreichung nachträglich darlegt und glaubhaft macht ( BGH, Beschluss vom 17. November 2022 - IX ZB 17/22 , NJW 2023, 456 Rn. 9). So liegt der Fall hier.
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Ausweislich des vom Kläger vorgelegten E-Mail-Verkehrs mit der Zertifizierungsstelle der Bundesnotarkammer vom 24. und 25. April 2023 waren ihm die Gründe für die vorübergehende Unmöglichkeit der elektronischen Einreichung bereits vor dem 27. April 2023 bekannt. Gleichwohl hat der Kläger am 27. April 2023 nichts dazu mitgeteilt, dass er nach einem Austausch der beA-Karte aufgrund fehlender PIN vorübergehend keinen Zugriff auf sein besonderes elektronisches Anwaltspostfach hatte. Ob sodann die im Zusammenhang mit der nochmaligen Einreichung des Schriftsatzes am 5. Juni 2023 erfolgte Vorlage des genannten E-Mail-Verkehrs den Anforderungen einer verständlichen, geschlossenen Schilderung gerecht wird (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 21. September 2022 - XII ZB 264/22 , NJW 2022, 3647 Rn. 15), kann dahinstehen. Denn die Vorlage des E-Mail-Verkehrs erfolgte erst am 5. Juni 2023 und damit jedenfalls verspätet. Soweit der Kläger sodann im Schriftsatz vom 25. Juni 2023 die Problematik um die PIN nach dem Austausch der beA-Karte ausführt und weiteren E-Mail-Verkehr aus dem Zeitraum vom 5. bis zum 25. April 2023 vorlegt, erfolgte dies ebenfalls nicht mehr rechtzeitig.
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(2) Die nochmalige Übersendung des Schriftsatzes vom 27. April 2023 am 5. Juni 2023 als elektronisches Dokument erfolgte nach Ablauf der Begründungsfrist am 27. April 2023 und war damit verspätet.
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bb) Dem Kläger war auch nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ( § 112e Satz 2 BRAO , § 125 Abs. 1 Satz 1 , § 60 VwGO ). Insofern kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger rechtzeitig einen entsprechenden Antrag gestellt hat. Denn er war jedenfalls nicht ohne Verschulden verhindert, seinen Antrag auf Zulassung der Berufung fristgemäß und formgerecht zu begründen.
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Mit der dem Urteil des Anwaltsgerichtshofs beigefügten Rechtsmittelbelehrung wurde der Kläger ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils darzulegen sind. Zudem ergibt sich diese Frist aus dem Gesetz ( § 112e Satz 2 BRAO , § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO ).
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Auch die Nutzungspflicht nach § 55d Satz 1 VwGO und die an eine Ersatzeinreichung nach § 55d Sätze 3 und 4 VwGO zu stellenden Voraussetzungen ergeben sich aus dem Gesetz. Dass die Rechtsmittelbelehrung darauf nicht gesondert hinweist, ist unschädlich. So ist etwa auch auf die Formvorschrift, den Widerspruch schriftlich oder zur Niederschrift zu erheben ( § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO ), nicht zwingend hinzuweisen (vgl. BVerwG, NJW 1979, 1670 [BVerwG 13.12.1978 - BVerwG 6 C 77/78] ). Für andere Formvorschriften gilt nichts anderes (vgl. BeckOK VwGO/Kimmel, 66. Edition, § 58 Rn. 19 [Stand: 1. Juli 2022]). Eine Hinweispflicht ergibt sich auch nicht aus dem Anspruch auf ein faires Verfahren ( Art. 2 Abs. 1 , Art. 20 Abs. 3 GG ), zumal § 55d VwGO nur auf Rechtsanwälte, Behörden und vertretungsberechtigte Personen - und damit nicht auf den juristischen Laien - Anwendung findet.
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b) Der Antrag auf Zulassung der Berufung wäre - seine Zulässigkeit unterstellt - unbegründet gewesen. Die vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
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aa) Ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung ( § 112e Satz 2 BRAO , § 124a Abs. 5 Satz 2 , § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) bestehen nicht. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird. Zweifel an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen füllen den Zulassungsgrund dann nicht aus, wenn sie nicht die Richtigkeit des Ergebnisses erfassen (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Beschluss vom 24. Oktober 2022 - AnwZ (Brfg) 20/22 , juris Rn. 3 mwN). Daran fehlt es. Das Urteil des Anwaltsgerichtshofs steht im Einklang mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats. Insbesondere begründet das Vorbringen des Klägers keine ernstlichen Zweifel an der Annahme des Anwaltsgerichtshofs, dass sich der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheids in Vermögensverfall ( § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ) befunden hat.
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bb) Soweit der Kläger einen "Kurswechsel" des Senats im Hinblick auf die Kriterien für die Annahme eines Vermögensverfalls und einer Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden fordert und damit den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung ( § 112e Satz 2 BRAO , § 124a Abs. 5 Satz 2 , § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ) anspricht, ist dieser damit nicht dargetan. Der Kläger wendet sich vielmehr gegen die Rechtsanwendung durch den Anwaltsgerichtshof in seinem konkreten Einzelfall, ohne aufzuzeigen, dass damit allgemein klärungsbedürftige Rechtsfragen verbunden wären. Das ist auch nicht der Fall. Die vom Kläger angesprochenen Fragen sind höchstrichterlich bereits grundsätzlich geklärt (vgl. Senat, Beschluss vom 9. November 2018 - AnwZ (Brfg) 61/18 , juris Rn. 12 mwN). Weiterer Klärungsbedarf ist auch nach dem Vorbringen des Klägers nicht gegeben.
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cc) Dem Anwaltsgerichtshof ist schließlich auch kein Verfahrensfehler unterlaufen, auf dem sein Urteil beruhen kann ( § 112e Satz 2 BRAO , § 124a Abs. 5 Satz 2 , § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO ). Insbesondere ist weder ein Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz ( § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO , § 86 Abs. 1 VwGO ) noch eine Verletzung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör ( Art. 103 Abs. 1 GG ) hinreichend dargetan.
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3. Diese Entscheidung trifft gemäß § 87a Abs. 1 Nr. 3 VwGO die Vorsitzende. Die genannten Bestimmungen gelten infolge der Verweisungsregelung des § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO, die im Zulassungsverfahren entsprechend anwendbar ist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, NVwZ-RR 2006, 360 [OVG Berlin-Brandenburg 15.12.2005 - 3 N 92/04] mwN), auch für das dem Berufungsprozess vorgeschaltete Zulassungsverfahren (OVG Berlin-Brandenburg, aaO; vgl. auch Eyermann/Schübel-Pfister, VwGO, 16. Aufl., § 87a Rn. 2).
Limperg