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  • 19.08.2015 · IWW-Abrufnummer 145124

    Bundesverwaltungsgericht: Beschluss vom 11.03.2008 – 6 B 2.08

    Ein Berufsbetreuer im Sinne des § 1897 Abs. 6 BGB übt keinen Freien Beruf, sondern ein Gewerbe aus und muss dessen Aufnahme gemäß § 14 Abs. 1 GewO der zuständigen Behörde anzeigen.


    Bundesverwaltungsgericht

    Beschl. v. 11.03.2008

    Az.: BVerwG 6 B 2.08

    In der Verwaltungsstreitsache
    ...
    hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
    am 11. März 2008
    durch
    den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bardenhewer und
    die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hahn und Dr. Graulich
    beschlossen:
    Tenor:

    Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 29. August 2007 wird zurückgewiesen.

    Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

    Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 EUR festgesetzt.
    Gründe
    1

    1.

    Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
    2

    Nach § 132 Abs. 2 VwGO kann die Revision nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Berufungsentscheidung von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Berufungsentscheidung beruhen kann. Wird wie hier die Nichtzulassung der Revision mit der Beschwerde angefochten, muss in der Beschwerdebegründung die grundsätzliche Bedeutung dargelegt oder die Entscheidung, von der die Berufungsentscheidung abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Die Prüfung des beschließenden Senats ist demgemäß auf fristgerecht geltend gemachte Beschwerdegründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO beschränkt.
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    Die Rechtssache hat nicht die allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt die Bezeichnung einer konkreten Rechtsfrage, die für die Revisionsentscheidung erheblich sein wird, und einen Hinweis auf den Grund, der ihre Anerkennung als grundsätzlich bedeutsam rechtfertigen soll. Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage führen kann. Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage verleiht der Sache keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung.
    4

    Der Kläger hält die Frage für klärungsbedürftig, ob ein hauptberuflicher Betreuer im Sinne des § 1897 Abs. 6 BGB nach § 14 GewO verpflichtet ist, eine Gewerbeanzeige abzugeben oder ob er freiberuflich tätig ist. Diese Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Grundsatzrevision, weil sie sich auf der Grundlage der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen und der Rechtsprechung ohne Weiteres dahin beantworten lässt, dass der hauptberufliche Betreuer ein Gewerbe ausübt und daher verpflichtet ist, der zuständigen Behörde anzuzeigen, wenn er den selbstständigen Betrieb im stehenden Gewerbe anfängt.
    5

    Gemäß § 14 Abs. 1 GewO muss derjenige, der den Betrieb eines stehenden Gewerbes anfängt, dies der für den betreffenden Ort zuständigen Behörde gleichzeitig anzeigen. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass der Begriff des Gewerbes, der vom Gesetz selbst nicht definiert wird, dahin zu verstehen ist, dass es sich um eine nicht sozial unwertige (generell nicht verbotene), auf Gewinnerzielungsabsicht gerichtete und auf Dauer angelegte selbstständige Tätigkeit handelt, die nicht zur Urproduktion, zu den Freien Berufen oder zur bloßen Verwaltung eigenen Vermögens zu rechnen ist (Urteile vom 24. Juni 1976 - BVerwG 1 C 56.74 - Buchholz 451.20 § 14 GewO Nr. 2 S. 3 = GewArch 1976, 293 <294> und vom 26. Januar 1993 - BVerwG 1 C 25.91 - Buchholz 451.20 § 14 GewO Nr. 5 = GewArch 1993, 197). Die Frage des Klägers zielt allein darauf, ob seine Betätigung deshalb aus dem Begriff des Gewerbes auszugrenzen ist, weil sie sich als Ausübung eines sog. Freien Berufes darstellt.
    6

    Der Begriff des Freien Berufes als negatives Element des Gewerbebegriffs ist jedoch ebenfalls in der Rechtsprechung hinreichend geklärt. Bei dem Begriff des Freien Berufes handelt es sich zunächst um einen soziologischen Begriff, der zur Kennzeichnung eines aus der gesellschaftlichen Situation des frühen Liberalismus erwachsenen Sachverhalts entstanden ist und nachfolgend partiell von der Rechtsordnung aufgegriffen wurde (BVerfG, Beschluss vom 25. Februar 1960 - 1 BvR 239/52 - BVerfGE 10, 354 <364> [BVerfG 25.02.1960 - 1 BvR 239/52]). Er ist weder in der Gewerbeordnung noch in anderen Gesetzen allgemeingültig definiert, hat aber in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für den Anwendungsbereich der Gewerbeordnung hinreichende Konturen erlangt. Danach ist darauf abzustellen, ob es sich um eine wissenschaftliche, künstlerische oder schriftstellerische Tätigkeit höherer Art oder eine Dienstleistung höherer Art handelt, die eine höhere Bildung, d.h. grundsätzlich ein abgeschlossenes Hochschul- oder Fachhochschulstudium erfordert (Urteile vom 15. Januar 1970 - BVerwG 1 C 17.68 - Buchholz 451.20 § 14 GewO Nr. 1 S. 3 = GewArch 1970, 125 <127> , vom 24. Juni 1976 - BVerwG 1 C 56.74 - a.a.O. und vom 1. Juli 1987 - BVerwG 1 C 25.85 - BVerwGE 78, 6 <8> [BVerwG 01.07.1987 - 1 C 25/85] = Buchholz 451.20 § 14 GewO Nr. 4 S. 3 = GewArch 1987, 331 <332>). § 1 Abs. 2 des Gesetzes über Partnerschaftsgesellschaften Angehöriger Freier Berufe (Partnerschaftsgesellschaftsgesetz - PartGG) vom 25. Juli 1994 (BGBl. I S. 1744) definiert für seinen Anwendungsbereich, dass die Freien Berufe im Allgemeinen auf der Grundlage besonderer beruflicher Qualifikation oder schöpferischer Begabung die persönliche, eigenverantwortliche und fachlich unabhängige Erbringung von Dienstleistungen höherer Art im Interesse der Auftraggeber und der Allgemeinheit zum Inhalt haben. In Ermangelung einer für das Gewerberecht verbindlichen Begriffsbestimmung ist zur Ausgrenzung aus dem Gewerbebegriff jedenfalls eine Betätigung zu fordern, die, wenn auch nicht in allen Elementen, so doch im Typus der Umschreibung des Begriffs des Freien Berufes in der seit langem gefestigten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entspricht. Der Kläger zeigt in seiner Beschwerdebegründung nicht auf, dass das bisherige Begriffsverständnis weiterer Klärung bedarf.
    7

    Die Beantwortung der Frage, ob die Betätigung des sog. Berufsbetreuers in dem umschriebenen Sinne freiberuflich ist, erfordert die Ermittlung der Anforderungen, die das Gesetz an die Berufsbetreuer stellt. Diese Prüfung hat das Oberverwaltungsgericht gründlich und umfassend vorgenommen (vgl. die Entscheidungsgründe des Parallelverfahrens, abgedruckt in GewArch 2008, 34) und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Berufsbetätigung des Betreuers nicht freiberuflich ist (so auch Friauf, GewO, § 1 Rn. 181). Damit setzt sich die Beschwerdebegründung auch nicht ansatzweise auseinander. Zur Vermeidung von Wiederholungen beschränkt sich der beschließende Senat deshalb auf folgende Erwägungen:
    8

    Die auf eigene Rechnung und eigene Gefahr ausgeübte und selbstständige Tätigkeit als Berufsbetreuer (§ 1897 Abs. 6 BGB) ist als zulässige berufliche Betätigungsform anerkannt, auf Dauer angelegt und auf Gewinnerzielung gerichtet (§ 1836 Abs. 1 Satz 2, § 1908i Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. dem Gesetz über die Vergütung von Vormündern und Betreuern (Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz - VBVG) vom 21. April 2005 (BGBl. I S. 1073, 1076). Eine freiberufliche Tätigkeit in dem dargelegten Verständnis liegt nicht vor. Zwar steht auch bei der Berufsbetreuung wie sonst bei Freien Berufen die persönliche Tätigkeit im Vordergrund (§ 1897 Abs. 1 BGB). Sie kann aber nicht als wissenschaftliche Tätigkeit angesehen werden, die eine höhere Bildung erfordert. Die Betätigung als Berufsbetreuer setzt gemäß § 1897 Abs. 1 BGB lediglich voraus, dass der Betreuer geeignet ist, in dem gerichtlich bestimmten Aufgabenkreis die Angelegenheiten des Betreuten rechtlich zu besorgen und diesen in dem hierfür erforderlichen Umfang persönlich zu betreuen. Die Anwendung wissenschaftlicher Methoden und eine besondere, durch Hochschul- oder Fachhochschulausbildung erworbene Befähigung fordert das Gesetz nicht. Das wird dadurch bestätigt, dass die Betreuungstätigkeit vorrangig als Ehrenamt ausgestaltet ist, wie aus § 1897 Abs. 6 BGB folgt. Sie wird daher in erster Linie von nicht speziell dazu ausgebildeten Personen, etwa nahen Angehörigen, vorgenommen. Für Berufsbetreuer sind weitergehende Anforderungen nicht gestellt worden. Dass für den Berufsbetreuer keine besondere Hochschul- oder Fachhochschulausbildung erforderlich ist, ergibt sich zudem unmittelbar aus § 4 VBVG, der für die Vergütung der Berufsbetreuer unterschiedliche Stundensätze vorsieht, welche nach dem Ausbildungsgrad des Berufsbetreuers gestaffelt sind, und der bei grundsätzlich nicht einmal vorausgesetzten besonderen Kenntnissen des Berufsbetreuers eine Erhöhung bestimmt und erst bei einer akademischen Ausbildung den Höchstsatz gestattet, diese also grundsätzlich nicht als gegeben ansieht.
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    Mit der Übernahme einer Betätigung als Beruf, die grundsätzlich jedermann ehrenamtlich wahrnehmen kann, wird der Typus des Freien Berufes verlassen, weil persönlich und eigenverantwortlich einsetzbare Kenntnisse der umschriebenen Art nicht gefordert werden und die Betätigung nicht auf wissenschaftlicher Grundlage erfolgen muss.
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    Es ist auch nicht nach Sinn und Zweck des § 14 GewO geboten, Berufsbetreuer von einer Anwendung der Gewerbeordnung auszunehmen. Die Anzeige dient, wie aus § 14 Abs. 1 Satz 3 GewO folgt, dem Zweck, der zuständigen Behörde die (umfassende) Überwachung der Gewerbeausübung sowie statistische Erhebungen zu ermöglichen. Durch die Anzeige wird es den zuständigen Behörden insbesondere möglich, bei Bedenken gegen die Zuverlässigkeit der Gewerbetreibenden oder bei Nichterfüllung der Anforderungen an die Berufsausübung einzuschreiten (Urteil vom 24. Juni 1976 - BVerwG 1 C 56.74 - a.a.O.). Damit zielt die gewerberechtliche Anzeigepflicht auf Zwecke, die durch die Unterstellung der Berufsbetreuer unter die Aufsicht des Vormundschaftsgerichts nicht erreicht werden können. Diese bezieht sich vornehmlich auf die ordnungsgemäße Führung der einzelnen konkreten Betreuung im Interesse des Betreuten (§ 1908i Abs. 1, §§ 1837 ff. BGB) sowie die Beobachtung der persönlichen Eignung des Betreuers zur Besorgung der Angelegenheiten des Betreuten (§ 1908b BGB). Sie erstreckt sich indessen nicht auf die übrigen Voraussetzungen der (gewerberechtlichen) Zuverlässigkeit, etwa die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und die Erfüllung steuerlicher Anforderungen. Darüber hinaus existiert im Bereich der Aufsicht durch die Vormundschaftsgerichte auch kein Register, das die Funktion des Gewerbezentralregisters gemäß §§ 149 ff. GewO erfüllen könnte.
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    2.

    Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG.

    RechtsgebieteBGB, GewO, VBVGVorschriften§ 1897 Abs. 6 BGB; § 14 Abs. 1 GewO; § 4 VBVG