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  • 10.08.2023 · IWW-Abrufnummer 236757

    Landessozialgericht Berlin-Brandenburg: Urteil vom 18.06.2021 – L 19 AS 2551/17

    1. Setzt eine Behörde einem Rechtsanwalt zur Vorlage einer Vollmacht für ein Widerspruchsverfahren eine angemessene Frist und kündigt die Verwerfung oder Zurückweisung des Widerspruchs im Fall der fehlenden Vorlage an, so darf sie, nachdem die Frist verstrichen ist, den Widerspruch verwerfen. Zu einer Nachfrage, Nachfristsetzung oder dergleichen mehr ist sie nicht verpflichtet.

    2. Welche Frist angemessen ist, kann nicht abstrakt und generell bestimmt werden, sondern hängt von dem konkreten Einzelfall ab.

    3. Die Anforderung einer Vollmacht muss nicht begründet werden. (Rn.29)

    4. Nach Erlass eines Widerspruchsbescheids wird der Mangel einer fehlenden Vollmacht durch eine nachträglich vorgelegte Vollmacht nicht geheilt.


    Landessozialgericht Berlin-Brandenburg

    Urteil vom 18.06.2021


    Tenor:

    Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 28. September 2017 wird zurückgewiesen.

    Außergerichtliche Kosten einschließlich der Kosten des Beigeladenen werden auch für das Berufungsverfahren nicht erstattet.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

    Tatbestand
     
    Mit Bescheid vom 23. April 2013 bewilligte der Beklagte einen Leistungsantrag der Klägerin für den Zeitraum von Mai 2013 bis Oktober 2013, mit Änderungsbescheid vom 2. August 2013 wurde die bewilligte Leistung geändert.

    1
    Ende Juni 2013 beantragte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin für die Klägerin, Fahrtkosten für Arztbesuche und für die Teilnahme am Reha-Sport als Sonderbedarf nach § 21 Abs. 6 Sozialgesetzbuch Band II (SGB II) zu erstatten.

    2
    Mit Bescheid vom 2. August 2013 lehnte der Beklagte diesen Antrag ab. Er, der Beklagte, habe die Angaben der Klägerin hinsichtlich der Anzahl der gefahrenen Kilometer nicht weiter geprüft. Denn bei einem Kilometersatz vom 0,10 Euro je Kilometer und der von der Klägerin angegebenen Strecke ergebe sich ein Bedarf von mtl. 39,00 Euro, dies sei bereits mittels der Regelbedarfe für Gesundheitspflege und verkehrsbedingte Aufwendungen abgedeckt. Zudem sei es zumutbar, einen etwas höheren Bedarf in einem Lebensbereich durch geringere Ausgaben in einem anderen auszugleichen. Der Ablehnungsbescheid wurde dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin bekanntgegeben.

    3
    Am 6. September 2013 legte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin für die Klägerin Widerspruch gegen diesen Bescheid, der am 6. August 2013 zugegangen sei, ein. Mit Eingangsmitteilung vom 10. September 2013 bestätigte der Beklagte den Eingang des Widerspruches und forderte den Prozessbevollmächtigten auf, bis zum 8. Oktober 2013 einen schriftlichen Nachweis seiner Bevollmächtigung zu übersenden. Sollte der schriftliche Nachweis bis zu dem genannten Termin nicht vorliegen, könne der Widerspruch als unzulässig verworfen werden.

    4
    Nachdem der Prozessbevollmächtigte der Klägerin eine Vollmacht nicht vorgelegt hatte, wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19. November 2013 zurück. Er sei unzulässig. Eine ausreichende schriftliche Bevollmächtigung sei nicht nachgewiesen worden.

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    Unter dem Formular vom 21. November 2013 hat die Klägerin ihren Prozessbevollmächtigten ausdrücklich bevollmächtigt. In der Vollmacht wird als Betreff angeführt: „Bescheid vom 2.8.2013, Widerspruchsbescheid vom 19.11.2013“.

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    Am 19. Dezember 2013 hat die Klägerin Klage erhoben. Da bereits der Antrag von ihrem Prozessbevollmächtigten gestellt worden sei, habe der Widerspruch nicht als unzulässig zurückgewiesen werden dürfen. Darüber hinaus sei dieser bereits in einer Vielzahl von Verfahren als ihr Bevollmächtigter aufgetreten.

    7
    In der Sache seien in den sechs Monaten des Leistungszeitraumes, d. h. von Mai 2013 bis Oktober 2013, Fahrtkosten in Höhe von insgesamt 810,00 Euro angefallen. Dabei seien auch die Mehrbelastungen ihres Ehemannes, des Beigeladenen, einzubeziehen, der selbst nicht im Leistungsbezug stehe. Dessen Rente werde bei der Ermittlung des Gesamtbedarfes berücksichtigt. Von Mai bis Oktober 2013 hätten sie und ihr Ehemann, der Beigeladene, zweimal im Monat zum Arzt nach B fahren müssen. Diese Fahrten habe man auch nicht gemeinsam vornehmen können. Abgesehen davon habe der Beigeladene zweimal je Woche in B am Reha-Sport teilgenommen sowie einmal die Woche an einer ärztlich verordneten Wassergymnastik in G. Insgesamt ergebe sich ein Betrag von monatlich 135,00 Euro, da der Kilometer mit 0,30 Euro zu berücksichtigen sei.

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    Die Klägerin hat bei dem Sozialgericht beantragt, unter Aufhebung des Bescheides vom 2. August 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. November 2013 den Beklagten zu verpflichten, ihr für die Zeit vom 1. Mai 2013 bis zum 31. Oktober 2013 krankheitsbedingten Mehrbedarf von insgesamt 810,00 Euro zu bewilligen.

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    Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 28. September 2017 die Klage zurückgewiesen. Sie sei unbegründet. Der Beklagte habe zu Recht den Widerspruch als unzulässig zurückgewiesen. Die Vollmacht eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren zu verlangen, stehe gemäß § 13 Abs. 1 Satz 3 SGB X im Ermessen der Behörde. Mache eine Behörde davon Gebrauch, sehe das Gesetz keine Pflicht zur Begründung dieses Verlangens vor. Es handele sich vielmehr um ein reines „Kompetenzermessen“, dessen Ausübung nicht zu begründen sei. Ein Nachweisverlangen setze auch keineswegs voraus, dass es bereits Zweifel an der Vertretungsberechtigung des Betreffenden gebe. Zurückgewiesen dürfe ein Widerspruch, wenn eine Behörde eine angemessene Frist gesetzt habe und diese verstrichen sei. Dies sei hier der Fall. Der Einwand, der Beklagte habe in diesem Fall keine schriftliche Vollmacht verlangen dürfen, weil der Prozessbevollmächtigte der Klägerin bereits in anderen Verfahren der Klägerin aufgetreten sei und dort auch Vollmachten eingereicht habe, überzeuge nicht. Die seinerzeit eingereichten Vollmachten bezögen sich auf das jeweilige Widerspruchsverfahren, keine von ihnen sei als Generalvollmacht anzusehen. Aus dem Umstand, dass eine Rechtsanwalt bereits in verschiedenen anderen Widerspruchsverfahren bevollmächtigt gewesen sei, folge nicht, dass dies künftig für alle Leistungsverfahren der Fall sein werde. Das Urteil wurde am 14. November 2017 zugestellt.

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    Am 14. Dezember 2017 hat die Klägerin Berufung eingelegt. Das Sozialgericht sei nicht darauf eingegangen, dass der Prozessbevollmächtigte selbst den Antrag bei dem Beklagten gestellt habe und der Ablehnungsbescheid auch der Klägerin über ihn bekannt gegeben worden sei. Im Sinne der Klägerin habe auch bereits das Landessozialgericht (LSG) Sachsen mit  Beschluss vom 5. Juni 2015 ‒ L 3 AL 150/13 B PKH ‒ entschieden. In der Sache sei es zu den häufigen Fahrten zur Krankengymnastik aufgrund von ärztlichen Verordnungen gekommen. An ambulanter ärztlicher Behandlung sei der Besuch bei Ärzten an sechs Terminen nachgewiesen.

    11
    Die Klägerin beantragt,

    12
    unter Änderung des Urteils des Sozialgerichtes Potsdam vom 28. September 2017 und unter Aufhebung des Bescheides vom 2. August 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. November 2013 den Beklagten zu verpflichten, ihr für die Zeit vom 1. Mai 2013 bis zum 31. Oktober 2013 krankheitsbedingten Mehrbedarf von insgesamt 810,00 Euro zu bewilligen.

    13
    Der Beklagte beantragt,

    14
    die Berufung zurückzuweisen.

    15
    Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

    16
    Der Beigeladene stellt keinen Antrag.

    17
    Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen und des Sachverhalts im Übrigen wird verwiesen auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge.

    18
    Entscheidungsgründe
     
    Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung über die Berufung entscheiden, die Beteiligten haben ausdrücklich erklärt, hiermit einverstanden zu sein (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

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    Die Berufung hat keinen Erfolg. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Beklagte durfte den Widerspruch nach Ablauf der dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zur Vorlage gesetzten Frist zurückweisen (nachfolgend zu 1.), die nachträgliche Vorlage der Vollmacht hatte keine heilende Wirkung (nachfolgend zu 2.).

    20
    1. Der Beklagte durfte den Widerspruch zurückweisen, nachdem die zur Vorlage der Vollmacht gesetzte angemessene Frist verstrichen war.

    21
    a. Gesetzliche Grundlage der Anforderung der Vollmacht ist § 13 Abs. 1 Satz 3 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X). Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 SGB X kann sich ein Beteiligter durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen. Dessen Vollmacht muss nicht schriftlich erteilt werden, um wirksam zu sein, doch hat nach Satz 3 der Bestimmung der Bevollmächtigte seine Bevollmächtigung auf Verlangen schriftlich nachzuweisen. Sofern die Behörde, wie hier, einen Vertreter ohne vorgelegte Vollmachtsurkunde zum schriftlichen Nachweis der Vollmacht auffordert, bleibt die Frage der wirksamen Bevollmächtigung zunächst offen; die ohne Nachweis der Vollmacht vorgenommenen Verfahrenshandlungen sind schwebend unwirksam. Erfolgt dieser Nachweis aber nicht und hat die Behörde zuvor ausdrücklich auf die drohende Rechtsfolge hingewiesen, kann der Widerspruch als unzulässig zurückgewiesen wird (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30. April 2013 - L 3 AS 98/13 -; Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 6. Februar 2019 - OVG 11 N 15.15 -, jeweils Juris).

    22
    Setzt dabei eine Behörde einem Rechtsanwalt zur Vorlage der Vollmacht eine Frist und kündigt die Zurückweisung des Widerspruchs im Fall der fehlenden Vorlage an, so muss sie diese Frist abwarten, bevor sie entscheidet; sie ist jedoch zu einer Nachfrage, Fristsetzung oder dergleichen mehr grundsätzlich nicht verpflichtet, auch nicht von Verfassungs wegen (vgl. in diesem Zusammenhang: Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Kammerbeschlüsse vom  22. Januar 2019 ‒ 2 BvR 93/19 ‒ und vom 23. Oktober 1992 ‒ 1 BvR 1232/92 ‒, jeweils Juris). Welche genaue Frist noch angemessen ist, kann dabei nicht abstrakt und generell bestimmt werden, sondern hängt vielmehr von dem konkreten Einzelfall ab (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 16. Dezember 2002 ‒ 2 BvR 654/20 ‒ Juris). Ist eine Frist zu knapp gesetzt, muss die Behörde nach Fristablauf nach den Umständen des Einzelfalls noch eine angemessene Zeit zuwarten, bevor sie entscheidet. Ein faires Verwaltungsverfahren verlangt grundsätzlich ferner, dass zunächst weiter abzuwarten ist, wenn ein Bevollmächtigter nachvollziehbar darlegt, dass und warum er (vorübergehend) gehindert sei, die Unterlagen fristgerecht vorzulegen.

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    Danach durfte der Beklagte hier den Widerspruch verwerfen. Mit Eingangsbestätigung vom 10. September 2013 hat der Beklagte den Prozessbevollmächtigten der Klägerin aufgefordert, bis zum 8. Oktober 2013 den schriftlichen Nachweis seiner Bevollmächtigung zu übersenden. Sollte der schriftliche Nachweis bis zu dem genannten Termin nicht vorliegen, so die Mitteilung, könne der Widerspruch als unzulässig verworfen werden. Mit dem Hinweis, dass der Widerspruch ohne Vorlage der Vollmacht als unzulässig zurückgewiesen werden könne, hat der Beklagte die Klägerin und ihren Prozessbevollmächtigten über die möglichen Folgen einer Nichtvorlage nicht im Unklaren gelassen und ausreichend gewarnt.

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    Bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids am 19. November 2013 hatte sich der Bevollmächtigte weder gemeldet, noch war die Anfang September 2013 erbetene Vollmacht eingegangen. Zu diesem Zeitpunkt waren deutlich mehr als zwei Monate ergebnislos verstrichen. Dieser Zeitraum war ausreichend. Denn bis dahin hätte die Vollmacht, sofern nicht bereits bei dem Rechtsanwalt vorhanden, von der Klägerin eigens angefordert und nachfolgend übersandt werden können. Zumindest sollte es dem Prozessbevollmächtigten nach so langer Zeit möglich gewesen sein mitzuteilen, ob bzw. aus welchen Gründen er gehindert war, die Vollmacht vorzulegen.

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    b. Der Aufforderung zur Vorlage der Vollmacht stand nicht entgegen, dass der Bevollmächtigte in einer Vielzahl weiterer Verfahren der Klägerin bereits Vollmachten vorgelegt hatte. Diese waren jeweils auf einzelne Verwaltungsverfahren bzw. ausdrücklich auf bestimmte, genau bezeichnete Leistungszeiträume bezogen und damit zugleich auf diese begrenzt, obwohl ohne weiteres der Umfang der Vertretungsmacht sich auf mehrere Verwaltungsverfahren hätte erstrecken können. Gerade wegen des auffälligen Gegensatzes zu den weiteren Verwaltungs- bzw. Widerspruchsverfahren war es nachvollziehbar und in der Sache gerechtfertigt, dass sich der Beklagte für den Widerspruch gegen den hier in Rede stehenden Bescheid um Klärung bemühte, ob auch für diesen Fall eine Vollmacht erteilt worden war und um den Nachweis der - möglicherweise - erteilten Vollmacht bat. Denn schließlich ist es ungewöhnlich, wenn ein Rechtsanwalt, nachdem er in einer Reihe weiterer Verfahren Vollmachten überreicht hat, später eine derartige Vollmacht in einer weiteren Sache nicht vorlegt oder nicht zumindest erklärt, was einer Vorlage entgegengesteht (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 25. März 1996 ‒ 4 A 38.95 ‒, Juris).

    26
    c. Auch der Einwand, schon der zugrundeliegende Antrag sei von dem Prozessbevollmächtigten gestellt worden und der Ausgangsbescheid sei nicht der Klägerin, sondern diesem bekannt gegeben worden, verfängt nicht. Es ist im Rechtsverkehr generell anerkannt, dass die Frage, ob ein Vertreter mit oder ohne Vertretungsmacht handelt, von einem Dritten, sei es einem privaten Vertragspartner oder einer Behörde, jederzeit wirksam und sicher geklärt werden kann. Für die Ablehnung eines Ausgangsverwaltungsverfahrens spielte es zudem eine eher geringere Rolle, ob eine wirksame Bevollmächtigung vorliegt. Wegen einer nun - erstmals - im Raum stehenden Kostenerstattung im Widerspruchsverfahren nach § 63 SGB X gab es nunmehr einen weiteren sachlichen Grund, dass der Beklagte der Frage der Vollmacht im Vorverfahren nachging; so trägt etwa ein vollmachtloser Vertreter die Kosten des Widerspruchsverfahrens.

    27
    d. Der Beklagte hat im Verwaltungsausgangsverfahren auch nicht etwa seine Befugnis verwirkt, gem. § 13 Abs. 1 Satz 3 SGB X den Nachweis der Vollmacht zu verlangen, nachdem er seinerzeit nach pflichtgemäßem Ermessen von einer Anforderung abgesehen hat, wie die Klägerin aber zu Unrecht wohl meint. Denn mit seinem Handeln im Ausgangsverfahren hat der Beklagte weder den Anschein erweckt, noch auch nur angedeutet, auch später werde er keine Vollmacht mehr abverlangen.

    28
    e. Schließlich war die Anforderung der Vollmacht auch nicht vom Beklagten zu begründen, anders als die Klägerin meint.

    29
    Dass Verwaltungsakte nach § 35 Abs. 1 SGB X zu begründen sind, ist offensichtlich nicht einschlägig, denn die Anforderung einer Vollmacht stellt keinen Verwaltungsakt dar. Auch § 13 Abs. 1 Satz 3 SGB X sieht schon nach dem Gesetzeswortlaut keine Pflicht zur Begründung vor.

    30
    Aus der Tatsache, dass die Behörde Ermessen hat, ob sie die Vorlage verlangt (vgl. Bundessozialgericht - BSG -,  Urteil vom 15. Oktober 1981 ‒ 5b/5 RJ 90/80 ‒, BSGE 52, 245  [BSG 15.10.1981 - 5b RJ 90/80] Rn. 21), folgt ebenfalls keine Pflicht zur Begründung. Insbesondere § 54 Abs. 2 SGG und die dadurch eröffnete richterliche Kontrolle verlangen nicht, dass eine Behörde, um diese richterliche Überprüfung zu ermöglichen, die Anforderung einer Vollmacht begründet (wohl a. A., aber nicht überzeugend:  Sächsisches LSG, Beschluss vom 5. Juni 2015 ‒ L 3 AL 150/13 B PKH ‒, Juris). Ob behördliches Handeln ermessensfehlerfrei ist, ist nämlich stets von der Frage zu trennen, ob es zu begründen ist bzw. welche Anforderungen an die Begründung zu richten sind.

    31
    Die Tatsache, dass ein Gericht behördliches Handeln überprüfen muss, bewirkt nicht zugleich, dass die Behörde ihr Handeln auch nach Außen begründen muss; aus den - wirklichen oder vermeintlichen - Schwierigkeiten richterlicher Erkenntnisbildung kann nicht auf die Anforderungen an das Verfahren geschlossen werden. Dass ohne eine behördliche Begründung schlichten Verwaltungshandelns im Einzelfall eine Prüfung der für die Ausübung des Ermessens maßgeblichen Gründe durch ein Gericht nicht möglich ist, trifft nicht zu. Ob Verwaltungshandeln ermessensfehlerfrei ist, kann und muss aufgrund einer Vielzahl von Erkenntnisquellen beurteilt werden, nicht lediglich anhand der in einer Begründung niedergelegten Gründe. So können darüber insbesondere die Verwaltungsvorgänge oder auch Aussagen der Beteiligten, von Zeugen und dergleichen mehr Aufschluss geben. Ohnehin muss bei der Prüfung, ob eine Begründung von der Behörde womöglich nur vorgeschoben ist, stets nach den wirklichen Gründen gefragt werden, das Gericht darf sich keineswegs auf die von der Behörde gegebene Begründung beschränken, wenn eine solche gesetzlich gefordert wird. Umgekehrt kann sich trotz formell fehlerhafter Begründung herausstellen, etwa ausweislich eines in den Verwaltungsvorgängen enthaltenen umfangreichen Vermerks, dass die Behörde materiell ermessensfehlerfrei gehandelt hat. Im Übrigen fehlt es auch an einem Bedürfnis für eine vorgezogene Begründung, denn Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen können gem. § 56a Satz 1 SGG nur gleichzeitig mit den gegen die (zu begründende) Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht.

    32
    2. Nach Zurückweisung eines Widerspruches wegen fehlender Vollmacht nach Ablauf der zur Vorlage gesetzten Frist konnte dieser Mangel nach Ergehen des Widerspruchsbescheides nicht rückwirkend durch eine nunmehr erteilte Vollmacht und die darin liegende Genehmigung der bisherigen Prozess- bzw. Verfahrensführung geheilt werden (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30. April 2013 - L 3 AS 98/13 -;  Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 4. November 2008 ‒ L 4 KA 3/07 -, jeweils Juris; Roller, in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage 2014, § 13 Rn. 12; zur prozessual vergleichbaren Situation zur Vorlage einer Vollmacht nach Abschluss einer gerichtlichen Instanz nach vorheriger, ergebnisloser Fristsetzung zur Vorlage einer Vollmacht: Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes,  Beschluss vom 17. April 1984 ‒ GmS-OGB 2/83 ‒,  BGHZ 91, 111BVerwGE 69, 380;  BSG, Beschluss vom 3. Juni 2008 ‒ B 2 U 312/07 B ‒, Juris; Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, § 73 Rn. 66 m. w. N.).

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    3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

    34
    4. Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen, § 160 Abs. 2 SGG. Die Entscheidung des Sächsischen Landessozialgerichts ist im Rahmen einer Prozesskostenhilfebeschwerde ergangen.Divergenz meint jedoch eine abweichende Entscheidung zu einer Rechtssache. Eine solche Entscheidung trifft eine Prozesskostenhilfeentscheidung von vornherein nicht (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, § 160 Rn. 11a).

    RechtsgebietVerfahrensrechtVorschriften§ 21 Abs. 6 SGB II