20.06.2013 · IWW-Abrufnummer 131928
Oberlandesgericht Hamm: Beschluss vom 10.10.2012 – 15 W 291/12
Feststellung der Nachlasszugehörigkeit von Bankguthaben
Bei der Wertfestsetzung können Bankguthaben dem Nachlass zugerechnet werden, wenn sie mit dem erteilten Erbschein auf den Erben umgeschrieben wurden.
Oberlandesgericht Hamm
I-15 W 291/12
Tenor:
Unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels wird der angefochtene Beschluss wird teilweise abgeändert.
Der Wert des Nachlassverfahrens wird anderweitig auf 244.618,40 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die nach § 31 Abs. 3 S. 1 KostO zulässige Beschwerde ist im Ergebnis begründet.
Aufgrund der vom Senat durchgeführten Anhörung der Beteiligten zu 1) und 2) war der Geschäftswert auf 244.618,40 € festzusetzen. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus dem Wert des zum Nachlass zählenden bebauten H-Weg in E, der auch vom Nachlassgericht mit 155.000 € angesetzt worden ist, sowie Kontoguthaben zum Betrag von 95.085,40 € abzüglich der Beerdigungskosten in Höhe von insgesamt 5.467 €.
Das Nachlassgericht hat zutreffend gerügt, dass in nicht nachzuvollziehender Weise in dem Wertfragebogen keine Angaben zu dem Geldvermögen der Erblasserin gemacht worden sind; die entsprechenden Felder sind in dem zuerst versandten ‚Fragebogen zur Wertfestsetzung‘ leer geblieben und in dem am 19.03.2012 eingereichten Fragebogen mit einem / versehen worden. Dies erweckt Zweifel an der Richtigkeit der Angaben, weil es unwahrscheinlich ist, dass eine Erblasserin, die monatlich eine Rente bezogen hat, keinerlei Geldvermögen hinterlassen haben soll. Die Beteiligten zu 1) und 2) haben sich auch aus Sicht des Senats zu Unrecht geweigert, dem Nachlassgericht eine plausible Erklärung für diese Lücke zu geben. Die entsprechende Anforderung des Nachlassgerichts, die aus verständlichen Gründen auf den konkreten Umständen des vorliegenden Falles beruht, geht allgemeinen Hinweisen in dem von den Beteiligten zu 1) und 2) herangezogenen allgemein gehaltenen Merkblatt für die Angaben zum Wert des Nachlasses vor. Der Senat hat sich deshalb im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht (§ 26 FamFG) dazu veranlasst gesehen, die Beteiligten zu 1) und 2) im Termin vom 04.10.2012 persönlich anzuhören und diese zur Vorlage weiterer Unterlagen zu bewegen. Danach hat sich ergeben:
Die Beteiligten haben eine Kopie der Meldung der Sparkasse Vest an das Erbschaftssteuerfinanzamt vorgelegt, aus dem sich mit 95.085,40 Euro der Betrag der Bankguthaben ergibt, die zum Zeitpunkt des Todes unter dem Namen der Erblasserin geführt wurden. Vorgelegt worden ist darüber hinaus ein Nachweis für die Anlage eines Kapitalbetrages bei der E mit der Maßgabe, dass die Beteiligte zu 2) mit dem Todesfall unmittelbar Berechtigte des Guthabens ist, das somit nicht zum Nachlass gehört. Nach den nunmehr vorgelegten Unterlagen kann somit hinreichend zuverlässig ausgeschlossen werden, dass noch weitere Bankguthaben der Erblasserin vorhanden waren.
Für die Geschäftswertfestsetzung ist davon auszugehen, dass die Bankguthaben zum Betrag von 95.085,40 € dem Vermögen der Erblasserin zuzurechnen ist. Allerdings haben die Beteiligten zu 1) und 2) in ihrer mündlichen Anhörung vor dem Senat erläutert, dass ihre Mutter ihnen Weihnachten 2011 angesichts ihrer schweren Erkrankung ihr Geldvermögen im Wege der Schenkung übertragen habe. Es habe sich um mündliche Erklärungen gehandelt, die durch Übergabe von 4 Sparbüchern und der Unterlagen für das Aktiendepot an den Beteiligten zu 1) sowie der Kontokarte für das Girokonto an die Beteiligte zu 2) vollzogen worden sei. Mit der betragsmäßig erheblich höheren Zuwendung an den Beteiligten zu 2) seien gleichzeitig dessen Leistungen für das gemeinsam bewohnte Hausgrundstück ausgeglichen worden. Gegen die rechtliche Wirksamkeit einer formfreien Übertragung der Forderungen der Erblasserin aus ihrer Bankverbindung bestehen zwar nach § 398 BGB keine Bedenken. Der Senat hat sich indessen nach dem Verlauf der persönlichen Anhörung der Beteiligten zu 1) und 2) nicht die volle Überzeugung davon bilden können, dass ihre Darstellung in allen Punkten sachlich zutrifft. Die geschilderte Art und Weise der Übertragung eines erheblichen Geldvermögens ausschließlich durch mündliche Erklärung am weihnachtlichen Wohnzimmertisch begegnet nicht unerheblichen Bedenken. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass den Beteiligten zu 1) und 2) ohne eine schriftliche Unterschriftsleistung der Erblasserin ein Zugriff auf die Bankguthaben praktisch kaum möglich war, eine schriftliche Abtretungserklärung, die von der Beteiligten zu 2) unschwer hätte formuliert werden können, von der Erblasserin jedoch nicht gezeichnet worden ist.
Der Nachteil, dass eine wirksame schenkweise Übertragung der Bankguthaben auf die Beteiligten zu 1) und 2) nicht festgestellt werden kann, wirkt sich unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles zu Lasten der Beteiligten zu 1) und 2) aus. Dabei kann der Senat offen lassen, wie allgemein die materielle Feststellungslast bei der Feststellung der Nachlasszugehörigkeit von Vermögenswerten im Zusammenhang mit der Wertfestsetzung nach § 103 KostO zu beurteilen ist. Ausschlaggebend ist hier, dass die Beteiligten zu 1) und 2) nach ihren eigenen Erklärungen den ihnen erteilten Erbschein insbesondere auch dazu verwendet haben, um nach dem Tode der Erblasserin die Umschreibung der Bankguthaben entsprechend ihren Vorstellungen zu bewerkstelligen, nachdem ihnen eine schriftliche Übertragungserklärung der Erblasserin infolge des von ihnen gewählten Verfahrens gerade nicht zur Verfügung stand. Wer den Erbschein gezielt verwendet, um in den Genuss ihm zugewendeter Bankguthaben zu gelangen, weil er infolge der von ihm selbst gewählten Verfahrensweise gegenüber der Bank einen Rechtsübergang auf sich zu einem Zeitpunkt vor Eintritt des Todes der Erblasserin nachzuweisen nicht in der Lage ist, kann sich billigerweise nicht darauf berufen, dem Staat sei im Zusammenhang mit der Gebührenerhebung für den erteilten Erbschein nicht der Nachweis gelungen, dass es nicht zu einer wirksamen schenkweisen Übertragung der Guthaben bereits zu Lebzeiten der Erblasserin gekommen sei.
Soweit der Beteiligte zu 1) geltend gemacht hat, der Erbschein sei nur für Zwecke der Grundbuchberichtigung erforderlich gewesen, hat er diesen Vortrag im Senatstermin nicht aufrecht gehalten und erklärt, den Erbschein auch zur Vorlage bei der Bank benötigt zu haben.
Dieses Verfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet, § 31 Abs. 5 KostO.