18.10.2011 · IWW-Abrufnummer 113429
BGH: Beschluss vom 08.09.2011 – VII ZB 63/10
Auch nach dem formellen Abschluss des Hauptsacheverfahrens haben Zustellungen im Prozesskostenhilfeüberprüfungsverfahren jedenfalls dann gemäß § 172 Abs. 1 ZPO an den Prozessbevollmächtigten der Partei zu erfolgen, wenn dieser die Partei im Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren vertreten hat (Bestätigung von BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2010 XII ZB 38/09, FamRZ 2011, 463 = Rpfleger 2011, 214).
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
am 8. September 2011
durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka,
den Richter Dr. Kuffer,
den Richter Bauner,
die Richterin Safari Chabestari und
den Richter Prof. Leupertz
beschlossen:
Tenor:
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 2. September 2010 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Gründe
I.
1
Die Antragstellerin wendet sich dagegen, dass die Bewilligung von Prozesskostenhilfe aufgehoben worden ist.
2
Der durch Rechtsanwalt D. vertretenen Antragstellerin wurde mit Beschlüssen des Landgerichts vom 28. April 2004 und 10. Juni 2008 ratenfreie Prozesskostenhilfe für eine Werklohnklage bewilligt und Rechtsanwalt D. beigeordnet. Das Hauptsacheverfahren wurde durch einen am 15. August 2008 geschlossenen Vergleich beendet. In der Folgezeit forderte das Landgericht die Antragstellerin wiederholt erfolglos auf, eine Erklärung darüber abzugeben, ob sich die für die Prozesskostenhilfe maßgebenden persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse merklich geändert hätten.
3
Mit Beschluss vom 4. Mai 2010 hat das Landgericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufgehoben. Dieser Beschluss ist der Antragstellerin am 12. Mai 2010 zugestellt und Rechtsanwalt D. formlos mitgeteilt worden. Bei ihm ging er am 17. Mai 2010 ein. Er hat am 17. Juni 2010 sofortige Beschwerde eingelegt, die das Beschwerdegericht als unzulässig verworfen hat. Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.
II.
4
Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 575 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
5
1.
Das Beschwerdegericht, dessen Entscheidung in [...] dokumentiert ist, hält die sofortige Beschwerde für unzulässig, weil sie nicht innerhalb der Beschwerdefrist von einem Monat seit Zustellung des angefochtenen Beschlusses, § 127 Abs. 2 Satz 2 und 3 ZPO, eingegangen sei. Maßgebend für den Fristbeginn sei die Zustellung des Beschlusses an die Antragstellerin. Eine Zustellung an Rechtsanwalt D. sei nicht gemäß § 172 Abs. 1 ZPO erforderlich gewesen.
6
2.
Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
7
a)
Das Landgericht hat die Bewilligung der Prozesskostenhilfe gemäß § 124 Nr. 2 ZPO aufgehoben, weil die Antragstellerin der Aufforderung nach § 120 Abs. 4 ZPO, sich über eine eventuelle Änderung ihrer Verhältnisse zu erklären, nicht nachgekommen ist. Die Frage, ob diese Aufforderung und der die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufhebende Beschluss der Partei persönlich oder ihrem (früheren) Prozessbevollmächtigten zugestellt werden müssen, wurde in der bisherigen Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beantwortet (vgl. z.B. Zöller/Geimer, ZPO, 28. Aufl., § 120 Rn. 28 und § 124 Rn. 23 sowie MünchKommZPO/Häublein, 3. Aufl., § 172 Rn. 19, jeweils m.w.N.).
8
b)
Der Bundesgerichtshof hat nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden, dass auch nach Beendigung des Hauptsacheverfahrens Zustellungen im Prozesskostenhilfeüberprüfungsverfahren jedenfalls dann gemäß § 172 ZPO an den Prozessbevollmächtigten erfolgen müssen, wenn dieser die Partei im Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren vertreten hat (Beschluss vom 8. Dezember 2010 - XII ZB 38/09, FamRZ 2011, 463 = Rpfleger 2011, 214). Dem schließt sich der Senat an und nimmt auf die dortigen Ausführungen Bezug.
9
c)
Danach hätte der Beschluss des Landgerichts vom 4. Mai 2010, mit dem die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufgehoben wurde, an Rechtsanwalt D. zugestellt werden müssen. Er hatte die Antragstellerin bereits im Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren vertreten. Die Zustellung an die Antragstellerin persönlich war nicht wirksam und hat die Beschwerdefrist nicht in Lauf gesetzt (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2010 - XII ZB 38/09 aaO Rn. 30). Die Antragstellerin hat die - auch ansonsten zulässige - sofortige Beschwerde somit fristgerecht eingelegt. Das Beschwerdegericht hat sie zu Unrecht als unzulässig verworfen. Die Sache ist daher an das Beschwerdegericht zur Entscheidung über die Begründetheit der sofortigen Beschwerde zurückzuverweisen.
Kniffka
Kuffer
Bauner
Safari Chabestari
Leupertz