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  • 01.09.2020 · IWW-Abrufnummer 217626

    Oberlandesgericht Karlsruhe: Beschluss vom 29.05.2020 – 17 U 398/20

    Nach § 130 a Abs. 3 Satz 1 Var. 2 ZPO muss ein elektronisches Dokument von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Eine auf elektronischem Weg eingelegte Berufung ist daher nur in diesem Sinne formgerecht eingelegt, wenn die verantwortende Person eine zweiaktige Handlung - einfache Signatur und Einreichung auf einem sicheren Übermittlungsweg - vorgenommen hat, nicht aber wenn die von einem Rechtsanwalt einfach signierte Berufungsschrift aus dem beA eines anderen Rechtsanwalts bei Gericht eingereicht wird, § 519 Abs. 1, Abs. 4, § 130a Abs. 3 ZPO.


    Oberlandesgericht Karlsruhe

    Beschluss vom 29.05.2020


    In dem Rechtsstreit
    S. S.,
    - Kläger und Berufungskläger -
    Prozessbevollmächtigte:
    Rechtsanwälte
    gegen
    V. AG, vertreten durch d. Vorstand,
    - Beklagte und Berufungsbeklagte -
    Prozessbevollmächtigte:
    Rechtsanwälte

    wegen Schadensersatzes

    hat das Oberlandesgericht Karlsruhe - 17. Zivilsenat - durch ... am 29.05.2020 beschlossen:

    Tenor:

    1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 25. März 2020 - 18 O 46/19 - wird als unzulässig verworfen.
    2. Eine Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungseinlegungsfrist wird nicht gewährt.
    3. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
    4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis 19.000 EUR festgesetzt.

    Gründe

    I.

    Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers im Zusammenhang mit einem im Januar 2017 geschlossenen Kaufvertrag über ein gebrauchtes, von dem sog. "Abgasskandal" betroffenes Fahrzeug der Marke VW mit einem Dieselmotor des Typs EA 189. Er hat im ersten Rechtszug beantragt:

    1.

    Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei 14.538,20 EUR nebst Zinsen in Höhe von 4% aus 8.750,00 EUR seit 14.01.2017 und 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 5.788,20 EUR seit Rechtshängigkeit, abzüglich eines in das Ermessen des Gerichts zu stellenden Nutzungsersatzbetrages, zu zahlen und diese von Forderungen der T. AG & Co. KGaA in Höhe von 2.631,44 EUR freizustellen, Zug um Zug gegen Übereignung des PKW A. mit der Fahrgestellnummer 123.

    2.

    Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs gemäß vorstehender Ziffer 1. in Annahmeverzug befindet.

    3.

    Die Beklagte wird verurteilt, die Klagepartei von den Kosten des außergerichtlichen Vorgehens in Höhe von 1.100,51 EUR freizustellen.

    Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens und der Anträge wird auf die in dem landgerichtlichen Urteil getroffenen Feststellungen Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

    Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 25. März 2020 abgewiesen. Wegen der Einzelheiten der Ausführungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

    Gegen dieses seinen Prozessbevollmächtigten am 30. März 2020 zugestellte Urteil richtet sich die am 30. April 2020 per besonderem elektronischem Anwaltspostfach (im Folgenden: beA) bei Gericht eingegangene Berufung des Klägers. Der Schriftsatz wurde über das beA-Postfach von Rechtsanwalt Dr. K. versandt, stammt indes von Rechtsanwältin C. und war auch von dieser (einfach) signiert.

    Mit Verfügung vom 7. Mai 2020 wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass seine Berufung unzulässig sein dürfte, weil die elektronisch bei Gericht eingereichte Berufungsschrift entgegen § 130a Abs. 1 ZPO weder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen gewesen noch von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht worden sei.

    Innerhalb der ihm hierzu gewährten Stellungnahmefrist führt der Kläger aus, Frau Rechtsanwältin C. habe die Berufungsschrift aufgrund von Problemen mit ihrem beA-Postfach aus dem beA-Postfach ihres Kollegen Dr. K. versandt.

    II.

    Die Berufung ist unzulässig, weil der Kläger sein Rechtsmittel nicht fristgerecht eingelegt hat (1.). Dem Kläger ist auch nicht Wiedereinsetzung von Amts wegen nach § 236 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO zu gewähren (2.). Infolge dessen ist seine Berufung zu verwerfen (§§ 520 Abs. 2 Satz 1 und 2, § 517 ZPO).

    1. Die Berufung wurde nicht fristgerecht eingelegt.

    a) Die Berufungsfrist beträgt nach § 517 ZPO einen Monat; sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.

    b) Das Urteil vom 25. März 2020 wurde den klägerischen Prozessbevollmächtigten am 30. März 2020 zugestellt, sodass die Frist zur Einlegung der Berufung gemäß § 222 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2, Abs. 3 BGB mit Ablauf des 30. April 2020 endete. Der per beA am 30. April 2020 bei Gericht eingegangene Berufungsschriftsatz wahrte diese Frist nicht, weil er weder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur von Rechtsanwältin C. versehen war noch von dieser einfach signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht worden ist.

    aa) Nach § 519 Abs. 1 ZPO wird die Berufung durch Einreichung einer Berufungsschrift eingelegt. Gemäß § 519 Abs. 4 ZPO sind die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze auch auf die Berufungsschrift anzuwenden. § 130a Abs. 1 ZPO erlaubt zwar, vorbereitende Schriftsätze als elektronisches Dokument bei Gericht einzureichen. Allerdings muss das elektronische Dokument dann nach § 130a Abs. 3 ZPO entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden.

    bb) An beidem fehlt es im vorliegenden Fall. Zwar gelangte die nicht qualifiziert elektronisch versandte Berufungsschrift über beA - einem in § 130a Abs. 4 Nr. 2 ZPO genannten sicheren Übermittlungsweg - zu Gericht. Allerdings wurde sie nicht von der verantwortenden Person (einfach) signiert und eingereicht, wie § 130a Abs. 3 Fall 2 ZPO es erfordert. Hier hat Rechtsanwältin C. die Berufungsschrift signiert, versandt wurde diese jedoch nicht aus ihrem beA-Postfach, sondern aus dem von Rechtsanwalt Dr. K.. Dies genügt nicht den Anforderungen des § 130 a Abs. 4 Nr. 2 ZPO (so auch OLG Braunschweig, Beschluss vom 08. April 2019 - 11 U 146/18 -, juris Rn.38 ff. mwN).

    Die einfache Signatur meint die einfache Wiedergabe des Namens am Ende des Textes (vgl. Bacher, NJW 2015, S. 2753; Zöller/Greger, ZPO, 33. Aufl., § 130a, Rn. 9). Die Signatur soll sicherstellen, dass die von dem sicheren Übermittlungsweg ausgewiesene Person mit der Person identisch ist, welche mit der wiedergegebenen Unterschrift die inhaltliche Verantwortung für das elektronische Dokument übernimmt (vgl. BT-Drucksache 17/12634, S.25; Stadler, in: Musielak/Voit, ZPO, 15. Aufl., § 130 a, Rn. 6). Fehlt es an dieser Identität, ist das Dokument nicht ordnungsgemäß eingereicht (vgl. BT-Drucksache 17/12634, S. 25; Stadler, aaO.). Denn nach § 130 a Abs. 3 ZPO muss das Dokument von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden (vgl. OLG Braunschweig, aaO, Rn. 42). Die verantwortende Person muss eine zweiaktige Handlung - Signatur und Einreichung - vornehmen, um das Dokument ordnungsgemäß einzureichen.

    2. Dem Kläger ist nicht Wiedereinsetzung von Amts wegen zu gewähren. Zwar kann nach § 236 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden, wenn die versäumte Prozesshandlung innerhalb der Antragsfrist des § 234 Abs. 1 ZPO nachgeholt wird. Dies ist allerdings nicht geschehen. Der Kläger hat lediglich mit Schriftsatz vom 25. Mai 2020 ausführen lassen, weshalb die von Rechtsanwältin C. einfach signierte Berufungsschrift über das beA-Postfach von Rechtsanwalt Dr. K. eingereicht worden ist. Jedoch wurde weder mit diesem Schriftsatz noch zuvor mit einem anderen Schriftsatz ordnungsgemäß Berufung eingelegt.

    Bei dieser Sachlage kommt es nicht darauf an, dass auch der von Rechtsanwalt Dr. K. (lediglich) einfach signierte Schriftsatz vom 25. Mai 2020 nicht über dessen beA-Postfach, sondern über das von Rechtsanwältin C. - und damit ebenfalls nicht ordnungsgemäß - eingereicht worden ist. Ebenso wenig kommt es darauf an, dass die Voraussetzungen des § 233 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht erfüllt sind.

    III.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

    Einer eigenen Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Berufungsentscheidung bedarf es nicht, weil die Vollstreckbarkeit unmittelbar aus dem Gesetz folgt, § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO. Die Regelung des § 708 Nr. 10 Satz 2 ZPO, wonach in Zurückweisungsbeschlüssen nach § 522 Abs. 2 ZPO die vorläufige Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils ohne Sicherheitsleistung auszusprechen ist, gilt nicht für Verwerfungsbeschlüsse nach § 522 Abs. 1 ZPO (MünchKomm-ZPO/Götz, 65. Aufl., § 708 Rn. 17; vgl. BGH, Beschluss vom 27. August 1993 - IV ZB 14/93 -, juris; so auch OLG Karlsruhe, Beschluss vom 12. Februar 2020 - 10 U 19/19 -, jurisRn. 28).

    RechtsgebieteZPO, Elektronischer RechtsverkehrVorschriften§ 130a Abs. 4 Nr. 2 ZPO