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  • 07.07.2020 · IWW-Abrufnummer 216667

    Oberlandesgericht Hamburg: Beschluss vom 15.04.2020 – 12 UF 27/19

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Oberlandesgericht Hamburg

    Beschluss vom 15.04.2020


    Zwei-Wochen-Frist für eine Gegenvorstellung; Anwendbarkeit geänderter Verfahrensvorschriften auch in laufenden Verfahren

    I. Eine Gegenvorstellung muss in entsprechender Anwendung von § 321a Abs. 2 ZPO bzw. § 44 Abs. 2 FamFG binnen einer 2-Wochen Frist eingelegt werden (vgl. BGH, VII ZB 28/07, Beschluss vom 4. Juli 2007, NJW-RR 2007, 1654 [BGH 04.07.2007 - VII ZB 28/07], juris Rn. 6).

    II. Die Regelung des § 44 Abs. 4 ZPO erfordert nicht eine mündliche Verhandlung, sondern lediglich eine Verhandlung. Nur wenn eine mündliche Verhandlung im Verfahren zwingend vorgeschrieben ist, hat sich eine Partei durch das Einreichen vorbereitender Schriftsätze noch nicht vor dem als befangen abgelehnten Richter eingelassen (vgl. BGH, XII ZB 377/12, Beschluss vom 16.1.2014, FamRZ 2014, 642, juris Rn. 17, 22). Dies ist in familiengerichtlichen Beschwerdeverfahren nicht der Fall. In diesen Verfahren ist gemäß § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben.

    III. Die zum 1. Januar 2020 in Kraft getretene Vorschrift des § 44 Abs. 4 S. 2 ZPO ist auch in laufenden Verfahren anwendbar. Das Prozessrecht ist grundsätzlich in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Soweit keine Übergangsregeln bestehen, ergreifen Änderungen des Zivilprozessrechts grundsätzlich auch anhängige Verfahren (vgl. BGH, VIII ZR 64/06, Urteil vom 13.12.2006, NJW 2007, 519 [BGH 13.12.2006 - VIII ZR 64/06], juris Rn. 14f).

    Tenor:

    Die Gegenvorstellung des Antragstellers vom 20. März 2020 gegen den Beschluss des Senats vom 25. Februar 2020 wird als unzulässig verworfen.
    Gründe

    I. Der Antragsteller wendet sich mit seiner Gegenvorstellung gegen einen sein Ablehnungsgesuch als unzulässig verwerfenden Beschluss des Senats.

    Der sich selbst vertretende Antragsteller lehnte die Vorsitzende, auf die die Verfahren zur Entscheidung als Einzelrichterin übertragen waren, im laufenden Verfahren zum wiederholten Mal wegen Besorgnis der Befangenheit ab.

    Sein erstes Ablehnungsgesuch, das auch daraus resultierte, dass die Vorsitzende einen Termin zur mündlichen Verhandlung auf seinen Antrag nicht verlegte, wies der Senat mit Beschluss vom 26. November 2019 als unbegründet zurück. Die Vorsitzende beraumte darauf unter dem 6. Dezember 2019 einen neuen Termin zur mündlichen Verhandlung für den 7. Februar 2020 an. Am Abend des 5. Februar 2020 lehnte der Antragsteller die Vorsitzende erneut wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Zur Begründung verwies er darauf, dass die Vorsitzende gegen das Handlungsverbot des § 47 Abs. 1 ZPO verstoßen habe. Sie habe einen Termin anberaumt, obwohl ihm der das Ablehnungsgesuch zurückweisende Beschluss noch nicht zugestellt gewesen sei. Der Verstoß gegen das Tätigkeitsverbot stelle einen anerkannten Grund der Besorgnis der Befangenheit dar.

    Der Senat hat den Ablehnungsantrag des Antragstellers mit Beschluss vom 25. Februar 2020 ohne Mitwirkung der Vorsitzenden als unzulässig verworfen.

    Mit Schriftsatz vom 20. März 2020 erhebt der Antragsteller gegen den ihm am 28. Februar 2020 zugestellten Beschluss Gegenvorstellung. Zur Begründung führt er zusammengefasst aus, dass die Vorschrift des § 44 Abs. 4 S. 2 ZPO entgegen der Ansicht des Senats nicht anwendbar sei. Es habe noch kein Termin zur mündlichen Verhandlung stattgefunden, in dem er sich eingelassen habe oder Anträge gestellt habe. Im Übrigen könne die Vorschrift im laufenden Verfahren aus Vertrauensschutzgesichtspunkten nicht angewendet werden.

    II. Die Gegenvorstellung des Antragstellers bleibt ohne Erfolg. Sie ist unzulässig (dazu unter 1.) und unbegründet (dazu unter 2.).

    1. Die Gegenvorstellung ist unzulässig. Eine Gegenvorstellung zielt auf die Überprüfung ergangener gerichtlicher Entscheidungen durch dieselbe Instanz und denselben Spruchkörper, der sie erlassen hat. Es kann offen bleiben, ob die Gegenvorstellung in der vorliegenden Konstellation gegen die Anforderungen an die Rechtsmittelklarheit verstößt (vgl. dazu BGH, IX ZB 31/18, Beschluss vom 18. Oktober 2018, MDR 2019, 370 [BGH 18.10.2018 - IX ZB 31/18], juris Rn. 18). Jedenfalls hätte die Gegenvorstellung binnen einer 2-Wochen Frist in entsprechender Anwendung von § 321a Abs. 2 ZPO bzw. § 44 Abs. 2 FamFG eingelegt werden müssen (vgl. BGH, VII ZB 28/07, Beschluss vom 4. Juli 2007, NJW-RR 2007, 1654 [BGH 04.07.2007 - VII ZB 28/07], juris Rn. 6). Daran fehlt es hier.

    2. Die Gegenvorstellung ist darüber hinaus unbegründet. Der Antragsteller hat sich gemäß § 44 Abs. 4 S. 1 ZPO in die Verhandlung eingelassen. Er hat sich in sämtlichen Verfahren schriftsätzlich geäußert und hat Anträge gestellt.

    Soweit der Antragsteller mit Schriftsatz vom 20. März 2020 darauf verweist, dass er in der von der Vorsitzenden anberaumten mündlichen Verhandlung weder einen Antrag gestellt habe noch sich eingelassen habe, kommt es darauf nicht an. Denn das Gesetz stellt in § 44 Abs. 4 ZPO nicht auf eine mündliche Verhandlung, sondern lediglich auf eine Verhandlung ab. Nur wenn eine mündliche Verhandlung im Verfahren zwingend vorgeschrieben ist, hat sich eine Partei durch das Einreichen vorbereitender Schriftsätze noch nicht vor dem als befangen abgelehnten Richter eingelassen (vgl. BGH, XII ZB 377/12, Beschluss vom 16.1.2014, FamRZ 2014, 642, juris Rn. 17, 22). Dies ist in familiengerichtlichen Beschwerdeverfahren nicht der Fall. In diesen Verfahren ist gemäß § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben. Der Antragsteller hätte daher sein Ablehnungsgesuch gemäß § 44 Abs. 4 S. 2 ZPO unverzüglich vorbringen müssen.

    Die zum 1. Januar 2020 in Kraft getretene Vorschrift des § 44 Abs. 4 S. 2 ZPO ist auch in laufenden Verfahren anwendbar.

    Das Prozessrecht ist grundsätzlich in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Soweit - wie vorliegend - keine Übergangsregeln bestehen, ergreifen Änderungen des Zivilprozessrechts daher grundsätzlich auch anhängige Verfahren (vgl. BGH, VIII ZR 64/06, Urteil vom 13.12.2006, NJW 2007, 519 [BGH 13.12.2006 - VIII ZR 64/06], juris Rn. 14f; Müko ZPO/Rauscher, 5. Auflage 2016, Einl. Rn. 448). Soweit der Antragsteller rügt, dass diese Rechtsauffassung nicht durch die im Beschluss zitierte Kommentierung (Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 44 Rn.11a) gedeckt werde, ist klarzustellen, dass sich die Fundstelle aus der Online-Version des zitierten Kommentars ergibt, mit der die vom Antragsteller eingereichte gedruckte Auflage (Anlage ASt 23) überarbeitet wurde.

    Der Antragsteller kann sich auch nicht auf Vertrauensgesichtspunkte berufen.

    Soweit Prozessrecht auch in anhängigen Verfahren angewendet wird, handelt es sich zwar um eine unechte Rückwirkung, die an den Grundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes zu messen ist (Art. 2 Abs. 2 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG). Vertrauen in den Fortbestand des Verfahrensrechts ist jedoch im Gegensatz zu Vertrauen in den Bestand materieller Rechtspositionen nur eingeschränkt geschützt (vgl. BVerfG, 1 BvR 308/15, Beschluss vom 17.3.2005, NJW 2005, 1485 [BVerfG 17.03.2005 - 1 BvR 308/05], juris Rn. 13; Müko ZPO/Rauscher, a.a.O., Einl. Rn. 448).

    Der Antragsteller hat nicht dargelegt, worin er vorliegend vertraut hat. Ein generelles Vertrauen dahingehend, dass sich das Prozessrecht in laufenden Verfahren für die Zukunft nicht ändert, wird - wie dargelegt - nicht geschützt. Der Antragsteller hatte vorliegend auch ausreichend Zeit gehabt, sein Ablehnungsgesuch nach dem 1. Januar 2020 anzubringen. Dies gilt auch deshalb, weil schon bisher anerkannt war, dass eine Ablehnung rechtsmissbräuchlich ist, wenn durch sie das Verfahren offensichtlich nur verschleppt oder mit ihr nur verfahrensfremde Zwecke verfolgt werden (vgl. Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 44 Rn. 13). Gründe für sein Zuwarten hat der Antragsteller auch mit der Gegenvorstellung nicht vorgebracht. Sie sind auch nicht ersichtlich. Im Gegenteil lässt das kurz vor dem Termin übersandte Ablehnungsgesuch eher den Schluss zu, dass seine Ablehnung aus verfahrensfremden Zwecken kurz vor dem anberaumten Verhandlungstermin eingereicht wurde.

    RechtsgebieteFmFG, ZPOVorschriften§ 321a Abs. 2 ZPO; § 44 Abs. 2 FamFG; § 44 Abs. 4 S. 2 ZPO; § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG