· Fachbeitrag · Haftungsrecht
Haftungsfalle Präklusion vermeiden
von OStA Raimund Weyand, St. Ingbert
| Verspätetes Vorbringen kann im Zivilverfahren unter den strengen Voraussetzungen der § 296, § 530 ZPO zurückgewiesen werden. Dieser Ausschluss von Einwendungen (Präklusion) kann zu Regressproblemen führen, wenn der Anwalt die Verspätung zu vertreten hat. |
1. Die Präklusionsbestimmungen haben Ausnahmecharakter
Wegen ihrer einschneidenden Konsequenzen für die betroffene Partei haben die Präklusionsbestimmungen Ausnahmecharakter. Das betont die Rechtsprechung immer wieder (s. etwa BGH 3.7.12, VI ZR 120/11 m. w. N.). Doch andererseits können auch nur geringfügige Verspätungen zu einer Verzögerung i. S. d. § 296 ZPO führen. Denn eine Verzögerung liegt schon vor, „wenn bei Zulassung des nachgeholten Sachvortrags der Rechtsstreit länger dauern würde als bei Zurückweisung dieses Vorbringens“ (BGH 12.7.79, VII ZR 284/78).
Hierfür ist stets ein vorwerfbares Verhalten der zurückgewiesenen Prozesspartei erforderlich. Der stationäre Krankenhausaufenthalt einer Partei kann verspäteten Vortrag exkulpieren (OLG Hamm 15.2.91, 12 U 143/90). Eine Entschuldigung muss indes sofort erfolgen (OLG Köln 16.2.07, 3 U 145/06). Eine Nachholung in der zweiten Instanz ist nur möglich, wenn sie im ersten Rechtszug schuldlos unterblieben ist (BVerfG 14.4.87, 1 BvR 162/84). Eine Überlastung des Anwalts entschuldigt dagegen nicht. Er kann Fristverlängerung beantragen (§ 224 Abs. 2 ZPO, § 340 Abs. 3 ZPO; BGH 12.7.79, VI ZR 284/78).
Besondere Beachtung gilt dabei dem verfassungsrechtlich verankerten Grundsatz rechtlichen Gehörs (Art. 103 GG). So darf verspätetes Vorbringen insbesondere dann nicht ausgeschlossen werden, wenn offenkundig ist, dass dieselbe Verzögerung auch bei rechtzeitigem Vortrag eingetreten wäre. Anderenfalls könnten „Überbeschleunigungen“ eintreten, die rechtswidrigerweise dazu führen, dass ein Prozess wegen Präklusion viel schneller beendet wird als im normalen Verfahren (grundlegend BVerfG 5.5.87, 1 BvR 903/85).
2. Das Gericht muss eine Frist nach § 296 Abs. 1 ZPO setzen
Verspätung i. S. d. § 296 Abs. 1 ZPO setzt voraus, dass das Gericht eine eindeutige Frist bestimmt, die die betreffende Partei ungenutzt verstreichen lässt. Erforderlich sind hierzu:
- Eine richterlich unterzeichnete unzweideutige Verfügung, die zugestellt werden muss (BGH 5.3.90, II ZR 109/89).
- Eine damit verbundene unmissverständliche Belehrung über die Folgen einer etwaigen Säumnis (§ 277 Abs. 2 ZPO). Diese muss vor allem zweifelsfrei deutlich machen, dass die Verteidigung gegen den klageweise geltend gemachten Anspruch nur innerhalb der gesetzten Frist möglich und danach eine Abwehr abgeschnitten ist (BGH 16.5.91, III ZR 82/90).
3. Partei muss alle Angriffs- und Verteidigungsmittel nennen
Die Partei muss im Prozess alles vortragen, was für den Streit relevant ist. Sie muss alle Angriffs- und Verteidigungsmittel nutzen, die nach der Prozesslage von Bedeutung sind. Prozesstaktische Erwägungen rechtfertigen es nicht, entscheidungserheblichen Vortrag zurückzuhalten (BGH 16.6.16, V ZR 238/15). Präkludiert sind nach wirksamer Fristsetzung alle Sachverhalte und Beweismittel, die der Partei bekannt sind. Spezielle Ermittlungspflichten bestehen aber nur unter besonderen Umständen, z. B. wenn Name und Anschrift eines potenziellen Zeugen durch bloßes Nachfragen bei auskunftsbereiten Dritten erfragt werden können (OLG Celle 28.10.09, 14 U 77/09).
4. Das Gericht muss den Termin seinerseits vorbereiten
Im Fall einer möglichen Zurückweisung muss das Gericht § 273 ZPO im Auge behalten, wonach weitreichende Prozessförderungspflichten bestehen. Selbst nach Fristablauf können so Verzögerungen kompensiert werden. Dazu muss der Sachvortrag rechtzeitig vor dem anberaumten Termin erfolgen, damit das Gericht noch vorbereitende Maßnahmen treffen kann. Dies gilt insbesondere bei einer weiträumigen Terminierung (BGH 23.9.03, VI ZR 305/02). Und die Maßnahmen müssen im konkreten Einzelfall dem Gericht zumutbar sein.
|
Zumutbare gerichtliche Maßnahmen:
Nicht zumutbare gerichtliche Maßnahmen:
|
Geht ein Schriftsatz fristgemäß vor dem Termin beim Gericht ein, muss es diesen berücksichtigen, auch wenn er in der Verhandlung noch nicht vorliegt (OLG Düsseldorf 7.11.97, 7 U 106/97). Dabei muss ein solches Dokument spätestens einen Werktag nach Eingang bei Gericht auch dem Richter vorliegen. Verzögernde Probleme im gerichtlichen Geschäftsgang dürfen sich nicht zulasten einer Partei niederschlagen (BVerfG 16.6.95, 2 BvR 2623/93). Präklusionen entfallen, wenn das Gericht selbst Fehler macht, die zu Verzögerungen führen (grundlegend BVerfG 24.4.85, 2 BvR 1248/82).
|
|