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  • 08.09.2020 · IWW-Abrufnummer 217742

    Bundesgerichtshof: Beschluss vom 19.08.2020 – IV ZR 122/20


    Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin Mayen, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, den Richter Lehmann, die Richterinnen Dr. Brockmöller und Dr. Bußmann
    am 19. August 2020
    beschlossen:

    Tenor:

    Der Antrag des Beklagten, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Flensburg vom 24. März 2020 zu gewähren, wird zurückgewiesen.

    Der Senat beabsichtigt daher, die vorgenannte Revision als unzulässig zu verwerfen. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme oder gegebenenfalls Rücknahme der Revision binnen drei Wochen.



    Gründe

    1


    I. Der klagende Versicherer nimmt den Beklagten aus einer Kfz-Haftpflichtversicherung wegen von ihm erbrachter Leistungen an einen Geschädigten in Höhe von 5.000 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Kosten in Regress, weil dieser bei dem zugrundeliegenden Unfall nicht im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis gewesen sei.


    2


    Beim Amtsgericht ist die Klage bis auf einen Teil der Zinsen und Kosten erfolgreich gewesen. Das Landgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen und die Revision zugelassen.


    3


    Das Berufungsurteil ist den vorinstanzlich tätigen Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 3. April 2020 zugestellt worden. Diese haben daraufhin am 14. April 2020 die Revision beim örtlich zuständigen Oberlandesgericht eingelegt, diese mit Schriftsatz vom 4. Mai 2020 - eingegangen beim Oberlandesgericht am 13. Mai 2020 - begründet und mit Schriftsatz vom 6. Mai 2020 - eingegangen beim Oberlandesgericht am 7. Mai 2020 - wieder zurückgenommen.


    4


    Am 18. Mai 2020 hat der Beklagte durch seine jetzigen Prozessbevollmächtigten die Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt und gleichzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision beantragt. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags trägt er vor:


    5


    Zwar liege ein Verschulden des zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten vor, der die Revision selbst und beim unzuständigen Oberlandesgericht eingelegt habe; dieses Verschulden habe aber die Fristversäumung nicht verursacht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs wirke sich das Verschulden der Partei oder ihres Verfahrensbevollmächtigten nicht mehr aus, wenn es wegen Verletzung des Anspruchs des Rechtssuchenden auf ein faires Verfahren ( Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) zur Fristversäumung gekommen sei. Das sei hier der Fall, weil das Oberlandesgericht weder die Revisionsschrift an den Bundesgerichtshof weitergeleitet noch den zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten telefonisch oder in kurzer Form schriftlich auf seinen Fehler aufmerksam gemacht habe. Wäre dies geschehen, so wäre die Revision noch rechtzeitig durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Anwalt eingelegt worden.


    6


    II. Das Wiedereinsetzungsgesuch ist zurückzuweisen, da die Fristversäumung auf einem dem Beklagten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Verschulden seines zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten beruht und ein Verstoß des Oberlandesgerichts gegen den Anspruch auf ein faires Verfahren nicht vorliegt.


    7


    1. Die Frist zur Einlegung der Revision lief gemäß § 548 ZPO einen Monat nach Zustellung des angefochtenen Urteils, mithin mit Ablauf des 4. Mai 2020 ab. Die Nichtwahrung dieser Frist beruht darauf, dass der zweitinstanzliche Prozessbevollmächtigte binnen dieser Frist keinen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Anwalt mit der Einlegung des Rechtsmittels beauftragt, sondern dieses lediglich selbst beim unzuständigen Oberlandesgericht eingelegt hat.


    8


    Dies stellt der Beklagte mit seinem Wiedereinsetzungsantrag zu Recht nicht in Abrede.


    9


    2. Entgegen seiner Auffassung hat das Oberlandesgericht aber auch seinen Anspruch auf ein faires Verfahren nicht verletzt. Vielmehr ist den Gerichtsakten zu entnehmen, dass der Senatsvorsitzende am Oberlandesgericht am 20. April 2020 - und damit lange vor Ablauf der Revisionsfrist - ein Telefaxschreiben mit dem Hinweis, dass die dort eingelegte Revision unzulässig und diese beim Bundesgerichtshof durch eine dort zugelassene Rechtsanwältin oder einen dort zugelassenen Rechtsanwalt einzulegen sei, sowie einen nachfolgenden telefonischen Hinweis auf dieses Telefax an den Beklagtenvertreter veranlasst hat. Des Weiteren befinden sich bei den Gerichtsakten ein entsprechender Sendebericht vom selben Tage und ein Telefonvermerk der Geschäftsstelle über einen Anruf in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten ebenfalls vom selben Tage. Nach dem Inhalt dieses Telefonvermerks wurde dabei nochmals nachgefragt, ob das Fax angekommen sei, und auf die Unzuständigkeit des Oberlandesgerichts und die demnächst ablaufende Revisionsfrist hingewiesen. Als Antwort sei gegeben worden, es könne sein, dass eine Kollegin das Fax mitgenommen habe, da sie am nächsten Tage von zu Hause aus arbeite.


    10


    Mit diesem doppelten Hinweis ist das Oberlandesgericht allen etwaigen prozessualen Fürsorgepflichten nachgekommen. Aus seiner Sicht bestand kein Grund für die Annahme, dass die Hinweise durch das Faxschreiben und den Telefonanruf den Prozessbevollmächtigten nicht erreichen würden. Eine zusätzliche Weitersendung der Revisionsschrift an den Bundesgerichtshof war nicht veranlasst, da die Revision unabhängig von der Einhaltung der Frist durch den dort nicht postulationsfähigen Anwalt in keinem Fall wirksam eingelegt werden konnte.


    11


    3. Sofern dem Prozessbevollmächtigten durch sein Personal weder das Faxschreiben vorgelegt noch der telefonische Hinweis mitgeteilt worden sein sollte, deutet das zudem auf ein Organisationsverschulden hin, welches ebenfalls eine Wiedereinsetzung ausschließt. Ein Rechtsanwalt hat seine Kanzlei so zu organisieren, dass die Vorlage an ihn gerichteter gerichtlicher M itteilungen auch dann gesichert ist, wenn deren Bearbeitung durch angestellte Mitarbeiter außerhalb der Kanzleiräume erfolgt und eingehende Schreiben deshalb - wie es hier möglich erscheint - mit nach Hause genommen werden.


    12


    Zu einem insoweit fehlenden Verschulden verhält sich das Wiedereinsetzungsgesuch nicht.


    Mayen
    Harsdorf-Gebhardt
    Lehmann
    Dr. Brockmöller
    Dr. Bußmann

    VorschriftenArt. 2 Abs. 1 GG, § 85 Abs. 2 ZPO, § 548 ZPO