· Fachbeitrag · Berufsrecht
Eine nur mündliche Vergütungsvereinbarung ist kein berufsrechtlicher Verstoß
| Mit der Frage, ob der nur mündliche Abschluss einer Vergütungsvereinbarung mit dem Mandanten ein mit dem Berufsrecht zu ahndender Verstoß gem. § 43 BRAO ist, hat sich das AnwG Hamm befasst. Es hat die Frage verneint. |
Sachverhalt
Der Rechtsanwalt hat seinen früheren Mandanten in einem strafrechtlichen Wiederaufnahmeverfahren vertreten. Bevor er für den Mandanten den Wiederaufnahmeantrag stellte, schickte er ihm eine Honorarrechnung über 2.500 EUR. In der Rechnung war vermerkt: „Der Rechnungsbetrag entspricht der bereits mündlich getroffenen Vergütungsvereinbarung.“ Der Mandant hat die Rechnung bezahlt. Später hat er gegen den Rechtsanwalt Strafanzeige wegen Betrugs erstattet und ihm vorgeworfen, ihn im Wiederaufnahmeverfahren nicht sachgerecht vertreten zu haben. Die zuständige Staatsanwaltschaft hat von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abgesehen. Der Vorstand der RAK hat dem Rechtsanwalt jedoch eine Rüge erteilt. § 3a RVG diene dem Schutz des Mandanten. Ein Verstoß hiergegen sei ein berufsrechtlicher Verstoß. Das Rechtsmittel des Rechtsanwalts (§ 74a BRAO) hatte beim AnwG Hamm Erfolg.
Entscheidungsgründe
Das AnwG weist in seinem Beschluss darauf hin, dass der Rechtsanwalt zwar gegen § 3a Abs. 1 RVG verstoßen hat, indem er eine mündliche Vergütungsvereinbarung mit seinem Mandanten geschlossen hat. Dies sei jedoch nach Auffassung des AnwG kein mit dem Berufsrecht zu ahndender Verstoß gem. § 43 BRAO (11.5.17, AnwG 52/16, Abruf-Nr. 196118).
§ 43 BRAO ist zwar als Generalklausel eine Überleitungsnorm, die die sich aus anderen gesetzlichen Regelungen mit berufsrechtlicher Relevanz ergebenden Pflichten in das anwaltliche Berufsrecht überträgt. Ob auch das Gebührenrecht des RVG dazugehört, ist umstritten. Der AnwG meint, dass dem RVG keine allgemeinen Berufspflichten entnommen werden können, weil das RVG ein Gebührengesetz ist. Auch wenn das RVG an den Anwalt anknüpft und dieser Statuspflichten unterliegt, führt dies nicht zu in dem RVG implantierten Berufspflichten. Nicht in jedem Verstoß gegen Regelungen des RVG ist zugleich über § 43 BRAO ein Berufsrechtsverstoß zu sehen.
Relevanz für die Praxis
Die Frage, ob ein Verstoß gegen Regelungen des RVG zu einem Berufsrechtsverstoß führt, ist in der Literatur umstritten (verneint von Gaier/Wolf/Göcken, BRAO, 2. Aufl., § 43 BRAO Rn. 30; bejaht von Prütting, in Henssler/Prütting, BRAO, § 43 BRAO Rn. 12). Zutreffend ist es, diese Frage mit dem AnwG zu verneinen. Für die Annahme eines berufsrechtlichen Verstoßes muss man nämlich auch darauf abstellen, dass der Gesetzesverstoß über seine Auswirkungen im Einzelfall hinaus geeignet sein muss, das Vertrauen in die Kompetenz und die Integrität der Anwaltschaft zu beeinträchtigen und damit die Funktion der Anwaltschaft im System der Rechtspflege zu stören (so Prütting a. a. O. Rn. 24; vgl. zuletzt auch AnwG Frankfurt AG 17, 125). Es muss daher geprüft werden, ob immer allein in dem Umstand, dass eine formell unwirksame Gebührenvereinbarung getroffen wurde, ein Berufsrechtsverstoß liegt. Bejaht man das, würde das auch bedeuten, dass eine Gebührenvereinbarung, die nicht als solche oder in vergleichbarer Weise bezeichnet ist, immer zu einem Berufsrechtsverstoß führen würde. Auch damit verstößt der Rechtsanwalt gegen eine Vorschrift aus dem RVG.
Hinzu kommt, dass nicht allein der Abschluss einer formunwirksamen Vereinbarung in jedem Fall dazu führt, dass das Vertrauen in die Integrität der Anwaltschaft verletzt wird. Zwar muss von jedem Rechtsanwalt erwartet werden können, dass er in der Lage ist, eine formwirksame Gebührenvereinbarung zu treffen. Jedoch stellt ein Verstoß hiergegen eben nicht zugleich einen berufsrechtlichen Verstoß dar. Die Folgen dieses Verstoßes werden gebührenrechtlich durch § 4b RVG dahin geregelt, dass dem Rechtsanwalt dann höhere als die gesetzlichen Gebühren nicht zustehen. Das ist Strafe genug. Das gebührenrechtliche Unvermögen des Rechtsanwalts muss nicht noch zusätzlich mit einer berufsrechtlichen Sanktion geahndet werden. Etwas anderes kann gelten, wenn die Art und Weise des Verhaltens des Rechtsanwalts und besondere Umstände dazu führen, dass keine gewissenhafte Berufsausübung mehr vorliegt und sein Verhalten mit der Stellung des Rechtsanwalts nicht mehr zu vereinbaren ist. Das könnte man ggf. annehmen, wenn der Mandant durch Druck dazu gebracht worden ist, der Vergütungsvereinbarung zuzustimmen.