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  • 14.02.2024 · IWW-Abrufnummer 239733

    Oberlandesgericht Brandenburg: Beschluss vom 15.11.2023 – 1 W 22/23

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Oberlandesgericht Brandenburg 

    Beschluss vom 15.11.2023


    In dem Rechtsstreit
    1. ...,
    - Kläger und Beschwerdeführer -
    2. ...,
    - Klägerin und Beschwerdeführerin -
    3. ...,
    - Kläger und Beschwerdeführer -
    4. ...,
    - Klägerin und Beschwerdeführerin -
    5. ...,
    - Kläger und Beschwerdeführer -
    6. ...,
    - Klägerin und Beschwerdeführerin -
    7. ...,
    - Kläger und Beschwerdeführer -
    8. ...,
    - Klägerin und Beschwerdeführerin -
    9. ...,
    - Kläger und Beschwerdeführer -
    10. ...,
    - Klägerin und Beschwerdeführerin -
    11. ...,
    - Kläger und Beschwerdeführer -
    12. ...,
    - Klägerin und Beschwerdeführerin -
    Prozessbevollmächtigter zu 1 - 12:
    Rechtsanwalt ...

    g e g e n
    1. ...,
    - Beklagter und Beschwerdegegner -
    2. ...,
    - Beklagte und Beschwerdegegnerin -
    Prozessbevollmächtigte zu 1 und 2:
    Rechtsanwälte ...

    hat das Brandenburgische Oberlandesgericht - 1. Zivilsenat - durch
    xxx
    am 15.11.2023   b e s c h l o s s e n :

    Tenor:

    Die sofortige Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 2. August 2023 - 13 O 176/19 - wird zurückgewiesen.

    Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Kläger.

    Der Wert der Beschwerde wird auf bis 6.000 € festgesetzt.

    Gründe

    I.

    Die Kläger nehmen die Beklagten auf die Duldung der Durchführung von Montage- und Reparaturarbeiten an einer im gemeinsamen Eigentum der Parteien stehenden Abwasseranlage in Anspruch.

    Das Landgericht hat - nach Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter - durch Beweisbeschluss vom 30.6.2020 und 29.7.2020 die Einholung eines schriftlichen Gutachtens zur Undichtigkeit der Abwassersammelgrube, der Möglichkeit eines Neubaus der Abwasseranlage und deren Wirtschaftlichkeit durch den Sachverständigen Dipl-Ing. (Name 01) in (Ort 01) angeordnet. Am 29.7.2020 hat es die Akten an den Sachverständigen zur Erstellung des Gutachtens bis 28.10.2020 versandt.

    Unter dem 1.12.2020 hat das Landgericht dem Sachverständigen eine Nachfrist bis 4.1.2021 unter Androhung der Verhängung eines Ordnungsgeldes gesetzt. Dazu hat sich der Sachverständige mit Schreiben vom 4.12.2020 geäußert, das das Landgericht an die Parteien weitergeleitet hat. Mit Schreiben vom 16.12.2020 hat der Sachverständige der Beschlussfassung unter Hinweis auf die seinerzeitige Pandemielage widersprochen, woraufhin das Landgericht ihm eine Frist zur Erstattung des Gutachtens bis 1.3.2021 gesetzt hat.

    Unter dem 3.3.2021 hat das Landgericht eine Sachstandsanfrage an den Sachverständigen gerichtet. Dieser hat mit Schreiben vom 16.3.2021 unter Hinweis auf die damalige Pandemielage erneut eine Fristverlängerung erbeten. Nach Anhörung der Parteien zum Inhalt des Schreibens hat das Landgericht dem Sachverständigen daraufhin eine Fristverlängerung bis 31.5.2021 gewährt.

    Mit Schreiben vom 28.5.2021 hat der Sachverständige eine weitere Fristverlängerung erbeten, die das Landgericht nach Anhörung der Parteien bis 30.8.2021 gewährt hat. Mit Schreiben vom 23.8.2021 hat der Sachverständige neuerlich eine Fristverlängerung bis 31.10.2021 erbeten, die das Landgericht unter entsprechender Benachrichtigung der Parteien ebenfalls gewährt hat. Mit Schreiben vom 21.10.2021 hat der Sachverständige die Durchführung eines Ortstermins am 18.11.2021 in Aussicht gestellt, woraufhin das Landgericht durch Beschluss vom 22.10.2021 eine Frist zur Beibringung des Sachverständigengutachtens bis 22.11.2021 unter erneuter Androhung eines Ordnungsgeldes gesetzt hat. Mit Schreiben vom 15.11.2021 hat der Sachverständige sodann die Aufhebung des Ortstermins mitgeteilt; die Gründe dafür hat er mit Schreiben vom 5.12.2021 erläutert.

    Zum 1.12.2021 ist der Rechtsstreit in die Zuständigkeit der Vorsitzenden Richterin am Landgericht Dr. Scheiper als Einzelrichterin übergegangen.

    Auf deren Sachstandsanfrage vom 18.3.2022 hat der Sachverständige mit Schreiben vom 30.3.2022 die Durchführung eines Ortstermins in der 18. Kalenderwoche und Fertigstellung des Gutachtens in der 22. Kalenderwoche in Aussicht gestellt. Mit Schreiben vom 14.4.2022 hat er die Durchführung des Ortstermins am 6.5.2022 mitgeteilt. Beide Schreiben sind den Parteien übermittelt worden.

    Auf eine weitere Sachstandsanfrage der Einzelrichterin vom 1.7.2022 hat der Sachverständige mit Schreiben vom 22.7.2022 mitgeteilt, dass er im Nachgang des Ortstermins mit der Auswertung umfänglicher Unterlagen befasst sei, die Antwort auf eine von ihm gehaltene Nachfrage bei der unteren Wasserbehörde erwarte und im Anschluss an seinen Urlaub im August 2022 der Ortstermin mit Dichtigkeitsprüfung der Anlage Anfang September des Jahres stattfinden werde.

    Auf eine neuerliche Sachstandsanfrage der Einzelrichterin vom 4.10.2022 hat der Sachverständige mit Schreiben vom 23.10.2022 mitgeteilt, dass er den Ortstermin vorbereite, der in der 47. Kalenderwoche stattfinden werde; auch dieses Schreiben ist den Parteien zugeleitet worden.

    Mit Schreiben vom 23.2.2023 hat der Sachverständige sodann die Rückgabe seiner öffentlichen Bestellung mitgeteilt und um seine Entpflichtung gebeten.

    Durch Beschluss vom 20.3.2023 hat die Einzelrichterin die Entpflichtung vorgenommen und umfängliche Hinweise zu der aus ihrer Sicht fehlenden Schlüssigkeit der Klage zur Stellungnahme bis 30.4.2023 erteilt. Der Beschluss ist den Klägern am 24.3.2023 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 2.5.2023 haben sie zu den erteilten Hinweisen Stellung genommen.

    Im Anschluss an eine Akteneinsicht durch ihren Prozessbevollmächtigten haben die Kläger mit Schriftsatz vom 3.7.2023 ein Ablehnungsgesuch gegen die Vorsitzende Richterin am Landgericht Dr. Scheiper ausgebracht. Dazu hat die abgelehnte Richterin am 5.7.2023 eine dienstliche Äußerung abgegeben, die den Parteien zur Stellungnahme binnen zwei Wochen zugeleitet worden ist.

    Das Landgericht hat durch Beschluss vom 2.8.2023, der den Klägern am 3.8.2023 zugestellt worden ist, das Ablehnungsgesuch als unbegründet zurückgewiesen.

    Dagegen haben die Kläger am 17.8.2023 sofortige Beschwerde beim Brandenburgischen Oberlandesgericht eingelegt.

    II.

    Die sofortige Beschwerde ist nach §§ 46 Abs. 2, 567 ff. ZPO zulässig, nachdem sie insbesondere innerhalb der in § 569 Abs. 1 Satz 1, 2 ZPO bestimmten Frist eingelegt worden ist. Im Interesse der Verfahrensbeschleunigung sieht der Senat von der Durchführung des Abhilfeverfahrens nach § 572 Abs. 1 ZPO ab (vgl. Zöller/Heßler, ZPO, 34. Aufl., § 572, Rn. 4).

    Das Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.

    Nach § 42 Abs. 1, 2 ZPO kann ein Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dafür ist erforderlich, aber auch ausreichend, das Vorliegen eines Sachverhalts, der vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung und Würdigung aller Umstände berechtigten Anlass zu Zweifeln an der Unvoreingenommenheit des Richters gibt (BVerfGE 82, 30, 38; 90, 138, 139; BGH NJW 2014, 1227, 1228; 1995, 1677, 1678; Zöller/Vollkommer, a. a. O., § 42, Rn. 9). Dazu zählen Verstöße gegen das prozessuale Gleichbehandlungsgebot, eine negative Einstellung gegenüber einer Partei unter Bevorzugung der anderen Partei, unsachliche Äußerungen oder die willkürliche Benachteiligung oder Behinderung einer Partei in der Ausübung ihrer Rechte (Zöller/Vollkommer, a. a. O., § 42, Rn. 20 ff., m. w. N.). Erforderlich ist stets, dass das Verhalten des Richters geeignet ist, den Eindruck einer unsachlichen, auf Voreingenommenheit beruhenden Einstellung gegenüber der Partei oder der streitbefangenen Sache zu erwecken (BGH NJW-RR 1986, 738 f.). Keine tauglichen Ablehnungsgründe sind vorläufige Meinungsäußerungen und Einschätzungen des Richters im Rahmen der materiellen Prozessleitung, bloße Verfahrensverstöße oder fehlerhafte Entscheidungen, soweit die Grenze zur Willkür nicht überschritten ist (Zöller/Vollkommer, a. a. O., § 42, Rn. 26 ff., m. w. N.). Nach § 44 Abs. 2 ZPO hat die Partei die von ihr vorgebrachten Ablehnungsgründe glaubhaft zu machen, wobei sie selbst zur Versicherung an Eides statt nicht zugelassen werden darf.

    Nach diesen Grundsätzen ist eine fehlende Unparteilichkeit der Vorsitzenden Richterin am Landgericht Dr. Scheiper nicht zu besorgen.

    Die von ihr erteilten Hinweise vom 20.3.2023 stellen ihre Unparteilichkeit nicht in Frage. Denn es handelt sich um eine Einschätzung der Rechtslage, zu der die abgelehnte Richterin im Rahmen der ihr obliegenden materiellen Prozessleitung befugt und berufen ist. Dabei lässt schon die Ausführlichkeit der Hinweise und die darin erfolgten eingehenden Begründungen der dargestellten Sichtweisen die Annahme eines fehlenden Rechtsbezugs oder einer willkürlichen Verfahrensbehandlung nicht zu. Dass, wie in der Ablehnungsschrift vom 3.7.2023 ausgeführt wird, der Hinweisbeschluss der Vorbereitung der Entscheidung dient, kann dabei nicht für eine Besorgnis der Befangenheit angeführt werden, da die Vorbereitung der zu treffenden Entscheidung das Wesen eines jeden Hinweises nach § 139 ZPO ist und die Kläger eine - mehr als auskömmliche - Gelegenheit hatten und noch haben, durch weiteren Sachvortrag ein ihnen günstiges Prozessergebnis herbeizuführen. Der in der Beschwerde erhobene Vorwurf der Vermeidung eines richterlichen Arbeitsaufwands entbehrt einer tragfähigen Grundlage und ist nicht glaubhaft gemacht.

    Das - nach dem Inhalt der Akten tatsächlich geschehene - Unterbleiben der Weiterleitung des Schreibens des Sachverständigen (Name 01) vom 22.7.2022 an die Parteien und die von den Klägern darin gesehene Verkürzung ihres rechtlichen Gehörs begründen gleichfalls nicht eine Besorgnis der Befangenheit der abgelehnten Richterin. In Fällen der Verletzung des rechtlichen Gehörs kann die Besorgnis der Befangenheit angezeigt sein, wenn sich die richterliche Verfahrensbehandlung spürbar und unmittelbar zum Nachteil der ablehnenden Partei auswirkt (OLG Hamburg, Beschluss vom 26.1.2018, 7 W 4/18, zitiert nach juris; Zöller/Vollkommer, a. a. O., § 42, Rn. 23). So liegt der vorliegende Fall indes nicht. Denn die Kläger sind - ebenso wie die Beklagten - im Vorfeld des Schreibens des Sachverständigen vom 22.7.2022 durchgehend über den Stand der Erstellung des Sachverständigengutachtens auf dem Laufenden gehalten und ebenso von den nachfolgenden Korrespondenzen zwischen der abgelehnten Richterin und dem Sachverständigen im Oktober 2022 und Dezember 2022 informiert worden. Nachdem der Sachverständige im Anschluss an sein Schreiben vom 23.7.2022 mit weiterem Schreiben vom 23.10.2022 die weitere Vorgehensweise erläutert hat und jenes Schreiben den Klägern bekannt gemacht worden ist, sind die Kläger durch die fehlende Übersendung des Schreibens vom 22.7.2022 lediglich über wenige Wochen hinweg an der Ergreifung der in der Beschwerdeschrift vom 17.8.2023 dargestellten Maßnahmen gehindert gewesen, was dazu führt, dass der Verfahrensbehandlung in Bezug auf das Schreiben des Sachverständigen vom 22.7.2022 nicht ein zu einem Erfolg des ausgebrachten Ablehnungsgesuchs führendes Gewicht beigemessen werden kann.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

    Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf §§ 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, 3 ZPO. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats entspricht der Gegenstandswert für Ablehnungsgesuche dem Wert des zugrunde liegenden Verfahrens (vgl. Senat NJW-RR 1999, 1291, 1292).

    RechtsgebieteVerfahrensrecht, BefangenheitVorschriften§ 42 Abs. 1, Abs. 2 ZPO