30.09.2020 · IWW-Abrufnummer 218094
Bundesgerichtshof: Beschluss vom 20.08.2020 – AnwZ (Brfg) 12/20
Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch die Präsidentin des Bundesgerichtshofs Limperg, die Richterinnen Lohmann und Dr. Liebert sowie die Rechtsanwältin Schäfer und den Rechtsanwalt Prof. Dr. Schmittmann
am 20. August 2020
beschlossen:
Tenor:
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das dem Kläger am 17. Januar 2020 an Verkündung statt zugestellte Urteil des 2. Senats des Saarländischen Anwaltsgerichtshofs wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
1
Der im Jahre 1957 geborene Kläger wurde am 27. April 1984 im Bezirk der Beklagten zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Urteil vom 1. Oktober 2004 wurde er wegen Untreue in vier Fällen, darunter ein besonders schwerer Fall, und wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Straftaten, die der Verurteilung zugrunde lagen, hatte der Kläger im Zeitraum September 2000 bis Februar 2004 begangen.
2
Durch Urteil des zuständigen Anwaltsgerichts vom 26. Januar 2005 wurde der Kläger aus der Rechtsanwaltschaft ausgeschlossen. Der Kläger legte Berufung ein, verzichtete dann aber mit Wirkung vom 10. Mai 2005 auf die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft.
3
Mit Urteil vom 2. Juli 2007 wurde der Kläger wegen Untreue zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Ein weiteres Strafverfahren gegen den Kläger wegen fahrlässiger Insolvenzverschleppung, wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt und wegen fahrlässigen Bankrotts wurde durch amtsgerichtlichen Beschluss vom 12. September 2018 gemäß § 153a StPO eingestellt, nachdem der Kläger den ihm auferlegten Geldbetrag von 1.000 € entrichtet hatte.
4
Am 25. Juni 2018 beantragte der Kläger die Wiederzulassung zur Rechtsanwaltschaft. Mit Bescheid vom 13. Dezember 2018 lehnte die Beklagte den Antrag wegen Unwürdigkeit ab (§ 7 Nr. 5 BRAO). Die Klage des Klägers gegen diesen Bescheid ist erfolglos geblieben. Nunmehr beantragt der Kläger die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.
II.
5
Der Antrag ist nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er bleibt jedoch ohne Erfolg.
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1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Anwaltsgerichtshofs bestehen nicht (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
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a) Dieser Zulassungsgrund ist erfüllt, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (BGH, Beschlüsse vom 29. Dezember 2016 - AnwZ (Brfg) 36/16, juris Rn. 3; vom 15. Dezember 2017 - AnwZ (Brfg) 11/17, juris Rn. 3). Daran fehlt es hier. Das Urteil des Anwaltsgerichtshofs steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats.
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b) Gemäß § 7 Nr. 5 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu versagen, wenn sich der Bewerber eines Verhaltens schuldig gemacht hat, das ihn unwürdig erscheinen lässt, den Beruf des Rechtsanwalts auszuüben. Die mit der Versagung der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft verbundene Einschränkung der freien Berufswahl ist zum Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter und unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit statthaft (BVerfG, NJW 2017, 3704 Rn. 25). Diese Voraussetzungen sind erfüllt, wenn der Bewerber ein Verhalten gezeigt hat, das ihn bei Abwägung dieses Verhaltens und aller erheblichen Umstände - etwa der Zeitablauf und die zwischenzeitliche Führung - nach seiner Gesamtpersönlichkeit für den Anwaltsberuf nicht tragbar erscheinen lässt. Dabei sind das berechtigte Interesse des Bewerbers nach beruflicher und sozialer Eingliederung und das durch das Berufsrecht geschützte Interesse der Öffentlichkeit, insbesondere der Rechtsuchenden, an der Integrität des Anwaltsstandes, das in der Regel nur im Interesse einer funktionierenden Rechtspflege von Belang sein kann, einzelfallbezogen gegeneinander abzuwägen (BVerfG, aaO; BGH, Urteil vom 14. Januar 2019 - AnwZ (Brfg) 50/17, juris Rn. 11; Beschluss vom 19. Februar 2020 - AnwZ (Brfg) 66/19, juris Rn. 6).
9
Im Rahmen der Prognoseentscheidung, die im Hinblick auf die Beeinträchtigung der einer Zulassung entgegenstehenden Interessen der Öffentlichkeit zu erstellen ist, ist von Bedeutung, wie viele Jahre zwischen einer Verfehlung und dem Zeitpunkt der Wiederzulassung liegen. Auch eine durch ein besonders schwerwiegendes Fehlverhalten begründete Unwürdigkeit kann durch Zeitablauf und Wohlverhalten des Bewerbers derart an Bedeutung verloren haben, dass sie seiner Zulassung nicht mehr im Wege steht. Bei gravierenden Straftaten mit Bezug zur beruflichen Tätigkeit des Rechtsanwalts hält der Senat in ständiger Rechtsprechung einen Abstand zwischen der die Unwürdigkeit begründenden Straftat des Bewerbers und dessen Wiederzulassung von in der Regel 15 bis 20 Jahren für erforderlich. Bindende feste Fristen gibt es jedoch nicht. Vielmehr sind alle für und gegen den jeweiligen Bewerber sprechenden Umstände einzelfallbezogen zu gewichten. Soll die Unwürdigkeit mit Straftaten begründet werden, welche der Bewerber begangen hat, ist neben der seither vergangenen Zeit auch zu berücksichtigen, wie der Bewerber mit seinem Fehlverhalten umgegangen ist und ob er sich auch ansonsten untadelig geführt hat (BGH, Urteile vom 14. Januar 2019 - AnwZ (Brfg) 50/17, juris Rn. 12 mwN; vom 14. Januar 2019 - AnwZ (Brfg) 70/17, juris Rn. 11 mwN; vom 30. September 2019 - AnwZ (Brfg) 32/18, NJW 2020, 845 Rn. 41 mwN; Beschluss vom 19. Februar 2020 - AnwZ (Brfg) 66/19, juris Rn. 7).
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c) Von diesen Grundsätzen ist der Anwaltsgerichtshof ausgegangen. Er hat eine Gesamtabwägung vorgenommen, in welche er die vom Kläger begangenen Straftaten einerseits, die berechtigten Interessen des Klägers an einer beruflichen und sozialen Wiedereingliederung als Rechtsanwalt andererseits eingestellt hat.
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Die Einwände, welche der Kläger in der Begründung des Zulassungsantrags erhebt, sind unberechtigt.
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aa) Der Kläger trägt vor, die Tat, welcher der Verurteilung vom 2. Juli 2007 zugrunde gelegen habe, sei entgegen der Annahme des Anwaltsgerichtshofs bereits vor dem Urteil vom 1. Oktober 2004 begangen worden. Der Anwaltsgerichtshof habe ihm daher zu Unrecht vorgeworfen, er habe sich die erste Verurteilung nicht zur Warnung dienen lassen.
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Dies trifft nicht zu. Die Auskunft aus dem Zentralregister vom 11. Juli 2018 vermerkt als Tatzeitpunkt den 15. November 2004. Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit des Bescheides gibt es nicht. Im Bescheid der Beklagten vom 13. Dezember 2018 wird dazu ebenso wie im angefochtenen Urteil näher ausgeführt, dass der Kläger am 8. November 2004 eine Schadenersatzzahlung in Höhe von 2.150 € erhalten, diesen Betrag aber nicht an den Mandanten weitergeleitet habe.
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bb) Der Kläger beanstandet die Annahme des Anwaltsgerichtshofs, der vom Kläger angerichtete Schaden sei nicht vollständig ausgeglichen worden. Richtig sei, dass er nicht wisse, ob noch Schulden bestünden. Etwaige Ansprüche von Geschädigten seien jedenfalls verjährt.
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Das Urteil des Anwaltsgerichtshofs gibt die protokollierte Aussage des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Anwaltsgerichtshof zutreffend wieder. Der Kläger hat danach erklärt, nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen eine begonnene Ratenzahlung nicht mehr fortgeführt zu haben. Damit ist der nicht vollständige Schadensausgleich belegt. Auf eine etwaige Verjährung solcher Ansprüche kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Um die Vermögensverhältnisse des Klägers ging es an dieser Stelle des angefochtenen Urteils nicht.
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2. Dem Anwaltsgerichtshof ist kein Verfahrensfehler unterlaufen, auf dem das angefochtene Urteil beruhen könnte (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Der Kläger beanstandet eine Verletzung der seiner Ansicht nach aus § 139 Abs. 1 ZPO folgenden Hinweispflicht des Anwaltsgerichtshofs. Der Sache nach rügt er damit, der Sachverhalt sei nicht hinreichend aufgeklärt worden. Diese Aufklärungsrüge ist unberechtigt.
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a) Wird die Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes gemäß § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 86 Abs. 1 VwGO gerügt, muss der Antragsteller substantiiert darlegen, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiellrechtlichen Auffassung der Vorinstanz aufklärungsbedürftig waren, welche Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht kamen, welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese Feststellungen nach der maßgeblichen Rechtsauffassung der Vorinstanz zu einer für ihn günstigeren Entscheidung hätten führen können. Weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Anwaltsgerichtshof auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterlassen nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen (BGH, Beschluss vom 20. Februar 2020 - AnwZ (Brfg) 65/19, juris Rn. 14 mwN).
18
b) Diesen Anforderungen wird die Begründung des Zulassungsantrags nicht gerecht. Der Anwaltsgerichtshof hat Vortrag des Klägers dazu vermisst, dass die wirtschaftliche Not, die Ursache der Straftaten gewesen sei, mittlerweile behoben worden sei. Vortrag hierzu hat der Kläger auch in der Begründung seines Zulassungsantrags nicht gehalten.
III.
19
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 112c Abs. 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO. Der Streitwert wurde nach § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO festgesetzt.
Limperg
Lohmann
Liebert
Schäfer
Schmittmann