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  • 02.03.2018 · IWW-Abrufnummer 199933

    Landgericht Wuppertal: Beschluss vom 08.02.2018 – 26 Qs 214/17 (923 Js 323/16)

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    26 Qs 214/17 (923 Js 323/16)

    82 OWi 6/16 Amtsgericht Wuppertal

    Landgericht Wuppertal

    Beschluss

    In dem Beschwerdeverfahren
    betreffend 
        Verteidiger:     

    wegen    Ordnungswidrigkeit

    hat die 6. Strafkammer des Landgerichts Wuppertal als Kammer für Bußgeldsachen auf die sofortige Beschwerde des Bezirksrevisors bei dem Landgericht Wuppertal vom 27.10.2017 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Wuppertal vom 24.10.2017 - Az. 82 OWi-923 Js 323/16-6/16 - durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht, den Richter am Landgericht und den Richter am 08.02.2018 beschlossen:

    Auf die sofortige Beschwerde wird der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Wuppertal teilweise dahingehend abgeändert, dass die der Betroffenen aus der Staatskasse zu erstattenden notwendigen Auslagen auf 1 462,21 € festgesetzt werden. Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde als unbegründet verworfen.

    Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen der Betroffenen werden der Staatskasse auferlegt.

    Gründe:

    Durch Beschluss des Amtsgerichts Wuppertal vom 1 10.2017 wurde das Verfahren im Hinblick auf die der Betroffenen vorgeworfenen Verkehrsordnungswidrigkeit nach § 47 Abs. 2 OWiG eingestellt. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Betroffenen wurden der Staatskasse auferlegt.

    Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 12.07.2017 hat die Betroffene Gebühren und Auslagen ihres Verteidigers in Höhe von 1.501 ,48 € geltend gemacht, darunter Kosten für ein bereits im Verwaltungsverfahren beauftragtes Gutachten des Privatsachverständigen pp. in Höhe von 467,67 €.

    Nach Anhörung des Bezirksrevisors, des Verteidigers als auch der mit dem Verfahren befassten Abteilungsrichterin hat das Amtsgericht Wuppertal mit Beschluss vom 24.10.2017 die zu erstattenden notwendigen Auslagen der Betroffenen auf 1.483,63 € festgesetzt und im Übrigen, d.h. in Bezug auf die geltend gemachten Kosten für Datenträger in Höhe von 17,85 € brutto, den Festsetzungsantrag zurückgewiesen.

    Gegen diesen Beschluss wendet sich der Bezirksrevisor mit seiner sofortigen Beschwerde vom 27.10.2017, womit er begehrt, die Festsetzung auf einen Betrag in Höhe von 1.015,96 € vorzunehmen. Der Bezirksrevisor ist der Auffassung, dass die festgesetzten Gutachterkosten über 467,67 € bereits dem Grunde nach nicht erstattungsfähig seien und wendet sich hilfsweise gegen deren Höhe

    Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 14 11.2017 hat die Betroffene beantragt, die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen. Mit Schriftsatz vom 02.01.2018 ist das Gutachten des Privatsachverständigen pp. - erstmals - zur Akte gereicht worden.

    1. Die zulässige sofortige Beschwerde ist überwiegend unbegründet.

    a) Die den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens bildenden Kosten für die Erstellung des Gutachtens durch den Privatsachverständigen pp. sind dem Grunde nach erstattungsfähig. Die Kammer schließt sich diesbezüglich den überzeugenden Ausführungen der Rechtspflegerin des Amtsgerichts Wuppertal an.

    Im vorliegenden Einzelfall waren die Kosten für die Beauftragung des Sachverständigen bei der anzulegenden ex-ante-Betrachtung als notwendig i. S. v. § 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 464a Abs. 2 StPO zu qualifizieren. Trotz des im Bußgeldverfahren geltenden Untersuchungsgrundsatzes wird eine solche Notwendigkeit von privaten Ermittlungen insbesondere bei schwierigen technischen Fragestellungen bejaht [vgl. nur Gieg, in: Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 7. Aufl. 2013, S 464a Rn. 7]. Darüber hinaus ist im Bußgeldverfahren zu berücksichtigen, dass die Anforderungen an die Darlegung einer konkreten Fehlmessung bei Verwendung eines standardisierten Messverfahrens erhöht sind. Hier müssen von Seiten der Verteidigung konkrete Anhaltspunkte für eine technische Fehlfunktion der standardisierten Messeinrichtung vorgebracht werden, um eine weitergehende Aufklärungspflicht des Gerichts vor dem Hintergrund des § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG zu begründen.

    Vorstehendes führt im vorliegenden Fall ausnahmsweise dazu, dass die Beauftragung des Privatsachverständigen pp.  bereits mit Zustellung des Bußgeldbescheides für die Betroffene notwendig erscheinen durfte. Dies findet seine Rechtfertigung darin, dass der Verteidiger mangels eigener technischer Sachkunde bezogen auf den Aufbau, die Ausrichtung als auch die Handhabung der verfahrensgegenständlichen Rotlichtüberwachungsanlage anderweitig nicht in der Lage gewesen wäre, konkrete Anhaltspunkte für eine Fehlerhaftigkeit der Messanlage zu begründen. Zudem ist bei dieser Bewertung auf den Zeitpunkt der Erteilung des Auftrags an den Privatsachverständigen abzustellen und dies unabhängig davon, ob sich das Gutachten sodann in der Folge tatsächlich auf das Verfahren ausgewirkt hat [OLG Celle, Beschl. v. 05.01.2005, Az. 2 Ss 318/04].

    Ausgehend von diesen Grundsätzen ist es vorliegend daher unerheblich, dass die Einstellung des Verfahrens vordergründig auf gerichtlichen Erkenntnissen aus Parallelverfahren beruhte. Es kann auch dahingestellt bleiben, ob - wie von dem Verteidiger behauptet - seine Beweisanträge zumindest teilweise Ausfluss der Erkenntnisse aus dem eingeholten Gutachten waren. Aufgrund der anzulegenden ex-ante-Betrachtung kann die Frage der Erstattungsfähigkeit weder von dem Ergebnis der Begutachtung noch von dessen Überzeugungskraft abhängig gemacht werden, sodass die Einführung in das Verfahren nicht verlangt werden darf [BGH, NJW 2013, 1823 m. w. N.].

    b) Hinsichtlich der Höhe der erstattungsfähigen Kosten hat sich die Kammer an der Rechnung des Privatsachverständigen pp. vom 24.02.2016 orientiert. Der darin angesetzte Zeitaufwand erscheint der Kammer ebenso wie der Ansatz von Schreibund Portokosten angemessen. Allerdings bestand das zur Akte gereichte Gutachten vom 24.02.2016 - bei großzügiger Betrachtung - lediglich aus 15 geschriebenen Seiten, sodass bei den Schreibkosten ein entsprechender Abzug von 18,00 € netto (9 Seiten mal 2,00 €), also über 21 ,42 € brutto vorzunehmen war.

    Den abgerechneten Stundensatz von 120,00 € netto sieht die Kammer entgegen der Auffassung des Bezirksrevisors als erstattungsfähig an. Insoweit hat die Rechtspflegerin des Amtsgerichts Wuppertal im angegriffenen Kostenfestsetzungsbeschluss richtigerweise ausgeführt, dass sich die Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Privatgutachtens nicht nach den Vergütungssätzen des JVEG richtet. Auch eine entsprechende Anwendung des JVEG kommt nicht in Betracht, da nicht davon ausgegangen werden kann, dass es einem Betroffenen möglich ist, einen geeigneten Sachverständigen zu den im JVEG vorgesehenen Vergütungssätzen zu gewinnen [BGH, NJW 2007, 1532, 1533]. Es bedarf aber einer besonderen Darlegung der Notwendigkeit der Kosten, wenn die Stundensätze des Privatgutachters ganz erheblich von den Stundensätzen des JVEG abweichen [BGH, ebd.].

    In Kenntnis dieser Umstände hat die Rechtspflegerin des Amtsgerichts Wuppertal den Verteidiger mit Schreiben vom 06.10.2017 auf die bestehende Rechtslage hingewiesen, worauf dieser mit Schriftsatz vom 19.10.2017 ergänzende Ausführungen zu den Gutachterkosten getätigt hat. Danach entspricht der angesetzte Stundensatz der getroffenen Honorarvereinbarung zwischen der Betroffenen und dem Privatsachverständigen pp. Zudem hat der Verteidiger nachvollziehbar dargelegt, dass er den Privatsachverständigen pp.. aufgrund dessen besonderer Expertise ausgewählt habe, die zugleich das angesetzte Honorar rechtfertige. Die Kammer konnte diese Expertise insbesondere durch die Eigenschaft des Privatsachverständigen als Mitherausgeber des in zweiter Auflage erschienenen Fachbuches „Messungen im Straßenverkehr: Fehlerquellen bei Geschwindigkeits- Abstandsmessung, Rotlichtüberwachung, Bildidentifikation" nachvollziehen.

    Insofern folgt die Kammer auch der Bewertung der Rechtspflegerin des Amtsgerichts Wuppertal und sieht die Notwendigkeit der über dem JVEG liegenden Kosten als ausreichend dargelegt an.

    2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 473 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 StPO (entsprechend). Insgesamt hat der Bezirksrevisor mit der sofortigen Beschwerde nur einen verhältnismäßig geringen Teilerfolg errungen, der eine Kostenquotelung nicht angemessen erscheinen lässt.

    RechtsgebietSachverständigenauslagenVorschriften§ 464a StPO