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  • 12.12.2024 · IWW-Abrufnummer 245373

    Oberlandesgericht Oldenburg: Urteil vom 04.06.2024 – 13 U 110/23

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    OBERLANDESGERICHT  OLDENBURG

    Im Namen des Volkes

    Urteil

    13 U 110/23
    5 O 560/23 Landgericht Oldenburg    

    Verkündet am 4. Juni 2024

    In dem Rechtsstreit

    AA, Ort1, 

    Beklagter und Berufungskläger, 

    Prozessbevollmächtigte: 
    (...), 
    Geschäftszeichen: (...)

    gegen

    Sozietät der Rechtsanwälte und Notar a. D. BB und CC, vertreten durch die Ge-sellschafter BB und CC, Ort2, 

    Klägerin und Berufungsbeklagte, 

    Prozessbevollmächtigte: 
    (...), 
    Geschäftszeichen: (...)
     
    hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht (...), den Richter am Oberlandesgericht (...) und den Richter am Oberlandesgericht (...) auf die mündliche Verhandlung vom 21. Mai 2024 für Recht erkannt:

    Auf die Berufung des Beklagten wird das am 13. Oktober 2023 ver-kündete Urteil des Landgerichts Oldenburg unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise geändert:

    Der Beklagte wird verurteilt, bei Meidung eines vom Gericht für je-den Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 Euro und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, wobei die Ordnungshaft insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf, es zu unterlassen, auf oder zu der Website (...) im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland eine „1-Stern-Bewertung“ bezüglich der Unternehmung der Klägerin mit der Anmerkung „Nein“ zu verbreiten, ohne diese Bewertung mit dem Zusatz zu versehen, nicht Mandant der Klägerin zu sein, solange zwischen den Parteien ein Mandantschaftsverhältnis tatsächlich nicht besteht.

    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

    Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

    Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

    I.

    Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß § 540 Abs. 2, § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen, weil ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung nicht zulässig ist (§§ 543, 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).

    II.

    Die zulässige Berufung ist teilweise begründet.

    Die Klage ist nur hinsichtlich des Hilfsantrags begründet, während sie hinsicht-lich des Hauptantrags unbegründet ist. Die Klägerin kann von dem Beklagten die Unterlassung der streitgegenständlichen Google-Bewertung nicht uneingeschränkt verlangen. Vielmehr steht ihr ein Anspruch auf Unterlassung der streitgegenständlichen Google-Bewertung gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG, Art. 19 Abs. 3 GG nur insoweit zu, als zwischen den Parteien kein Mandantschaftsverhältnis besteht und der Beklagte auf diesen Umstand in der Bewertung nicht hinweist.

    1. Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die streitgegenständ-liche Google-Bewertung einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin darstellt. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen in dem erstinstanzlichen Urteil Bezug genommen (LGU 4 unter I 1).

    2. Der Eingriff ist rechtswidrig, solange zwischen den Parteien kein Mandantschaftsverhältnis besteht und der Beklagte auf diesen Umstand in der Bewertung nicht hinweist.

    Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb stellt einen offenen Tatbestand dar, dessen Inhalt und Grenzen sich erst aus einer Abwägung mit den im Einzelfall konkret kollidierenden Interessen anderer ergeben. Bei der Abwägung sind die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen. Der Eingriff in den Schutzbereich des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs ist nur dann rechtswidrig, wenn das Interesse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (BGH, Urteil vom 14. Januar 2020 ‒ VI ZR 495/18, VersR 2020, 485 Rn. 43 mwN).

    Vorliegend ist das durch Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG gewährleistete Recht der Klägerin am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb mit der in Art. 5 Abs. 1 GG und Art. 10 EMRK verankerten Meinungsäußerungsfreiheit des Beklagten abzuwägen.

    a) Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gibt das Recht, die eigene Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten. Das Grundrecht greift unabhängig davon ein, ob die Äußerung zugleich einen tatsächlichen Kern aufweist, denn der Schutzbereich von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG erstreckt sich auch auf Äußerungen, in denen sich Tatsachen und Meinungen vermengen und die insgesamt durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt werden (BVerfG, Beschluss vom 4. August 2016 - 1 BvR 2619/13, juris Rn. 13).

    Nach diesen Maßstäben ist die Google-Bewertung des Beklagten als Meinungsäußerung einzuordnen. Dabei ist das Landgericht zu Recht davon ausgegangen, dass es sich um eine Meinungsäußerung handelt, die zugleich auch eine tatsächliche Behauptung enthält (LGU 4 ff unter I 2 a). Bewertungen unternehmerischer Leistungen auf Google-Profilen werden vom angesprochenen Verkehr nicht als reine Meinungsäußerung verstanden, sondern als Bewertung einer tatsächlich in Anspruch genommenen Dienstleistung (vgl. BGH, Urteil vom 1. März 2016 ‒ VI ZR 34/15, BGHZ 209, 139 Rn. 34). Davon ausgehend ist für die Bewertung von anwaltlichen Dienstleistungen erforderlich, dass der Bewertende mit dem für die Bewertung der Kanzlei relevanten Leistungsangebot in Kontakt ge-kommen ist. Das setzt allerdings nicht zwingend voraus, dass der Bewertende Mandant der bewerteten Rechtsanwaltskanzlei gewesen ist. Vielmehr genügt schon jeder leistungsbezogene bzw. mandatsbezogene geschäftliche Kontakt, etwa bei der Vereinbarung eines ersten Beratungstermins oder bei einer schriftlichen Anfrage an die Kanzlei. Ein Kontakt des Bewertenden als Gegner eines Mandanten des bewerteten Rechtsanwalts ist jedoch kein hinreichender geschäftlicher Kontakt (OLG Stuttgart, Urteil vom 31. August 2022 ‒ 4 U 17/22, juris Rn. 34; LG München I, Urteil vom 20. November 2019 ‒ 11 O 7732/19, juris Rn. 38, 40, 46).

    b) Meinungsäußerungen genießen grundsätzlich einen weiten Schutz. Bei wertenden Äußerungen treten die Belange des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gegenüber der Meinungsfreiheit regelmäßig zurück, es sei denn, die in Frage stehende Äußerung stellt sich als Schmähkritik oder Formalbeleidigung dar. In anderen Fällen bedarf es einer abwägenden Prüfung im Einzelfall, ob die Vermutung für die Freiheit der Rede durch gegenläufige Belange des Persönlichkeitsschutzes überwunden wird. Die zugunsten des Beklagten streitende Meinungsäußerungsfreiheit findet jedoch dort ihre Grenze, wo es für eine bestimmte und einen anderen belastende Meinung schlechthin keine tatsächlichen Bezugspunkte gibt. Fehlen also tatsächliche Bezugspunkte, auf die sich eine Meinung stützt oder sind die tatsächlichen Bezugspunkte unwahr, muss die Meinungsfreiheit regelmäßig gegenüber dem kollidierenden Schutzgut zurücktreten (vgl. OLG Stuttgart aaO Rn. 38 mwN).

    aa) Bei der streitgegenständlichen Google-Bewertung handelt es sich nicht um Schmähkritik. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen in der erstinstanzlichen Entscheidung Bezug genommen (LGU 8 unter I b aa).

    bb) Somit ist das Recht der Klägerin an ihrem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb mit dem Recht auf Meinungsäußerungsfreiheit der Beklagten abzuwägen. Dabei fiele die Abwägung zugunsten der Klägerin aus, wenn der tatsächliche Bestandteil der Bewertung unzutreffend wäre.

    Insoweit bleibt zunächst einmal festzuhalten, dass der vorliegende Sachverhalt nicht mit denjenigen vergleichbar ist, die den zitierten Entscheidungen des OLG Stuttgart und des LG München I zugrunde lagen. Dort waren die Bewertenden jeweils Parteien eines Rechtsstreits, deren Gegenseite von den jeweils bewerteten Rechtsanwaltskanzleien vertreten wurden, so dass die Bewertenden keine Leistungen der Kanzleien in Anspruch genommen hatten und mit diesen nur in deren Eigenschaft als Prozessvertreter der Gegenseite in Kontakt gekommen waren (vgl. OLG Stuttgart aaO Rn. 5, 41; LG München I aaO Rn. 2).

    So liegt der Fall hier nicht. Der Beklagte und die von der Klägerin vertretene DD GbR führten gegeneinander keinen Rechtsstreit, sondern standen zueinander in Geschäftsbeziehungen. Der Beklagte hatte an die DD GbR Futter verkauft (LGU 2). Die DD GbR hatte die Klägerin mit der Prüfung der Rechnungslegung des Beklagten und ‒ unter Vorbehalt der rechtlichen Prüfung ‒ mit dem Zahlungs-ausgleich beauftragt (S. 2 des Schriftsatzes vom 8. Mai 2023 der Klägerin, GA I 44). Eine Begleichung der Rechnung unterblieb zunächst, weil die Klägerin gegen die vom Beklagten ausgestellte Rechnung formelle Bedenken hatte (LGU 2). Auf Bitten der DD GbR wandte sich der Beklagte deshalb an die Klägerin, um deren rechtliche Bedenken zu klären (S. 4 der Klageerwiderung vom 4. Mai 2023, GA I 39 mit Anlagen B5 und B7 im Anlagenband). Daraufhin kam es am 1. März 2023 zwischen den Parteien zu einem Telefonat (LGU 2). Zusätzlich teilte die Klägerin dem Beklagten mit Schreiben vom gleichen Tag mit, dass die bisher vorgelegte Rechnung auf Vollständigkeit und Richtigkeit zu überprüfen sei, insbesondere im Hinblick auf die Angaben nach § 14 Abs. 4 i.V.m. § 14a Abs. 5 UStG (Anlage B6 im Anlagenband). Mittlerweile ist die Rechnung beglichen.

    Anders als in den vom OLG Stuttgart und vom LG München I entschiedenen Fällen liegt der Google-Bewertung des Beklagte somit ein Kontakt mit dem Leistungsangebot der Klägerin zugrunde. Vor diesem Hintergrund würde es dem hohen Stellenwert der Meinungsäußerungsfreiheit (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Juni 2022 ‒ 2 BvR 784/21, juris Rn. 30) nicht gerecht, dem Beklagten grundsätzlich zu untersagen, eine Bewertung des Kontakts mit der Klägerin abzugeben. Der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Einwand, sie sei hinsichtlich derartiger Bewertungen in ihren Verteidigungsmöglichkeiten beschränkt, weil sie ihren Mandanten gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichtet sei, greift nicht durch. Ihre anwaltliche Verschwiegenheitspflicht hat die Klägerin bei Reaktionen auf Bewertungen von Mandanten in gleicher Weise zu beachten.

    Andererseits ist zu berücksichtigen, dass die Eigenart des Rechtsanwaltsberufs darin besteht, die Interessen von Mandanten zu vertreten und dass sich Bewertungen von Rechtsanwälten in erster Linie an Personen richten, die auf der Suche nach einem Interessenvertreter sind (LG München I aaO Rn. 40 ff). Vor die-sem Hintergrund besitzt die Bewertung des Beklagten nicht dieselbe Aussagekraft wie die von Mandanten der Klägerin, weil für die Zielgruppe von Rechtsanwaltsbewertungen vornehmlich die Leistung des Rechtsanwalts für seinen Mandanten und sein Auftreten ihm gegenüber von Interesse ist. Die angemessene Berücksichtigung des Rechts der Klägerin am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb im Rahmen der Abwägung gebietet es daher, dem Beklagten die Bewertung nur unter der Voraussetzung zu gestatten, dass er dabei gegebenenfalls offenlegt, in keinem Mandantschaftsverhältnis zur Klägerin zu stehen.

    Die Ausführungen des Beklagten im Schriftsatz vom 3. Juni 2024 geben keinen Anlass zu einer anderen rechtlichen Bewertung.

    3. Die für den Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog erforderliche Wiederholungsgefahr wird aufgrund der bereits erfolgten Rechtsverletzung vermutet (BGH, Urteil vom 14. März 2023 ‒ VI ZR 338/21, NJW 2023, 2479 Rn. 49 mwN mwN). Anhaltspunkte für eine Entkräftung dieser Vermutung hat der Beklagte nicht dargelegt.

    III.

    Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen nicht. Insbesondere liegt kei-ne Divergenz zu der zitierten Entscheidung des OLG Stuttgart vor. Abgesehen davon, dass dieser Entscheidung ‒ wie ausgeführt ‒ ein anderer Sachverhalt zugrunde lag, geht der Senat von denselben Rechtssätzen wie das OLG Stuttgart aus.