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  • 10.01.2012

    Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein: Urteil vom 15.12.2010 – 6 Sa 171/10


    In dem Rechtsstreit

    pp.

    hat die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 15.12.2010 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden und d. ehrenamtliche Richterin ... als Beisitzerin und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer

    für Recht erkannt:

    Tenor:

    Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 04.03.2010 - ö. D. 2 Ca 900 b/08 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

    Tatbestand

    Die Parteien streiten in der Berufung noch darüber, ob die Anwesenheit an Bord des Wehrforschungsschiffes "P." außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit mit 50 % als Arbeitszeit zu werten und entsprechend zu vergüten ist. Vor dem 1. Oktober 2005 vergütete die Beklagte diese Zeiten als Bereitschaftsdienstzeiten zu 50 %. Seither ordnet sie diese Anwesenheitsstunden der vergütungsfreien "Gewährung von Freiwachen" im Tarifsinne (§ 46 Nr. 11 Abs. 2 TVöD BT-V-Bund) zu.

    Der Kläger trat am 1. Januar 2004 bei der W. (W....) in die Dienste der Beklagten. Auf das Arbeitsverhältnis ist der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst - Besonderer Teil Verwaltung - (TVöD BT-V) aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarung anwendbar.

    Im streitgegenständlichen Zeitraum, von Oktober 2005 bis September 2007, war der Kläger als Schiffselektroniker tätig. Er erhielt Vergütung nach der Entgeltgruppe 11. Sein monatliches Bruttogrundgehalt betrug 3.185,33 Euro. Bei einer monatlichen Arbeitszeit von 169 Stunden beläuft sich der Bruttostundenlohn auf 18,85 Euro.

    Der Kläger war im streitbefangenen Zeitraum sowohl im Hafen- als auch im Seedienst an Bord der "P." eingesetzt. Bei der "P." handelt es sich um ein sogenanntes 3-Wachen-Schiff, wobei die Arbeitszeiten des Klägers von dem normalen Wachsystem abweichen, da er nicht als Wachgänger herangezogen wird.

    Die "P." ist ein Forschungsschiff - Klasse 751 - für das Fahrtgebiet "Große Fahrt". Ihre Besatzung setzt sich nach dem Schiffsbesatzungszeugnis (vom 10. April 2008 - gültig bis zum 30. April 2013) wie folgt zusammen:

    Kapitän:

    1

    Schiffselektriker:

    1

    Koch:

    1

    Erster Offizier:

    1

    Schiffsbetriebsmeister/ Lagerhalter/ Bootsmann:

    ---

    Steward:

    1

    Nautische Wachoffiziere:

    2

    Schiffsmechaniker/ Fach

    7

    Leiter der Maschinenanlage:

    1

    Fachkraft Deck:

    ---

    Zweiter Techn. Offizier

    1

    Hilfskraft Deck:

    ---

    Technische Wachoffiziere

    ---

    Hilfskraft Deck

    Funker:

    ---

    Schiffsmechaniker/ Facharbeiter Maschine

    2

    Schiffselektroniker:

    1

    Hilfskraft Maschine:

    Gesamt:

    19

    Die Tätigkeitsdarstellung für Angestellte - Teil I vom 13. November 2003 (Anlage K 2 = Bl. 17 d. A.), die den Dienstposten des Klägers mit "Schiffselektroniker" (seediensttauglich)" bezeichnet, enthält folgende Aufgabenbeschreibung:

    Schiffselektroniker diplomiert seediensttauglich auf dem Forschungsschiff "P." Klasse 751

    - Verantwortlich für die Wartung, Pflege und Instandhaltung der elektronischen Anlagen an Bord des FS "P."

    - Vorbereiten der Instandsetzungsmaßnahmen für plan- und außerplanmäßige Werftliegezeiten des Abschnittes Schiffselektronik und der an Bord befindlichen Betriebsanlagen und Aggregaten.

    - See- und Hafenwache im technischen Abschnitt

    - Diagnose von elektrischen Komponenten der Antriebsanlage und Geräten,

    - Erstellen von Analysen mittels Laptop und Firmensoftware

    - Systembetreuung und Administration für alle an Bord befindlichen Betriebssysteme und IT-Netze

    Nach der vorbezeichneten Tätigkeitsdarstellung nimmt der Kläger folgende Funktionen wahr:

    Der Schiffselektroniker ist verantwortlich für die Wartung, Pflege und Instandhaltung der elektronischen Anlagen an Bord des FS "P."

    Zeitanteil 463 Std

    hierzu gehören:

    - Inbetriebnahme und Überwachung komplexer Steuer-/Überwachungs- und Fahranlagen von der Brücke und Maschinenkontrollraum.

    -Dynamische Positionsanlagen mit Schnittstellen zur Navigation, -Bord- und Netzumformer 440V/230V 60 Hz Energieverteilung

    -Schiffssicherungssysteme, E-Verteilungsanlagen, Lüftungs- und Klimaanlagen,

    -Stromerzeugungsanlagen angewendete Technik als PM-Generator und PM Fahrmotor

    -Fehleranalysen an den Antriebskomponenten in Verbindung der Leistungselektronik einschl. Ansteuerung für Gleich- und Wechselrichterschränke (750 DC 170/550/1040/1275/1700)KW

    -Fehleranalysen an den Prozesssteuerungen und der Regelungstechnik (SPS und Firmensoftware) des GEAMAR-Systems -Betriebsüberwachung über -Automationsanlage GEAMAR

    -Lesen und Interpretieren von englischsprachigen Dokumentationen

    -See- und Hafenwache im technischen Abschnitt

    -Wartung, Pflege und Instandhaltung der Navigations- und Kommunikationsanlagen z.B. Radargeräte, Satellitenanlage, Schiffslautsprecheranlage, Telefonanlage, UT-Anlage usw.

    150 Std

    Vorbereiten der Instandsetzungsmaßnahmen für plan- und außerplan- mäßige Werftliegezeiten des Abschnittes Schiffselektronik der an Bord befindlichen Betriebsanlagen und Aggregaten

    300 Std

    Einleitung von Instandsetzungsmaßnahmen für plan- und außerplanmäßige Werftliegezeiten, dazu Erstellen von Material-Datensystem-Anforderungen (MDS-A) und Arbeitsaufträgen sowie Überwachen der daraus resultierenden Instandsetzungsarbeiten durch Werften, Marinearsenal und Fremdfirmen.

    Diagnose von elektronischen Komponenten der Antriebsanlage und Geräten, Erstellen von Analysen mittels Laptop und Firmensoftware

    Das FS P. wird angetrieben von 4 EA MM-Motor-Systeme mit je einer Leistung von 1040 kW bei 151 U/min Gesamtantriebsleistung von 4160 kW auf 2 Wellenanlagen

    Die Fehlerdiagnose erfolgt über ein Laptop mit Firmensoftware, die Datenübertragung erfolgt seriell zum System-Steuerung Motor (SSt). Die SST setzt die Ansteuersignale der Automatisierung der Antriebsmotoren über die Sensoraktor Elektronik für die Leistungselektronik (SAE-LE), Sensoraktor Elektronik Elektrische Maschine (SAE-EM) und 2 EA Wechselrichtersteuerung 1 und Wechselrichtersteurung 2 (WRS) um. Bei den WRS findet die IGBT-Technik Anwendung. Über Spulentrenner erfolgt der Anschluß an das Lastspulensystem bestehend aus 2 Teilmotoren. Die Fehlerdiagnose vom MM-Motor erfolgt anhand von graphischen Darstellungen (ähnlich Windows) auf den Bildschrim und wird vom Benutzer geführt. Die 4 MM-Motore sind über einen Bildschirm dargestellt und können von einem Laptop aus diagnostiert werden.

    Das MM-Generatorsystem besteht aus 4 EA MM-Generatoren mit einer Gesamtleistung von 1700 kW bei 1800 U/min.

    Die MM-Generatoren erzeugen die gesamte elektrische Energie für das voll elektrische Schiff P.. Die elektrischen Systembaugruppen werden mit einem Öl- und Wasserkreislauf gekühlt.

    Der Aufbau und die Fehlerdiagnose ist ähnlich wie unter Pkt. 9.3 beschrieben. Zusätzlich kommt hier eine Bremssteller Steuerung (BSS) zum Einsatz. Durch Lichtwellenleiter erfolgt eine saubere galvanische Trennung von der SST zu den WRS sowie den SAE-EM.

    Systembetreuung und Administration für alle an Bordbefindlichen Betriebssysteme sowie Unterstützung bei Erprobungen z.B. Windows- orientierten Oberfläche, Office 2000, Word, Exel, Acces und Power Point usw.

    Wie aus den Aufgabenbeschreibungen 9.1 - 9.4 hervorgeht, ist der Schiffselektroniker auf dem Wehrforschungsschiff Klasse 751 "P." für die Funktion der komplexen an Bord befindlichen elektronischen Anlagen zuständig.

    Aufgrund der Einzigartigkeit dieser für die Bundeswehrverwaltung neu entwickelten elektronischen Schiffsanlage sind für den Bereich, der Wartung und Pflege insbesondere im Rahmen der Instandhaltung/-setzung besondere ingenieurmäßige Leistungen zwingend erforderlich. Der Ingenieur muss für die Bewältigung der ihm übertragenen Aufgaben über besondere Fachkenntnisse auf dem Gebiet der analogen und digitalen Signalverarbeitung mit dem Schwerpunkt Datenübertragung verfügen.

    Da in der Schiffsbetriebstechnik eine Vielzahlt unterschiedlichster elektronischer Geräte verwendet werden und diese überwiegend in verschiedenen Messsystemen integriert sind, ist neben der geforderten besonderen ingenieurmäßen Leistung auch eine langjährige praktische Berufsausbildung erforderlich, um optimal Schadensanalysen durchführen zu können.

    Darüber hinaus sind die vorstehend beschriebenen Fachkenntnisse bei den durchzuführenden sog. "online Untersuchungen" notwendig. Hierbei handelt es sich um Schadensanalysen bei laufendem Betrieb der elektronischen Anlage, die einem besonderen Zeit- und Erfolgsdruck unterliegen.

    104 Std

    Bezüglich der jeweiligen Zeitanteile wird auf die Tätigkeitsdarstellung (Bl. 18, 19 d. Akte) Bezug genommen.

    Der Posten des Schiffselektronikers ist auf der "P." nur einfach besetzt. Entsprechend Ziffer 4 der vorgenannten Tätigkeitsdarstellung gehört der Kläger dem technisch betrieblichen Servicebereich, Aufgabenfeld 111, an und ist sowohl dem Kapitän des Schiffes als auch dem Leiter Maschinenanlage des Schiffes unterstellt. Unmittelbarer Vorgesetzter des Klägers ist der Leiter Maschinenanlage.

    Neben dem Kläger und dem Leiter Maschinenanlage ist an Bord der "P." für den Fahrbetrieb noch ein zweiter technischer Offizier eingesetzt. Ihnen sind ein Schiffselektriker der Lohngruppe 8 MTB II und 2 Facharbeiter der Lohngruppe 6 MTB II unterstellt.

    Der Kläger hat ein technisches Studium (Elektrotechnik) an einer Fachhochschule abgeschlossen. Der Leiter Maschinenanlage verfügt über ein technisches Hochschulstudium und das Patent CI Schiffsingenieur. Der 2. technische Offizier hat eine Fachausbildung als Maschinenbaumeister absolviert und ist Inhaber des Patents CMA Seemaschinist. Ausweislich der Tätigkeitsdarstellung für Angestellte-Teil I kann der Kläger zumindest von dem "Leiter Maschinenanlage BAT II a" vertreten werden.

    Die Abrechnung der Seediensttätigkeiten erfolgt bei der Beklagten anhand von Forderungsnachweisen, die die Besatzungsmitglieder ausfüllen. Nach Prüfung und Abzeichnung durch den jeweiligen Kapitän werden die Forderungsnachweise an die Personalverwaltung weitergeleitet. Diese Nachweise bilden die Grundlage für die Abrechnungen der Beklagten. Der Kläger hat seine Forderungsnachweise für die Zeit vom 1. Oktober 2005 bis zum 31. Oktober 2007 zur Akte gereicht (Blatt 22 bis 71 der Akte).

    Die regelmäßige Arbeitszeit des Klägers an Seediensttagen gilt gemäß § 46 Nr. 10 Abs. 3 TVöD BT-V als durch das Tabellenentgelt abgegolten. Sofern der Kläger an einem Seediensttag außerhalb seiner regelmäßigen Arbeitszeit zur Arbeit herangezogen wird, vergütet die Beklagte die geleistete Arbeitszeit als Überstunde bzw. gewährt entsprechenden Freizeitausgleich.

    Dessen ungeachtet kann gemäß § 46 Nr. 11 Abs. 2 TVöD BT-V außerhalb der normalen Arbeitszeit während eines Seediensttages "Anwesenheit an Bord" angeordnet werden, die zu 50 % als Arbeitszeit bewertet und vergütet wird, es sei denn, dass Freiwache gewährt wird oder dass Arbeit angeordnet ist. Erfolgt der angewiesene Arbeitseinsatz außerhalb der gewöhnlichen Arbeitszeit und kein Ausgleich in entsprechender Freizeit, so wird die zusätzlich geleistete Arbeit drei Monate nach ihrer Ableistung vergütet, § 43 Abs. 1 TVöD BT-V.

    Streitgegenstand dieses Verfahrens sind diejenigen Stunden, die der Kläger während der Seediensttage an Bord verbracht hat und während derer er auch nicht außerhalb seiner gewöhnlichen Arbeitszeit auf Anweisung zum Arbeitseinsatz herangezogen worden ist. Diese Stunden sieht der Kläger als angeordnete Anwesenheit an. Er berechnet seine Forderung wie folgt:

    24 Stunden - Arbeitszeit = Bereitschaftsstunden.

    Der Kläger gelangt bei seiner Berechnung für den Zeitraum von Oktober 2005 bis September 2007 zu einer Gesamtstundenzahl von 2.429,75 (bzw. 2.446,75, Blatt 134 d. A.), in denen er nicht zur Arbeit herangezogen worden ist und für die er weder eine Bereitschaftsdienstvergütung noch Freizeitausgleich erhalten hat. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf Bl. 7 - 12 d. A. Bezug genommen.

    Der Kläger hat sich mit Schreiben vom 21. November 2005 (Blatt 116 d. A.) an die Beklagte gewandt und seine "Ansprüche im Rahmen der Ausschlussfrist (§ 37 TVöD) für die Zeit vom 01.10.2005 bis zur endgültigen Klärung geltend" gemacht.

    Die W. hat am 26. Oktober 2005 ein Faxschreiben an alle Kapitäne und Schiffsbesatzungen gesandt. In dem Schreiben heißt es:

    "Der neue Tarifvertrag ist nicht Anlass, die bislang praktizierte Lohnstunden- und Zulagenverschreibung zu ändern.

    Jeder begründet seinen Anspruch, indem er wie bisher Lohnstunden und Zulagen verschreibt.

    Dadurch bleiben die Ausschlussfristen gewahrt. Notwendige Änderungen werden von der Verwaltung eingearbeitet.

    Dies ändert sich erst dann, wenn die Durchführungshinweise des neuen Tarifvertrages erlassen werden.

    L. AFM 170"

    Mit Schreiben seines späteren Prozessbevollmächtigten vom 27. September 2007 begehrte der Kläger erfolglos für die Zeit vom 1. Oktober 2005 bis September 2007 Entgelt für weitere 1.214,75 Stunden (2.429,75 ./. 2) in Höhe von insgesamt 22.813,00 Euro brutto. Mit seiner am 19. Mai 2008 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen Klage verfolgt der Kläger seine Ansprüche weiter.

    Der Kläger hat die Auffassung vertreten, bei den streitgegenständlichen Zeiten handele es sich um konkludent angeordnete Anwesenheit und damit zu 50 % als Arbeitszeit zu vergütender Bereitschaftsdienst. Freiwachen seien - insoweit unstreitig - nicht angeordnet worden. Weil er sich aber jederzeit für Arbeitseinsätze habe bereithalten müssen und auch zu diesen herangezogen worden sei, könne - bedingt durch die personelle Besetzung an Bord und die zu erledigenden zusätzlichen Aufgaben zu verschiedensten Zeiten außerhalb der regulären Arbeitszeit - von tatsächlicher Freizeit nicht gesprochen werden. Er werde bei Bedarf immer wieder zum Arbeitseinsatz außerhalb seiner regulären Arbeitszeit herangezogen, ohne derartige Einsätze ablehnen zu können. Aufgrund der Häufigkeit der anfallenden Arbeitseinsätze könne auch nicht von einer geringfügigen zusätzlichen Belastung gesprochen werden.

    Der Kläger hat beantragt,

    1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 22.813,00 Euro brutto zu zahlen;

    2. festzustellen, dass die Anwesenheit des Klägers als Schiffselektroniker an Bord des Schiffes P. im Rahmen der Ausübung seiner Tätigkeit, die nicht Arbeitszeit ist, zu 50 % als Arbeitszeit zu werten ist.

    Hilfsweise hat er beantragt,

    1. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger 1.214,75 Stunden Freizeitausgleich zu gewähren;

    2. festzustellen, dass die Beklagte dem Kläger für jede Stunde Anwesenheit als Schiffselektroniker an Bord des Schiffes P., die nicht Arbeitszeit ist, eine halbe Stunde Freizeitausgleich zu gewähren hat.

    Die Beklagte hat beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Sie hat behauptet, der Kläger werde keineswegs angewiesen, unabhängig von Notfällen bzw. außerhalb seiner regelmäßigen Arbeitszeit, anlässlich unvorhersehbarer Ereignisse zu verschiedensten Tag- und Nachtzeiten Arbeitseinsätzen nachzukommen. Die bloße Anwesenheit an Bord sei nicht zur Hälfte als Arbeitszeit anzusehen und zu vergüten. Die tatsächliche Arbeitszeit, einschließlich etwaiger Bereitschaftsdienste bzw. angefallener Überstunden, sei von ihr, der Beklagten, anhand der erstellten und abgezeichneten Forderungsnachweise ordnungsgemäß abgerechnet und vergütet worden.

    Für angeordnete Anwesenheit an Bord könnten die Besatzungsmitglieder eine Vergütung nur dann verlangen, wenn die Anwesenheit an Bord ausdrücklich oder durch Zuweisung von Aufgaben konkludent angeordnet worden sei. Eine konkludente Anordnung der Anwesenheit ergebe sich für die Besatzungsmitglieder aber gerade nicht schon aus dem faktischen Zwang, während der Seediensttage auch außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an Bord bleiben zu müssen. Der Kläger habe zudem nicht dargelegt, an welchen Tagen und zu welchen Zeiten er außerhalb seiner normalen Arbeitszeit Tätigkeiten habe erledigen müssen, die zwingend von ihm hätten erledigt werden müssen und mit deren Anfall rund um die Uhr zu rechnen gewesen sei.

    Unabhängig davon stimme der klägerische Vortrag mit den Angaben in den Forderungsnachweisen bezogen auf konkrete Arbeitstage nicht überein. Die Beklagte hat im Einzelnen vorgetragen, welche Arbeitsstunden und Anwesenheitszeiten an Bord tarifrechtlich bei der Entgeltzahlung Berücksichtigung gefunden hätten. Wegen der weiteren Einzelheiten hierzu wird auf die Aufstellung der Beklagten, den Zeitraum Februar 2006 bis September 2007 betreffend (Bl. 92 bis 111 d. A.), verwiesen.

    Schließlich seien die eingeklagten Ansprüche gem. § 37 TVöD verfallen.

    Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Der Kläger könne weder die begehrte Feststellung noch Zahlung verlangen. Die Stunden, die der Kläger zu 50 % als Arbeitszeit bewertet wissen wolle, obwohl er weder zum Wachdienst eingeteilt, noch zu sonstigen Arbeitseinsätzen herangezogen worden war, stellten sich nicht als "angeordnete Anwesenheit an Bord" im Sinne des § 46 Nr. 11 Abs. 2 TVöD BT-V dar. Zwischen den Parteien sei unstreitig, dass die Beklagte Anwesenheit nicht ausdrücklich angeordnet habe. Die Anwesenheit des Klägers als Schiffselektroniker auf der "P." außerhalb der von ihm in seinen Forderungsnachweisen aufgeführten Arbeitszeiten gelte auch nicht als konkludent angeordnet. Eine konkludente Anordnung folge nicht schon aus dem faktischen Zwang, während des Aufenthalts auf See auch außerhalb der normalen Arbeitszeiten an Bord bleiben zu müssen oder aus dem Umstand, dass die Beklagte für ihn nicht ausdrücklich Freiwache angeordnet habe. Der Kläger habe weder hinreichend substantiiert dargelegt, welche konkreten Aufgaben ihm zu welchen Zeiten tatsächlich von der Beklagten übertragen worden seien, noch dass sich eine derartige Anordnung aus nachvollziehbaren Umständen ergeben könnte. Folge aus dem faktischen Zwang, während der Seediensttage das Schiff nicht verlassen zu können, noch nicht die konkludent angeordnete Anwesenheit, so hätte der Kläger über die tatsächliche Notwendigkeit hinaus Umstände darlegen müssen, die den Schluss zuließen, er befinde sich während des von ihm reklamierten Zeitraums seiner Anwesenheit an Bord in "konkludent angeordneter Anwesenheit". Hinreichende Anhaltspunkte dafür habe der Kläger nicht vorgetragen. Der Kläger könne zumindest von seinem unmittelbaren Vorgesetzten, dem "Leiter Maschinenanlage BAT II a" vertreten werden. Dies folge aus einem Vergleich von Ausbildung und Befähigung zwischen dem Kläger und seinem Vorgesetzten. Die Anwesenheit des Klägers als Schiffselektroniker an Bord des Wehrforschungsschiffes außerhalb der in seinen Arbeitszeitnachweisen aufgeführten Arbeitszeiten sei aufgrund der Organisation der Arbeitsabläufe nicht unverzichtbar gewesen. Der Kläger sei als Schiffselektroniker nicht das einzige Besatzungsmitglied mit der Befähigung für die sachgerechte Ausführung der sich aus der Tätigkeitsdarstellung ergebenden Funktionsbereiche. Durch die Anwesenheit des Vorgesetzten, des "Leiters Maschinenanlage", habe die Beklagte sichergestellt, dass der Vorschriftenlage nach dem Schiffbesatzungszeugnis für den Einsatz des Wehrforschungsschiffes im Seedienst entsprochen worden sei. Die Anwesenheit des Klägers als Schiffselektroniker gelte somit nicht aufgrund des Umstandes als konkludent angeordnet, dass im Seedienst auf seine Anwesenheit an Bord nicht verzichtet werden konnte. Der Kläger habe bezogen auf konkrete Zeitabschnitte, Ereignisse bzw. Fahrtverläufe nicht dargelegt, dass er trotz der zur Verfügung stehenden Vertretungsmöglichkeiten sich gleichsam in einer Art objektivem Dauerbereitschaftsdienst befunden habe, welcher aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen - zumindest konkludent - angeordnet worden wäre. Der Kläger hätte konkret über einen repräsentativen Zeitraum Tag für Tag darlegen müssen, in welchem Umfang er aus welchen Gründen außerhalb seiner normalen Arbeitszeiten trotz der Anwesenheit des "Leiters Maschinenanlage BAT II a" zur Arbeitsausführung herangezogen werden musste.

    Gegen das ihm am 16.03.2010 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Kläger am 16.04.2010 Berufung eingelegt und diese am 12.05.2010 begründet.

    Der Kläger meint, das Arbeitsgericht habe verkannt, dass die Anwesenheit konkludent angeordnet worden sei. Er übe an Bord eine Einzelfunktion aus, für die er eine spezielle Ausbildung genossen habe und die ihn befähige, seinen Aufgabenbereich wahrzunehmen. Kein anderes Besatzungsmitglied verfüge über diese Ausbildung. Wegen der fehlenden Ausbildung könne kein anderes Besatzungsmitglied seine Aufgaben wahrnehmen; er sei unverzichtbar. Der Leiter der Maschinenanlage oder der 1. Technische Offizier könnten den Kläger nicht vertreten. Auch sonst gebe es keinen geeigneten Vertreter. Er, der Kläger, sei nicht vertreten worden.

    Das Aufgabengebiet des Klägers beziehe sich auf alle elektronischen (nicht elektrischen) Einrichtungen an Bord. Dazu gehörten alle Maschinen und Gerätschaften, die eigene Rechenprozesse aufweisen. Sobald Störungen an diesen Anlagen auftreten würden, müsse der Kläger tätig werden. Die Arbeiten könnten nicht aufgeschoben werden. Die Arbeitsumstände an Bord und die von der Beklagten gewünschte Arbeitsweise führten dazu, dass der Kläger als Bordelektroniker faktisch ständig Arbeitsbereitschaft leiste. Von ihm werde erwartet, dass er sich außerhalb seiner Arbeitszeit bereithalte. Auf die Häufigkeit der Arbeitseinsätze komme es nicht an. Er sei mit einem Feuerwehrmann, einem Krankenhausarzt oder dem Funkoffizier zu vergleichen.

    Der Kläger beantragt,

    das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel 2 Ca 900b/08 vom 04.03.2010 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, 22.813,00 EUR brutto an den Kläger zu zahlen.

    Die Beklagte beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Sie meint, der Kläger habe auch in der Berufung keine über den bloßen faktischen Zwang hinausgehenden Umstände dargelegt, die die Annahme rechtfertigen, er befinde sich an den Seediensttagen durchgängig in konkludent angeordneter Anwesenheit. Eine Vertretung des Klägers durch den Leiter Maschinenanlage sei möglich und auch erfolgt. Einen erheblichen Teil der Störungen im elektronischen Bereich könne zudem der Schiffselektriker beseitigen, den der Leiter Maschinenanlage ggf. heranziehe. Das Sicherheitsmanagement-Handbuch weise dem Schiffselektriker auch die Wartungs- und Reparaturarbeiten an elektronischen Anlagen zu.

    An Seediensttagen gebe es keine All-Hands-Manöver, an denen der Kläger als Bordelektroniker teilnehmen müsse. Diese Manöver führe das Deckpersonal durch. Beim Aus- und Einbringen des Erprobungsgeräts müsse der Kläger ebenfalls nicht tätig werden, falls doch, werde die Anwesenheit ausdrücklich angeordnet.

    Sofern in den Aufgabenbereich des Klägers fallende Anlagen ausfallen würden, handele es sich um Notfälle, die der jeweilige wachhabende Offizier bearbeite. In etwa 10 % der Fälle sei das nicht möglich. Dann entscheide der Offizier, ob die Arbeiten sofort oder später durchgeführt werden müssen. Fast immer sei letzteres der Fall.

    Der Kläger habe nicht vorgetragen, wann, wo, von wem und zu welchem Zweck er außerhalb seiner normalen Arbeitszeit zur Arbeit herangezogen worden sei. Die geleisteten Überstunden seien kein ausreichendes Indiz, weil nicht erkennbar sei, ob es sich möglicherweise um geplante Mehrarbeit gehandelt habe. Entgegen der Ansicht des Klägers habe es keiner ausdrücklichen Anordnung von Freiwache bedurft. Schließlich meint die Beklagte, etwaige Ansprüche des Klägers seien verfallen.

    Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die Sitzungsniederschrift verwiesen.

    Entscheidungsgründe

    Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist der Beschwer nach statthaft (§ 64 Abs. 2 lit. b ArbGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

    Die Berufung ist mit dem in der 2. Instanz allein noch streitbefangenen Zahlungsbegehren unbegründet. Die Anwesenheit des Klägers im Seedienst als Bordelektroniker an Bord der "P.", die über die nicht ausdrücklich angeordnete Arbeitszeit hinausgeht, ist nicht zu 50 % als Arbeitszeit zu bewerten und zu vergüten.

    1. Die Stunden, für die der Kläger als Bordelektroniker Vergütung verlangt, obwohl er nicht zur Arbeit eingeteilt war, sind keine "angeordnete Anwesenheit an Bord" im Sinne des § 46 Nr.11 Abs. 2 TVöD BT-V Bund.

    a) In § 46 Nr.11 Abs. 2 TVöD BT-V Bund heißt es zur außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit angeordneten Anwesenheit an Bord:

    "Nr. 11: Zu § 7 - Sonderformen der Arbeit -

    .....

    (2) Außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit angeordnete Anwesenheit an Bord wird bei der Bemessung des Entgelts zu 50 v. H. als Arbeitszeit gewertet, es sei denn, dass Freiwache gewährt oder dass Arbeit angeordnet ist."

    b) Diese Vorschrift findet auf das Arbeitsverhältnis des Klägers grundsätzlich Anwendung, denn er gehörte im streitbefangenen Zeitraum gemäß § 46 Nr. 8 Satz 1 TVöD-BT-V zu einer im Bereich des Bundesministeriums der Verteidigung beschäftigten Besatzung eines Schiffes.

    c) Die Sonderregelung des § 46 Abs. 2 Nr. 11 TVöD BT-V Bund verdrängt in ihrem Anwendungsbereich die Regelungen über die Vergütung von Bereitschaftsdienst in § 8 Abs. 4 TVöD AT (vgl. BAG vom 28.05.2009 - 6 AZR 141/08 - zitiert nach Juris m. w. N., Rn. 14 - 16). § 46 Nr. 11 Abs. 2 TVöD BT-V Bund ist wortlautidentisch mit der Vorgängervorschrift der SR 2 g BAT Nr. 3. Abs. 6 Satz 1. Zum Verständnis der Vorgängerregelung wird auf die hierzu ergangene Entscheidung des BAG vom 14.10. 1993 - 6 AZR 221/92 - verwiesen. Die Tarifvertragsparteien haben in Kenntnis dieser Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die früheren Tarifregelungen inhaltsgleich übernommen und damit die Rechtsprechung gebilligt. Das ist von den Gerichten zu respektieren (vgl. BAG vom 28.05.2009 - 6 AZR 141/08 - Rn. 22 und Rn. 27).

    d) Ausdrücklich hat die Beklagte für die geltend gemachten faktischen Anwesenheitszeiträume keine Anwesenheit an Bord angeordnet. Das hat auch der Kläger nicht behauptet. Die Arbeitsstunden, die er aufgrund ausdrücklicher Anordnung der Beklagten geleistet hat, sind unstreitig vergütet oder durch Freizeitgewährung ausgeglichen worden.

    e) Die Anwesenheit des Klägers als Bordelektroniker an Bord außerhalb seiner in den Arbeitszeitnachweisen angegebenen Arbeitszeiten war auch nicht konkludent angeordnet.

    aa) Es bedarf nicht zwingend einer ausdrücklichen Anordnung der Anwesenheit an Bord. Eine konkludente Anordnung ist für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 46 Nr. 11 Abs. 2 TVöD BT-V Bund ausreichend. Das hat der 6. Senat in seinem Urteil vom 28.05.2009 - 6 AZR 141/08 - bestätigt (so schon Urteil vom 14.10.1993 - 6 AZR 221/92 -). Von einer konkludenten Anordnung geht die Kammer im vorliegenden Fall jedoch nicht aus.

    bb) Eine konkludente Anordnung der Anwesenheit an Bord der "P." folgt für die Besatzung nicht schon aus dem faktischen Zwang, während des Aufenthalts auf See auch außerhalb der Arbeitszeit an Bord bleiben zu müssen. Der 6. Senat hat in seinem Urteil vom 28.05.2009 (6 AZR 141/08) ausgeführt, dass dann, wenn sich das Schiff auf See befinde, sich die ständige Anwesenheit der Besatzung an Bord des Schiffs im Regelfall aus der Natur der Sache ergebe. Die Anwesenheit - so der Senat - sei zwangsläufige Folge der arbeitsvertraglichen Verpflichtungen der Besatzungsmitglieder eines Seeschiffs. Hätten die Tarifvertragsparteien auch solche Zeiten der Anwesenheit an Bord von der Vergütungsregelung des § 46 Nr. 11 Abs. 2 TVöD BT-V Bund erfassen wollen, so hätte es des ausdrücklich normierten Erfordernisses einer "Anordnung der Anwesenheit" nicht bedurft (vgl. BAG vom 28.5.2009 - Rn. 22 m. w. N.). Der Senat weist darauf hin, dass davon ausgegangen werden kön-ne, dass den Tarifvertragsparteien die bisherige Senatsrechtsprechung bei der Neuregelung des Tarifrechts für den öffentlichen Dienst bekannt gewesen sei. Wenn die Tarifvertragsparteien dann die früheren Tarifbestimmungen inhaltsgleich und lediglich sprachlich überarbeitet in den TVöD-BT-V übernommen hätten, so spreche dies dafür, dass sie auch die vom Senat vorgenommene Tarifauslegung gebilligt hätten.

    cc) Auch aus der Tatsache, dass die Beklagte für den Kläger Freiwache nicht ausdrücklich angeordnet hat, ergibt sich nichts anderes. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 46 Nr. 11 Abs. 2 TVöD BT-V Bund muss Freiwache nicht ausdrücklich angeordnet werden. Sie muss nur "gewährt" werden. Das geschieht regelmäßig dadurch, dass von der Befugnis, Arbeitszeit festzusetzen und zu bestimmen, kein Gebrauch gemacht wird. Eines nach außen tretenden Verhaltens, das den Beginn der Freiwache kennzeichnet, bedarf es nicht.

    dd) Die konkludente Anordnung ergibt sich für den Kläger schließlich nicht daraus, dass im Seedienst auf seine Anwesenheit an Bord nicht verzichtet werden konnte. Der Kläger hat keine hinreichenden Umstände dargelegt, die den Schluss zulassen, er habe sich während seiner gesamten streitbefangenen Anwesenheit an Bord in konkludent angeordneter Anwesenheit im Sinne von "bestimmen" oder "befehlen" befunden. Der Kläger hat nicht dargelegt, warum er sich nicht darauf zurückgezogen hat, er habe Freiwache und werde die Arbeit später im Rahmen seiner regelmäßigen Arbeitszeit erledigen. Selbst wenn der Kläger entsprechend seinem Vortrag zu den von ihm im Berufungstermin genannten Arbeiten außerhalb seiner regulären Arbeitszeit herangezogen worden wäre, war seine Anwesenheit an Bord nicht angeordnet im Tarifsinne.

    Anders als in dem von der Berufungskammer entschiedenen Fall eines Funkoffiziers (LAG S-H 16.12.2009 - 6 Sa 92/09 -) war die Anwesenheit des Klägers an Bord nicht aus rechtlichen Gründen unverzichtbar. Vielmehr war durch die Anwesenheit des Vorgesetzten des Klägers, des Leiters Maschinenanlage, sichergestellt, dass der Vorschriftenlage nach dem Schiffsbesatzungszeugnis für den Einsatz des Wehrforschungsschiffes im Seedienst genügt war.

    Das Arbeitsgericht hat überzeugend begründet, dass die Anwesenheit des Klägers an Bord auch nicht aus tatsächlichen Gründen unverzichtbar war. Die Tatsache, dass der Kläger der einzige Schiffselektroniker mit entsprechender Ausbildung an Bord der "P." war, lässt noch nicht auf eine angeordnete Anwesenheit an Bord schließen. Von einer solchen Anordnung kann keine Rede sein, wenn es außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit keiner Vertretung bedarf, weil keine oder verschiebbare Arbeiten anfallen, oder wenn eine Vertretung durch andere Besatzungsmitglieder sichergestellt ist.

    Das Arbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger zumindest von seinem unmittelbaren Vorgesetzten, dem Leiter Maschinenanlage, vertreten werden konnte. Daran ändert nichts, dass der Bordelektroniker eine besondere Ausbildung benötigt und an Bord eine Einzelfunktion ausübt. Eine gelegentliche Vertretung ist auch dann möglich, wenn der Vertreter keine kongruente Ausbildung absolviert hat. Maßgebend ist, ob die Ausbildung, die der oder die Vertreter genossen haben, eine Vertretung zulässt. Entscheidend ist, über welche Qualifikation der Vertreter unabdingbar verfügen muss. Im vorliegenden Fall ist nicht erkennbar, über welche eine Vertretung ausschließende Qualifikationen der Kläger verfügt. Dagegen spricht für eine Vertretungsmöglichkeit der Vergleich von Ausbildung und Befähigung zwischen dem Kläger und dem Leiter Maschinenanlage. Der Leiter Maschinenanlage verfügt über ein technisches Hochschulstudium sowie das Patent CI Ingenieur. Der Kläger hat nicht deutlich gemacht, welche weiterreichenden Qualifikationen er durch sein technisches Studium an der Fachhochschule erlangt hat und warum es gerade auf diese "Spezialkenntnisse" in Vertretungsfällen ankam. Der Kläger hätte sich nicht auf die Behauptung beschränken dürfen, für ihn habe es keinen geeigneten Vertreter gegeben. Vielmehr hätte er, bezogen auf einen repräsentativen Zeitraum innerhalb des streitgegenständlichen Zeitraums, die außerhalb seiner regulären Arbeitszeit zu erledigenden Aufgaben benennen und die zu ihrer Erledigung erforderlichen Qualifikationen beschreiben müssen. Ohne entsprechend spezifizierten Vortrag hätte die Vernehmung der vom Kläger zur behaupteten fehlenden Vertretungsmöglichkeit benannten Zeugen die Erhebung eines unzulässigen Ausforschungsbeweises bedeutet.

    Unabhängig von der möglichen Vertretung des Klägers ist nicht erkennbar, dass die vom Kläger nach seiner - von der Beklagten bestrittenen - Darstellung außerhalb seiner regulären Arbeitszeit verrichteten Arbeiten unaufschiebbar waren. Auch wenn mit dem Kläger davon ausgegangen wird, dass er an einzelnen Tagen außerhalb seiner regulären Arbeitszeit Arbeiten ausgeführt hat, hat er sich damit nicht in konkludent angeordneter Anwesenheit im Sinne von "bestimmen" oder "befehlen" befunden. Die vom Kläger in der Berufungsverhandlung geschilderten Probleme, derer er sich nach seiner Darstellung außerhalb seiner regulären Dienstzeit angenommen hat, waren nicht alle unaufschiebbar. Sie hätten auch in der nächsten regulären Schicht erledigt werden können. Das gilt z. B. für den E-Mail-Austausch. Der Kläger hat behauptet, außerhalb seiner Dienstzeiten vom Fahrtleiter angesprochen worden zu sein, damit er E-Mails vom Server holt oder den E-Mail-Austausch durchführt. Wenn der Kläger hier Bitten des ihm gegenüber nicht weisungsbefugten Fahrtleiters nachgekommen ist, so lässt sich daraus nicht auf eine von der Beklagten konkludent angeordnete Anwesenheit an Bord schließen. Der Kläger hat nicht dargelegt, warum er sich den Bitten des Fahrtleiters nicht entziehen und die Tätigkeiten nicht in die reguläre Dienstzeit verschieben konnte. Während der Dienstzeit fand mehrmals ein E-Mail-Austausch statt. Gerade gegenüber einer nicht weisungsberechtigten Person hätte sich der Kläger nach Ansicht der Berufungskammer darauf zurückziehen können, er habe Freiwache und werde die Arbeit später im Rahmen seiner regelmäßigen Arbeitszeit erledigen.

    Selbst wenn der Kläger in einzelnen Fällen außerhalb seiner regulären sowie zusätzlich geleisteten Arbeitszeit an den Rechnern der Schiffsautomationsanlage oder an der Radaranlage gearbeitet haben sollte, so führt das zu keinem anderen Ergebnis. Der Kläger hat nicht für einen repräsentativen Zeitraum und damit für die Beklagte einlassungsfähig dargelegt, wer ihn bei welcher Gelegenheit zu diesen Arbeiten herangezogen hat. Gänzlich offen ist zudem, wie lange die Arbeitseinsätze gedauert haben und ob sie auf einen späteren Zeitpunkt hätten verlegt werden können.

    Von einer konkludent angeordneten Anwesenheit an Bord im Sinne von "bestimmen" oder "befehlen" ist der Fall zu unterscheiden, dass ein Besatzungsmitglied außerhalb seiner regulären Arbeitszeit zur Arbeit herangezogen wird, obwohl die Arbeit auch von einem anderen Besatzungsmitglied ausgeführt oder zu einem späteren Zeitpunkt erledigt werden könnte.

    Verbleiben danach nur wenige Notfälle, wie etwa der Ausfall der Fahranlagensteuerung oder der Störung des Dynamic Positioning Systems, kann von einer angeordneten Anwesenheit an Bord keine Rede sein. Diese Fälle treten nach den Angaben des Klägers ein- bis zweimal im Quartal auf, wobei nicht gesagt ist, dass dies stets außerhalb der regulären Arbeitszeit sein muss. Vortrag dazu, wann das im streitbefangenen Zeitraum der Fall war, konnte der Kläger nicht leisten.

    2. Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Berufung zu tragen, 97 Abs. 1 ZPO.

    Die Revision war nicht zuzulassen. Die Entscheidung beruht auf den Umständen des Einzelfalls und weicht hinsichtlich der maßgebenden Rechtsgrundsätze nicht von der Entscheidung des 6. Senats vom 28.05.2009 (6 AZR 141/08) ab.