16.05.2024 · IWW-Abrufnummer 241547
Oberlandesgericht Dresden: Urteil vom 09.01.2024 – 4 U 1274/23
Es kann im Einzelfall eine datenschutzrechtlich zulässige Zweckänderung darstellen, wenn ein Rechtsanwalt durch Akteneinsicht erlangte Daten von Insolvenzgläubigern nutzt, um diese in einem Rundschreiben auf ihre Rechtsschutzmöglichkeiten hinzuweisen, selbst wenn er damit auch Akquisezwecke verfolgt.
Oberlandesgericht Dresden
Urteil vom 09.01.2024
Tenor:
I.
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 05.07.2023, Az 7 O 539/23, wird auf ihre Kostenzurückgewiesen.
II.
Das Urteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
III.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf insgesamt 6.500,00 EUR festgesetzt (Klageantrag zu 1): 1.500,- EUR, Klageantrag zu 2): 5.000,- EUR).
Gründe
I.
Die zulässige Berufung der Kläger ist nicht begründet. Den Klägern stehen gegen den Beklagten weder die mit der Berufung geltend gemachten Schadensersatz- noch Unterlassungsansprüche wegen der Verwendung ihrer Daten zu.
A.
Die Datenverarbeitung durch den Beklagten ist im Ergebnis der nach Art 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO vorzunehmenden Abwägung gerechtfertigt, so dass offenbleiben kann, ob der aus Art. 82 DSGVO folgende Schadensersatzanspruch wegen des fehlenden Nachweises eines auf einer unrechtmäßigen Datenverarbeitung beruhenden Schadens unbegründet ist.
1. Nach Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO ist eine Verarbeitung rechtmäßig, wenn sie zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen. In die danach erforderliche Abwägung einzubeziehen ist jedes rechtliche, wirtschaftliche oder ideelle Interesse des Verantwortlichen oder eines Dritten.
a) Als berechtigtes Interesse an der Verwendung von Namen und Anschrift der Kläger für das Schreiben vom 18.05.2022 hat der Beklagte glaubhaft dargelegt, dass er als vornehmlich auf dem Gebiet des Verbraucherschutzes und damit auch mit Blick auf das Gemeinwohl tätiger Rechtsanwalt für Bank- und Kapital- sowie Versicherungsrecht vor allem insolvenzgeschädigte Kleinanleger auf bestehende rechtliche Möglichkeiten hinweisen wollte. Die Wahrnehmung von Verbraucherschutzinteressen als Schwerpunkt seiner beruflichen Tätigkeit wird belegt durch Presseberichte (vgl. Beitrag Finanztest vom 17.12.2013 (Anlage B1)) und den Internetauftritt seiner Kanzlei, die diesen Interessenschwerpunkt widerspiegelt.
Daneben ist im Rahmen der Abwägung auch das wirtschaftliche Interesse des Beklagten an der Datenverarbeitung zu Akquisezwecken als berechtigtes Interesse einzustellen, da das Schreiben zumindest auch darauf abzielte, von den Adressaten mandatiert zu werden. In Erwägungsgrund Nr. 47 zur DSGVO wird ausdrücklich klargestellt, dass die Durchführung von Direktmarketingmaßnahmen als berechtigtes Interesse betrachtet werden kann, deren Zulässigkeit vermutet wird. Nichts anderes kann für alle sonstigen Werbemaßnahmen gelten, zu denen das streitgegenständliche Schreiben zählt. Eine Verarbeitung personenbezogener Daten zu Werbezwecken kann damit grundsätzlich auf den Erlaubnistatbestand der Interessenabwägung nach Art. 6 Abs. 1 lit. f gestützt werden (Plath/Struck in: Plath, DSGVO/BDSG/TTDSG, 4. Auflage 2023, Art. 6 EUV 2016/679, Rn. 79, 80 m.w.N.).
b) Auf Seiten der Kläger steht ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das gegen die unbefugte Nutzung ihrer Namens- und Adressdaten für Werbezwecke streitet, auch vor dem Hintergrund des Bekanntwerdens ihrer "Geschädigtenstellung" bei einem fehlgeschlagenen Investment und Einzelheiten ihrer finanziellen Situation, sowie ihr Interesse am Schutz ihrer allgemeinen Persönlichkeitsrechte vor Belästigung durch unerwünschte Werbung und aufgedrängten Informationen.
c) Die somit nach Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO erforderliche Abwägung ergibt, dass die Verarbeitung durch den Beklagten als Verantwortlichen rechtmäßig ist, da die Interessen, Grundrechte und Grundfreiheiten der Kläger als betroffene Personen am Schutz ihrer Daten nicht überwiegen.
aa) Der Beklagte hat mit der Versendung des Schreibens vom 18.05.2022 nicht gegen standes- bzw. berufsrechtliche Pflichten oder Wettbewerbsvorschriften verstoßen. Ein solcher Verstoß wäre zwar bei der Interessenabwägung maßgeblich zu seinen Lasten zu berücksichtigen, liegt indes entgegen der Ansicht der Berufung nicht vor.
(1) Das standardmäßig formulierte Schreiben verstößt nicht gegen das Werbeverbot gem. § 43b BRAO. Nach dieser Norm ist einem Rechtsanwalt Werbung - wie z.B. Rundschreiben sowohl an Mandanten als auch an Nichtmandanten - erlaubt, soweit über die berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrichtet wird und sie nicht auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtet ist. Im Rahmen einer nach dieser Norm erforderlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung ist zudem eine auf den konkreten Fall bezogene Interessenabwägung vorzunehmen. Dabei sind neben der Beeinträchtigung der Unabhängigkeit, der Würde oder der Integrität der Rechtsanwaltschaft auch Art und Grad der Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers durch Form, Inhalt oder das verwendete Mittel der Werbung zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 13. November 2013 - I ZR 15/12 -, BGHZ 199, 43-52, Rn. 21,- juris. Sofern ein Anwalt einen potentiellen Mandanten in Kenntnis eines konkreten Beratungsbedarfs persönlich anschreibt und seine Dienste anbietet, liegt ein Verstoß jedenfalls dann nicht vor, wenn der Adressat durch das Schreiben weder belästigt, genötigt oder überrumpelt wird noch seine Interessen beeinträchtigt sind, weil er sich in einer Situation befindet, in der er auf Rechtsrat angewiesen ist und ihm eine an seinem Bedarf ausgerichtete sachliche Werbung hilfreich sein kann (vgl. BGH, a.a.O, Urteil vom 13. November 2013). Nach diesen Maßstäben ist das streitgegenständliche Schreiben nicht zu beanstanden. Es handelt sich um ein für den Angeschriebenen erkennbares Rundschreiben an eine Vielzahl von betroffenen Anlegern der P. GmbH. Der Beklagte stellt darüber hinaus seinen sehr allgemein und sachlich gehaltenen Rechtsrat in den Vordergrund und weist nur beiläufig und eher am Rande auf seine besondere Expertise für eine Rechtsverfolgung hin. Das Schreiben erzeugt zwar wegen des Hinweises auf die drohende Verjährung einen gewissen Entscheidungsdruck, ist aber insgesamt zurückhaltend formuliert, nur allgemein auf das notleidende Investment bezogen, zudem auch hinsichtlich der zu ergreifenden Maßnahmen nicht drängend oder nötigend formuliert. Auch wenn der Beklagte der Forderungsanmeldung entnehmen konnte, dass die Kläger bereits anwaltlich vertreten waren, schießt er mit seinem Hinweis auf eine Vermittlerhaftung nicht "übers Ziel hinaus", da er seinen Rat allgemein und sachlich gestaltet, auf den Umstand der anderweitigen anwaltlichen Vertretung nicht eingeht und den Klägern die Entscheidung über ein weiteres Handeln in jeder Hinsicht überlässt. Im Ergebnis ist das Schreiben entgegen der Ansicht der Berufung nicht wegen Verstoßes gegen Wettbewerbs- oder Berufspflichten zu beanstanden.
(2) Ebensowenig hat der Beklagten gegen Vorschriften des UWG verstoßen. Eine vorherige Einwilligung war bei der hier gegebenen Briefpostwerbung entbehrlich, denn die Regelungen in § 7 Abs. 2 Abs. 3 UWG und § 7 UWG stellen im Privatkundenbereich auf Werbung per Email ab.
bb) Zwar waren die erhobenen Daten nicht öffentlich zugänglich und wurden durch die Kläger jedenfalls nicht Dritten - hier dem Beklagten in seiner Eigenschaft als nicht von den Klägern mandatierter Rechtsanwalt - zugänglich gemacht. Zwischen den Parteien bestand auch kein wie immer geartetes persönliches oder wirtschaftliches Verhältnis. Auch die Absehbarkeit einer möglichen Datenverarbeitung durch den Beklagten für die Kläger als betroffene Personen ist vorliegend nicht gegeben, denn entgegen der Ansicht des Beklagten drängt sich einem Gläubiger in einem Insolvenzverfahren bei der Forderungsanmeldung nicht zugleich die Annahme oder die Erwartung auf, dass ihre Namen- und Adressdaten durch andere Verfahrensbeteiligte für Werbe- und/oder Informationszwecke genutzt werden können.
cc) Der Beklagte hat aber mit der Verarbeitung der Namens- und Adressdaten nur in geringem Umfang und für eine kurze Dauer in Rechte der Kläger eingegriffen. Hinsichtlich des Ausmaßes der Datenverarbeitung hat er allerdings in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklären lassen, er habe entsprechend seiner "Datenschutzrechtlichen Information" im Zuge einer (Fremd-) Mandatsbearbeitung Akteneinsicht in die Insolvenzakte genommen und hieraus eine Liste mit Namen und Anschriften der Anleger von Gold bei der P. GmbH sowie Vertragstyp, Vertragsnummer, VertragsID, monatliche Beitragszahlungen und Zahlbestände kopiert. Zum Zwecke des - einmalig erfolgten - Anschreibens habe er jedoch ausschließlich Name und Anschrift der Kläger gespeichert, mithin Daten, die der Sozialsphäre der Kläger zuzuordnen sind. Auch diese Daten seien umgehend gelöscht worden, nachdem die Kläger den Widerspruch erklärt haben. Ausgehend von diesem von der Klägerseite nicht substantiiert in Zweifel gezogenen Vortrag hat der Beklagte zwar nicht nur Namen und Anschrift der Kläger verarbeitet, sondern zumindest auch die Verknüpfung dieser Daten zur Forderungsanmeldung im PIM GmbH-Insolvenzverfahren und dem hieraus zu schließenden Investmentausfall, also sensiblere (Finanz-)Daten. Insofern unterscheidet sich die vorliegende "eingriffsintensivere" Datenverarbeitung von einem gewöhnlichen Fall einer Direktwerbung nach vorausgegangener Kundenbeziehung. Andererseits ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass der Beklagte mit dem Schreiben - anders als "übliche" Werbeschreiben - eher zurückhaltend seine anwaltlichen Dienste angepriesen und in keiner Weise aufgedrängt hat. Hinzu kommt die Verfolgung von im Allgemeinwohl liegenden Zielen der Verbraucherinformation, was - jedenfalls ist dies bei einem Teil der Adressaten zu vermuten - nicht stets als unzweckmäßig wahrgenommen wird. Zudem erfolgte die Verarbeitung für einen insgesamt nur sehr kurzen Zeitraum, da der Beklagte die Namens- und Adressdaten der Kläger nach einmaliger Verwendung für das Schreiben vom 18.05.2022 gelöscht hat. Die Kläger hätten den Brief zudem einfach wegwerfen oder für eigene (Informations-)Zwecke nutzen können, ohne dass das irgendwelche Auswirkungen oder Folgen gehabt hätte, auch insoweit geht das Schreiben nicht über übliche Werbung hinaus.
dd) Insgesamt ist das Schreiben in seiner konkreten Ausgestaltung als Verbraucherinformation und als Werbemaßnahme unter Verwendung von eher als unkritisch anzusehenden Adressdaten mit der DSGVO zu vereinbaren. Jedenfalls sind im Rahmen der Interessenabwägung keine überwiegenden Interessen auf Klägerseite zu erkennen. Zwar ist zu berücksichtigen, dass es sich um Daten handelte, die durch die besondere anwaltliche Stellung, in Ausnutzung der besonderen anwaltlichen Informations- bzw. Akteneinsichtsrechte, erlangt worden sind, und deren Verwendung äußerst limitiert ist (vgl. Anwaltsgericht Berlin, Beschluss vom 5. März 2018 - 1 AnwG 34/16 -, Rn. 37, juris). Gleichwohl ist die ausdrückliche Hervorhebung der Direktwerbung in Erwägungsgrund 47 zur DGSVO ein Hinweis darauf, dass Werbung nicht nur ein "berechtigtes Interesse" darstellt, sondern dass Werbung vielmehr bei der Interessenabwägung im Sinne einer gesetzlichen Vermutung grundsätzlich zulässig ist, solange der Maßstab der Erforderlichkeit eingehalten wird, der überdies eher weit auszulegen ist. Zum Ausgleich sieht die DSGVO in Art. 21 Abs. 2 für das Direktmarketing ein bedingungsloses Widerspruchsrecht der betroffenen Person vor (vgl. Plath/Struck in: Plath, DSGVO/BDSG/TTDSG, 4. Auflage 2023, Art. 6 EUV 2016/679, Rn. 80). Damit wird den Interessen der Kläger hinreichend Rechnung getragen.
2. a) Die auf §§ 174, 175 InsO beruhende Datenerhebung zur Insolvenztabelle erfolgte ursprünglich zu dem Zweck, festzustellen, welche Ansprüche im Rahmen des Insolvenzverfahrens mit welcher Quote und in welcher Reihenfolge befriedigt werden können. Im vorliegenden Fall hat der Beklagte die in der Insolvenztabelle aufgeführten personenbezogenen Daten u.a. der Kläger zur Verbraucherinformation und zu Werbezwecken weiterverarbeitet. Ob hierin eine Zweckänderung nach Art. 6 Abs. IV DSGVO liegt, kann dahinstehen. Eine solche Zweckänderung wäre jedenfalls nach Art. 6 Abs. 4, Art. 5 Abs. 1 lit. b DSG VO gerechtfertigt.
b) Erfolgt - wie hier - die Verarbeitung personenbezogener Daten zu einem anderen Zweck als zu demjenigen, zu dem diese Daten erhoben wurden, ergibt sich aus Art. 6 Abs. 4 in Verbindung mit dem 50. Erwägungsgrund DSGVO, dass eine solche Verarbeitung insbesondere dann zulässig ist, wenn sie auf dem Recht eines Mitgliedstaats beruht und eine notwendige und verhältnismäßige Maßnahme zum Schutz eines der in Art. 23 Abs. 1 DSGVO genannten Ziele darstellt. Wie es im 50. Erwägungsgrund heißt, ist der Verantwortliche zum Schutz der wichtigen Ziele des allgemeinen öffentlichen Interesses berechtigt, die personenbezogenen Daten ungeachtet dessen weiterzuverarbeiten, ob sich die Verarbeitung mit den Zwecken, für die die personenbezogenen Daten ursprünglich erhoben wurden, vereinbaren ließ (vgl. EuGH, Urteil vom 2. März 2023 - C-268/21 -, Rn. 33 - 41, juris; BAG, Urteil vom 29. Juni 2023 - 2 AZR 296/22 -, Rn. 25, m.w.N, - juris). In einer solchen Konstellation bedarf es keiner gesonderten Rechtsgrundlage für die weitere Verarbeitung (Plath/Struck in: Plath, DSGVO/BDSG/TTDSG, 4. Auflage 2023, Art. 6 EUV 2016/679, Rn. 97).
aa) Der Beklagte kann sich bei der Zulässigkeitsprüfung der hier streitgegenständlichen Datenverarbeitung allerdings nicht auf prozessrechtliche Vorschriften zur Akteneinsicht stützen. Denn eine Einsichtnahme in die Insolvenzakte, die die gem. §§ 174 ff InsO erhobenen Daten der anmeldenden Gläubiger enthält, ist nur für Verfahrensbeteiligte nach § 299 Abs. 1 ZPO iVm § 4 InsO zulässig. Dritte haben nur einen im Verwaltungswege geltend zu machenden Anspruch auf Akteneinsicht, wenn und soweit sie ein rechtlich geschütztes Interesse an der Einsichtnahme darlegen, § 299 Abs. 2 ZPO. Der Beklagte hat als bevollmächtigter Rechtsanwalt eines weiteren Insolvenzgläubigers zwar rechtlich zulässig Akteneinsicht erhalten. Allerdings beruhte seine Berechtigung allein auf seiner Stellung als Verfahrensbevollmächtigter und bietet keinen Rechtfertigungsgrund für eine Weiterverarbeitung für weitere eigene - wenn auch nach den obigen Darlegungen zulässige - eigene Zwecke.
bb) Gleichwohl ist eine zweckändernde Weiterverarbeitung von Daten einer - nicht öffentlich zugänglichen - Insolvenzakte nicht grundsätzlich rechtswidrig. Vielmehr ergibt sich aus den genannten zivilprozessrechtlichen Vorschriften, dass diese keinen umfassenden Schutz gegen eine zweckändernde Weiterverarbeitung gewährleisten. Dies wird auch durch den Vergleich mit dem Strafprozessrecht bestätigt, das in § 479 StPO Übermittlungsverbote und Verwendungsbeschränkungen bezogen auf - hier allerdings regelmäßig sensiblere - erhobene Daten enthält. Dem demgegenüber weniger hohem Schutzniveau des zivilprozessualen Akteneinsichtsrechts entspricht es, dass die Einsichtnahme in die Insolvenztabelle durch Insolvenzgläubiger - vorbehaltlich eines den Verfahrenszweck gefährdenden Missbrauchsverdachts - auch zu dem Zweck zulässig ist, Erkenntnisse über andere Gläubiger zu gewinnen, um ihnen die angemeldete Forderung abzukaufen, da damit keine verfahrensfremden Ziele verfolgt werden und diese Vorgehensweise dazu beitragen kann, Gläubiger vor Schäden im Zusammenhang mit dem Ausfall von Forderungen zu schützen (vgl. BGH, Beschluss vom 07.05.2020, Az IX ZB 56/19-, Rn. 6-8, - juris).
cc) Diese Erwägungen lassen sich zwar nicht direkt auf den vorliegenden Sachverhalt übertragen, der auch im Erwägungsgrund 50 jedenfalls nicht ausdrücklich aufgeführt wird. Allerdings hat der Beklagte als bevollmächtigter Rechtsanwalt und damit zumindest formell als Verfahrensbeteiligter handelnd, Akteneinsicht genommen und mit der Verarbeitung der so gewonnenen Namens- und Adressdaten für das Schreiben vom 18.05.2022 keine verfahrensfremden Zwecke verfolgt, denn das Schreiben zielte auch darauf ab, Gläubigerinteressen gegen die insolvente P. GmbH durchzusetzen und betroffene Anleger vor einem kompletten Forderungsausfall zu schützen, so dass das in Art. 6 Abs. 4 lit. a) DSGVO genannte Abwägungskriterium eines Zweckzusammenhangs gegeben ist. Die Berufung kann demgegenüber auch nicht mit Erfolg geltend machen, dass der Beklagte mit dem Hinweis auf eine möglicherweise bestehende Vermittlerhaftung allenfalls mittelbar mit dem konkreten Insolvenzverfahren im Zusammenhang stehende Zwecke verfolgt hat. Eine solche Differenzierung ist sachlich nicht gerechtfertigt, da es auch bei der Vermittlerhaftung um den Schutz der Anleger vor Forderungsausfällen geht, und somit ein enger Bezug zu dem Insolvenzverfahren gegen die P. GmbH gegeben ist. Ein Zusammenhang insbesondere hinsichtlich des Verhältnisses zwischen den betroffenen Personen und dem Verantwortlichen (vgl. Art. 6 Abs. 4 lit. b) DSGVO) besteht zwar nicht, es liegen aber auch keine besonders geschützten Daten im Sinne des Art. 9 DSGVO vor, und die Folgen der Weiterverarbeitung sind gering (vgl. Art. 6 Abs. 4 lit. d) DSGVO), da es den Adressaten grundsätzlich freigestanden hat, dem Schreiben keine weitere Beachtung zu schenken und der Beklagte die Daten ohnehin nur für kurze Zeit gespeichert hat.
B.
1. Den Klägern steht auch kein nach datenschutzrechtlichen Vorschriften gem. Art. 82 Abs. 1 DSGVO oder Art. 17 DSGVO iVm Art 79 DSGVO begründeter Unterlassungsanspruch zu, da kein Verstoß gegen Art. 6 DSGVO vorliegt und der Beklagte die Daten nach Widerspruch durch die Kläger (Art. 23 DSGVO) gelöscht hat (siehe oben unter A.). Es kann daher offenbleiben, ob die Kläger den geltend gemachten Unterlassungsanspruch noch auf Art. 17 DSGVO stützen können (vgl. BGH, EuGH-Vorlage vom 26. September 2023 - VI ZR 97/22 -, juris).
II.
Mangels Vorliegens einer Wiederholungsgefahr ist das Unterlassungsbegehren auch nicht aus §§ 823 Abs. 1 iVm 1004 BGB begründet. Es bedarf daher auch keiner Entscheidung, ob aufgrund der abschließenden Regelungen der DSGVO Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche nach nationalen Recht ausgeschlossen sind (vgl. hierzu Senat, Urteil vom 31.8.2021 - 4 U 324/21 - juris; Beschluss vom 19.04.2021 - 4 W 243/21 - juris, m.w.N. zum Meinungsstand).
Notwendige Voraussetzung eines Unterlassungsanspruchs nach dieser Vorschrift ist das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr, d.h. eine ernstliche, auf Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass in der Zukunft gegen eine bestehende Unterlassungspflicht verstoßen werden wird. Wenn bereits ein - hier unterstellter - rechtswidriger Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen erfolgt ist, spricht zwar eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen der Wiederholungsgefahr, die allerdings entkräftet werden kann, wobei an die Entkräftung strenge Anforderungen zu stellen sind (st. Rspr.: BGH, Urteil vom 30. Oktober 1998 - V ZR 64/98, BGHZ 140, 1 (10), Rz. 20; Senat, Urteil vom 28. März 2023 - 4 U 944/22 -, Rn. 65, - juris m.w.N.). Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn es sich erkennbar um eine einmalige Beeinträchtigung handelt und im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung oder mündlichen Verhandlung festgestellt werden kann, dass keine ernsthafte Gefahr der Wiederholung besteht (vgl. Senat, Beschluss vom 4. Oktober 2021 - 4 W 625/21 -, Rn. 6 - 7, juris).
Ausgehend hiervon liegt aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls eine Wiederholungsgefahr nicht vor (so auch OLG Stuttgart, 12 U 49/23, Anlage B10). Auch wenn subjektive Tatbestandsmerkmale wie ein Verschulden für die Wiederholungsgefahr grundsätzlich unerheblich sind, so knüpft diese Vermutung an ein Verhalten des Störers in der Vergangenheit an, das auf die objektive Besorgnis schließen lässt, dass es in der Zukunft zu weiteren gleichartigen Störungen kommen wird. Hiervon kann vorliegend jedoch nicht ausgegangen werden, denn es besteht keine ernstliche, auf Tatsachen begründete Besorgnis, dass der Beklagte die Kläger unter Verwendung ihrer Daten erneut anschreiben wird, insbesondere nicht, um sie auf Rechtsfragen oder mögliche Ansprüche im Zusammenhang mit der Firma P. GmbH hinzuweisen. Der Beklagte hat die Kläger bereits zum Thema P. GmbH informiert, worauf es ihm nach eigenen Angaben hauptsächlich ankam, weshalb der Beklagte erkennbar kein Interesse an einer weiteren Kontaktaufnahme hat. Das Insolvenzverfahren ist - wie auch das von ihnen bereits eingeleitete Verfahren gegen die Vermittler der Geldanlage - nach Angaben der Kläger im Termin der mündlichen Verhandlung vor dem Senat abgeschlossen, überdies wären weitere Ansprüche verjährt. Selbst wenn dem Vortrag der Kläger gefolgt wird, dass das Primärziel des Beklagten die Akquise war, liegt eine ernsthafte Gefahr nicht mehr vor, denn der Beklagte hat die Daten der Kläger nicht an Dritte weitergegeben, nur einmalig für die Adressierung des Schreibens verwendet und unmittelbar nach Widerspruch gegen die Verwendung gelöscht. Zudem ist ihm bekannt, dass die Kläger anderweitig anwaltlich vertreten sind. Hieraus folgt, dass nicht zu befürchten ist, dass sich der Beklagte erneut an die Kläger wenden wird.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 48 Abs. 2 GKG, 3 ZPO.