Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 21.03.2013 · IWW-Abrufnummer 132003

    Finanzgericht Berlin-Brandenburg: Urteil vom 17.01.2013 – 7 K 7141/09

    1. Wer gemäß § 55 BRAO als Abwickler der Kanzlei eines ehemaligen Rechtsanwalts bestellt ist, ist Vermögensverwalter gemäß § 34 Abs. 3 AO bezogen auf das Kanzleivermögen und hat die steuerlichen Pflichten des ehemaligen Rechtsanwalts gemäß § 34 Abs. 1 AO bezogen auf das verwaltete Vermögen (die abzuwickelnde Kanzlei) und auf die Zeit der Bestellung als Kanzleiabwickler zu erfüllen. Der Abwickler muss daher bei bestehender Umsatzsteuerpflicht der abzuwickelnden Kanzlei Umsatzsteuer-Voranmeldungen und ggf. Umsatzsteuerjahreserklärungen nur für die Voranmeldungszeiträume abgeben, in denen er zum Abwickler bestellt ist; eine von ihm ggf. abzugebende Jahresumsatzsteuererklärung muss nur die Umsätze aus dem Zeitraum erfassen, in dem er in diesem Jahr zum Abwickler bestellt war.
    2. Die Adressierung des Umsatzsteuerbescheides „Rechtsanwalt … als Abwickler i.S. § 55 Bundesrechtsanwaltsordnung der Kanzlei des ehemaligen Rechtsanwalts …” lässt erkennen, dass der Abwickler wie ein Gesamtrechtsnachfolger hinsichtlich des vom ihm verwalteten Vermögens und nicht wie ein Vertreter zu behandeln ist, und ist daher nicht zu beanstanden.


    IM NAMEN DES VOLKES
    URTEIL
    In dem Rechtsstreit
    hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg – 7. Senat – ohne mündliche Verhandlung am 17. Januar 2013 durch den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht … die Richterin am Finanzgericht … und den Richter am Finanzgericht … sowie die ehrenamtlichen Richter … und …
    für Recht erkannt:
    Abweichend von dem Umsatzsteuerbescheid vom 27.03.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 04.06.2009 wird die Umsatzsteuer 2008 in Höhe von … EUR festgesetzt.
    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
    Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
    Die Revision wird zugelassen.
    Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
    Tatbestand:
    Die Beteiligten streiten um die Berechtigung des Beklagten, den Umsatzsteuerbescheid 2008 betreffend den ehemaligen Rechtsanwalt A. an den Kläger als Abwickler der Rechtsanwaltskanzlei bekanntzugeben und ihn zur Umsatzsteuer heranzuziehen.
    Der Kläger wurde von der Rechtsanwaltskammer L. mit Bestellungsurkunde vom …10.2008 mit Wirkung ab diesem Tage bis zum …03.2009 gemäß § 55 Bundesrechtsanwaltsordnung – BRAO – als Abwickler der Rechtsanwaltskanzlei A. bestellt. Herr A. hatte seine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zurückgegeben. Damit bestand für die Abwicklung seiner Kanzlei, insbesondere der laufenden Mandate, das Bedürfnis, einen Abwickler zu bestellen. Die Bestellung als Abwickler wurde auf Antrag des Klägers mit Schreiben vom …03.2009 bis zum …07.2009 verlängert und endete mit Ablauf dieses Tages.
    Der Beklagte setzte mit einem im Adressfeld an den Kläger gerichteten Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für das dritte Kalendervierteljahr 2008 vom 17.11.2008 eine Umsatzsteuer-Vorauszahlung in Höhe von … EUR zuzüglich eines Verspätungszuschlages in Höhe von … EUR „für Herrn A.” unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 Abgabenordnung – AO – fest.
    Daraufhin legte der Kläger mit bei dem Beklagten am 27.11.2008 eingegangenen Schreiben Einspruch gegen den Vorauszahlungsbescheid ein. Zur Begründung berief er sich darauf, dass er als Abwickler der Kanzlei nicht für Umsatzsteuer-Voranmeldungen zuständig sei, deren Voranmeldungs-Zeiträume vor seiner Bestellung als Abwickler liegen würden. Er habe in der Funktion als Abwickler lediglich die für den Abwicklungszeitraum anfallenden Umsatzsteuer-Voranmeldungen zu leisten. Da er erst seit dem 06.10.2008 als Abwickler bestellt sei, sei dies auch erst die Umsatzsteuer-Voranmeldung für das vierte Kalendervierteljahr 2008. Für das dritte Kalendervierteljahr sei Herr A. weiter verantwortlich, der auch zu Handlungen in der Lage sei. Er, der Kläger, sei zudem an der Einreichung der Umsatzsteuer-Voranmeldung für das dritte Kalendervierteljahr 2008 schon deshalb gehindert, weil ihm die Buchhaltungsunterlagen für diesen Zeitraum nicht vorliegen würden. Er gehe nicht von einer wirksamen Zustellung des an ihn gerichteten Bescheides aus. Er werde auch keine Umsatzsteuer-Jahreserklärung für 2008 einreichen.
    Die Umsatzsteuer-Voranmeldung für das vierte Kalendervierteljahr 2008 reichte der Kläger beim Beklagten ein und zahlte auch die sich ergebende Umsatzsteuerzahllast in Höhe von … EUR.
    Am 27.03.2009 erließ der Beklagte einen Umsatzsteuer-Jahresbescheid 2008, mit dem er die Umsatzsteuer 2008 in Höhe von … EUR unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 AO festsetzte. Dabei schätzte der Beklagte die Besteuerungsgrundlagen, weil ihm keine Umsatzsteuer-Jahreserklärung 2008 vorlag. Auch diesen Bescheid richtete der Beklagte im Adressfeld an den Kläger und erwähnte, dass die Festsetzung „für Herrn A.” erfolge. Der Bescheid wurde zum Gegenstand des laufenden Einspruchsverfahrens. Zudem legte der Kläger auch gegen diesen Bescheid Einspruch ein, den der Beklagte mit seiner Einspruchsentscheidung, die dem Kläger am 01.07.2009 zugegangen ist, als unzulässig verwarf.
    Mit seiner Einspruchsentscheidung vom 03.06.2009 wies der Beklagte den am 27.11.2008 eingegangenen Einspruch als unbegründet zurück. Die Einspruchsentscheidung richtete er an „Rechtsanwalt B. als Abwickler i.S. § 55 Bundesrechtsanwaltsordnung der Kanzlei des ehemaligen Rechtsanwalts A.”. Den Vorbehalt der Nachprüfung ließ er bestehen. Die Besteuerungsgrundlagen seien zu Recht geschätzt worden. Der Kläger habe seine Pflicht zur Einreichung der Umsatzsteuer-Voranmeldung für das dritte Kalendervierteljahr 2008 und zur Einreichung der Umsatzsteuererklärung 2008 für Herrn A. verletzt. Daher sei er, der Beklagte, zur Schätzung berechtigt. Der Kläger sei als Abwickler der Kanzlei gemäß § 55 BRAO verpflichtet, die steuerlichen Pflichten des ehemaligen Rechtsanwalts A. zu erfüllen, soweit seine Vermögensverwaltung reiche, mithin soweit die Rechtsanwaltskanzlei betroffen sei. Er sei Vermögensverwalter im Sinne des § 34 Abs. 1 AO. Für den Teil des Unternehmens des ehemaligen Rechtanwalts, der von der Kanzleiabwicklung betroffen sei, trete der Kläger als Abwickler neben den Steuerschuldner, der auch weiterhin Unternehmer bleibe. Die die Kanzlei betreffenden Umsatzsteuerbescheide seien an den Abwickler zu richten. Die Verpflichtung, die steuerlichen Pflichten zu erfüllen, betreffe auch zurückliegende Zeiträume. Damit sei der Kläger sowohl für die Einreichung der Umsatzsteuer-Voranmeldung für das dritte Kalendervierteljahr 2008 als auch für die Einreichung der Umsatzsteuererklärung 2008 zuständig, soweit Umsätze aus der Kanzlei zu erklären gewesen seien.
    Daraus folge auch, dass die hier streitigen Bescheide dem Kläger als Bekanntgabeadressat bekannt zu geben gewesen seien, da die Bekanntgaben in die Zeit der Bestellung des Klägers als Abwickler gefallen seien. Die Bescheide seien wirksam geworden. Als Inhaltsadressat sei – wie dies geschehen müsse – der Steuerschuldner mit Herrn A. jeweils angegeben gewesen.
    Am 25.06.2009 hat der Kläger Klage erhoben. Er hält zur Begründung an seiner im Einspruchsverfahren geäußerten Rechtsansicht fest, dass ein Abwickler gemäß § 55 BRAO kein Vermögensverwalter im Sinne des § 34 AO sei. Ein Abwickler sei nur für die Steuererklärungen zur Abgabe verpflichtet, die im Zeitraum seiner Bestellung abzugeben seien. Er sei nur verpflichtet, die während der Zeit als Abwickler angefallenen Umsätze zu erklären, nicht aber Umsätze, die vor der Bestellung als Abwickler angefallen seien. Er habe sich allein um die Abwicklung bestehender Mandate zu kümmern. Auch sei es nicht möglich, Umsätze einzusehen und zu erklären, die in Zeiten vor der Bestellung als Abwickler angefallen seien, da kein Zugriff auf Unterlagen bestehe.
    Der Kläger hat zunächst beantragt,
    den Bescheid über Umsatzsteuer-Vorauszahlung für das dritte Kalendervierteljahr 2008 vom 17.11.2008 in Gestalt des Bescheides über Umsatzsteuer 2008 vom 27.03.2009 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 04.06.2009 aufzuheben.
    Er hat mit Schreiben vom 05.08.2009 nach Ende der Bestellung als Abwickler den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt und beantragt,
    die Kosten dem Beklagten aufzuerlegen.
    Der Beklagte beantragt,
    die Klage abzuweisen.
    Er ist der Erledigungserklärung des Klägers entgegen getreten. Die Hauptsache habe sich nicht erledigt, weil die an den Kläger bekanntgegebenen Bescheide weiterhin wirksam seien, auch wenn die Bestellung des Klägers zum Abwickler geendet habe.
    Daraufhin hat der Kläger seine Hauptsacheerledigungserklärung widerrufen und hat erklärt, dass er seinen zunächst gestellten Antrag auf Aufhebung des streitigen Umsatzsteuerbescheides 2008 weiterhin stelle.
    Zur Begründung des Klageabweisungsantrags führt der Beklagte aus, dass er die streitigen Bescheide während der Abwicklungszeit zu Recht gegenüber dem Kläger bekannt gegeben habe. Diese seien wirksam. Zur Begründung verweise er auf die in der Einspruchsentscheidung niedergelegten Gründe und führt ergänzend aus, dass die Pflicht zur Abgabe der Umsatzsteuererklärung den Abwickler treffe, wenn die Erklärungspflicht in den Zeitraum der Bestellung als Abwickler falle. Ferner gehöre zu den Pflichten des Abwicklers auch die Pflicht zur Entgegennahme der Steuerbescheide.
    Dem Gericht hat bei der Entscheidung Band I der Umsatzsteuerakten, eine Mappe mit Unterlagen zu den Umsatzsteuer-Voranmeldungen und eine Heftung des Beklagten zum Einspruchsverfahren des Klägers zur Steuernummer … / … / … vorgelegen, unter der Herr A. beim Beklagten geführt wird.
    Entscheidungsgründe:
    Das Gericht konnte gemäß § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung – FGO – ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheiden. Beide Beteiligte haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
    Die Klage ist zulässig und im Wesentlichen begründet. Der angefochtene Umsatzsteuerbescheid 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung ist hinsichtlich einer festgesetzten Umsatzsteuer in Höhe von … EUR rechtswidrig und verletzt den Kläger insoweit in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Er ist nur in Höhe von … EUR rechtmäßig und verletzt den Kläger insoweit nicht in seinen Rechten.
    Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid trotz der Beendigung der Abwicklung beschwert, weil dieser Bescheid nach wie vor in der Welt ist und sich der Beklagte darauf beruft und daran festhält.
    Der Beklagte hat zu Recht die Umsatzsteuer 2008 mit Bescheid vom 27.03.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 03.06.2009 gegenüber dem Kläger als Abwickler der Kanzlei des ehemaligen Rechtsanwalts A. festgesetzt. Er hätte dies aber nur in Höhe von … EUR tun dürfen.
    Der Kläger war in seiner Eigenschaft als gemäß § 55 BRAO bestellter Abwickler der Kanzlei des ehemaligen Rechtsanwalts A. Vermögensverwalter gemäß § 34 Abs. 3 AO bezogen auf das Kanzleivermögen des Herrn A. Nach § 34 Abs. 3 AO handelt es sich um einen Vermögensverwalter im Sinne dieser Vorschrift, wenn einer anderen Person als dem Eigentümer die Vermögensverwaltung zusteht. Er hat dann die steuerlichen Pflichten zu erfüllen, soweit die Verwaltung reicht. Ein Abwickler ist Vermögensverwalter bezogen auf das Kanzleivermögen der abzuwickelnden Kanzlei. Denn er hat neben seiner Hauptaufgabe, die laufenden Mandate abzuwickeln, auch die Aufgabe, das in der abzuwickelnden Kanzlei gebundene Vermögen zu verwalten. Dies ergibt sich aus dem Verweis in § 55 Abs. 3 Satz 1 BRAO auf § 53 Abs. 10, dort Satz 1, BRAO. Danach ist der Abwickler berechtigt, die Kanzleiräume zu betreten und die zur Kanzlei gehörenden Gegenstände einschließlich des der anwaltlichen Verwahrung unterliegende Treugutes in Besitz zu nehmen, heraus zu verlangen und hierüber zu verfügen. Er ist ausdrücklich gemäß § 53 Abs. 10 Satz 2 BRAO nicht gegenüber dem ehemaligen Rechtsanwalt weisungsgebunden (ebenfalls von einer Vermögensverwaltung ausgehend: Kleine-Cossack, BRAO, 5. Auflage München 2008, § 55 Tz. 3, 5 und 8, in denen jeweils auf das „der Verwaltung unterliegende Vermögen” abgestellt wird; Beermann/Gosch, AO, FGO, Loseblatt Stand Januar 2007, § 34 AO Tz. 21 mit Nachweisen).
    Als Vermögensverwalter gemäß § 34 Abs. 3 AO hatte der Kläger die steuerlichen Pflichten des ehemaligen Rechtsanwalts gemäß § 34 Abs. 1 AO zu erfüllen, soweit die abzuwickelnde Kanzlei betroffen war. Da Herr A. mit seiner Kanzlei umsatzsteuerlicher Unternehmer im Sinne von § 2 Umsatzsteuergesetz – UStG – war, wäre dieser verpflichtet gewesen, Umsatzsteuer-Voranmeldungen und Umsatzsteuerjahreserklärungen abzugeben. Soweit die abzuwickelnde Kanzlei betroffen war, trafen diese Pflichten in der Abwicklungszeit den Kläger.
    Die Pflichten des Klägers zur Einreichung von Umsatzsteuer-Voranmeldungen und Umsatzsteuererklärungen sind aber auf die für die Abwicklungszeit einzureichenden Voranmeldungen und Erklärungen beschränkt. Denn als Vermögensverwalter gemäß § 34 Abs. 3 AO hatte er die steuerlichen Pflichten des ehemaligen Rechtsanwalts gemäß § 34 Abs. 1 AO nur zu erfüllen, soweit die Verwaltung reicht.
    Ein Vermögensverwalter kann verpflichtet sein, alle in der Zeit der gesetzlichen Vertretung fälligen und auch überfälligen Erklärungen einzureichen, also auch für schon Zeiträume vor der Bestellung (Bundesfinanzhof – BFH –, Urteil vom 04.02.1998 – XI R 47/97, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH – BFH/NV – 1998, 682 – ergangen zum Konkursverwalter). Dies gilt zum Beispiel für den Insolvenzverwalter, auf den gemäß § 80 Insolvenzordnung – InsO – das Recht des Schuldners übergeht, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten. Daraus ergibt sich, dass er prinzipiell auch alle steuerlichen Pflichten zu erfüllen hat, die dem Schuldner oblägen, wenn über sein Vermögen das Insolvenzverfahren nicht eröffnet worden wäre (Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, Köln Loseblatt Stand 04.2011, § 18 Tz. 809 mit weiteren Nachweisen). Dies gilt auch für gesetzliche Vertreter im Sinne von § 34 Abs. 1 AO. Diese Pflicht korrespondiert aber mit anderen gesetzlichen Regelungen, nach denen der Vermögensverwalter auch die Befugnisse hat, die entsprechenden Auskünfte und Unterlagen einzuholen und zu beschaffen. So ist in der Insolvenz der Gemeinschuldner nach § 97 InsO verpflichtet, dem Insolvenzverwalter Auskunft über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse zu geben. Dazu gehört auch die Übergabe der Geschäftsunterlagen Zur Durchsetzung dieser Auskunftspflicht besteht die Möglichkeit, dass der Schuldner zu Protokoll an Eides Statt versichert, er habe die verlangte Auskunft nach bestem Wissen und Gewissen richtig und vollständig erteilt. Dazu kann er auch zwangsweise vorgeführt und in Haft genommen werden (§ 98 InsO). Ferner ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 2 InsO, dass der Insolvenzverwalter die handels- und steuerrechtlichen Pflichten zur Buchführung und zur Rechnungslegung in Bezug auf die Insolvenzmasse zu erfüllen hat.
    Möglich ist aber auch, dass ein Vermögensverwalter die steuerlichen Pflichten nur für den von ihm verwalteten Vermögensteil und nur für die Zeit der angeordneten Verwaltung und nicht für zurückliegende Zeiträume zu erfüllen hat. So hat ein Zwangsverwalter eines Grundstücks die steuerlichen Pflichten des Vollstreckungsschuldners nur in Bezug auf das von ihm verwaltete Grundstück zu erfüllen (BFH, Urteil vom 18.10.2001 – V R 44/00, Bundessteuerblatt – BStBl. – II 2002, 171). Es ist nicht erkennbar und wird soweit ersichtlich auch nicht vertreten, dass ein Zwangsverwalter auch steuerliche Pflichten aus der Zeit vor seiner Einsetzung (also bereits überfällige Pflichten) zu erfüllen haben könnte.
    Ausgehend von diesen Erwägungen, denen sich der Senat anschließt, ist bei der Beurteilung der Pflichten eines Vermögensverwalters danach zu unterscheiden, welche Pflichten ihn jeweils bezogen auf das zu verwaltende Vermögen treffen.
    Den Kanzleiabwickler gemäß § 55 BRAO treffen nur die steuerlichen Pflichten, die bezogen auf das verwaltete Vermögen (die abzuwickelnde Kanzlei) und bezogen auf die Zeit der Bestellung als Kanzleiabwickler entstehen. Nur insoweit und nicht auch hinsichtlich der für andere Zeiträume bestehenden steuerlichen Pflichten tritt der Kanzleiabwickler als Vermögensverwalter neben den Steuerpflichtigen. Dies ergibt sich aus den in der Bundesrechtsanwaltsordnung normierten Rechten und Pflichten des Kanzleiabwicklers. Nach § 55 Abs. 3 in Verbindung mit § 53 Abs. 10 Satz 1 BRAO ist der von Amts wegen bestellte Vertreter berechtigt, die Kanzleiräume zu betreten und die zur Kanzlei gehörenden Gegenstände einschließlich des der anwaltlichen Verwahrung unterliegenden Treugutes in Besitz zu nehmen, heraus zu verlangen und hierüber zu verfügen. Weitere Befugnisse stehen dem Kanzleiabwickler nach der Bundesrechtsanwaltsordnung nicht zu. Er hat insbesondere gegen den früheren Anwalt, dessen Kanzlei er abwickelt, keine Auskunftsansprüche hinsichtlich der vor der Bestellung eines Abwicklers getätigten Umsätze und auch keine Herausgabeansprüche bezüglich der Buchführungsunterlagen. Unter diesen Umständen kann § 34 Abs. 3 AO für den Abwickler keine steuerrechtliche Verpflichtung normieren, die er in Bezug auf die abzuwickelnde Kanzlei weder rechtlich nach dem ihm in der Bundesrechtsanwaltsordnung zugewiesenen Pflichtenkreis erfüllen noch gegenüber dem ehemaligen Rechtsanwalt mit den Mitteln der Bundesrechtsanwaltsordnung und dem insoweit anzuwendenden Zivilrecht durchsetzen kann.
    Ausgehend von diesen Pflichten war der Kläger nicht verpflichtet, die innerhalb seiner Zeit der Bestellung als Abwickler bis zum 10.10.2008 (oder bei Dauerfristverlängerung bis zum 10.11.2008) einzureichende Umsatzsteuer-Voranmeldung für das dritte Kalendervierteljahr 2008 beim Beklagten einzureichen. Denn diese betraf ausschließlich Umsätze, die in der Zeit vor seiner Bestellung als Abwickler angefallene Umsätze. Des Weiteren war er zwar verpflichtet, eine Umsatzsteuer-Jahreserklärung 2008 einzureichen, die jedenfalls bis spätestens zum 31.05.2009 einzureichen gewesen wäre. Diese Verpflichtung beschränkte sich aber auf die Umsätze der Kanzlei für die Zeit vom 06.10.2008 bis zum 31.12.2008. Denn nur insoweit war der Kläger Vermögensverwalter. Da der Kläger diese Pflicht verletzt hatte, war der Beklagte berechtigt, die Bemessungsgrundlagen gemäß § 162 AO zu schätzen. Angesichts der Tatsache, dass der Kläger eine Umsatzsteuer-Voranmeldung für das vierte Kalendervierteljahr 2008 eingereicht hatte, in der er die für die Zeit der Abwicklung aufzunehmenden Besteuerungsgrundlagen erfasst hatte, und angesichts dessen, dass der Beklagte nicht dargetan hat, dass diese Zahlen für diesen Zeitraum unzutreffend seien, besteht kein Anlass, über diese Zahlen in der Schätzung hinauszugehen. Danach war im Umsatzsteuer-Jahresbescheid 2008 gegenüber dem Kläger die Umsatzsteuer auf … EUR gemäß den Angaben des Klägers in der Umsatzsteuer-Voranmeldung für das vierte Quartal 2008 zu schätzen. Eine Befugnis des Beklagten, Umsätze auch für die Zeit vom 01.01.2008 bis zum 05.10.2008 zu schätzen und gegenüber dem Kläger als Abwickler festzusetzen, bestand nicht.
    Darüber hinaus ist der Umsatzsteuerbescheid 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung wirksam bekanntgegeben. Jedenfalls die Adressierung des Umsatzsteuerbescheides 2008, so wie diese in der Einspruchsentscheidung lautet, ist ordnungsgemäß. Denn der Abwickler ist wie ein Gesamtrechtsnachfolger hinsichtlich des vom ihm verwalteten Vermögens zu behandeln und nicht – wie dies die Adressierung des Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheides für das dritte Kalendervierteljahr 2008 und die des Umsatzsteuerbescheides 2008 vermuten lässt – wie ein Vertreter. Es kann dahinstehen, ob auch diese Adressierungen an den Kläger für Herrn A. ohne Hinweis auf die Abwicklung zu einer wirksamen Bekanntgabe geführt haben. Denn jedenfalls sind diese Mängel mit der Einspruchsentscheidung, die zutreffend adressiert ist, geheilt (Klein/Brockmeyer/Ratschow, AO, 11. Auflage München 2012, § 122 Tz. 8 mit umfangreichen Nachweisen zur ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes, der sich der erkennende Senat anschließt).
    Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO. Das Unterliegen des Klägers bezogen auf seinen Antrag, den streitigen Bescheid aufzuheben, ist mit weniger als 0,5 vom Hundert geringfügig.
    Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung – ZPO –.
    Die Revisionszulassung beruht auf § 115 Abs. 2 FGO. Soweit ersichtlich liegt noch keine Rechtsprechung zu einem Kanzleiabwickler als Vermögensverwalter im Sinne von § 34 AO vor.

    VorschriftenBRAO § 55 Abs. 1, BRAO § 55 Abs. 3, BRAO § 53 Abs. 10 S. 1, AO § 34 Abs. 1, AO § 34 Abs. 3, AO § 122 Abs. 1 S. 1, AO § 157 Abs. 1 S. 2