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  • 16.05.2024 · IWW-Abrufnummer 241551

    Oberlandesgericht Hamm: Beschluss vom 15.01.2024 – 22 U 13/23

    1. Die anwaltlichen Sorgfaltsanforderungen an die Überprüfung des ordnungsgemäßen Zugangs fristgebundener Schriftsätze bei Versendung über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) erfordern eine präzise Einweisung des für die Versendung zuständigen Personals durch den Rechtsanwalt. Diese hat sich darauf zu beziehen, wo und wie die automatische digitale Eingangsbestätigung im Sinne von § 130a Abs. 5 S. 2 ZPO in der beA-Webanwendung zu finden ist und welcher Inhalt den ordnungsgemäßen Eingang der elektronischen Nachricht bei Gericht anzeigt.

    2. Die erfolgreiche Übermittlung der elektronischen Nachricht an das Gericht über das beA wird in der Webanwendung des Systems durch den Meldetext „Request executed“, dem Eingangsdatum und dem Übermittlungsstatus „Erfolgreich“ angezeigt (im Anschluss an BGH, Beschluss vom 30.3.2023 – III ZB 13/22 – NJW 2023, 1717, Rn. 10).

    3. Verwendet die versendende Anwaltskanzlei eine Software, die über eine Schnittstelle zur Webanwendung des beA verfügt, kann ein von der Software eigens generiertes Dokument mit der Bezeichnung „Zustellbestätigung“ nur dann ein taugliches Ersatzdokument der automatischen Eingangsbestätigung im Sinne von § 130a Abs. 5 S. 2 ZPO und somit positiver Zustellnachweis sein, wenn es dieselben relevanten Prüfungsmerkmale wie der originäre Nachweis in der Webanwendung des beA aufweist. Die erforderliche anwaltliche Einweisung des für die Versendung zuständigen Personals muss sich in diesem Fall auch auf die Identifizierung dieser Merkmale in dem Ersatzdokument beziehen.


    Oberlandesgericht Hamm


    Tenor:

    Die Berufung der Klägerin gegen das am 28.11.2022 verkündete Urteil des Landgerichts Paderborn (3 O 257/22) wird als unzulässig verworfen.

    Der Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezüglich der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist wird zurückgewiesen.

    Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten des Wiedereinsetzungsverfahrens.

    Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 25.000,00 EUR festgesetzt.

    1
    G r ü n d e :

    2
    I.

    3
    Die Klägerin richtet sich mit ihrer am 16.01.2023 eingelegten Berufung gegen das ihr am 03.01.2023 zugestellte klageabweisende Urteil des Landgerichts Paderborn unter Weiterverfolgung ihrer erstinstanzlichen Anträge.

    4
    Eine Berufungsbegründung ist innerhalb der gesetzlichen Frist bis zum 03.03.2023 nicht eingegangen. Der Senat hat mit Schreiben vom 08.03.2023 auf diesen Umstand und die Folge einer Verwerfung des Rechtsmittels als unzulässig hingewiesen. Zugleich hat er der Klägerin Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von zwei Wochen gegeben.

    5
    Mit Schriftsatz vom 10.03.2023 hat die Klägerin Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist gestellt und zugleich die von ihr eingelegte Berufung inhaltlich begründet. Sie macht geltend, ohne ihr Verschulden und ohne ein Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten die Berufungsbegründungsfrist versäumt zu haben. Der von ihrem Prozessbevollmächtigten bereits am 06.02.2023 gefertigte und signierte und von dessen stets zuverlässigen Mitarbeiterin O., deren eidesstattliche Versicherung die Klägerin vorlegt, versandte Berufungsbegründungsschriftsatz sei - wie sich erst durch den Hinweis des Senats herausgestellt habe - aufgrund einer Störung des Empfangs elektronischer Post im Bereich der Justiz im Zeitpunkt der Absendung des Schriftsatzes tatsächlich nicht beim Berufungsgericht eingegangen. Aufgrund der vorliegenden und von der Mitarbeiterin geprüften „Zustellbestätigung“ (Bl. 84 GA) habe die Mitarbeiterin auch auf den ordnungsgemäßen Zugang des Schriftsatzes vertrauen dürfen und daher auch keine Veranlassung haben müssen, dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin Meldung über mögliche Zweifel an der Zustellung zu machen. Dieses Vorgehen über die Prüfung der Zustellbestätigungen und etwaige Rückmeldung bei Zweifeln hieran entspreche auch der Anweisungslage im Büro des Prozessbevollmächtigten, der im Übrigen nicht nur stichprobenartig selbst die Zustellbestätigungen über die Versendung fristgebundener Schriftsätze überprüfe, sondern darüber hinaus mittels des Postausgangs in der verwendeten Kanzleisoftware „RA Micro“ die erfolgreiche Versendung von Schriftsätzen überprüfe, wobei im Falle der Berufungsbegründung vom 06.02.2023 ein „grünes Häkchen“ angezeigt gewesen sei. Die Anweisungslage in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten zur Prüfung der Zustellnachweise entspreche der Empfehlung der Bundesrechtsanwaltskammer. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung und Glaubhaftmachung des Wiedereinsetzungsgesuchs wird jeweils auf den Inhalt der Schriftsätze vom 10.03.2023 (Bl. 69 ff. GA) und vom 30.06.2023 (Bl. 108 ff. GA) nebst Anlagen verwiesen.

    6
    II.

    7
    Die Berufung ist gemäß § 522 Abs. 1 ZPO durch Beschluss als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht rechtzeitig begründet worden ist.

    8
    1.

    9
    Gemäß § 520 Abs. 2 S. 1 ZPO beginnt die zweimonatige Frist zur Begründung der Berufung mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils. Der erstmals am 10.03.2023 vorgelegte Berufungsbegründungsschriftsatz ist erst nach Fristablauf zugegangen, weil das angefochtene Urteil den Prozessbevollmächtigten der Klägerin bereits am 03.01.2023 zugestellt worden ist und somit die gesetzliche Begründungsfrist bereits mit Ablauf des 03.03.2023 endete.

    10
    2.

    11
    Der Klägerin war nicht auf ihren Antrag vom 10.03.2023 hin, mit dem sie zugleich die Berufungsbegründung erstmals eingereicht hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der versäumten Berufungsbegründungsfrist zu bewilligen.

    12
    Der gemäß §§ 234 ff. ZPO zulässige Antrag ist unbegründet.

    13
    a)

    14
    Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird nach § 233 S. 1 ZPO nur gewährt, wenn eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert war, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten. Dabei muss sich eine Partei gemäß § 85 Abs. 2 ZPO das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen. Hinsichtlich des zuzurechnenden anwaltlichen Verschuldens gilt der übliche, also berufsbedingt strenge Sorgfaltsmaßstab. Danach ist eine Fristversäumnis regelmäßig verschuldet, wenn sie für einen pflichtbewussten, d. h. den der konkreten Sachlage entsprechend und unter Einhaltung der objektiv möglichen und zumutbaren Sorgfalt handelnden Rechtsanwalt abwendbar gewesen wäre (BGH, Urteil vom 22. November 1984 ‒ VII ZR 160/84 ‒, Rn. 8, juris). Für die anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs per beA gilt dabei nichts wesentlich anderes als bei Übersendung von Schriftsätzen per Telefax (BGH Beschl. v. 15.12.2022 ‒ I ZB 35/22, BeckRS 2022, 44834 Rn. 13, beck-online, mwN). Den Versandvorgang zu überprüfen, ist unerlässlich. Dazu gehört insbesondere die Kontrolle, ob die Bestätigung des Eingangs des elektronischen Dokuments bei Gericht nach § 130a Abs. 5 2 ZPO erteilt worden ist (BGH NJW-RR 2022, 1069 Rn. 11, beck-online). Dem Rechtsanwalt obliegt es dabei, das in seiner Kanzlei für die Versendung fristwahrender Schriftsätze über das besondere elektronische Anwaltspostfach zuständige Personal anzuweisen, dass und wie Erhalt und Inhalt der automatisierten Eingangsbestätigung nach Abschluss des Übermittlungsvorgangs stets zu kontrollieren sind. Die Einhaltung der entsprechenden organisatorischen Abläufe in der Kanzlei hat der Anwalt zudem zumindest stichprobenweise zu überprüfen (BeckOK ZPO/von Selle, 51. Ed. 1.12.2023, ZPO § 130a Rn. 25.3).

    15
    b)

    16
    Gemessen an vorstehenden Anforderungen hat die Klägerin nicht gemäß §§ 236 Abs. 2 S. 1, 294 Abs. 1 ZPO glaubhaft gemacht, dass sie ohne ihr zurechenbares Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten an der Einhaltung der Berufungsfrist gehindert gewesen ist. Ein für die Fristversäumnis ursächliches anwaltliches Verschulden kann - was bereits zur Zurückweisung des Antrags ausreicht (Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Auflage 2024, § 233 ZPO, Rn. 22) - nach ihren Angaben zumindest nicht ausgeschlossen werden.

    17
    Aus den vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen der Mitarbeiterin O., welche die Richtigkeit des in dem Wiedereinsetzungsantrag enthaltenen Sachvortrags bestätigen sollen, und den vorgelegten Screenshots ergibt sich jedenfalls, dass entgegen den oben dargestellten Sorgfaltsanforderungen der Prozessbevollmächtigte der Klägerin seine verantwortlichen Mitarbeiter nicht hinreichend genug an- und eingewiesen hat, das Vorliegen der für den rechtzeitigen Zugang fristgebundener Schriftsätze maßgeblichen automatischen Eingangsbestätigung im Sinne von § 130a Abs. 5 S. 2 ZPO (richtig) zu kontrollieren. Das Vorbringen in der Antragsschrift zu den generellen Abläufen, bestätigt durch die eidesstattlichen Versicherungen, offenbart vielmehr ein für das vorliegende Fristversäumnis ursächliches Organisations- und Anweisungsdefizit.

    18
    aa)

    19
    Nach der Antragsbegründung besteht in der Kanzlei der klägerischen Prozessbevollmächtigten die Anweisungslage, jeweils das „Zustellzertifikat“ (an anderer Stelle als „Zustellbestätigung“ oder „Mitteilung bzgl. der Zustellung/des Zuganges“ bezeichnet) zu prüfen. Die Klägerin verweist hierzu auf das als Anlage beigefügte Dokument mit der Überschrift „Zustellbestätigung“ (Bl. 84 GA). Bei diesem Dokument handelt es sich jedoch, worauf der Senat bereits im Schreiben vom 26.06.2023 unter Hinweis auf die höchstrichterliche Rechtsprechung hingewiesen hatte, gerade nicht um den im Sinne von § 130a Abs. 5 S. 2 ZPO maßgeblichen Nachweis des Eingangs fristgebundener Schriftsätze. Aus diesem Grunde durften weder der Prozessbevollmächtigte der Klägerin, noch dessen verantwortliche Mitarbeiterin davon ausgehen, dass sich aus der in Rede stehenden „Zustellbestätigung“ der rechtzeitige Zugang des Berufungsbegründungsschriftsatzes von 06.02.2023 beim Gericht ergab. Die vorgelegte „Zustellbestätigung“ ist weder allgemein, noch ausnahmsweise ein tauglicher Nachweis im Sinne der oben genannten Vorschrift. Zudem ist nicht glaubhaft gemacht, dass es eine konkrete Anweisung der Mitarbeiter der Anwaltskanzlei gab, wie und auf welche Merkmale hin die „Zustellbestätigung“ überhaupt zu überprüfen ist.

    20
    (1)

    21
    Die automatisierte Eingangsbestätigung im Sinne von § 130a Abs. 5 S. 2 ZPO soll dem Absender unmittelbar und ohne weiteres Eingreifen eines Justizbediensteten Gewissheit darüber verschaffen, ob die Übermittlung an das Gericht erfolgreich war oder ob weitere Bemühungen zur erfolgreichen Übermittlung des elektronischen Dokuments erforderlich sind. Hat der Rechtsanwalt eine Eingangsbestätigung nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO erhalten, besteht Sicherheit darüber, dass der Sendevorgang erfolgreich war. Die Eingangsbestätigung wird durch das beA-System in die gesendete Nachricht eingebettet und kann nach deren Öffnen vom Absender in der Nachrichtenansicht der beA-Webanwendung auf dem Computerbildschirm anhand des Meldetextes „request executed“, Eingangsdatums und des Übermittlungsstatus „Erfolgreich“ optisch wahrgenommen werden (BGH Beschl. v. 30.3.2023 ‒ III ZB 13/22, BeckRS 2023, 9123 Rn. 10, beck-online). Der Rechtsanwalt darf nicht von einer erfolgreichen Übermittlung eines Schriftsatzes per beA an das Gericht ausgehen, wenn in der Eingangsbestätigung im Abschnitt „Zusammenfassung Prüfprotokoll“ nicht als Meldetext „request executed“ und unter dem Unterpunkt „Übermittlungsstatus“ nicht die Meldung „erfolgreich“ anzeigt wird (BGH Beschl. v. 18.4.2023 ‒ VI ZB 36/22, BeckRS 2023, 11655 Rn. 14, mwN, beck-online). Die vorzitierte Rechtsprechung des BGH bezieht sich dabei auf die von der BRAK herausgegeben und - allgemein zugänglich - im Internet veröffentlichten Erläuterungen und Erklärungen über die beA-Webanwendung und dort speziell, wo und wie man im beA-Postfach die Eingangsbestätigung gem. § 130a Abs. 5 S. 2 ZPO finden kann und welche genaue Erscheinungsform sie hat (derzeit abrufbar unter: https://www.brak.de/fileadmin/05_zur_rechtspolitik/newsletter/bea-newsletter/2019/ausgabe-31-2019-v-17102019.html).

    22
    Die danach maßgebliche Eingangsbestätigung hat in der beA-Webanwendung folgendes Erscheinungsbild (Nachfolgender screenshot wurde der zuvor zitierten online-Mitteilung der BRAK entnommen):

    23
    Die Entscheidung enthält an dieser Stelle ein Bild oder eine Grafik.

    24
    (2)

    25
    Die von der Klägerin vorlegte, nach vorangegangener Beschreibung nicht im Zusammenhang mit der beA-Webanwendung stehende „Zustellbestätigung“ (Bl. 84 GA) entspricht den vorzitierten Anforderungen an den Nachweis einer erfolgreichen Übermittlung der elektronischen Post in Bezug auf das Erscheinungsbild und vor allem inhaltlich nicht, weil sie weder den Meldetext „request executed“, noch die Bemerkung „erfolgreich“ bzgl. der Übermittlung enthält (welche vermutlich am ehesten unter dem Punkt „Nachrichtenjournal“ aufgeführt wäre, vgl. dazu auch die Ausführungen unten). Es handelt sich jedenfalls ersichtlich nicht um die vom Gesetz und daran anschließend dem BGH und der BRAK in Bezug genommene (positive) Eingangsbestätigung im Sinne von § 130a Abs. 5 S. 2 ZPO.

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    Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin daher (im letzten Schriftsatz vom 30.06.2023 auf den Hinweis des Senats hin nochmals bestätigt) in seiner Kanzlei die Anweisung gegeben hat, die Mitarbeiter sollten anhand ebendieser „Zustellbestätigung“ den ordnungsgemäßen Eingang fristgebundener Schriftsätze überprüfen, war diese Anweisung von vornherein (allgemein und auch bezogen auf den konkreten Fall) untauglich, die anwaltlichen Sorgfaltsanforderungen an die Nachhaltung des ordnungsgemäßen Zugangs sicherzustellen, weil diese „Zustellbestätigung“ nicht die erforderlichen Prüfmerkmale für eine erfolgreiche Übermittlung beinhaltet. Sie entsprach entgegen der Darstellung im Schriftsatz vom 30.06.2023 gerade nicht den Empfehlungen der BRAK.

    27
    (3)

    28
    Die von der Klägerin als Nachweis herangezogene „Zustellbestätigung“ stellt auch kein taugliches Surrogat eines geeigneten Eingangsnachweises im Sinne von § 130a Abs. 5 S. 2 ZPO dar. Es ist zwar zulässig, die in der Webanwendung des beA hinterlegte automatisierte Eingangsbestätigung in geeigneter Weise zu exportieren und somit ein Ersatzdokument für den Zustellnachweis zu schaffen. Dies kann nicht nur in Form eines Screenshots geschehen, sondern auch durch elektronischen Export aus dem beA-System, solange sichergestellt ist, dass die Informationen über Absender, Empfänger, übermitteltes Dokument sowie Versand- und Zugangszeitpunkt dauerhaft gespeichert werden können (BGH Beschl. v. 30.3.2023 ‒ III ZB 13/22, BeckRS 2023, 9123 Rn. 11, beck-online). Um einen solchen tauglichen „Ersatznachweis“ handelt es sich bei der von der Klägerin vorgelegten „Zustellbestätigung“ aber nicht. Der Senat geht davon aus, dass es sich dabei um ein automatisch durch die Schnittstellenfunktion der von den Prozessbevollmächtigten der Klägerin verwendeten Kanzleisoftware „RA Micro“ zum beA generiertes Dokument handelt. Der Senat hält es insofern zwar für möglich, dass die Erstellung dieses Dokuments durch digital hinterlegte Angaben gespeist wird oder werden soll, die sich aus (automatischen) Eingängen/Protokollen des beA ergeben. Hierzu und zu den allgemeinen technischen Hintergründen der Entstehung dieses Dokuments macht allerdings der Wiedereinsetzungsantrag, obschon dies in Anbetracht der komplexen Funktionsweise des beA-Systems und des vorangegangenen Hinweises des Senats vom 26.06.2023 geboten gewesen wäre (zu den generellen Anforderungen an die Angaben bzgl. der technischen Abläufe: BGH Beschl. v. 30.3.2023 ‒ III ZB 13/22, BeckRS 2023, 9123 Rn. 14, beck-online), keinerlei Angaben. Selbst wenn dies allerdings so sein sollte, dürfte sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin nicht ohne generelle Prüfung darauf verlassen, dass die von ihm verwendete Software die im beA hinterlegten Informationen (einschließlich Eingangsbestätigungen im Sinne von § 130a Abs. 5 S. 2 ZPO) stets vollständig und richtig verarbeitet. Denn der Anwalt hat die Funktionstüchtigkeit der von ihm in seiner Einflusssphäre verwendeten technischen Einrichtungen in der Anwaltskanzlei sicherzustellen. Eine Fehlfunktion technischer Einrichtungen entlastet den Rechtsanwalt nur dann, wenn die Störung plötzlich und unerwartet aufgetreten ist und durch regelmäßige Wartung der Geräte nicht hätte verhindert werden können (BGH Beschl. v. 15.12.2022 ‒ I ZB 35/22, BeckRS 2022, 44834 Rn. 13, beck-online). Ein derartiger Fall ist auf der Grundlage des Vorbringens der Klägerin nicht gegeben.

    29
    bb)

    30
    Vorsorglich merkt der Senat an, dass selbst dann, wenn man ‒ quod non ‒ die offenbar von „RA Micro“ generierte „Zustellbestätigung“ als dem Grunde nach ausreichenden Nachweis im Sinne von § 130a Abs. 5 S. 2 ZPO ansähe, den Klägervertreter nach eigenem Vorbringen gleichwohl ein der Klägerin gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbares Verschulden träfe. Denn dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag ist zu entnehmen, dass die Anweisungslage in der Kanzlei der Klägervertreter keine konkreten detaillierten Vorgaben dazu vorhält, wie genau und worauf hin denn jene „Zustellbestätigung“ überhaupt seitens der verantwortlichen Mitarbeiter zu kontrollieren ist, aus welchen Angaben des Dokuments speziell sich der erfolgreiche Zugang der elektronischen Post ergibt und auf welche Angaben es hier generell und entscheidend ankommt. Solches wäre aber erforderlich. Denn der Rechtsanwalt muss dem Mitarbeiter vorgeben, an welcher Stelle innerhalb der benutzten Software die elektronische Eingangsbestätigung gemäß § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO zu finden ist und welchen Inhalt sie haben muss (BGH Beschl. v. 11.1.2023 ‒ IV ZB 23/21, BeckRS 2023, 1707 Rn. 16, beck-online). Dass eine derartige Einweisung der Mitarbeiter in der Kanzlei nicht erfolgt und auch in der Vergangenheit nicht erfolgt sein kann, ergibt sich bereits aus dem Inhalt des Schriftsatzes vom 30.06.2023 in Verbindung mit der mit diesem vorgelegten „Zustellbestätigung“ über den Zugang des Wiedereinsetzungsantrages vom 10.03.2023 beim Rechtsmittelgericht. Soweit die Klägerin - bezugnehmend auf die ergänzende eidesstattliche Versicherung der Mitarbeiterin O. - anführt, die „Zustellbestätigung“ über diesen nachweislich eingegangenen Schriftsatz vom 10.03.2023 enthalte ebenso wenig diejenige über die Berufungsbegründungschrift vom 06.02.2023 die Bestätigung „request executed“, woraus sie wohl herleiten will, dass beide Bestätigungen dem Wortlaut nach identisch seien und insoweit in beiden Fällen keine Zweifel am Eingang des Schriftsatzes bei Gericht hätten aufkommen können, verfängt dies nicht. Denn die Klägerin übersieht dabei bereits, dass sich beide Dokumente gleichwohl in einem wesentlichen Punkt unterscheiden, nämlich im Hinblick auf das nach o. g. Rechtsprechung zweite Merkmal für den Nachweis einer ordnungsgemäßen „erfolgreichen“ Übermittlung, die im Falle der klägerseits vorgelegten „Zustellbestätigung“ nur unter dem Punkt „Nachrichtenjournal“ zu finden sein könnte.

    31
    Während es bezüglich des nicht zugegangenen Schriftsatzes vom 06.02.2023 in der „Zustellbestätigung“ (Bl. 84 GA) (lediglich) heißt,

    32
    Die Entscheidung enthält an dieser Stelle ein Bild oder eine Grafik.,

    33
    ist zumindest die „erfolgreiche“ Versendung (was im Übrigen schon nach seinem Wortsinn nicht mit einem wirksamen Eingang der Nachricht gleichzusetzen ist) in dem nachweislich zugegangenen Schriftsatz vom 10.03.2023 (Bl. 112 GA) in der „Zustellbestätigung“ demgegenüber in der oberen Zeile wie folgt ausdrücklich vermerkt:

    34
    Die Entscheidung enthält an dieser Stelle ein Bild oder eine Grafik.

    35
    Aus diesem Vorbringen und vorstehend beschriebenem Umstand wird nochmals ersichtlich, dass der Klägervertreter ‒ wie bereits oben festgestellt - in seiner Kanzlei keine konkreten Anweisungen dazu gegeben hat, wie genau die „Zustellbestätigung“ überhaupt richtig zu lesen ist (zumindest aber gegenteiliges nicht glaubhaft gemacht ist), und dass eine richtige Einweisung auch die Kontrolle der „erfolgreichen“ Übermittlung unter dem Punkt „Nachrichtenjournal“ beinhaltet hätte. Vor allem aber hätte eine zutreffende, hier gerade nicht glaubhaft gemachte Anweisung der Mitarbeiter unter Hinweis auf die oben zitierte eindeutige höchstrichterliche Rechtsprechung zu den entscheidenden Merkmalen des (positiven) Nachweises im Sinne von § 130a Abs. 5 S. 2 ZPO, wie bereits dargelegt, zwingend beinhalten müssen, dass bereits bei Nichtvorliegen des Meldetextes „request executed“ von einem Zugang der Sendung bei Gericht nicht ausgegangen werden darf.

    36
    cc)

    37
    Auch die weiteren von der Klägerin insbesondere im Schriftsatz vom 30.06.2023 auf den Hinweis des Senats hin angebrachten Ausführungen vermögen eine andere Beurteilung nicht zu rechtfertigen.

    38
    Aus wessen Sphäre die Zugangsstörung am Tage des Versandes der Berufungsbegründung stammte (hier: Sphäre der Justiz), ist ohne Belang. Dieser Gesichtspunkt entband den Klägervertreter nicht von der Einhaltung seiner anwaltlichen Sorgfaltspflichten. Denn maßgeblich ist, dass bei Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Anweisung der Kanzleimitarbeiter durch richtige Prüfung des „richtigen“ Nachweises der Eingangsbestätigung im Sinne von § 130a Abs. 5 S. 2 ZPO es jedenfalls aufgefallen wäre, dass kein Nachweis für den Zugang des Schriftsatzes vorlag und deshalb mit einem fehlenden Zugang zumindest ernsthaft gerechnet werden musste. Dann wiederum hätte die zuständige Arbeitskraft in der Kanzlei den Klägervertreter informiert und es wäre zur Fristwahrung vorsorglich die Berufungsbegründung per Fax unter Hinweis auf eine Zugangsstörung unbekannten Ursprungs beim Rechtsmittelgericht eingereicht worden. Aufgrund der mangelnden Anweisung, wie vorstehend unter bb) beschrieben, konnte ein möglicherweise fehlender Zugang aber nicht bemerkt und deshalb eine Sicherungsmaßnahme nicht ergriffen werden.

    39
    Nicht entscheidend ist auch, dass und ob der Klägervertreter selbst stichprobenartig die „Zustellbestätigungen“ und überdies die eigenen Postausgänge kontrolliert hat. Soweit es um die „Zustellbestätigungen“ geht, sind diese, wie dargelegt, von vornherein als tauglicher Nachweis nicht geeignet. Gleiches gilt für die bei vermeintlich erfolgreichen Postausgängen in der Kanzleisoftware angebrachten „grünen Häkchen“. Die insoweit beschriebene Kontrolle durch den Prozessbevollmächtigten der Klägerin war daher unzureichend und im Ergebnis wirkungslos.

    40
    3.

    41
    Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97 Abs. 1, 238 Abs. 4 ZPO.

    RechtsgebietElektronischer RechtsverkehrVorschriften§ 130a Abs. 5 S. 2 ZPO