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  • 05.08.2008 · IWW-Abrufnummer 082515

    Bundesgerichtshof: Beschluss vom 11.06.2008 – XII ZB 184/05

    Einer Prozesspartei, die vor Ablauf einer Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsfrist lediglich Prozesskostenhilfe beantragt hatte, ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen schuldloser Fristversäumung nur dann zu bewilligen, wenn sie vernünftigerweise nicht mit einer Verweigerung der Prozesskostenhilfe mangels Bedürftigkeit rechnen musste (im Anschluss an die Senatsbeschlüsse vom 31. August 2005 XII ZB 116/05 FamRZ 2005, 1901 und vom 19. Mai 2004 XII ZA 11/03 FamRZ 2004, 1548).


    BUNDESGERICHTSHOF
    BESCHLUSS

    XII ZB 184/05

    vom
    11. Juni 2008

    in der Familiensache

    Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Juni 2008 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richterin Weber-Monecke, den Richter Fuchs, die Richterin Dr. Vézina und den Richter Dose

    beschlossen:

    Tenor:

    Die Rechtsbeschwerde gegen die Verwerfung der Berufung des Beklagten durch den Beschluss des 5. Zivilsenats - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Karlsruhe - Zivilsenate in Freiburg - vom 1. September 2005 wird auf Kosten des Beklagten verworfen.

    Beschwerdewert: 47.801 ¤.

    Gründe:

    I.

    Das Amtsgericht - Familiengericht - hat den Beklagten verurteilt, an die Klägerin rückständigen sowie laufenden Trennungs- und Kindesunterhalt zu zahlen. Das Urteil wurde dem Beklagten am 11. Mai 2005 zugestellt.

    Mit Schriftsatz vom 20. Mai 2005, beim Oberlandesgericht eingegangen am 23. Mai 2005, beantragte der Beklagte Prozesskostenhilfe für die Durchführung eines Berufungsverfahrens. Das Oberlandesgericht wies den Prozesskostenhilfeantrag mit Beschluss vom 26. Juli 2005 mangels hinreichender Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung zurück. Der Beschluss wurde dem Beklagten am 8. August 2005 zugestellt.

    Mit einem am 19. August 2005 bei dem Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten legte der Beklagte Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil ein, beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist und suchte um Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 5. Oktober 2005 nach. Mit Verfügung vom 24. August 2005 wies der Senatsvorsitzende des Oberlandesgerichts den Beklagten darauf hin, dass die Berufung als unzulässig verworfen werden müsse, weil die Berufungsbegründungsfrist nach Zustellung des Urteils am 11. Mai 2005 bereits am 11. Juli 2005 abgelaufen sei. Er gab dem Beklagten Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 29. August 2005.

    Mit dem angefochtenen Beschluss vom 1. September 2005 hat das Oberlandesgericht dem Beklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gewährt, die Berufung aber zugleich wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist als unzulässig verworfen. Der Beschluss wurde dem Beklagten am 10. September 2005 zugestellt. Mit einem beim Oberlandesgericht am 6. Oktober 2005 eingegangenen Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten hat der Beklagte die Berufung begründet und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Über diesen Antrag hat das Oberlandesgericht noch nicht entschieden. Mit seiner Rechtsbeschwerde wendet sich der Beklagte gegen die Verwerfung der Berufung.

    II.

    Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist jedoch nicht zulässig, da es an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt. Denn eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache oder zur Fortbildung des Rechts erforderlich.

    Zwar dient das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach gefestigter Rechtsprechung in besonderer Weise dazu, den Rechtsschutz und das rechtliche Gehör zu garantieren. Daher gebieten es die Verfahrensgrundrechte auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), den Zugang zu den Gerichten und den in den Verfahrensordnungen vorgesehenen Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (BGHZ 151, 221, 227 m.w.N.; Senatsbeschlüsse vom 2. April 2008 - XII ZB 131/06 - zur Veröffentlichung bestimmt und vom 9. Februar 2005 - XII ZB 225/04 - FamRZ 2005, 791, 792). Gegen diese Grundsätze verstößt die angefochtene Entscheidung im Ergebnis aber nicht.

    1. Soweit der Beklagte mit der am 19. August 2005 eingegangenen Berufungsschrift die am 11. Juni 2005 abgelaufene Berufungsfrist versäumt hatte, hat das Oberlandesgericht ihm die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt. An diese Entscheidung ist der Senat gebunden (vgl. BGHZ 130, 97, 98 ff. = FamRZ 1995, 1137).

    2. Gleichwohl hat das Berufungsgericht die Berufung des Beklagten im Ergebnis zu Recht als unzulässig verworfen, weil auch die Berufungsbegründung verspätet eingegangen ist und insoweit eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht kommt.

    a) Weil dem Beklagten das erstinstanzliche Urteil am 11. Mai 2005 zugestellt worden war, lief die zweimonatige Begründungsfrist des § 520 Abs. 2 ZPO am 11. Juli 2005 ab. Durch die am 6. Oktober 2005 eingegangene Berufungsbegründung konnte die Frist nicht mehr gewahrt werden. Zwar hatte der Prozessbevollmächtigte des Beklagten in seinem Berufungsschriftsatz vom 19. August 2005 eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 5. Oktober 2005 beantragt. Auch dieser Schriftsatz ist allerdings erst nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist eingegangen.

    b) Auch eine Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist kommt hier nicht in Betracht. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Beklagte mit seiner Berufungsbegründung und dem Wiedereinsetzungsantrag vom 6. Oktober 2005 schon die Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO versäumt hat.

    aa) Für die Zeit bis zum Inkrafttreten des 1. Justizmodernisierungsgesetzes am 1. September 2004 sah § 234 Abs. 1 ZPO noch eine einheitliche Wiedereinsetzungsfrist von zwei Wochen vor, in denen nach § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO die versäumte Prozesshandlung nachzuholen ist. Diese Regelung galt ursprünglich fort, obwohl die Rechtsmittelbegründungsfristen durch das zum 1. Januar 2002 in Kraft getretene Zivilprozessreformgesetz erstmals unabhängig vom Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels ausgestaltet worden sind. Diese Änderung des Rechtsmittelrechts hatte fortan regelmäßig zur Folge, dass eine arme Partei im Zeitpunkt der Entscheidung über ihr Prozesskostenhilfegesuch nicht nur die Frist für die Einlegung des Rechtsmittels, sondern auch die Frist für dessen Begründung versäumt hatte. Auf diesen Umstand waren die unverändert gebliebenen Vorschriften über das Wiedereinsetzungsverfahren nicht zugeschnitten, da eine arme Partei, über deren Prozesskostenhilfegesuch erst nach Ablauf der Berufungs- und der Berufungsbegründungsfrist entschieden worden ist, das Rechtsmittel innerhalb von zwei Wochen nicht nur einlegen, sondern auch begründen musste (§ 234 Abs. 1 ZPO a.F.). Diese mit der Änderung durch das Zivilprozessreformgesetz einhergehende Verkürzung der Begründungsfrist im Wiedereinsetzungsverfahren auf zwei Wochen war vom Gesetzgeber offensichtlich nicht beabsichtigt, wie sich auch aus der späteren Korrektur durch das 1. Justizmodernisierungsgesetz ergibt.

    bb) Um eine verfassungsrechtlich bedenkliche Benachteiligung einer armen Partei auszuschließen, wurde seinerzeit eine verfassungskonforme Korrektur für erforderlich gehalten, die auf zwei verschiedenen Wegen angestrebt wurde. Zum einen wurde - in Anlehnung an die Rechtsprechung anderer oberster Gerichtshöfe des Bundes zu den dortigen Verfahrensordnungen - in Betracht gezogen, dem im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren erfolgreichen Rechtsmittelführer nach der Zustellung des Beschlusses über die Wiedereinsetzung in die Frist zur Begründung seines Rechtsmittels jedenfalls die Frist zu belassen, um welche die im Gesetz vorgesehene Begründungsfrist die Einlegungsfrist überschreitet (vgl. hierzu BSG SozR 1500 § 67 SGG Nr. 13 und SozR 1500 § 164 SGG Nr. 9; BVerwGE 36, 340, 345 ff.; BAGE 43, 297, 298 f.). Zum anderen wurde erwogen, mit der Zustellung der Prozesskostenhilfeentscheidung die volle Rechtsmittelbegründungsfrist in Lauf zu setzen (Senatsbeschluss vom 9. Juli 2003 - XII ZB 147/02 - FamRZ 2003, 1462, 1464; ähnlich BVerwG NVwZ 2002, 992, 993 und BFHE 201, 425, 428 ff.). Abschließend hatte sich die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu der bis zum 31. August 2004 geltenden Fassung des § 234 Abs. 1 ZPO allerdings auf keinen dieser beiden in Erwägung gezogenen Lösungswege festgelegt, weil es in den zur Entscheidung anstehenden Fällen nicht entscheidend darauf ankam.

    cc) In der Neufassung des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO durch das 1. Justizmodernisierungsgesetz zum 1. September 2004 hat der Gesetzgeber keinen dieser Lösungswege unmittelbar übernommen. Für den Fall, dass eine Partei gehindert ist, die Frist zur Begründung eines Rechtsmittels einzuhalten, ist die Wiedereinsetzungsfrist lediglich auf einen Monat verlängert worden. Soweit die Begründung des Gesetzentwurfs darauf verweist, mit der Gesetzesänderung die oben dargestellte Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte umgesetzt zu haben (BT-Drucks. 15/1508 S. 17 f.), trifft dies nur in eingeschränktem Umfang zu.

    Denn die Begründung des Gesetzentwurfs, wonach sichergestellt werden soll, dass "einem Rechtsmittelführer, dem Prozesskostenhilfe nach Ablauf der Rechtsmittelbegründungsfrist gewährt worden ist, einen Monat Zeit für die Rechtsmittelbegründung verbleibt" (BT-Drucks. 15/1508 S. 17), könnte dafür sprechen, dass die Monatsfrist für die Nachholung einer schuldhaft versäumten Rechtsmittelbegründung im Falle einer Mittellosigkeit bereits mit Zustellung des über den Prozesskostenhilfeantrag befindenden Beschlusses in Lauf gesetzt wird. Für diese Auslegung könnte auch der Wortlaut des § 234 Abs. 1 und 2 ZPO sprechen. Die Wiedereinsetzungsfrist, innerhalb der nach § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO die Begründung einer Berufung, einer Revision, einer Nichtzulassungsbeschwerde, einer Rechtsbeschwerde oder einer Beschwerde nach den §§ 621 e, 629 a Abs. 2 ZPO nachzuholen ist, beträgt danach einen Monat (§ 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Diese Frist beginnt nach § 234 Abs. 2 ZPO "mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist". In Fällen der Prozessarmut liegt das Hindernis für den rechtzeitigen Eingang eines Rechtsmittels oder einer Rechtsmittelbegründung in dem Umstand, keine Prozesskosten zahlen zu können. Dieses Hindernis ist aber mit der Bewilligung der begehrten Prozesskostenhilfe behoben.

    Dass der Gesetzgeber durch die Neufassung des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO die auch in der Rechtsprechung des Senats geforderte Angleichung der Rechtsstellung bemittelter und unbemittelter Personen bezweckt und nach seiner Auffassung auch erreicht hat, könnte ebenfalls gegen eine vom Gesetzeswortlaut abweichende Auslegung des § 234 Abs. 1 und 2 ZPO im Sinne der früher entwickelten Lösungswege sprechen (BGH Beschluss vom 29. Juni 2006 - III ZA 7/06 - FamRZ 2006, 1271, 1272; vgl. auch Thomas/Putzo/Hüßtege ZPO 28. Aufl. § 236 Rdn. 8; Zöller/Greger ZPO 26. Aufl. § 234 Rdn. 7 a; Born NJW 2004, 2042, 2044; Grandel FF 2005, 21, 22; Bischoff FamRB 2005, 47, 48). Der Senat hält deswegen für die Zeit ab dem Inkrafttreten des 1. Justizmodernisierungsgesetzes an seiner zuvor genannten Rechtsprechung nicht mehr fest.

    dd) Demgegenüber wird allerdings vertreten, auch die gesetzliche Neuregelung in § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO habe keine ausreichende Gleichstellung unbemittelter Personen erreicht. Die Vorschrift müsse deswegen aus verfassungsrechtlichen Gründen erweiternd ausgelegt werden. Weil nach der Neuregelung für einen Wiedereinsetzungsantrag in die versäumte Begründungsfrist nunmehr in Kenntnis der früheren Rechtsprechung ausdrücklich eine Monatsfrist gelte, könne diese erst mit Zustellung der Wiedereinsetzung in eine ebenfalls versäumte Rechtsmittelfrist zu laufen beginnen (BGHZ 173, 14 = FamRZ 2007, 1640, 1641 f.; vgl. auch Thomas/Putzo/Hüßtege aaO § 234 Rdn. 3 b; Fölsch MDR 2004, 1029, 1032; Löhnig FamRZ 2005, 578, 579; zur Versäumung der Frist im Rahmen einer Rechtsbeschwerde vgl. aber BGH Beschluss vom 29. Mai 2008 - IX ZB 197/07 - zur Veröffentlichung bestimmt). Dagegen könnte allerdings folgendes sprechen:

    (1) Durch die Neuregelung des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO könnte schon eine verfassungsrechtlich bedenkliche Schlechterstellung unbemittelter Personen entfallen sein. Denn die einmonatige Wiedereinsetzungsfrist der §§ 234 Abs. 1 Satz 2, 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO kann nicht isoliert mit der zweimonatigen Begründungsfrist des § 520 Abs. 2 ZPO verglichen werden. Ein solcher Vergleich ließe die besondere Prozesssituation im Wiedereinsetzungsverfahren unberücksichtigt. Während die zweimonatige Berufungsbegründungsfrist des § 520 Abs. 2 ZPO unmittelbar mit Zustellung der anzufechtenden Entscheidung beginnt, gehen dem Lauf der einmonatigen Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO die Zustellung der Entscheidung sowie das gesamte Prozesskostenhilfeverfahren bis zur Entscheidung über den Antrag voraus. Über den zeitlichen Ablauf hinaus wird im Verfahren der Prozesskostenhilfe nach § 114 ZPO auch die hinreichende Erfolgsaussicht des beabsichtigten Rechtsmittels geprüft. Eine unbemittelte Partei, über deren Antrag auf Prozesskostenhilfe für die Durchführung eines Rechtsmittels bereits entschieden wurde, befindet sich deswegen nicht in der gleichen Situation, wie eine bemittelte Partei am Tag der Zustellung des Urteils.

    (2) Ein späterer Beginn der Monatsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO könnte aber auch aus anderen Gründen bedenklich sein:

    Das zum 1. Januar 2002 in Kraft getretene Zivilprozessreformgesetz hat die frühere Abhängigkeit der Berufungsbegründungsfrist vom Eingang der Berufung beseitigen wollen. Deswegen beträgt die Berufungsbegründungsfrist nach § 520 Abs. 2 ZPO seitdem zwei Monate ab Zustellung des anzufechtenden Urteils. Auf den Zeitpunkt des Eingangs der Berufung kommt es insoweit nicht mehr an. Würde die einmonatige Wiedereinsetzungsfrist in die Rechtsmittelbegründung nach § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO erst mit der Entscheidung über die Wiedereinsetzung in die versäumte Rechtsmittelfrist nach § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO beginnen, wäre entgegen dieser gesetzlichen Intention eine erneute Abhängigkeit der Begründungsfrist von der Rechtsmittelfrist geschaffen.

    Ein späterer Beginn der Wiedereinsetzungsfrist in die versäumte Rechtsmittelbegründungsfrist, z.B. erst mit Zustellung der bewilligten Wiedereinsetzung in die ebenfalls versäumte Rechtsmittelfrist, würde sogar zu einer erheblichen Besserstellung der armen Partei führen. Denn die arme Partei kann sich spätestens mit der Entscheidung des Rechtsmittelgerichts über ihren Prozesskostenhilfeantrag anwaltlich vertreten lassen. Wenn die Rechtsmittelbegründungsfrist gleichwohl nicht bereits in diesem Zeitpunkt, sondern erst mit der Zustellung des Beschlusses in die versäumte Rechtsmittelfrist beginnen würde, erhielte die unbemittelte Partei regelmäßig eine Rechtsmittelbegründungsfrist, die deutlich über die zweimonatige Frist des § 520 Abs. 2 ZPO hinausgeht. Denn die Wiedereinsetzung in eine ebenfalls versäumte Rechtsmittelfrist kann binnen 14 Tagen ab Zustellung des Prozesskostenhilfebeschlusses beantragt werden, sodann ist die Gegenseite zu diesem Antrag zu hören und die Entscheidung des Gerichts sowie die Zustellung dieses Beschlusses abzuwarten.

    Hatte ein Rechtsmittelführer sein Rechtsmittel bereits rechtzeitig eingelegt und Prozesskostenhilfe lediglich für die Durchführung des Rechtsmittels beantragt, müsste - nach bewilligter Prozesskostenhilfe - die Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO, in der nach § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO die Rechtsmittelbegründung nachzuholen ist, ohnehin mit der Zustellung des über den Prozesskostenhilfeantrag befindenden Beschlusses beginnen (vgl. BGH Beschluss vom 29. Juni 2006 - III ZA 7/06 - FamRZ 2006, 1271). Denn einer Wiedereinsetzung in ein versäumtes Rechtsmittel bedarf es in solchen Fällen nicht. Für die Rechtsmittelbegründungsfrist unterscheidet sich dieser Fall allerdings nicht von dem Fall einer Bewilligung der Prozesskostenhilfe ohne zuvor eingelegtes Rechtsmittel.

    Schließlich spricht auch der Grundsatz der Rechtsmittelklarheit dagegen, den Beginn der Wiedereinsetzungsfrist in eine versäumte Rechtsmittelfrist einerseits oder in eine versäumte Begründungsfrist andererseits trotz der identischen gesetzlichen Grundlage in § 234 Abs. 2 ZPO unterschiedlich zu regeln. Für die Wiedereinsetzungsfrist wegen schuldlos versäumter Rechtsmittelbegründung macht es insbesondere keinen Unterschied, ob die Rechtsmittelfrist ebenfalls versäumt wurde oder ob das Rechtsmittel schon eingelegt war und deswegen insoweit ohnehin keine Wiedereinsetzung mehr in Betracht kommt.

    c) Auf die Frage, ob das Wiedereinsetzungsgesuch des Beklagten rechtzeitig eingegangen ist, kommt es hier allerdings schon deswegen nicht an, weil der Beklagte die Berufungsbegründungsfrist nicht schuldlos versäumt hat.

    aa) Eine arme Partei, die ein Rechtsmittel einlegen will, hat grundsätzlich Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wenn sie ihr Prozesskostenhilfegesuch bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist eingereicht hatte (st.Rspr. seit BGHZ 16, 1, 3; vgl. auch Senatsbeschluss vom 22. Juni 2005 - XII ZB 34/04 - NJW-RR 2005, 1586, 1587). Das setzt allerdings voraus, dass dem Antrag auf Prozesskostenhilfe zur Durchführung des Rechtsmittelverfahrens innerhalb der Rechtsmittelfrist neben der ausgefüllten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auch die insoweit notwendigen Belege beigefügt waren (Senatsbeschluss vom 31. August 2005 - XII ZB 116/05 - FamRZ 2005, 1901, 1902). Denn für den Regelfall schreibt § 117 Abs. 2 ZPO zwingend vor, dass sich der Antragsteller zur Darlegung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des durch die Verordnung vom 17. Oktober 1994 (BGBl. I 3001, abgedruckt bei Zöller/Philippi ZPO 26. Aufl. § 170 Rdn. 15) eingeführten Vordrucks bedienen muss. Der Antragsteller kann deswegen grundsätzlich nur dann davon ausgehen, die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe dargetan zu haben, wenn er rechtzeitig vor Ablauf der Rechtsmittelfrist einen ordnungsgemäß ausgefüllten Vordruck nebst den erforderlichen Anlagen zu den Akten reicht (Senatsbeschlüsse vom 31. August 2005 - XII ZB 116/05 - FamRZ 2005, 1901, 1902 und vom 19. Mai 2004 - XII ZA 11/03 - FamRZ 2004, 1548).

    Enthalten die Angaben im Vordruck über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse einzelne Lücken, kann die Partei unter Umständen gleichwohl darauf vertrauen, die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe genügend dargetan zu haben. Solches kommt in Betracht, wenn diese Lücken oder Zweifel auf andere Weise ohne weiteres, etwa anhand der beigefügten Unterlagen, geschlossen bzw. ausgeräumt werden können (Senatsbeschluss vom 3. Mai 2000 - XII ZB 21/00 - NJW-RR 2000, 1520). Gleiches gilt, wenn zwar einzelne Fragen zu den Einnahmen nicht beantwortet sind, sich aber aufgrund der sonstigen Angaben und Belege aufdrängt, dass solche Einnahmen nicht vorhanden sind (BGH Beschluss vom 21. September 2005 - IV ZB 21/05 - FamRZ 2005, 2062 und Senatsbeschluss vom 3. Mai 2000 - XII ZB 21/00 - NJW-RR 2000, 1520). Auch wenn der Antragsteller seinen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nebst ausgefüllter Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und Anlagen innerhalb der Rechtsmittelfrist eingereicht hatte und das Gericht ihm zur Vervollständigung der Angaben eine Frist gesetzt hatte, darf er weiterhin auf Bewilligung der beantragten Prozesskostenhilfe vertrauen (Senatsbeschluss vom 13. Februar 2008 - XII ZB 151/07 - FamRZ 2008, 871).

    bb) Grundsätzlich ist einer Prozesspartei, die vor Ablauf der Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsfrist lediglich Prozesskostenhilfe beantragt hatte, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen schuldloser Fristversäumung aber nur dann zu gewähren, wenn sie vernünftigerweise nicht mit einer Verweigerung der Prozesskostenhilfe mangels Bedürftigkeit rechnen musste (Senatsbeschlüsse vom 31. August 2005 - XII ZB 116/05 - FamRZ 2005, 1901 und vom 19. Mai 2004 - XII ZA 11/03 - FamRZ 2004, 1548). Diese Voraussetzungen liegen nach dem Inhalt des Senatsbeschlusses vom 2. April 2008 hier nicht vor.

    Denn der Vortrag des Beklagten zum Verlust des Vermögens aus seiner Abfindung und dem Rückkaufswert seiner Lebensversicherung ist nach Auffassung des Senats so wenig plausibel, dass auch der Beklagte selbst nicht damit rechnen konnte, aufgrund dieses Vortrags Prozesskostenhilfe bewilligt zu bekommen. Insoweit verweist der Senat auf den Inhalt des Beschlusses vom 2. April 2008 (- XII ZB 184/05 - zur Veröffentlichung bestimmt), mit dem die begehrte Prozesskostenhilfe für das Verfahren der Rechtsbeschwerde versagt wurde. Danach ist der Beklagte entweder entgegen dem Inhalt seiner Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht prozesskostenarm oder er hat diese Prozesskostenarmut durch Ausgaben herbeigeführt, die einem Anspruch auf staatliche Prozesskostenfinanzierung entgegenstehen. Beides schließt eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe aus, was auch der Beklagte erkennen konnte. Weil er deswegen schon aus diesen Gründen im Berufungsverfahren nicht auf Bewilligung der begehrten Prozesskostenhilfe vertrauen durfte, hat er die Berufungsbegründungsfrist nicht schuldlos i.S. des § 233 ZPO versäumt.

    RechtsgebietZPOVorschriftenZPO § 234 Abs. 1, ZPO § 234 Abs. 2, ZPO § 236 Abs. 2 Satz 2