Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 21.06.2022 · IWW-Abrufnummer 229843

    Oberlandesgericht München: Beschluss vom 23.03.2022 – 5 U 8161/21

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Oberlandesgericht München

    Beschluss vom 23.03.2022


    In dem Rechtsstreit
    ...
    - Klägerin und Berufungsklägerin -
    Prozessbevollmächtigter:
    Rechtsanwalt ...
    gegen
    ...
    - Beklagte und Berufungsbeklagte -
    Prozessbevollmächtigte:
    Rechtsanwälte ...
    wegen Prozesskostenhilfe
    erlässt das Oberlandesgericht München - 5. Zivilsenat - durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Oberlandesgericht ... am 23.03.2022 folgenden
    Beschluss

    Tenor:

    1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 13.10.2021, Aktenzeichen 5 O 3827/20, wird verworfen.
    2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
    3. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 250.000,00 € festgesetzt.

    Gründe

    I.

    Die Klägerin macht gegen die beklagte Sparkasse nach der Zwangsversteigerung von deren Immobilie Schadensersatzansprüche geltend.

    Das Landgericht hat die Klage mit dem Klägervertreter nach dessen Angabe am selben Tag (BGBl. 96) zugestellten Endurteil vom 13.10.2021 abgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer am 13.11.2021 eingelegten und mit Schriftsatz vom 13.01.2022 begründeten Berufung.

    Die Klägerin behauptet, die Berufung sei am 13.01.2022 innerhalb verlängerter Frist bei Gericht eingegangen, und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. In der Sache beantragt sie:

    Das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 250.000 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

    Die Beklagte beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Der Senat hat die Klägerin mit Verfügung vom 19.01.2022 darauf hingewiesen, dass sie die Beweislast für die rechtzeitige Einreichung der Berufungsbegründung trage, einen entsprechenden Nachweis habe sie bisher nicht geführt. Nach Eingang der Stellungnahmen der Klägerin hierzu hat der Senat mit Beschluss vom 15.02.2022 darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, die Berufung zu verwerfen.

    Dem ist die Klägerin mit Schriftsatz vom 22.03.2022 entgegengetreten und verweist darauf, dass das gerichtliche Prüfprotokoll nicht beweise, dass die Berufungsbegründung nicht rechtzeitig auf dem Gerichtsserver eingegangen sei. Außerdem dürfe das Gericht keine überhöhten Anforderungen an die Frage des Verschuldens des Rechtsanwalts stellen und habe bisher nicht berücksichtigt, dass die aktive Nutzungspflicht für die Übermittlung von Schriftsätzen erst seit dem 01.01.2022 gelte.

    Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze, das Ersturteil sowie den zitierten Beschluss und die zitierten Verfügungen des Senats ergänzend Bezug genommen.

    II

    Die Berufung wird verworfen, weil die Klägerin die Berufungsbegründung nicht innerhalb der - verlängerten - Frist des § 520 Abs.2 S.1 ZPO eingereicht hat. Außerdem wäre die Berufung - wie hingewiesen - einstimmig als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat.

    1. Wie hingewiesen ist die Berufungsbegründungsfrist nicht gewahrt. Für deren Einhaltung trägt die Klägerin die Beweislast (BGH, Beschl. V. 24.07.2003, VII ZB 8/03 sub II.2.d). Deshalb trägt der Verweis der Klägerin darauf nicht, dass das Prüfprotokoll nicht beweise, dass die Berufungsbegründung "nicht auf dem Gerichtssurfer eingegangen" sei. Ebenso wenig kommt es darauf an, dass das Gericht nach ihrer Meinung "nicht einfach annehmen" könne, dass der Berufungsbegründungsschriftsatz erstmals am 14.01.2022 eingegangen sei. Im Übrigen hat der Senat die Klägerin ausführlich darauf hingewiesen, dass die Berufungsbegründung bis Ablauf des 13.01.2022 nicht eingegangen ist. Denn aus dem hierzu vorgelegten Prüfprotokoll ergibt sich - wie im Hinweis ausführlich zitiert - lediglich, dass eine elektronische Nachricht des Klägervertreters ohne Anhang bei Gericht eingegangen ist.

    2. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt ein Rechtsanwalt seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle bei der Übermittlung eines fristgebundenen Schriftsatzes per Telefax nur dann, wenn er anhand des Sendeprotokolls überprüft oder durch eine zuverlässige Kanzleikraft überprüfen lässt, ob die Übermittlung vollständig und an den richtigen Empfänger erfolgt ist, weil mögliche Fehlerquellen nur so mit einem hohen Maß an Zuverlässigkeit ausgeschlossen werden können. Gleiches gilt für die Übersendung einer E-Mail (BGH, Beschluss vom 18.11.2021, I ZR 125/21 Rn.14, veröffentl. etwa in GRUR-RS 2021, 43626), wie auch für die Übermittlung eines Schriftsatzes wie der Berufungsbegründung per beA an das Gericht. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn der Rechtsanwalt selbst die Aufgabe übernommen hat, die Berufungsbegründungsschrift über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) an das Rechtsmittelgericht zu übersenden. In diesem Zusammenhang ist es unerlässlich, den Versandvorgang zu überprüfen (vgl. BGH, Beschluss vom 29.09.2021, VII ZR 94/21 Rn. 12). Die Überprüfung der ordnungsgemäßen Übermittlung erfordert dabei die Kontrolle, ob die Bestätigung des Eingangs des elektronischen Dokuments bei Gericht nach § 130 a Abs.5 S.2 ZPO erteilt wurde. Die Eingangsbestätigung gemäß § 130a Abs.5 ZPO bezieht sich nicht auf die elektronische beA-Nachricht, sondern auf das elektronische Dokument. Ein elektronisches Dokument ist gemäß § 130a Abs.1 ZPO der vorbereitende Schriftsatz und seine Anlagen sowie die sonstigen in der Vorschrift genannten Dokumente (vgl. BeckOK ZPO/von Selle, 43.Edition, Stand: 01.01.2022, Rn.7, 8 zu § 130a). Daher nimmt die automatisierte Eingangsbestätigung nicht Bezug auf die beA-Nachricht, sondern bestätigt ausdrücklich in der Auflistung der übermittelten elektronischen Dokumente deren Eingang auf der für den Empfang bestimmten Einrichtung des Gerichts an einem bestimmten Tag zu einer bestimmten Uhrzeit. Die Auflistung der übermittelten Dateien in der Eingangsbestätigung ist damit nicht lediglich "schmückendes Beiwerk", sondern "die" automatisierte Eingangsbestätigung bezogen auf genau diese Dokumente. Durch sie wird, wie ausgeführt, der fristwahrende Eingang des anwaltlichen Schriftsatzes bei Gericht nachgewiesen.

    Gerade dieses ergibt sich aus dem vom Klägervertreter für den 13.01.2022 vorgelegten Prüfprotokoll (Eingang auf dem Server 13.01.2022, 18:47:31) nicht, wie der Klägerin mit Beschluss vom 15.02.2022 vorgehalten, weil dort kein Anhang mit der Bezeichnung "Scan_0178.pdF" aufgeführt ist. Die diesbezüglich vom Klägervertreter im Schriftsatz vom 22.03.2022 S.2 angeführten Angaben ließen sehr wohl am Eingang der an die elektronische Nachricht angehängten Berufungsbegründung zweifeln, weil eben lediglich der Eingang der Nachricht, aber nicht der des Anhanges (=Berufungsbegründung) bestätigt wurde. Das ergibt sich im Übrigen auch aus dem vom Kläger vorgelegten Auszug aus AK Anwalt und Kanzlei. Denn dort heiß es auf S.22, dass vor Versenden der Nachricht zunächst die Klage bzw. wie hier die Berufungsbegründung als pdF zu speichern sei. Wenn dann die Nachricht an das Gericht generiert sei, müsse die pdF mit der Klage bzw. Berufung mit dem Button hochgeladen und als Typ des Anhangs "Schriftsatz" angegeben werden. Dass der Klägervertreter am 13.01.2022 die korrekte Übersendung bzw. den Eingang dieses Anhangs auf dem Gerichtsserver kontrolliert hätte, behauptet er selbst nicht, obwohl er ausweislich Schriftsatz vom 16.01.2022 "ein Problem bei dem eingegebenen OLG München" hatte und sich dennoch lediglich vom Eingang seiner Nachricht, nicht aber des nach seinen Darlegungen angefügten Anhangs überzeugte. Für den Kläger als Rechtsanwalt war im Übrigen zweifelsfrei ersichtlich, dass die Ausführungen in der Publikation Anwalt und Kanzlei zur Überprüfung des Versands (dort der Klageschrift) unvollständig waren, da es dort auf S.24 unter 16. - kurzschlüssig - heißt, dass die Klage auf dem Gerichtsserver eingegangen sei, wenn der Empfang der elektronischen Nachricht bestätigt werde. Das ist erkennbar unlogisch, weil der Empfang der Nachricht nichts zum Empfang der als Anhang hochzuladenden Berufungsbegründung besagt, auf die es entscheidend ankommt. Berücksichtigt man, dass die Anwaltschaft durch die bereits zitierte Rechtsprechung des BGH seit Jahr und Tag angehalten ist, zu prüfen bzw. zu prüfen lassen, ob elektronisch versandte Schriftsätze auch komplett angekommen sind, ist das Fristversäumnis verschuldet und kann nicht damit entschuldigt werden, dass die aktive Nutzungspflicht für das beA erst seit dem 01.01.2022 gilt.

    3. Deutlich unschlüssig sind die Vorhaltungen der Klägerin hinsichtlich der fehlenden Begründetheit ihrer Klage. Denn allein das (Aus-)Nutzen ihrer Verfahrensrechte und der in K 5 geäußerte Wunsch nach einem aus ihrer Sicht unvoreingenommenen Gutachter macht die Beklagte unter keinem Gerichtspunkt schadensersatzpflichtig. Es liegt im Übrigen nach dem (mittlerweile nicht mehr) neuen Verjährungsrecht auf der Hand, dass Ansprüche wegen der Verletzung von Schutzpflichten im Zusammenhang mit der Darlehenskündigung vom Dezember 2012 bei Klageeinreichnug im Dezember 2020 längst verjährt waren. Solange der Schaden nicht beziffert werden konnte, hätte es der Klägerin freigestanden, zur Verjährungsunterbrechung Feststellungsklage zu erheben (BGH, Urt. v. 8.11.2016, VI ZR 200/15 Rn.12).

    RechtsgebietERVVorschriften§ 130a Abs. 1, Abs. 5, § 520 Abs. 2 S. 1 ZPO