29.02.2024 · IWW-Abrufnummer 240029
Bundesgerichtshof: Beschluss vom 24.01.2024 – XII ZB 39/23
Die Person des Beschwerdeführers muss bei Einlegung der Beschwerde aus der Rechtsmittelschrift selbst oder in Verbindung mit sonstigen Unterlagen oder Umständen erkennbar sein oder doch jedenfalls bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist erkennbar werden (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 12. Februar 2020 - XII ZB 475/19 -FamRZ 2020, 778).
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Januar 2024 durch den Vorsitzenden Richter Guhling, die Richter Dr. Günter und Dr. Nedden-Boeger und die Richterinnen Dr. Pernice und Dr. Recknagel
beschlossen:
Tenor:
Die Rechtsbeschwerden gegen den Beschluss des 3. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 16. Dezember 2022 werden auf Kosten der Beteiligten zu 5 verworfen.
Wert: 12.078 €
Gründe
I.
1
Der Antragsteller begehrt im Wege eines Stufenverfahrens die Abänderung eines im Scheidungsverfahren vor dem Oberlandesgericht mit seiner damaligen Ehefrau geschlossenen Vergleiches, in dem er sich zur Zahlung von Unterhalt für die vier gemeinsamen minderjährigen Kinder (im Folgenden: Antragsgegner), zu Händen der Kindesmutter (Beteiligte zu 5), verpflichtet hat.
2
Der Antragsteller hat seinen Abänderungsantrag zunächst allein gegen die Kindesmutter gerichtet. Nachdem das Amtsgericht den Hinweis erteilt hatte, der Auskunftsanspruch sei gegen die Kindesmutter und der Abänderungsantrag gegen die Kinder zu richten, hat der Antragsteller mit einem der Kindesmutter zugestellten Schriftsatz "aus Gründen der äußersten Vorsorge" seine Anträge auf die vier Kinder, vertreten durch die Kindesmutter, umgestellt. Da zwischen den Beteiligten unter anderem streitig ist, ob das angerufene Amtsgericht international zuständig ist, hat sich dieses mit Zwischenbeschluss für international und örtlich zuständig erklärt. Im Rubrum dieses Beschlusses sind nur die vier Kinder als Antragsgegner aufgeführt.
3
Gegen diesen Beschluss hat die Kindesmutter, vertreten durch ihre Verfahrensbevollmächtigte, Beschwerde eingelegt. In dem Beschwerdeschriftsatz wird als Beschwerdeführerin allein die Kindesmutter benannt und die Beschwerde ausdrücklich "namens und im Auftrag der Beschwerdeführerin" eingelegt. Mit der nach Ablauf der Frist zur Einlegung der Beschwerde eingegangenen Beschwerdebegründung, in der nunmehr die Kinder, vertreten durch die Kindesmutter, als "Antragsgegner und Beschwerdeführer" bezeichnet werden, wenden sich diese gegen die vom Amtsgericht angenommene internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte.
4
Das Oberlandesgericht hat "die Beschwerde als unzulässig verworfen". Hiergegen richten sich die Rechtsbeschwerden der Antragsgegner und der Kindesmutter.
II.
5
Da das Oberlandesgericht, wie sich aus der Auslegung der Gründe der angefochtenen Entscheidung ergibt, sowohl die Beschwerde der Kindesmutter als auch die Beschwerden der Antragsgegner als unzulässig verworfen hat, sind deren Rechtsbeschwerden gemäß § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG i.V.m. §§ 522 Abs. 1 Satz 4 , 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie sind jedoch gemäß § 574 Abs. 2 ZPO unzulässig. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerden verletzt die angefochtene Entscheidung die Kindesmutter und die Antragsgegner auch nicht in ihrem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz ( Art. 2 Abs. 1 , 19 Abs. 4 , 20 Abs. 3 GG ).
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1. Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung Folgendes ausgeführt:
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Die Beschwerde sei unzulässig, weil die Antragsgegner innerhalb der Frist des § 63 FamFG kein Rechtsmittel eingelegt hätten und die Kindesmutter, die allein das vorliegende Rechtsmittel eingelegt habe, nicht beschwerdebefugt sei. Die Beschwerdeschrift weise nur die Kindesmutter als Beschwerdeführerin aus und die Beschwerde sei "namens und im Auftrag der Beschwerdeführerin" eingelegt. Damit sei eindeutig die Kindesmutter als Beschwerdeführerin bezeichnet. Zwar könne die erforderliche Klarheit über die Person des Rechtsmittelführers nicht nur durch dessen ausdrückliche Bezeichnung erzielt, sondern auch im Wege der Auslegung der Beschwerdeschrift und der sonst vorhandenen Unterlagen gewonnen werden. Dabei komme es jedoch darauf an, dass die Person des Rechtsmittelführers bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist für das Rechtsmittelgericht und den Gegner in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise erkennbar werde. Gemessen hieran bestünden keine Zweifel, dass hier nur die Kindesmutter Beschwerdeführerin sei. Auch wenn die von einem gesetzlichen Vertreter, der selbst nicht beschwerdebefugt sei, eingelegte Beschwerde als Rechtsmittel des Vertretenen angesehen werden könne, führe dies vorliegend nicht dazu, dass die Antragsgegner als Beschwerdeführer anzusehen seien. Denn die Offenlegung einer Vertretung der Antragsgegner sei erstmals nach Ablauf der Frist zur Beschwerdeeinlegung erfolgt.
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2. Dies hält sich im Rahmen der höchstrichterlichen Rechtsprechung.
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a) Nach § 64 Abs. 2 Satz 3 FamFG muss die Beschwerdeschrift die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Diesem Erfordernis ist nur dann genügt, wenn bei der Einlegung des Rechtsmittels aus der Rechtsmittelschrift selbst oder in Verbindung mit sonstigen Unterlagen oder Umständen der Rechtsmittelführer erkennbar ist oder doch jedenfalls bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist erkennbar wird. Die Einhaltung dieser an den Inhalt der Beschwerdeschrift zu stellenden Anforderung dient - sowohl für das Beschwerdegericht als auch im Interesse der Beteiligten - dem geregelten Ablauf des Verfahrens und der Rechtssicherheit (vgl. Senatsbeschluss vom 12. Februar 2020 - XII ZB 475/19 -FamRZ 2020, 778Rn. 11 mwN). Denn bei der Beschwerde, die einen neuen Verfahrensabschnitt vor einem anderen als dem bis dahin mit der Sache befassten Gericht eröffnet, müssen aus Gründen der Rechtssicherheit zur Erzielung eines geordneten Verfahrensablaufs die Beteiligten des Rechtsmittelverfahrens und insbesondere die Person des Rechtsmittelführers bei verständiger Würdigung des gesamten Vorgangs der Rechtsmitteleinlegung in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise erkennbar sein (vgl. BGH Beschluss vom 18. April 2000 - VI ZB 1/00 - NJW-RR 2000, 1371, 1372 mwN zu § 518 Abs. 2 ZPO aF).
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Das bedeutet indes nicht, dass die Person des Rechtsmittelführers wirksam nur ausdrücklich und nur in der Beschwerdeschrift selbst angegeben werden kann. Vielmehr ist die Rechtsmitteleinlegung einer Auslegung zugänglich. Den Belangen der Rechtssicherheit ist deshalb auch dann genügt, wenn eine verständige Würdigung des gesamten Vorgangs der Beschwerdeeinlegung jeden Zweifel an der Person des Rechtsmittelführers ausschließt. Daher ist es ausreichend, wenn jedenfalls mit Hilfe weiterer Unterlagen bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist eindeutig zu erkennen ist, wer Beschwerdeführer sein soll (vgl. Senatsbeschluss vom 12. Februar 2020 - XII ZB 475/19 -FamRZ 2020, 778Rn. 11 mwN).
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b) Gemessen hieran bestehen bei verständiger Würdigung keine Zweifel, dass mit der Beschwerdeschrift allein die Kindesmutter Beschwerde gegen den amtsgerichtlichen Zwischenbeschluss eingelegt hat.
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Die von der anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten verfasste Beschwerdeschrift enthält nach ihrem Wortlaut keinen Hinweis darauf, dass die Beschwerde für die Antragsgegner eingelegt werden sollte. In ihr wird ausdrücklich die Kindesmutter als Beschwerdeführerin bezeichnet. Zudem wird dort ausgeführt, dass "namens und im Auftrag der Beschwerdeführerin" die Beschwerde eingelegt werde. Weitere Umstände, die zu einer Auslegung der Beschwerdeschrift führen können, dass das Rechtsmittel durch die Antragsgegner eingelegt werden sollte, ergaben sich für das Beschwerdegericht bis zum Ablauf der Beschwerdefrist nicht. Entgegen der Annahme der Rechtsbeschwerde war der Beschwerdeschrift keine Abschrift des angegriffenen Zwischenbeschlusses beigefügt. Die Verfahrensakte wurde dem Beschwerdegericht erst nach Ablauf der Beschwerdefrist übersandt. Daher konnten bei verständiger Würdigung des gesamten Vorgangs der Beschwerdeeinlegung keine Zweifel daran bestehen, dass die Beschwerde allein von der Kindesmutter eingelegt wurde.
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Soweit die Rechtsbeschwerde unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Kammergerichts (NJW-RR 2004, 331 [KG Berlin 18.11.2003 - 1 W 444/02] ) die Auffassung vertritt, es greife im Streitfall die Zweifelsregelung, wonach die von einem gesetzlichen Vertreter eingelegte Beschwerde, wenn er selbst nicht beschwerdebefugt sei, im Zweifel als Rechtsmittel des Vertretenen anzusehen sei, kann dem nicht gefolgt werden. Wie das Beschwerdegericht zutreffend ausführt, war in dem vom Kammergericht entschiedenen Fall die Person des Rechtsmittelführers in der Rechtsmittelschrift nicht bezeichnet und musste daher durch Auslegung ermittelt werden. Im vorliegenden Fall ist die Kindesmutter in der Beschwerdeschrift ausdrücklich als Beschwerdeführerin genannt, so dass gerade kein Zweifelsfall und daher auch kein Anlass zur Anwendung dieser Zweifelsregelung besteht.
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c) Soweit sich die Antragsgegner erstmals in der Beschwerdebegründung selbst gegen den Zwischenbeschluss wenden, erfolgte dies weder fristgerecht noch gegenüber dem zutreffenden Adressaten iSd § 64 Abs. 1 Satz 1 FamFG . Zu diesem Zeitpunkt war die Beschwerdefrist auch für die Antragsgegner bereits abgelaufen, zudem war der Schriftsatz nicht an das Amtsgericht, dessen Zwischenbeschluss angefochten werden soll, sondern an das Beschwerdegericht gerichtet und auch nur dort eingegangen.
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d) Nach alldem ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht die Beschwerde der Kindesmutter wegen fehlender Beschwerdebefugnis und die Beschwerden der Antragsgegner wegen Nichteinhaltung der Beschwerdefrist verworfen hat.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 243 Satz 1 FamFG .
Guhling Günter Nedden-BoegerPernice Recknagel