08.12.2016 · IWW-Abrufnummer 190488
Bundesgerichtshof: Urteil vom 10.11.2016 – IX ZR 119/14
BGB § 138 Abs. 1 Aa
Ob ein für die Sittenwidrigkeit der Honorarvereinbarung sprechendes auffälliges Missverhältnis zwischen der Leistung des Anwalts und dem vereinbarten Honorar besteht, hängt davon ab, welche Vergütung nach Umfang und Schwierigkeit der im Rahmen des konkreten Mandats geschuldeten anwaltlichen Tätigkeit marktangemessen und adäquat ist. Die gesetzlichen Gebühren stellen hierbei ein Indiz dar.
RVG § 3a Abs. 2
Die tatsächliche Vermutung, dass ein Honorar unangemessen hoch ist, welches die gesetzlichen Gebühren um mehr als das 5-fache übersteigt, gilt auch für zivilrechtliche Streitigkeiten. Der Anwalt kann die Vermutung entkräften.
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 10. November 2016 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, den Richter Prof. Dr. Gehrlein, die Richterin Lohmann, die Richter Dr. Schoppmeyer und Meyberg
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision gegen das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 9. Mai 2014 wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.
Tatbestand
1
Die in K. wohnhaften Kläger beauftragten den in N. ansässigen Beklagten am 6. Oktober 2009, sie in einer Kindschaftssache wegen ihres Pflegekindes zu vertreten. Die Kläger wollten die mit der Mutter des Pflegekindes und dem Jugendamt bestehenden Konflikte klären lassen. Mit Schreiben vom 15. Oktober 2009 teilte der Beklagte den Klägern mit, dass bei ihm bereits ein erheblicher Zeitaufwand von 9 bis 10 Stunden angefallen sei und bot ihnen an, entweder eine Honorierung nach reinem Zeitaufwand (200 € pro Stunde) oder pauschaliert zu vereinbaren. Außerdem übermittelte der Beklagte den Klägern eine Vorschussnote über 2.580 € netto und kündigte an, zum für den 21. Oktober 2009 bestimmten Termin beim Jugendamt nur nach Begleichung des Vorschusses anreisen zu wollen. Die Kläger wählten zunächst die Stundenhonorarvereinbarung und zahlten den verlangten Vorschuss.
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Nachdem der Beklagte am 22. Oktober 2009 für den bis dahin aufgelaufenen Zeitaufwand 4.188,68 € abrechnete, entschlossen sich die Kläger dazu, nunmehr doch das alternativ angebotene Pauschalhonorar zu vereinbaren. Am 5. November 2009 unterzeichneten sie eine entsprechende Urkunde, wonach sich der Beklagte ein Pauschalhonorar von 20.000 € für die Vertretung der Kläger "in der Sache unseres Pflegekindes [...] bezüglich aller sich hieraus ergebenden Sach- und Rechtsfragen" für die erste Instanz zuzüglich Auslagen und Umsatzsteuer versprechen ließ. Für jede weitere Instanz sollte das Honorar besonders vereinbart werden. Der Beklagte vertrat die Kläger in einer Besprechung mit dem Jugendamt, in zwei - für die Kläger erfolgreichen - familienrechtlichen Verfahren vor dem Amtsgericht und in einer Dienstaufsichtsbeschwerde. Die hierfür entstandenen gesetzlichen Gebühren betrugen nach einem im Rechtsstreit eingeholten Gebührengutachten der Rechtsanwaltskammer N. insgesamt 3.733,03 €. Der Beklagte rechnete einen Gesamtbetrag von 24.581,50 € ab, den die Kläger vollständig bezahlten.
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Die Klage auf Rückzahlung von 24.581,40 € hatte in erster Instanz keinen Erfolg. Mit ihrer Berufung haben die Kläger ihre Klage nur noch in Höhe von 20.848,37 € nebst vorgerichtlichen Anwaltskosten weiterverfolgt. Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
4
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
5
Die Revision ist unzulässig, soweit die Kläger Ansprüche aus Schadensersatz wegen schuldhafter Verletzung des Anwaltsvertrags geltend machen. Insoweit fehlt es bereits an einer Berufung gegen das landgerichtliche Urteil.
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Zwar haben die Kläger in erster Instanz auch geltend gemacht, der Beklagte habe sie über die Möglichkeiten, das Anwaltshonorar zu finanzieren, unzureichend beraten und sie nicht über die Höhe der gesetzlichen Gebühren informiert. Insoweit haben die Kläger jedoch gegen das die Klage abweisende Urteil des Landgerichts keine Berufung eingelegt. Selbst wenn der Beklagte zu einer solchen Beratung verpflichtet gewesen sein sollte, handelt es sich bei einem hieraus folgenden Schadensersatzanspruch um einen anderen Streitgegenstand als das Begehren, das tatsächlich vereinbarte Honorar wegen seiner unangemessenen Höhe oder der Sittenwidrigkeit der Vereinbarung zurückzufordern. Die Kläger haben sich in ihrer Berufungsbegründung jedoch darauf beschränkt, das landgerichtliche Urteil wegen einer Verletzung des § 3a Abs. 2 RVG anzugreifen. Ausführungen zu einem Schadensersatzanspruch der Kläger aufgrund einer unzureichenden Beratung durch den Beklagten enthält die Berufungsbegründung nicht. Es liegt mithin eine auf die Rückforderung überzahlten Honorars beschränkte Berufung vor.
II.
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Im Übrigen ist die Revision unbegründet.
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1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, den Klägern stehe kein Rückforderungsanspruch zu, weil die getroffene Pauschalvereinbarung nicht sittenwidrig sei. Es liege kein auffälliges Missverhältnis zwischen der Anwaltsleistung und dem vereinbarten Pauschalhonorar vor. Objektiver Beurteilungsmaßstab für die Frage eines Missverhältnisses zwischen Anwaltsleistung und Honorarvereinbarung sei die Überschreitung des fünffachen Satzes der gesetzlichen Gebühren. Allein aufgrund des im Streitfall errechneten Faktors von 6,44 könne ein solches Missverhältnis nicht vermutet werden, weil der Beklagte seinen erheblichen Arbeitsaufwand hinreichend dargelegt habe und andererseits wegen der niedrigen oder mittleren Streitwerte eine adäquate Vergütung nicht gewährleistet gewesen sei. Aus diesen Gründen komme auch keine Herabsetzung der Pauschalvergütung gemäß § 3a Abs. 2 Satz 1 RVG in Betracht.
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2. Das hält rechtlicher Prüfung im Ergebnis stand.
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a) Die Klage ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt ( § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ). Stützen die Mandanten die von ihnen begehrte Rückgewähr eines gezahlten Anwaltshonorars einerseits darauf, die vereinbarte Vergütung sei sittenwidrig überhöht und daher nichtig, und andererseits darauf, die Vergütung sei unangemessen hoch und deshalb herabzusetzen, liegt ein einheitlicher Streitgegenstand vor. Mithin ist nicht erforderlich, dass die Kläger für die geltend gemachten Rückzahlungsansprüche eine Rangfolge bestimmen.
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Der Streitgegenstand wird bestimmt durch das Rechtsschutzbegehren (Antrag), in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Anspruchsgrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet ( § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ). Zum Anspruchsgrund sind alle Tatsachen zu rechnen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden und den Sachverhalt seinem Wesen nach erfassenden Betrachtung zu dem zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören, den eine Partei zur Stützung ihres Rechtsschutzbegehrens vorträgt. Vom Streitgegenstand werden damit alle materiell-rechtlichen Ansprüche erfasst, die sich im Rahmen des gestellten Antrags aus dem zur Entscheidung unterbreiteten Lebenssachverhalt herleiten lassen. Das gilt unabhängig davon, ob die einzelnen Tatsachen des Lebenssachverhalts von den Parteien vorgetragen worden sind oder nicht (ständige Rechtsprechung, vgl. BGH, Beschluss vom 3. März 2016 - IX ZB 33/14 , WM 2016, 792 Rn. 27 mwN, für BGHZ bestimmt; Urteil vom 5. Juli 2016 - XI ZR 254/15 , WM 2016, 1831 Rn. 24).
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So liegt der Streitfall. Grundlage des Begehrens der Kläger ist die Rückforderung bereits gezahlten Honorars nach § 812 Abs. 1 BGB . Sie leiten den Mangel des rechtlichen Grundes aus § 138 Abs. 2 BGB , aus einem im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig überhöhten Honorar und einem im Sinne des § 3a Abs. 2 RVG unangemessen hohen Honorar her. Der von den Klägern zur Entscheidung gestellte Tatsachenkomplex beruht in seinen wesentlichen Eigenheiten damit darauf, dass das dem Beklagten gezahlte Honorar im Verhältnis zu den Gegenleistungen des Beklagten überhöht sei. Der Kern dieses zur Entscheidung stehenden Lebenssachverhalts weist allenfalls geringe Abweichungen auf, die bei natürlicher Betrachtung nach der Verkehrsauffassung keine Bedeutung haben (vgl. BGH, Beschluss vom 3. März 2016, aaO Rn. 28).
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b) Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zu Recht eine sittenwidrig überhöhte Vergütung verneint. Es liegen weder die Voraussetzungen des § 138 Abs. 2 BGB vor noch die des § 138 Abs. 1 BGB .
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aa) Für den Wuchertatbestand des § 138 Abs. 2 BGB genügt ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung allein nicht. Erforderlich ist darüber hinaus, dass der Gläubiger die beim Schuldner bestehende, von § 138 Abs. 2 BGB näher bestimmte Schwächesituation ausgenutzt hat. Dieser Ausbeutungsvorsatz kann bei § 138 Abs. 2 BGB nicht allein aus dem auffälligen Missverhältnis gefolgert werden (vgl. BGH, Urteil vom 12. März 1981 - III ZR 92/79 , BGHZ 80, 153, 159 f. ; vom 25. Februar 2011 - V ZR 208/09 , WuM 2011, 298 Rn. 11 mwN).
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Das Landgericht hat angenommen, dass die Kläger keinen der in der Vorschrift geregelten Fälle (Zwangslage, Unerfahrenheit, mangelndes Urteilsvermögen, erhebliche Willensschwäche) ausreichend dargelegt haben. Diese Überlegungen hat sich das Berufungsgericht zu eigen gemacht; Rechtsfehler sind nicht ersichtlich. Eine Zwangslage käme nur in Betracht, wenn für die Kläger wegen einer erheblichen Bedrängnis ein zwingender Bedarf nach der anwaltlichen Beratung bestand. Es müssen dem Betroffenen schwere Nachteile drohen ( BGH, Urteil vom 8. Februar 1994 - XI ZR 77/93 , NJW 1994, 1275 unter II.3.c.). Die Kläger behaupten weder, dass ihnen kein anderer Anwalt zur Verfügung stand, noch dass sie sich in einer Lage befunden hätten, das Mandat kurzfristig nicht beenden zu können. Noch weniger zeigen die Kläger auf, dass der Beklagte eine solche Zwangslage ausgebeutet hätte.
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bb) Auch die Voraussetzungen des § 138 Abs. 1 BGB liegen nicht vor. Es fehlt sowohl an ausreichendem Vortrag der Kläger zu einem auffälligen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung als auch zur subjektiven Seite der Sittenwidrigkeit.
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(1) Eine Vergütungsabrede ist nach ständiger Rechtsprechung gemäß § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung ein auffälliges Missverhältnis besteht und weitere Umstände hinzutreten, welche die Sittenwidrigkeit begründen (vgl. BGH, Urteil vom 30. Mai 2000 - IX ZR 121/99 , BGHZ 144, 343, 345 unter 1.a.; vom 24. Januar 2014 - V ZR 249/12 , NJW 2014, 1652 Rn. 10 mwN; vom 15. Januar 2016 - V ZR 278/14 , MDR 2016, 455 Rn. 7), insbesondere etwa eine verwerfliche Gesinnung oder die Ausbeutung der schwierigen Lage oder Unerfahrenheit für das eigene unangemessene Gewinnstreben ( BGH, Urteil vom 22. Dezember 1999 - VIII ZR 111/99 , WM 2000, 431, 432 unter II.1.). Dabei sind die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zugrunde zu legen ( BGH, Urteil vom 27. Januar 1977 - VII ZR 339/74 , WM 1977, 399 unter I.1.; vom 10. Februar 2012 - V ZR 51/11 , NJW 2012, 1570 Rn. 13).
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Für die Frage, ob ein Missverhältnis besteht, kommt es zunächst auf einen Vergleich zwischen dem objektiven Wert der beiderseitigen Leistungen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses an ( BGH, Urteil vom 24. Januar 1979 - VIII ZR 16/78 , NJW 1979, 758 unter I.2.; vom 28. April 1999 - XII ZR 150/97 , NJW 1999, 3187, 3190 unter II.2.B.a.; vom 19. Januar 2001 - V ZR 437/99 , BGHZ 146, 298, 303 f ; Palandt/Ellenberger, BGB, 75. Aufl. § 138 Rn. 66; MünchKomm-BGB/Armbrüster, 7. Aufl. § 138 Rn. 113). Entscheidend ist der Marktwert, also der marktübliche Preis (BGH, Urteil vom 22. Dezember 1999, aaO unter II.2.a.; vom 18. Dezember 2007 - XI ZR 324/06 , WM 2008, 967 Rn. 35). Die Darlegungs- und Beweislast trägt die Partei, die sich auf Sittenwidrigkeit beruft (BGH, Urteil vom 24. Januar 2014, aaO). Allerdings spricht bei einem besonders groben Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung eine Vermutung für ein Handeln aus verwerflicher Gesinnung (BGH, Urteil vom 18. Dezember 2007, aaO; vom 24. Januar 2014, aaO Rn. 5 f mwN). Liegt die Diskrepanz unterhalb der für das besonders grobe Missverhältnis festgelegten Grenze, liegt nur ein auffälliges Missverhältnis vor, das keine Vermutung für eine verwerfliche Gesinnung begründet ( BGH, Urteil vom 2. Juli 2004 - V ZR 213/03 , BGHZ 160, 8, 16 f unter II.3.; MünchKomm-BGB/Armbrüster, aaO § 138 Rn. 115).
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(2) Diese Maßstäbe gelten nach gefestigter Rechtsprechung des Senats ( BGH, Urteil vom 23. Februar 1995 - IX ZR 29/94 , NJW 1995, 1425, 1429 f unter d.; vom 30. Mai 2000 - IX ZR 121/99 , BGHZ 144, 343, 346 ; vom 27. Januar 2005 - IX ZR 273/02 , BGHZ 162, 98, 101 ; vom 4. Februar 2010 - IX ZR 18/09 , BGHZ 184, 209 Rn. 40 ) auch für ein mit einem Anwalt vereinbartes Pauschalhonorar in einem Zivilrechtsstreit. Daher muss der Mandant, der ein sittenwidrig überhöhtes Entgelt behauptet, zu dem Preis vortragen, welcher der vom Anwalt versprochenen Leistung üblicherweise im sonstigen Geschäftsverkehr zukommt. Die gesetzlichen Gebühren allein sind vielfach keine ausreichende Vergleichsgrundlage für ein den Schluss auf eine Sittenwidrigkeit ermöglichendes Missverhältnis, weil sie nicht in allen Fällen die marktangemessene, adäquate Vergütung für die aufgrund eines konkreten Mandats geschuldete Leistung des Anwalts abbilden sollen, sondern auf einer anderen Grundlage festgesetzt werden (vgl. BVerfG, AnwBl 2009, 650, 651 [BVerfG 15.06.2009 - 1 BvR 1342/07] mwN; BGH, Urteil vom 11. Juni 1980 - VIII ZR 62/79 , BGHZ 77, 250, 253 f ). Deshalb genügt für sich genommen auch das mehrfache Überschreiten der gesetzlichen Gebühren nicht, um den Schluss auf ein auffälliges oder gar besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung im Sinne des § 138 BGB ziehen zu können ( BGH, Urteil vom 15. Mai 1997 - IX ZR 167/96 , NJW 1997, 2388 unter 3.; vom 27. Januar 2005 - IX ZR 273/02 , BGHZ 162, 98, 105 mwN; vom 4. Februar 2010 - IX ZR 18/09 , BGHZ 184, 209 Rn. 40 mwN; D. Fischer, in G. Fischer/Vill/ D. Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 4. Aufl., § 2 Rn. 433). Anders ist dies nur dann, wenn aufgrund der Höhe der gesetzlichen Gebühren im Allgemeinen davon ausgegangen werden muss, dass sie auch den erforderlichen Aufwand angemessen vergüten.
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Nach ständiger Rechtsprechung ist für die Frage, ob ein für Sittenwidrigkeit sprechendes Missverhältnis vorliegt, stets der nach dem Anwaltsvertrag geschuldete tatsächliche Aufwand, insbesondere Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit zu berücksichtigen ( BGH, Urteil vom 30. Mai 2000 - IX ZR 121/99 , BGHZ 144, 343, 346 ; vom 4. Juli 2002 - IX ZR 153/01 , WM 2003, 89, 90 unter I.2.; vom 18. März 2004 - IX ZR 177/03 , WM 2004, 981, 984 unter II.3.a; vom 4. Februar 2010, aaO). Eine aufwandsangemessene Vergütung verletzt die guten Sitten nicht ( BGH, Urteil vom 3. April 2003 - IX ZR 113/02 , NJW 2003, 2386, 2387 unter II.3.b.aa.). Gerade bei Sachen mit niedrigem oder mittlerem Streitwert kann auch ein Honorar, das die gesetzlichen Gebühren um ein Mehrfaches übersteigt, angemessen sein (BGH, Urteil vom 15. Mai 1997, aaO; vom 30. Mai 2000, aaO; vom 4. Juli 2002 - IX ZR 153/01 , WM 2003, 89, 90 f; vom 18. März 2004, aaO unter II.3.a.). Dies gilt erst recht wenn - wie im Streitfall - sich die Höhe der Gebühren nach einem Gegenstandswert richtet, der unabhängig von der Schwierigkeit der Sache und dem erforderlichen Aufwand ist, weil das Gesetz einen Fest- oder Regelbetrag vorsieht (hier: 3.000 €, § 45 Abs. 1 FamGKG ). Umgekehrt kann bei hohen Streitwerten unter Umständen schon aus der Überschreitung der gesetzlichen Gebühren auf ein auffälliges oder besonders grobes Missverhältnis geschlossen werden, wenn die Tätigkeit bereits durch die gesetzlichen Gebühren angemessen abgegolten wäre (vgl. etwa BGH, Urteil vom 30. Mai 2000, aaO; Beschluss vom 24. Juli 2003 - IX ZR 131/00 , NJW 2003, 3486 unter 3.).
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Der Mandant, der geltend macht, die mit dem Anwalt getroffene Vergütungsvereinbarung sei sittenwidrig und daher nichtig, und sich hierzu auf ein auffälliges Missverhältnis zwischen der Leistung des Anwalts und dem vereinbarten Honorar beruft, muss also nicht nur dartun, dass die vereinbarte Vergütung die gesetzlichen Gebühren überschreitet, sondern zudem darlegen und beweisen, dass nach Umfang und Schwierigkeit der im Rahmen des konkreten Mandats geschuldeten anwaltlichen Tätigkeit objektiv nur eine geringere als die vereinbarte Vergütung marktangemessen ist. Erst wenn auf dieser Grundlage feststeht, dass die versprochene Vergütung das Honorar deutlich überschreitet, welches für die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nach dem konkreten Mandat im Gegenzug zu leistende anwaltliche Tätigkeit objektiv angemessen ist, liegt ein auffälliges Missverhältnis vor. Übersteigt sie das angemessene, adäquate Honorar in krasser Weise, liegt ein besonders grobes Missverhältnis vor, aus dem auf die verwerfliche Gesinnung des Rechtsanwalts geschlossen werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 30. Mai 2000 - IX ZR 121/99 , BGHZ 144, 343, 346 f : 5-fache der angemessenen gesetzlichen Vergütung; Beschluss vom 24. Juli 2003 - IX ZR 131/00 , NJW 2003, 3486 unter 3.: annähernd das Doppelte des aufwandsangemessenen Honorars bei 17-facher Überschreitung der gesetzlichen Gebühren).
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Für die Frage, welche Vergütung im konkreten Fall marktangemessen ist, hat das Gericht alle für und gegen ein auffälliges Missverhältnis zwischen der Leistung des Anwalts und dem vereinbarten Honorar sprechenden Indizien im jeweiligen Einzelfall zu würdigen. Welches Gewicht im Rahmen der Würdigung der Indizien dabei dem Verhältnis zwischen gesetzlichen Gebühren und vereinbarten Gebühren zukommt, hängt davon ab, inwieweit bereits im Einzelfall aufgrund der Höhe der gesetzlichen Gebühren eine aufwandsangemessene, adäquate Vergütung für das konkrete Mandat erfolgt. Haben die Parteien - wie im Streitfall - ein Pauschalhonorar vereinbart, ist zudem das Risiko zu berücksichtigen, ob der sich nach den versprochenen anwaltlichen Leistungen voraussichtlich unter Abwägung der mit der Pauschalierung verbundenen Risiken ergebende hypothetische Stundensatz marktangemessen und üblich ist.
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(3) Das Berufungsgericht verletzt diese Grundsätze nicht. Es hat zutreffend die Umstände des Einzelfalls berücksichtigt und ist in tatrichterlicher Würdigung zum Schluss gekommen, dass im Streitfall das vereinbarte Pauschalhonorar von 20.000 € zuzüglich Umsatzsteuer und Auslagen für eine Vertretung der Kläger in der Sache ihres Pflegekindes bezüglich aller sich hieraus ergebenden Sach- und Rechtsfragen nicht gegen die guten Sitten verstößt, weil es sich bei dieser Vergütung aufgrund der tatsächlichen Umstände des Streitfalls um kein auffälliges Missverhältnis zwischen voraussichtlichem tatsächlichen Aufwand und Entgelt handelt. Revisionsrechtlich erhebliche Fehler zeigen die Kläger nicht auf.
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Im Streitfall hatten die Kläger ein Interesse daran, die mit der Mutter ihres Pflegekindes und dem Jugendamt bestehenden Konflikte so umfassend und dauerhaft wie möglich klären zu lassen; die Kläger übermittelten dem Beklagten eine entsprechende Aufstellung. Dementsprechend bezog sich die Honorarvereinbarung ausdrücklich auf alle sich aus der Sache des Pflegekindes ergebenden Sach- und Rechtsfragen; sie verpflichtete den Beklagten damit zur umfassenden außergerichtlichen und erstinstanzlichen Vertretung der Kläger in allen das Pflegekind betreffenden Sachen. Es war zu erwarten, dass diese Konflikte nicht ohne gerichtliche Auseinandersetzungen geklärt werden würden. Kindschaftssachen sind - sofern sie streitig werden - oft sachlich schwierig sowie zeit- und arbeitsintensiv; die gesetzlichen Gebühren sind dann angesichts des gesetzlichen Regelstreitwerts von 3.000 € ( § 45 Abs. 1 FamGKG ) möglicherweise nicht kostendeckend. Hinzu kommt, dass der Beklagte - weil die Kläger sich entschieden hatten, einen auswärtigen Anwalt einzuschalten - zu Terminen eine Reisezeit von acht Stunden benötigte. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass mit dem Pauschalhonorar der Beklagte das Risiko übernahm, über den ursprünglich erwarteten Aufwand hinaus tätig werden zu müssen und hierfür keine zusätzliche Vergütung verlangen zu können.
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Auch die Art und Weise, wie die Gebührenvereinbarung zustande kam, spricht gegen eine Sittenwidrigkeit. Die Kläger haben den Beklagten - ohne ausdrückliche Vereinbarung eines Honorars - am 6. Oktober 2009 mandatiert. Mit Schreiben vom 15. Oktober 2009 teilte der Beklagte den Klägern mit, dass bei ihm bereits ein erheblicher Zeitaufwand von 9 bis 10 Stunden angefallen sei und bot ihnen an, entweder eine Honorierung nach reinem Zeitaufwand (200 € pro Stunde) oder pauschaliert zu vereinbaren. Außerdem übermittelte der Beklagte den Klägern eine Vorschussnote über 2.580 € netto, die keinen Bezug zu der zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossenen Pauschalhonorarvereinbarung hatte. Ein Vorschussanspruch bestand in jedem Fall. Die - nach ihrer Behauptung - begrenzten Einkommensverhältnisse der Kläger hat der Beklagte nicht ausgenutzt; vielmehr stand es den Klägern frei, zwischen einer Stundenhonorarvereinbarung und dem Pauschalhonorar zu wählen. Schließlich ist weder ein Zwang, den Beklagten zu mandatieren, noch eine Zwangslage angesichts einer Zuspitzung der Situation betreffend ihr Pflegekind ersichtlich. Erst recht ist nicht erkennbar, inwieweit der Beklagte dies ausgenutzt haben soll.
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c) Das Berufungsgericht hat weiter rechtsfehlerfrei eine Herabsetzung der vereinbarten Vergütung gemäß § 3a Abs. 2 Satz 1 RVG ausgeschlossen. Es hat in tatrichterlicher Würdigung des Falles angenommen, dass das vereinbarte Pauschalhonorar nicht unangemessen hoch war.
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aa) Das von einem Rechtsanwalt vereinbarte Honorar ist unangemessen hoch, wenn er sich ein Honorar versprechen lässt, das unter Berücksichtigung aller Umstände nicht mehr einem sachgerechten Interessenausgleich entspricht (vgl. BGH, Urteil vom 4. Februar 2010 - IX ZR 18/09 , BGHZ 184, 209 Rn. 49 ). Die in der Rechtsprechung des Senats für die Honorare von Strafverteidigern aufgestellte Vermutung, dass dies der Fall ist, wenn das Honorar die gesetzlichen Gebühren um mehr als das 5-fache übersteigt ( BGH, Urteil vom 27. Januar 2005 - IX ZR 273/02 , BGHZ 162, 98, 107 ; vom 19. Mai 2009 - IX ZR 174/06 , NJW 2009, 3301 Rn. 14; vom 4. Februar 2010, aaO Rn. 47 f), gilt auch für Honorare in zivilrechtlichen Streitigkeiten. Denn der Gesetzgeber verfolgt mit § 3a Abs. 2 RVG das Ziel, Honoraransprüche normativ im Interesse einer Mäßigung zu begrenzen (vgl. BGH, Urteil vom 15. Mai 1997 - IX ZR 167/96 , NJW 1997, 2388, 2389 unter 5.; vom 27. Januar 2005 - IX ZR 273/02 , BGHZ 162, 98, 106 ). Die gesetzlichen Gebühren in zivilrechtlichen Streitigkeiten bieten ebenfalls einen ersten Orientierungspunkt, so dass es gerechtfertigt ist, die für die Honorare von Strafverteidigern von der Rechtsprechung des Senats entwickelte Vermutung auch in zivilrechtlichen Streitigkeiten anzuwenden.
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Die Vermutung führt dazu, dass der Anwalt darlegen und beweisen muss, dass und in welchem Umfang das vereinbarte Honorar für das konkrete Mandat angemessen ist (BGH, Urteil vom 4. Februar 2010, aaO Rn. 48 f). Dabei sind die Maßstäbe des Marktes nicht der entscheidende Bezugspunkt für die Angemessenheit im Sinne des § 3a Abs. 2 Satz 1 RVG (BGH, Urteil vom 27. Januar 2005, aaO). Vielmehr kommt es darauf an, ob die vereinbarte Vergütung unter Berücksichtigung aller Umstände angemessen ist; insoweit ( § 14 Abs. 1 RVG ) kommen die Schwierigkeit und der Umfang der Sache, ihre Bedeutung für den Auftraggeber und das Ziel in Betracht, das der Auftraggeber mit dem Auftrag anstrebt ( BGH, Urteil vom 4. Februar 2010 - IX ZR 18/09 , BGHZ 184, 209 Rn. 49 ). Zu berücksichtigen ist weiter, in welchem Umfang das Ziel des Auftraggebers durch die Tätigkeit des Rechtsanwalts erreicht worden ist, wie weit also das Ergebnis tatsächlich und rechtlich als Erfolg des Rechtsanwalts anzusehen ist (BGH, aaO). Ferner sind die Stellung des Rechtsanwalts und die Vermögensverhältnisse des Auftraggebers in die Bewertung einzubeziehen (BGH, aaO mwN). Für eine Herabsetzung ist danach nur Raum, wenn es unter Berücksichtigung aller Umstände unerträglich und mit den Grundsätzen des § 242 BGB unvereinbar wäre, den Mandanten an seinem Honorarversprechen festzuhalten (BGH, aaO Rn. 87).
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bb) Diese Maßstäbe führen - anders als die Revision unter Berufung auf Schneider/Wolf/Onderka, RVG, 7. Aufl., § 3a Rn. 102, 114 ff meint - nicht dazu, dass die Voraussetzungen für eine im Sinne des § 138 BGB sittenwidrig überhöhte Vergütung und eine unangemessen hohe Vergütung gleichzusetzen sind. Vielmehr bestehen sowohl in den Rechtsfolgen als auch in den tatsächlichen Voraussetzungen Unterschiede (vgl. BGH, Urteil vom 4. Februar 2010, aaO Rn. 24, 39 ff zur Sittenwidrigkeit und Rn. 46 ff zur Herabsetzung). Ist eine vereinbarte Vergütung sittenwidrig, so ist die Honorarabrede nichtig; es besteht nur ein Anspruch auf die gesetzlichen Gebühren. Ist das vereinbarte Honorar unangemessen hoch, ist es gemäß § 3a Abs. 2 Satz 1 RVG auf den angemessenen Betrag herabzusetzen. Während die Frage, ob ein grobes Missverhältnis zwischen Vergütung und Leistung besteht, im Rahmen der Sittenwidrigkeit nach den objektiv marktangemessenen Preisen zu bestimmen ist, sind für die angemessene Höhe des Honorars nach § 3a Abs. 2 RVG die Maßstäbe des Marktes nicht der ausschlaggebende Bezugspunkt ( BGH, Urteil vom 27. Januar 2005 - IX ZR 273/02 , BGHZ 162, 98, 106 ). In tatsächlicher Hinsicht richtet sich die Frage, ob eine vereinbarte Vergütung sittenwidrig ist, nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses; zu einem Missverhältnis zwischen dem objektiven Wert der wechselseitigen Leistungen, für das die Überschreitung der gesetzlichen Gebühren für sich allein grundsätzlich nicht ausreicht, müssen danach weitere, die Sittenwidrigkeit begründende Umstände hinzutreten. Hingegen ist für § 3a Abs. 2 RVG auf den Zeitpunkt der Beendigung des Mandats abzustellen (vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 2005, aaO S. 103 f unter II.2.a.); beträgt das vereinbarte Honorar mehr als das 5-fache der gesetzlichen Gebühren, folgt daraus eine Vermutung für die Unangemessenheit des Honorars, die der Anwalt widerlegen kann. Dies erfordert - wie auch § 14 Abs. 1 RVG zeigt eine Würdigung, die neben dem für das konkrete Mandat erforderlichen Aufwand weitere Umstände berücksichtigt. Eine Honorarvereinbarung kann danach zwar das Sittengesetz nicht verletzen, gleichwohl aber zu einem unangemessen hohen Honorar führen.
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cc) Im Streitfall sind für die anwaltliche Tätigkeit des Beklagten im Rahmen des konkreten Mandats nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts rund 107 Stunden angefallen. Damit entspricht das Pauschalhonorar im wirtschaftlichen Ergebnis einem Stundenhonorar von unter 200 € netto. Die Würdigung des Berufungsgerichts, dass ein solches Stundenhonorar nicht unangemessen hoch ist, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, zumal die Kläger mit dem Beklagten bewusst einen auswärtigen Spezialisten für Streitigkeiten in Pflegekindfällen beauftragt haben.
Kayser
Gehrlein
Lohmann
Schoppmeyer
Meyberg
Von Rechts wegen