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  • · Fachbeitrag · Berufsrecht

    Dies ist bei interprofessioneller Berufsausübung mit Ärzten oder Apothekern zu berücksichtigen

    von RA Torsten Münnch, FA Medizinrecht, Dierks + Bohle Rechtsanwälte, Berlin

    | Das BVerfG hat § 59a BRAO für verfassungswidrig erklärt, soweit darin einem Rechtsanwalt die gemeinschaftliche Berufsausübung mit Ärzten und/oder Apothekern im Rahmen einer Partnerschaftsgesellschaft untersagt war. Wer jetzt daran denkt, sich mit solchen Berufsfremden zusammenzuschließen, sollte einiges beachten. |

    1. Welche Sozietätsform wird nun möglich?

    Das BVerfG (12.1.16, 1 BvL 6/13, Abruf-Nr. 146453) trifft einige klare Aussagen, die einer möglichen Sozietätsform enge Grenzen setzen:

     

    • Zunächst einmal ist festzuhalten, dass der Beschluss nur den Zusammenschluss mit Ärzten und Apothekern ermöglicht. Über die Sozietätsfähigkeit anderer Berufsfremder wie z. B. Architekten, Ingenieure, Sachverständige, Journalisten oder beratende Volks- oder Betriebswirte hat das BVerfG keine Aussage getroffen.

     

    • Außerdem gilt die Bindungswirkung des § 31 BVerfGG nur für eine ganz bestimmte Gesellschaftsform, nämlich die Partnerschaftsgesellschaft. Darüber hinaus wird man aus der konkret entschiedenen Fallgestaltung ableiten müssen, dass nur Zusammenschlüsse mit lediglich gutachterlich-beratend tätigen Ärzten oder Apothekern ermöglicht werden. Ohnehin stünden der Ausübung der Heilkunde oder dem Betrieb einer Apotheke die ärztlichen Berufsordnungen (vgl. § 32c Musterberufsordnung-Ärzte) bzw. das apothekenrechtliche Partnerschaftsgesellschaftsverbot (§ 8 S. 1 Apothekengesetz) entgegen.

     

    • Schließlich zielt der Beschluss nur auf natürliche Personen. Ob zukünftig auch Sozietäten mit z. B. einer ärztlichen Berufsausübungsgemeinschaft (früher: Gemeinschaftspraxis) als Gesellschafterin zulässig sind, hat das BVerfG nicht entschieden.

     

    Bis zu einer entsprechenden Änderung des § 59a BRAO müssen insbesondere die Rechtsanwaltskammern die nicht für verfassungswidrig erklärten Teile der Norm weiter anwenden, weil die Verwerfungskompetenz beim BVerfG monopolisiert ist. Ein langer Gang durch die Instanzen wäre in diesen Fällen unerlässlich.

     

    Zeitnah realisieren lassen sich deshalb nur Partnerschaftsgesellschaften, in denen sich der Arbeitsbeitrag des Arztes oder Apothekers auf eine beratende oder gutachterliche Tätigkeit beschränkt. Hier muss also das fachfremde Know-how in die Arbeit des Anwalts unterstützend einfließen.

    2. Wann wird die Sozietät interessant?

    Obwohl die aktuell möglichen Varianten der Zusammenarbeit (noch) nicht groß sind, kann bei entsprechendem Mandatsaufkommen bzw. -potenzial eine Sozietätsbildung interessant sein. Vor allem gilt dies für Arzthaftungskanzleien. Der Anwalt kann aber auch medizinkundige Unterstützung gut gebrauchen, wenn er Ärzte in Auseinandersetzungen mit den zahlreichen Einrichtungen des gesetzlichen Krankenversicherungssystems (z. B. Kassenärztlichen Vereinigungen) vertritt. Gleiches gilt für Apotheker im Retaxationsmandat, wenn also die Krankenkasse des Kassenpatienten das herausgegebene Arzneimittel nicht vergüten will. Nicht immer ist der eigentlich kundige Mandant willens oder gar in der Lage, die medizinischen oder pharmazeutischen Hintergründe hinreichend verständlich zu erläutern. Unabhängig davon dürfte es jedenfalls ein echtes Plus im Markt sein, wenn im Namen der Partnerschaft die Berufsbezeichnung „Arzt“ bzw. „Apotheker“ vertreten ist ‒ und wegen § 2 Abs. 1 PartGG vertreten sein muss.

    3. Kann die Haftung beschränkt werden?

    Die Variante der Partnerschaft mit beschränkter Berufshaftung (PartGmbH) kann allerdings nicht gewählt werden. Es fehlt derzeit noch an den nach § 8 Abs. 4 PartGG erforderlichen landesrechtlichen Sondervorschriften zur Berufshaftpflichtversicherung der Ärzte und Apotheker. Somit bleibt es bei der Grundform der Partnerschaftsgesellschaft.

    4. Was gilt hinsichtlich der Beiträge des Arztes?

    Im Partnerschaftsvertrag sollte sauber festgehalten werden, welche Beiträge der Arzt oder Apotheker leisten muss. Von finanziellen Beiträgen (Einlagen) abgesehen, kann es sich inhaltlich ‒ wie erwähnt ‒ nur um gutachterliche oder sonst beratende Tätigkeiten des Arztes oder Apothekers handeln.

     

    Musterformulierung / Beiträge des Arztes

    Der Partner zu 2 [Arzt] schuldet alle zum ärztlichen Berufsbild gehörenden beratenden oder gutachterlichen Tätigkeiten sowohl gegenüber den übrigen Partnern als auch gegenüber Mandanten der Partnerschaft.

     

    5. Was gilt, wenn der Arzt einen Facharzttitel führt?

    Führt der Arzt einen Facharzttitel (z. B. Facharzt für Augenheilkunde), muss sich die Beratungstätigkeit grundsätzlich auf den Inhalt des Fachgebiets (also Augenheilkunde) beschränken. Dies sehen die von den Landesärztekammern aufgrund des jeweiligen Heilberufe- und Kammergesetzes erlassenen Weiterbildungsordnungen unisono vor. Fachgebietsfremde Beratungstätigkeit kann nur in einem nicht wesentlichen Umfang vereinbart werden (zur Reichweite BVerfG 1.2.11, 1 BvR 2383/10, Abruf-Nr. 110731). Um diese Beschränkung zu verhindern, müsste der Arzt auf das Führen des Facharzttitels verzichten. Der Verzicht muss nicht gegenüber der Ärztekammer erklärt, sondern nur tatsächlich umgesetzt werden. Mit der verbleibenden Bezeichnung „Arzt“ kann dann die Beratungstätigkeit losgelöst von Fachgebietsgrenzen erfolgen. Bei Apothekern besteht ein ähnliches Problem nicht. Im dortigen Weiterbildungsrecht gibt es keine Beschränkung auf Gebietsgrenzen.

    6. Was gilt, wenn der Arzt eine Kassenpraxis betreibt?

    Der zeitliche Umfang der Beratungstätigkeit ist im Partnerschaftsgesellschaftsvertrag grundsätzlich frei vereinbar. Dies gilt aber nicht mehr, wenn der Arzt parallel eine Kassenpraxis oder der Apotheker eine Apotheke betreibt. Nach § 20 Abs. 2 Ärzte-Zulassungsverordnung darf ein Vertragsarzt keine Nebentätigkeit ausüben, die zu einer übermäßigen Einschränkung seiner Vertragsarzttätigkeit führt. 13 Wochenstunden sind unproblematisch. Ein weitergehender Umfang sollte außerhalb der üblichen Kernöffnungszeiten einer Kassenpraxis liegen (dazu BSG 16.12.15, B 6 KA 5/15 R).

     

    Bei Apothekern ist das Leitbild des „Apothekers in seiner Apotheke“ zu beachten. Nach § 2 Abs. 2 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) muss der Apothekenleiter die Apotheke persönlich leiten. Er kann sich nach § 2 Abs. 5 ApBetrO nur insgesamt drei Monate im Jahr vertreten lassen.

     

    Musterformulierung / Zeitlicher Umfang der Tätigkeit

    Der zeitliche Umfang sämtlicher Beitragspflichten des Partners zu 2 [Arzt] ist beschränkt auf 13 Stunden in der Woche. Einzelheiten bleiben einem Gesellschafterbeschluss vorbehalten, der zwingend die Sprechzeiten der vom Partner zu 2 geführten Arztpraxis zu beachten hat, soweit diese üblich oder gesetzlich erforderlich sind. Ein über Satz 1 hinausgehender zeitlicher Umfang kann der Partner zu 2 freiwillig leisten, wenn die anderen Partner ihr vorheriges Einverständnis erklärt haben.

     

    7. Ist eine pro-forma-Partnerschaft möglich?

    Es ist nicht möglich, den Arzt oder Apotheker ohne Tätigkeitsverpflichtung lediglich als Namensgeber in die Partnerschaft aufzunehmen, z. B. aus Imagegründen. Der Beruf muss in der Partnerschaft tatsächlich ausgeübt werden (vgl. § 1 Abs. 1 S. 1, § 3 Abs. 2 Nr. 2, § 6 Abs. 2 und § 9 Abs. 3 PartGG).

    8. Was ist sonst noch zu berücksichtigen?

    Im Übrigen ‒ insbesondere im Hinblick auf die Gewinnverteilung, die Geschäftsführung und Vertretung und die Ausscheidensregeln ‒ gelten im Vergleich zu sonstigen partnerschaftsgesellschaftlichen Zusammenschlüssen keine Besonderheiten.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Die Entscheidung des BVerfG haben wir in AK 16, 38 vorgestellt
    Quelle: Ausgabe 05 / 2016 | Seite 82 | ID 44001951