18.07.2022 · IWW-Abrufnummer 230302
Oberlandesgericht Hamm: Urteil vom 27.05.2022 – 5 RVs 53/22
§ 32a Abs. 3 StPO enthält für ein Dokument, das schriftlich abzufassen, zu unterschreiben oder zu unterzeichnen ist, zwei mögliche Wege der Übermittlung im elektronischen Rechtsverkehr bereit: Ein Weg – der hier nicht vorliegt – ist die Übermittlung mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person. Der andere Weg ist die (einfache) Signatur der verantwortenden Person bei gleichzeitiger Einreichung auf einem sicheren Übermittlungsweg. Für die einfache Signatur reicht die Namenswiedergabe des Verfassers am Ende des Textes.
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
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Gründe
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I.
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Das Amtsgericht Gladbeck hat den Angeklagten „wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit Verstoßes gegen das Pflichtversicherungsgesetz und Trunkenheit im Verkehr in 4 Fällen, in einem Fall davon tateinheitlich mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr und gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung der Strafe aus der Entscheidung des Amtsgerichts Gladbeck vom 07.10.2020, Az. 37 Js 1416/20 6 Cs 340/20 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 (zwei) Jahren und 6 (sechs) Monaten verurteilt“ und gleichzeitig eine dreijährige Sperre für die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis angeordnet.
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Die Berufung des Angeklagten hat das Landgericht mit der Maßgabe verworfen, dass der Angeklagte unter weiterer Einbeziehung des Strafbefehls des Amtsgerichts Mannheim vom 22.01.2020 ‒ 3o Cs 404 Js 190/21 ‒ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sieben Monaten verurteilt wird. Die Sperre hat es aufrechterhalten.
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Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit der Revision, die er mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts in allgemeiner Form begründet hat. Das Landgericht hat sein Rechtsmittel mit dem angefochtenen Beschluss als unzulässig verworfen, weil dieses in Ermangelung der Verwendung einer qualifizierten elektronischen Signatur nicht formgerecht eingelegt und begründet worden sei. Gegen diesen Beschluss wendet sich der Angeklagte mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, den Rechtsbehelf als unbegründet zu verwerfen.
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II.
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Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig und begründet.
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Die Voraussetzungen für eine Verwerfung der Revision nach § 346 Abs. 1 StPO durch das Tatgericht liegen nicht vor.
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Die Revision ist fristgerecht eingelegt und begründet worden. Gegen das am 06.01.2022 in Anwesenheit des Angeklagten verkündete Berufungsurteil hat der Verteidiger per beA am 13.01.2022 Revision eingelegt. Das angefochtene Urteil ist dem Verteidiger des Angeklagten auf Anordnung der Vorsitzenden am 16.02.2022 zugestellt worden. Der Revisionseinlegungsschriftsatz ist per beA übersandt und am 13.01.2022 bei Gericht eingegangen.
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Die Revisionseinlegung ist auch formgerecht. Zutreffend erkennt das Landgericht zwar, dass der Schriftsatz des Verteidigers ‒ ausweislich des Prüfvermerks ‒ keine qualifizierte elektronische Signatur aufweist. Dies führt jedoch nicht dazu, dass der Schriftsatz nicht die nach § 341 Abs. 1 StPO erforderliche Schriftform aufweisen würde. § 32a Abs. 3 StPO enthält für ein Dokument, das schriftlich abzufassen, zu unterschreiben oder zu unterzeichnen ist, zwei mögliche Wege der Übermittlung im elektronischen Rechtsverkehr bereit: Ein Weg ‒ der hier nicht vorliegt ‒ ist die Übermittlung mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person. Der andere Weg ist die (einfache Signatur der verantwortenden Person bei gleichzeitiger Einreichung auf einem sicheren Übermittlungsweg (vgl. BT-Drs. 18/9416 S. 45; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 07.05.2020 ‒ 1 OWi 2 SsBs 68/20 ‒ juris; Köhler in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 54. Aufl., § 32a Rdn. 5). Der Verteidiger des Angeklagten hat hier den zweiten Weg gewählt und die Voraussetzungen hierfür eingehalten. Ein sicherer Übermittlungsweg ist nach § 32a Abs. 4 Nr. 2 StPO das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA). Der Revisionseinlegungsschriftsatz wurde ausweislich des Prüfvermerks über das bEA eingereicht. Er weist auch die erforderliche einfache Signatur auf. Hierfür reicht die Namenswiedergabe am Ende des Textes, sei es durch eine eingescannte Unterschrift, sei es durch maschinenschriftliche Wiedergabe des Namens (ThürOLG, Beschl. v. 23.09.2020 ‒ 1 OLG 171 SsRs 195/19 ‒ juris; vgl. auch BAG NJW 2020, 3476, 3477 zu § 130a ZPO). Der Wortlaut von § 32a Abs. 3 2. Alt. StPO („signiert“) macht in Abgrenzung zu Art. 3 Nr. 10 VO (EU) Nr. 910/2014 deutlich, dass es sich hierbei nicht um eine „elektronische“ Signatur handeln muss, wobei sogar letztlich die Zeichenfolge des Namens in dem elektronischen Dokument auch die Voraussetzungen einer elektronischen Signatur erfüllen dürfte.
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Auch im Hinblick auf die Revisionsbegründung lagen die Voraussetzungen für eine Verwerfung nach § 346 Abs. 1 StPO durch das Tatgericht nicht vor. Der Schriftsatz ist innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 StPO bei Gericht eingegangen. Auch die Form des § 345 Abs. 2 StPO wurde gewahrt. Der Schriftsatz wurde zwar nicht als elektronisches Dokument mit qualifizierte elektronischer Signatur übersandt, wohl aber über das beA mit einer (einfachen) Signatur, dem maschinenschriftlichen Namenszug des Verteidigers (eines Rechtsanwalts), so dass die Voraussetzungen des § 32a Abs. 3 StPO erfüllt sind. Auf die obigen Ausführungen wird verwiesen.
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III.
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Die Akten sind daher nunmehr der Generalstaatsanwaltschaft zwecks Antragsstellung im Revisionsverfahren zurückzuleiten.
RechtsgebietElektronischer RechtsverkehrVorschriften§ 32a Abs. 3 stopp