03.01.2020 · IWW-Abrufnummer 213361
Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 23.07.2019 – 5 K 338/19
Diese Entscheidung enhält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Finanzrechtsstreit
- Klägerin -
prozessbevollmächtigt:
gegen
Finanzamt
- Beklagter -
wegen Einkommensteuer 2017
hat der 5. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23. Juli 2019 durch
Vorsitzenden Richter am Finanzgericht
Richterin am Finanzgericht
Richter am Finanzgericht
Ehrenamtliche Richterin
Ehrenamtlichen Richter
für Recht erkannt:
Tenor:
1.
der Einkommensteuerbescheid 2017 vom 15.10.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.01.2019 wird dahingehend geändert, dass die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften gemäß § 23 EStG aus der Veräußerung des Objekts A-Straße 1 in X mit null Euro angesetzt werden.
Dem Beklagten wird aufgegeben, die geänderte Steuerfestsetzung nach Maßgabe der Urteilsgründe zu errechnen, ferner der Klägerin das Ergebnis dieser Berechnung unverzüglich mitzuteilen und den Bescheid mit dem geänderten Inhalt nach Rechtskraft dieses Urteils neu bekanntzugeben.
2.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
3.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat die Klägerin in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn die Klägerin nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet hat, §§ 151 FGO i.V.m. 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
4.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin einen Veräußerungsgewinn gemäß § 23 Einkommensteuergesetz (EStG) erzielt hat.
Die Klägerin erzielte im Streitjahr als Lehrerin Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Sie machte hierbei, wie in den Vorjahren, die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer als Werbungskosten geltend. Diese sind von dem Beklagten jeweils mit dem Höchstbetrag in Höhe von 1.250 € anerkannt worden. Das streitige Arbeitszimmer befand sich in der Eigentumswohnung der Klägerin in der A-Straße 1 in X. Diese hatte die Klägerin mit Vertrag vom XX.XX.2012 für insgesamt 341.200 € zuzüglich Nebenkosten in Höhe von 20.036,59 € erworben. Im Streitjahr veräußerte die Klägerin ihre Eigentumswohnung in der A-Straße 1 mit Vertrag vom XX.XX.2017. Der Verkaufspreis betrug 489.000 € (inklusive Zubehör in Höhe von 15.000 €). Als Veräußerungskosten hat die Klägervertreterin einen - insoweit unstreitigen - Aufwand in Höhe von 22.657,47 €.
In der Einkommensteuererklärung 2017 hat die Klägerin unter anderem bezüglich des häuslichen Arbeitszimmers einen Gewinn aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 10.918 € erklärt. In den Bemerkungen zur Steuererklärung schrieb die Klägervertreterin hierzu: "Beim Veräußerungsgeschäft gemäß § 23 EStG sind folgende Punkte zu berücksichtigen: 1. Die Abschreibungen sind gemäß BMF-Schreiben vom 05.10.2000 Rz. 39 nicht hinzuzurechnen. 2. Beim BFH ist unter dem Az. IX R 11/18 ein Revisionsverfahren anhängig, in dem es darum geht, ob in diesen Fällen die Veräußerung steuerpflichtig oder steuerfrei ist!"
Der Beklagte berücksichtigte in der Einkommensteuerveranlagung 2017 Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 10.941 €. Diesen hat der Beklagte wie folgt berechnet:
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Zudem erklärte der Beklagte in den Erläuterungen zum Einkommensteuerbescheid, dass das zitierte Revisionsverfahren IX R 11/18 durch Rücknahme der Revision eingestellt worden sei. Die Finanzverwaltung wende weiterhin das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF-Schreiben) vom 07.02.2007, Bundessteuerblatt Teil I (BStBl I) 2007, 262, Rz. 39 an, nach dem für das Arbeitszimmer ein anteiliger Veräußerungsgewinn bei Verkauf innerhalb der Spekulationsfrist zu versteuern sei.
Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin legte gegen den Einkommensteuerbescheid 2017 Einspruch ein. Zur Begründung verwies sie auf das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 20.03.2018 (Az. 8 K 1160/15). In diesem Urteil habe das Finanzgericht Köln entschieden, dass die Veräußerung des Arbeitszimmers nicht § 23 EStG unterliege, da es in den privaten Wohnbereich integriert sei und kein selbständiges Wirtschaftsgut darstelle.
Mit Einspruchsentscheidung vom 15.01.2019 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Er führte darin unter anderem aus, dass Eigentumswohnungen, die im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken oder im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt worden seien, von der Veräußerungsgewinnbesteuerung ausgenommen seien. Auf das BMF-Schreiben vom 05.10.2000 werde verwiesen. Des Weiteren sei diesem BMF-Schreiben unter der Textziffer 21 zu entnehmen, dass ein häusliches Arbeitszimmer nicht Wohnzwecken diene, selbst wenn der Abzug der Aufwendungen als Betriebsausgaben oder Werbungskosten nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Buchst. b EStG bzw. § 9 Abs. 5 EStG ausgeschlossen oder eingeschränkt sei.
Die Anschaffung des streitgegenständlichen Objekts sei im Jahr 2012 erfolgt, so dass der zehnjährige Zeitraum im Streitjahr noch nicht abgelaufen gewesen sei. Da das Objekt eigengenutzt gewesen sei, sei der Anteil der Wohnung, welcher nicht auf das häusliche Arbeitszimmer entfalle, von der Besteuerung ausgenommen. Für die anteilige Fläche des häuslichen Arbeitszimmers sei hingegen der Tatbestand des § 23 EStG erfüllt, da die Klägerin hierfür Werbungskosten steuerlich geltend gemacht habe und dieses damit nicht zu Wohnzwecken genutzt worden sei. Der Argumentation der Klägervertreterin sei entgegenzuhalten, dass das Urteil des Finanzgerichts Köln nicht über den Einzelfall hinaus anzuwenden sei. Außerdem läge bei dem dort entschiedenen Fall ein nicht vergleichbarer Sachverhalt vor.
Mit der fristgerecht erhobenen Klage verweist die Klägervertreterin zur Begründung auf die Entscheidung des Finanzgerichts Köln vom 20.03.2018 (Az. 8 K 1160/15) und hierbei insbesondere auf die Ausführungen in den Rz. 40 - 43 der Entscheidung. Das Arbeitszimmer sei kein eigenständiges Wirtschaftsgut, weil es nicht unabhängig von den anderen Teilen der Wohnung veräußerbar sei. Wie das Urteil ausführe, sei es unschädlich, wenn Teile der Wohnung tatsächlich nicht eigengenutzt, sondern zur Erledigung beruflicher Arbeiten eingesetzt würden. Auch die geforderte weit überwiegende Eigennutzung der Wohnung sei gegeben, da das Arbeitszimmer der Klägerin lediglich 10,41 % der gesamten Fläche ausmache.
Die Klägerin beantragt,
den Einkommensteuerbescheid 2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.01.2019 dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften gemäß § 23 EStG aus der Veräußerung des Objekts A-Straße 1 in X mit null Euro angesetzt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist hierzu auf seine Einspruchsentscheidung vom 15.01.2019, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird.
Im Übrigen wird auf den streitgegenständlichen Einkommensteuerbescheid, den weiteren Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten, das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 23.07.2019 sowie auf die dem Senat vorliegenden Akten des Beklagten (je ein Band Einkommensteuer- und Rechtsbehelfsakten) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung [FGO]).
1) Der Beklagte hat den auf das Arbeitszimmer entfallenden anteiligen Veräußerungsgewinn zu Unrecht als sonstige Einkünfte / Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften gem. § 22 Nr. 2 EStG i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG erfasst und versteuert.
Gemäß § 22 Nr. 2 EStG sind sonstige Einkünfte solche aus privaten Veräußerungsgeschäften im Sinne des § 23 EStG. Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG sind private Veräußerungsgeschäfte unter anderem Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 EStG sind Gebäude und Außenanlagen einzubeziehen, soweit sie innerhalb dieses Zeitraums errichtet, ausgebaut oder erweitert werden; dies gilt entsprechend für Gebäudeteile, die selbständige unbewegliche Wirtschaftsgüter sind, sowie für Eigentumswohnungen und im Teileigentum stehende Räume.
Da die Klägerin ihre streitgegenständliche Eigentumswohnung in der A-Straße 1 in X unstreitig innerhalb des Zehnjahreszeitraums des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG wieder veräußert hat, wäre der von der Klägerin erzielte Veräußerungsgewinn hiernach grundsätzlich steuerpflichtig.
Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG liegt jedoch bei solchen Wirtschaftsgütern kein privates Veräußerungsgeschäft vor, welche im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken oder im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden.
Die Klägerin hat die streitgegenständliche Wohnung nach Ansicht des Senats im Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG genutzt. Die Nutzung eines Zimmers dieser Wohnung als häusliches Arbeitszimmer für ihre berufliche Tätigkeit ändert an dieser Beurteilung nichts.
Über die Frage, wie das häusliche Arbeitszimmer im Rahmen der Besteuerung gemäß § 22 Nr. 2 EStG i.V.m. § 23 Abs.1 EStG zu behandeln ist, werden sowohl in der Rechtsprechung, als auch in der Literatur unterschiedliche Auffassungen vertreten.
Der Beklagte vertritt die Ansicht der Finanzverwaltung, dass ein häusliches Arbeitszimmer nicht Wohnzwecken diene, selbst wenn der Abzug der Aufwendungen als Betriebsausgaben oder Werbungskosten nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG bzw. § 9 Abs. 5 EStG ausgeschlossen oder eingeschränkt sei (BMF-Schreiben vom 05.10.2000 IV C 3-S 2256-263/00, BStBl I 2000, 1383, Tz 21).
Diese Meinung vertritt auch die wohl herrschende Auffassung in der Literatur. So verweist Musil (in Herrmann/Heuer/Raupach, 292. Lieferung 06.2019, § 23 EStG Rn. 130) darauf, dass das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die typisierte Zuordnung eines häuslichen Arbeitszimmers zur privaten Sphäre als verfassungswidrig erachtet habe (BVerfG-Beschluss vom 06.07.2010 2 BvL 13/09, BStBl II 2011, 318). Der Gesetzgeber sei daher gehalten, dem auch betrieblichen oder beruflichen Charakter der entsprechenden Nutzung Rechnung zu tragen. Ebenso will Weber-Grellet (in Schmidt EStG, 38. Aufl., § 23 Rn. 18) den auf das Arbeitszimmer entfallenden Gewinn besteuern (so auch Hoheisel in Littmann/Bitz/Pust, 116. Lieferung 06.2016 § 23 Rn. 80, Lindberg in Frotscher, 203. Lieferung 02.2018 § 23 Rn. 38, Schallmoser in "Die Immobilie im Zivil- und Steuerrecht", 2. Aufl., Rn. 12.91 und 12.100, jeweils ohne nähere Begründung). Auch Kube (in Kirchhof EStG § 23 Rn. 6) vertritt die Auffassung, dass das häusliche Arbeitszimmer eines Arbeitnehmers im eigenen Haus nicht Wohnzwecken diene. Die Begrenzung oder der Ausschluss von Werbungskosten nach § 9 Abs. 5 EStG sei hierbei unerheblich.
Auch das Finanzgericht Münster hat in seinem Urteil vom 28.8.2003 (11 K 6243/01 E, Entscheidungen der Finanzgerichte [EFG] 2004, 45) im Ergebnis so entschieden. Die Befreiung nach Satz 3 des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG sei nur für Wirtschaftsgüter angeordnet, die zu eigenen Wohnzwecken genutzt worden seien. Ein als Arbeitszimmer genutzter Raum diene jedoch gerade nicht Wohnzwecken. Selbst wenn es sich bei dem häuslichen Arbeitszimmer nicht um ein eigenständiges Wirtschaftsgut handeln sollte, erscheine dies für die Erfüllung des Besteuerungstatbestands nicht schädlich. Denn der Wortlaut des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG spreche lediglich von "Veräußerungsgeschäften bei Grundstücken". Ein solches Veräußerungsgeschäft umfasse den Arbeitszimmerbereich mit.
Dagegen hat das Finanzgericht Köln in seinem Urteil vom 20. März 2018 (8 K 1160/15, EFG 2018, 1256) entschieden, dass ein häusliches Arbeitszimmer der eigenen Wohnnutzung generell nicht schade und somit der Veräußerungsgewinn auch steuerfrei bleibe, soweit er auf das nicht zu Wohnzwecken genutzte Arbeitszimmer entfalle (ebenso Finanzgericht München im Beschluss vom 14.01.2019 5 V 2627/18, juris). Diese Ansicht wird in der Literatur unter anderem auch von Ratschow (in Blümich, 147. Lieferung 05.2019, § 23 EStG Rn. 55), Wernsmann (in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, 296. Lieferung 06.2019, § 23 EStG Rn. B 53), Carlé (in Korn, 116. Lieferung, § 23 EStG Rn. 40) und Wichmann ("Der Anfang vom Ende der Atomisierung eines Gebäudes?", Deutsches Steuerrecht [DStR] 2019, 92) vertreten.
Der Senat schließt sich der von den Finanzgerichten Köln und München vertretenen Meinung an. Er ist ebenfalls der Auffassung, dass der Veräußerungsgewinn nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG auch dann steuerfrei ist, soweit er auf ein häusliches Arbeitszimmer innerhalb einer selbst genutzten Wohnung entfällt.
Der Veräußerungsgegenstand im Sinne des § 23 Abs. 1 EStG muss ein Wirtschaftsgut sein. Dies ergibt sich aus der Formulierung "Veräußerungsgeschäfte bei anderen Wirtschaftsgütern" im Auffangtatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG (Wernsmann in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, 296. Lieferung 06.2019, § 23 EStG Rn. B 5). Zudem müssen das veräußerte und das erworbene Wirtschaftsgut identisch sein (BFH-Urteil vom 29.03.1989 X R 4/84, BStBl II 1989, 652 m.w.N.). Bei einer Aufteilung des erworbenen Wirtschaftsgutes (im Streitfall also Herauslösung des Arbeitszimmers aus der Eigentumswohnung) bleibt die Identität des aufgeteilten Wirtschaftsguts in den Teilen erhalten, wenn die Teilung ohne aufwendige technische Maßnahmen durchgeführt werden kann und sich die Marktgängigkeit des bisherigen Wirtschaftsguts in den Teilen fortsetzt. Das ist allgemein für Wirtschaftsgüter anzunehmen, die durch bloßen Rechtsakt, ggf. verbunden mit einer Vermessung, geteilt werden und weiterhin verkehrsfähig bleiben (BFH-Urteil vom 19.07.1983 VIII R 161/82, BStBl II 1984, 26). Es muss sich somit bei den aus der Aufteilung hervorgehenden Teilen wiederum um eigenständige Wirtschaftsgüter handeln.
Im vorliegenden Fall ist somit nicht das Arbeitszimmer, sondern die gesamte Eigentumswohnung das hier zu beurteilende Wirtschaftsgut im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Zum einen fehlt es im konkreten Fall bereits an einer Aufteilung des von der Klägerin erworbenen und wieder veräußerten Wirtschaftsguts "Eigentumswohnung" in das Arbeitszimmer und die restliche Wohnung. Eine solche Teilung wäre wohl bereits rechtlich nicht möglich, das abgetrennte Arbeitszimmer wäre aber zumindest nicht marktgängig bzw. verkehrsfähig, denn das Arbeitszimmer kann nicht unabhängig von den anderen Teilen der Wohnung veräußert werden (so auch Wernsmann in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, 296. Lieferung 06.2019, § 23 EStG Rn. B 53). Aber selbst wenn man die Einzelveräußerbarkeit für den Begriff des Wirtschaftsgutes nicht für erforderlich halten sollte, so verlangt der BFH bei den Gewinneinkünften zumindest eine Übertragbarkeit zusammen mit dem Betrieb (BFH-Urteil vom 15.04.2004 IV R 51/02, BFH/NV 2004, 1393). Nun fehlt es bei den Überschusseinkünften bereits an einem solchen Betrieb. Aber auch bei den Gewinneinkünften wäre die Übertragung des betrieblich genutzten häuslichen Arbeitszimmers zusammen mit dem Betrieb nicht möglich.
Für die Ausnahme von der Besteuerung nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG ist es nicht schädlich, dass ein (untergeordneter) Teil des erworbenen und wieder veräußerten Wirtschaftsguts "Eigentumswohnung" nicht zu eigenen Wohnzwecken, sondern ausschließlich zu beruflichen Zwecken von der Klägerin genutzt worden ist.
Zwar sieht § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG in seiner 1. Alternative eine ausschließliche Nutzung zu eigenen Wohnzwecken im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung vor. Nach zutreffender Auffassung ist dieses Ausschließlichkeitskriterium indes nicht im Sinne von "räumlich ausschließlich", sondern als "zeitlich ausschließlich" zu verstehen. Dies ergibt ein Vergleich mit § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG in seiner 2. Alternative, der eine Ausschließlichkeit nicht vorsieht. Das ist nur verständlich, wenn die Ausschließlichkeit einen Gesamtzeitraum abdecken soll, der in der ersten Alternative kürzer als in der zweiten Alternative, aber auch länger bemessen sein kann. In der zweiten Alternative ist hingegen der Zeitraum genau bestimmt, so dass das Wort "ausschließlich" hier entbehrlich war (so bereits Finanzgericht Köln, Urteil vom 20.03.2018 8 K 1160/15, EFG 2018, 1256; Wernsmann in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, 296. Lieferung 06.2019, § 23 EStG Rn. B 50 f; Ratschow in Blümich, 147. Lieferung 05.2019, § 23 EStG Rn. 55; T. Carlé in Korn, 116. Lieferung 07/2017, § 23 EStG Rn. 33).
Da § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG für die Steuerbefreiung somit keine räumlich ausschließliche Eigennutzung zu Wohnzwecken vorschreibt, ist es unschädlich, wenn die streitgegenständliche Eigentumswohnung vor ihrer Veräußerung mit einem unwesentlichen Teil (ca. 10 % der Wohnfläche) von der Klägerin zu ausschließlich beruflichen Zwecken genutzt worden ist. Der Senat teilt die vom Finanzgericht Köln in seinem Urteil vom 20.03.2018 (8 K 1160/15, EFG 2018, 1256) geäußerten Bedenken, dass andernfalls jedwede Verrichtung beruflicher Tätigkeiten auch in Räumlichkeiten, die nicht dem Typus des häuslichen Arbeitszimmers entsprechen die Annahme einer Eigennutzung insoweit ausschlösse und dass die Finanzverwaltung daher in jedem Fall der Eigennutzung prüfen müsste, ob in der Wohnung neben der Nutzung zu Wohnzwecken nicht auch noch andere (schädliche) Tätigkeiten ausgeübt worden sind.
Nach alledem waren die Einkünfte der Klägerin aus privaten Veräußerungsgeschäften aus der Veräußerung des Objekts A-Straße 1 in X mit null Euro anzusetzen.
Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, dem Beklagten die Berechnung der neu festzusetzenden Steuer zu übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 und 3 FGO).
2) Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
3) Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709 und 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).
4) Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO zuzulassen. Die Rechtsfrage, ob der Gewinn aus dem Verkauf von selbstgenutztem Wohneigentum auch dann nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG in vollem Umfang steuerfrei ist, wenn zuvor für ein häusliches Arbeitszimmer Werbungskosten geltend gemacht worden sind, hat grundsätzliche Bedeutung. Zudem ist die Entscheidung des Bundesfinanzhofs zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, da die vorliegende Entscheidung von der Rechtsprechung des Finanzgerichts Münster (Urteil vom 28.8.2003 11 K 6243/01 E, EFG 2004, 45) abweicht.