21.05.2015 · IWW-Abrufnummer 144540
Oberlandesgericht Köln: Beschluss vom 29.04.2013 – 25 WF 235/12
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Köln
25 WF 235/12
Tenor:
Die Beschwerde der Bezirksrevisorin gegen den Kostenbeschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Köln vom 24. April 2012 (317 F 85/12) wird zurückgewiesen.
Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
G r ü n d e:
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I.
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Mit Antrag vom 19. März 2012 begehrte der Antragsteller, der von der Antragsgegnerin getrennt lebt, die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts über das am 00. September 2002 geborene gemeinsame Kind D sowie der Antragsgegnerin zu untersagen, das Kind ohne Zustimmung des Antragstellers an der Erstkommunion teilnehmen zu lassen. Im Termin vom 29. März 2012 schlossen die Beteiligten einen Vergleich dahingehend, dass B bis zum Beginn der Sommerferien 2012 im Haushalt der Kindesmutter verbleiben solle, trafen eine Umgangsregelung, einigten sich darüber, dass die Erstkommunion stattfinde sowie darüber, dass das weitere ehegemeinsame Kind T den Vater jederzeit besuchen könne. Weiter heißt es im Protokoll:
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„b.u.v.
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(…)
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2. Dem Antragsteller wird Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von RA C für das Verfahren und den Vergleich bewilligt.
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3. Der Verfahrenswert wird auf 1.500,00 Euro festgesetzt.
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4. Der Mehrwert für den Vergleich wird auf 3.000,00 Euro festgesetzt.“
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Mit Kostenantrag vom 18. April 2012 (Bl. 7 VKH-Heft) beantragte der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers, gegen die Staatskasse Gebühren und Auslagen in Höhe von 1.131,21 € festzusetzen; hierin enthalten waren eine Verfahrensgebühr sowie eine Terminsgebühr aus dem Verfahrenswert des Vergleichs.
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Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle setzte die Gebühren und Auslagen am 24. April 2012 unter Reduzierung der Verfahrensgebühr und der Einigungsgebühr mit 1.018,64 € fest.
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Gegen diese Festsetzung richtet sich das Rechtsmittel der Bezirksrevisorin, mit welchem sie eine Reduzierung der Festsetzung auf 714,60 € erstrebt und geltend macht, Verfahrens(differenz)gebühr und Terminsgebühr seien nicht aus der Landeskasse zu erstatten.
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Durch Beschluss vom 4. September 2012 hat die Abteilungsrichterin die Erinnerung der Bezirksrevisorin zurückgewiesen und hierzu ausgeführt, dem Antragsteller sei nach Erörterung der Sach- und Rechtslage Verfahrenskostenhilfe für einen umfassenden Elternvergleich bewilligt worden. Es bestehe keine Veranlassung anzunehmen, dass sich die Verfahrenskostenhilfebewilligung nicht auf Verfahrens- und Einigungsgebühr erstrecke.
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Gegen diese Entscheidung hat die Bezirksrevisorin Beschwerde eingelegt.
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Durch Beschluss vom 28. März 2013 hat der Einzelrichter das Verfahren wegen grundsätzlicher Bedeutung auf den Senat übertragen.
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Im Beschwerdeverfahren hatten die Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme.
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II.
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Die gemäß §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 – 8 RVG an sich statthafte, gemäß § 33 Abs. 3 S. 3 RVG rechtzeitig eingelegte Beschwerde der Bezirksrevisorin ist auch mit Rücksicht auf den Beschwerdewert des § 33 Abs. 3 S. 1 RVG (hier: 304,04 €) und daher insgesamt zulässig. In der Sache selbst bleibt sie ohne Erfolg.
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1. Im Hinblick darauf, dass mit nicht angegriffener Wertfestsetzung vom 29. März 2012 der Wert für das Verfahren auf 1.500,00 €, der Mehrwert für den Vergleich auf 3.000,00 € festgesetzt worden ist, liegt hier die Konstellation des sogenannten „Mehrvergleichs“ vor. Für diese Konstellation ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten, welche Gebühren der beigeordnete Rechtsanwalt aus der Staatskasse erstattet verlangen kann.
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2.
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a) Gemäß § 48 Abs. 1 RVG richtet sich der Vergütungsanspruch des im Wege der Verfahrenskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts nach dem Beschluss, durch den Verfahrenskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet worden ist. Die Frage nach der Erstattungsfähigkeit – zweifelsfrei angefallener – Gebühren aus der Landeskasse ist daher in erster Linie eine solche nach der Auslegung des Bewilligungsbeschlusses. Dabei unterliegt es zunächst keinem Zweifel, dass das Gericht berechtigt ist, die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe auf mit dem Vergleichsschluss zusammenhängende Gebühren (also die Verfahrens- und die Einigungsgebühr) zu erstrecken (OLG Köln [4. Zivilsenat] B. v. 12.07.2007 – 4 WF 117/07 = AGS 2008, 65; vgl. weiter OLG Köln [27. Zivilsenat] B. v. 12.11.2012 – 27 WF 171/12; OLG Schleswig B. v. 22.02.2012 – 15 WF 437/11 = FamRZ 2012, 1416 = NJW 2012, 1523; Gerold/Schmidt-Müller-Rabe, RVG, 20. Auflage 2012, § 48 Rz. 120; Anwaltkommentar-RVG-Fölsch/Schnapp/N. Schneider, 6. Auflage 2012, § 48 Rz. 11).
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Es liegt nahe, eine Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe „für das Verfahren und den Vergleich“ regelmäßig dahingehend auszulegen, dass mit ihr alle entstandenen Gebühren abgedeckt und mithin von der Landeskasse zu erstatten sind (a.A. OLG Köln [12. Zivilsenat] B. v. 01.03.2012 – 12 WF 29/12 = MDR 2012, 1193). Hierfür spricht, dass für den sachlichen Umfang der Bewilligung die objektive Sicht der - rechtskundigen – Verfahrensbeteiligten maßgeblich ist (vgl. OLG Schleswig a.a.O.), die einer Bewilligung „für den Vergleich“ gerade keine Einschränkung entnehmen werden. Hierfür spricht weiter die gebotene weitgehende Gleichbehandlung der mittellosen mit der bemittelten Partei hinsichtlich der anwaltlichen Beratung und Vertretung (hierzu vgl. Zöller-Geimer, ZPO, 29. Auflage 2012, vor § 114 Rz. 1 mit zahlr. Nachw. aus der Rspr. des Bundesverfassungsgerichts). Würde die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe nur auf die höhere Einigungsgebühr erstreckt, hätte der Mandant Verfahrens(differenz)gebühr und eine ggf. entstandene Terminsgebühr zu tragen; er ist aber mittellos. Die Beschränkung auf die Einigungsgebühr würde daher in vielen Fällen die – auch aus verfahrensökonomischer Sicht wünschenswerte – Einbeziehung nicht rechtshängiger Ansprüche verhindern.
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Im vorliegenden Fall tritt aber hinzu, dass die Abteilungsrichterin im Beschluss vom 4. September 2012 dargelegt hat, es sei nach dem Terminsprotokoll davon auszugehen, dass der Gegenstand des sogenannten Mehrvergleichs mit den Beteiligten erörtert worden sei und es bestehe kein Grund zu einer einschränkenden Auslegung der Verfahrenskostenhilfebewilligung. Hieraus ergibt sich, dass die Abteilungsrichterin die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe auf alle angefallenen Gebühren erstrecken wollte.
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Es ist anerkannt, dass die Verfahrensgebühr als Betriebsgebühr mit der Entstehung einer Einigungsgebühr unlösbar verbunden, die Entstehung einer Einigungsgebühr ohne Verfahrensgebühr nicht möglich ist (OLG München B. v. 18.03.2009 – 11 WF 812/09 = FamRZ 2009, 1779 = NJW-RR 2009, 1367). Im vorliegenden Fall ist aber auch die Teminsgebühr entsprechend Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV RVG durch die Erörterung nicht rechtshängiger Ansprüche entstanden. Beide Gebühren sind daher von der Verfahrenskostenhilfebewilligung erfasst.
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b) Gegen die Erstattungsfähigkeit von Verfahrens- und ggf. Terminsgebühr wird vorgebracht, die vorliegende Konstellation sei mit einer im Erörterungstermin im PKH-Verfahren erzielten Einigung der Parteien (hinsichtlich des nicht rechtshängigen Anspruchs) vergleichbar, für welchen der Bundesgerichtshof (B. v. 08.06.2004 – VI ZB 49/03 = BGHZ 159, 263 = NJW 2004, 2595 = FamRZ 2004, 1708) entschieden hat, dass dort nur eine Einigungsgebühr erstattungsfähig sei. Das sei im Falle des Mehrvergleichs ebenso zu sehen (so: OLG Köln [12. Zivilsenat], B. v. 01.03.2012 – 12 WF 29/12 = MDR 2012, 1193; OLG Hamm, B. v. 14.02.2012 – 25 W 23/12 = AGS 2012, 479; OLG Bamberg, B. v. 21.03.2011 – 4 W 42/10 = FamRZ 2011, 1605; OLG Celle, B. v. 21.01.2011 – 10 WF 6/11 = FamRZ 2011, 835).
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Dem folgt der erkennende Senat nicht. Von der Situation des § 118 Abs. 1 S. 3 ZPO unterscheidet sich die vorliegende Konstellation dadurch, dass nicht nur ein Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren, sondern ein einstweiliges Anordnungsverfahren anhängig war, in dessen Rahmen eine Einigung der Beteiligten über den eigentlichen Verfahrensgegenstand hinaus erfolgt ist. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Erstattungsfähigkeit von im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren entstandenen Gebühren ist daher auf die vorliegende Sachgestaltung gerade nicht bruchlos übertragbar. Ihre Anwendung in der vorliegenden Konstellation würde dem Grundsatz widersprechen, dass das Gericht die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe auf mit dem Vergleichsschluss zusammenhängende Gebühren (also die Verfahrens- und die Einigungsgebühr) zu erstrecken vermag.
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c) Das Argument, im Falle der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe „für den Vergleich“ und deren Erstreckung auf allen anfallenden Gebühren bestehe die Gefahr der Umgehung der im Bewilligungsverfahren notwendigen Prüfung der Erfolgsaussichten (so: OLG Celle B. v. 21.01.2011 – 10 WF 6/11 = FamRZ 2011, 835; OLG Oldenburg B. v. 27.10.2009 – 13 W 46/09 = FamRZ 2010, 400) hat Gewicht zumal dann, wenn – wie in Familiensachen häufig – beide Seiten Verfahrenskostenhilfe begehren. Dann werden in der Tat die beiderseitigen Erfolgsaussichten von Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung hinsichtlich des verfahrensfremden Anspruchs oftmals kaum abzuschätzen sein. Das gilt erst recht, wenn dieser in der mündlichen Verhandlung erstmals überhaupt zur Sprache kommt. Andererseits wird in – einen Schwerpunkt der strittigen Fällen bildenden – Verfahren über Sorge- und Umgangsrecht häufig den Begehren beider Seiten die Erfolgsaussicht nicht abzusprechen sein. Dann kann uneingeschränkt Verfahrenskostenhilfe bewilligt werden. Der beschriebenen Gefahr aber kann durch eine ausdrückliche Beschränkung der Verfahrenskostenhilfe „auf den Mehrvergleich“ oder „auf die Einigungsgebühr, soweit sie durch den Vergleich über nicht rechtshängige Ansprüche ausgelöst worden ist“ wirksam begegnet werden. Eine solche Beschränkung ist aber hier – wie dargelegt - gerade nicht erfolgt.
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III.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 56 Abs. 2 S. 2 und 3 RVG.
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Beschwerdewert: 304,04 €