Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · NW-Handel

    Rechtsprechungsreport ‒ Die wichtigsten Urteile des Jahres 2019 zum NW-Handel auf einen Blick

    | Obwohl die Gerichte mit Dieselklagen förmlich zugeschüttet sind, mussten auch normale Autokauf-Streitigkeiten abgearbeitet werden. Was dabei im Segment NW-Handel herausgekommen ist, fasst ASR für Sie nachfolgend zusammen. |

    Sachmangel bejaht

    Die Gerichte haben einen Sachmangel bejaht

    •  
    • PRAXISTIPP | Für die 3.0 TDI-Motoren (EA896 und EA897) in Fahrzeugen aus dem VW-Konzern inkl. Porsche gibt es noch keine vergleichbar wegweisende Entscheidung des BGH. Die unteren Gerichte entscheiden ohne klare Linie. Gleiches gilt für Gewährleistungsklagen von Mercedes- und BMW-Käufern.

       

    Sachmangel verneint

    • Kein erheblicher, zum Rücktritt berechtigender Mangel liegt vor, wenn an einem neuen Wohnmobil eine Dekoscheibe infolge eines Herstellerfehlers ungenügend befestigt ist und während der Fahrt herausfällt. Bei Mängelbeseitigungskosten von 1.157,25 Euro brutto, weniger als zwei Prozent des Kaufpreises, ist die Bagatellgrenze nicht überschritten (OLG Brandenburg, Urteil vom 06.08.2019, Az. 3 U 137/17, Abruf-Nr. 212634).

     

    • Bei Kenntnis von der Mangelhaftigkeit im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ist die Haftung des Verkäufers definitiv ausgeschlossen, bei grob fahrlässiger Unkenntnis kann sie es sein (§ 442 Abs. 1 BGB). Zulasten von Dieselkäufern haben die Gerichte mit dieser Regelung argumentiert, sofern der Kaufvertrag über ein Fahrzeug mit Motor EA189 deutlich nach dem Auffliegen des VW-Abgasskandals und der medialen Berichterstattung, beginnend mit dem 22.09.2015, zustande gekommen ist (OLG Celle, Beschluss vom 27.05.2019, Az. 7 U 335/18, Abruf-Nr. 212635 ‒ Golf 2.0 TDI, Kauf in 8/2016). Ein zusätzlicher Hinweis in den Kaufvertragsunterlagen wie „Motor EA 189 (Abgasskandal)“ hat sich als hilfreich herausgestellt (OLG Hamm, Urteil vom 30.04.2019, Az. 34 U 91/18, Abruf-Nr. 212636 ‒ Kauf in 6/2016; LG Freiburg, Urteil vom 25.01.2019, Az. 14 O 275/17, Abruf-Nr. 212637 ‒ Kauf eine Woche nach Bekanntwerden des Skandals).

     

    • Wenn der Käufer vom Vorhandensein der „Schummelsoftware“ Kenntnis hat, ist das Aufspielen des Software-Updates kein Akt der Nachbesserung. Dass das Update negative Nebenwirkungen hat, muss deshalb der Käufer beweisen (LG Frankfurt a. M., Urteil vom 01.07.2019, Az. 2-33 O 127/18, Abruf-Nr. 211047).

    Nacherfüllungsprobleme ‒ immer noch kein Ende in Sicht

    • Ort der Nacherfüllung: Oft hängt es rechtlich am seidenen Faden, wo zu prüfen und ggf. zu schrauben ist. Ist der Kunde ein Verbraucher und wohnt er nicht um die Ecke, ist der Händler gut beraten, ihm den Ort mitzuteilen, wo das angeblich mangelhafte Fahrzeug für die Überprüfung bereitzustellen ist. In aller Regel ist es seine Firma. Aber es gibt Ausnahmen. Nach dem Urteil des EuGH vom 23.05.2019 (Rs. C-52/18, Abruf-Nr. 209278) darf der Händler den Verbraucher nicht hängen lassen. Ihm bei Betriebsunfähigkeit mit Notwendigkeit eines Transports auf fremder Achse entgegenzukommen, z. B. durch ein Abholangebot, ist im Zweifel der sicherste Weg.

     

    • Ersatzlieferung auch bei Modellwechsel: Besonders in VW-Diesel-Fällen war bis zur Entscheidung des BGH (Beschluss vom 08.01.2019, Az. VIII ZR 225/17, Abruf-Nr. 207490) heftig umstritten, ob ein NW-Käufer im Wege der Nacherfüllung einen Ersatzwagen aus der aktuellen Serie verlangen kann, wenn das neue Modell in optischen und technischen Details von dem mangelhaften, nicht weiterproduzierten Modell abweicht. Der BGH hat diese Frage überraschenderweise bejaht. Die unteren Gerichte sind ihm gefolgt. Kontrovers beurteilt werden nur noch besondere Fallgestaltungen. Z. B. der Kauf eines (mangelhaften) Auslaufmodells (pro Ersatzlieferung aus der laufenden Serie auch hier OLG Stuttgart, Urteil vom 29.07.2019, Az. 5 U 45/18, Abruf-Nr. 210447; dagegen händlergünstig OLG Koblenz, Urteil vom 09.09.2019, Az. 12 U 773/18, Abruf-Nr. 212092).

     

    • Ersatzlieferung auch noch nach Software-Update: Ist infolge eines Software-Updates alles paletti, ist für einen anschließend geltend gemachten Anspruch auf Ersatzlieferung (= Neulieferung) kein Raum mehr. Was aber, wenn der Käufer behauptet, das Update habe nichts gebracht, die Situation sogar wegen etlicher Nebenwirkungen verschlimmert? Nach Ansicht des KG Berlin in einem EA189-Fall (Tiguan 2.0) ist der Käufer für diese Behauptung beweispflichtig (Beschluss vom 30.04.2019, Az. 21 U 49/18, Abruf-Nr. 212638).

     

    • Der Einwand des Verkäufers, die Kosten der Ersatzlieferung seien unverhältnismäßig hoch (ab 01.01.2018 § 439 Abs. 4 BGB): Dass der Händler den Einwand auch noch während des laufenden Nacherfüllungsprozesses bringen kann, hat der BGH längst entschieden. Was aber, wenn der Käufer schon den Rücktritt erklärt hat? Kann der Einwand auch jetzt noch erhoben werden? Nein, sagt das OLG München (Urteil vom 20.03.2019, Az. 20 U 3637/18, Abruf-Nr. 212639 (kein Kfz-Kauf).
    •  
    • Ob der Einwand inhaltlich berechtigt ist, weil die Kosten der verlangten Nacherfüllung unverhältnismäßig hoch sind, ist für den Händler und seinen Anwalt nur schwer zu prognostizieren. In Diesel-Fällen urteilen die Gerichte mal so, mal so:
    •  

    Verhandlungen während laufender Nachbesserungsfrist

    Scheitern die Verhandlungen aus Gründen, die der Händler zu vertreten hat, so darf der Käufer sich auf den Ablauf der von ihm gesetzten Nachbesserungsfrist berufen; er muss keine neue Frist setzen (OLG Brandenburg, Urteil vom 06.08.2019, Az. 3 U 137/17, Abruf-Nr. 212634 ‒ Wohnwagenkauf mit nicht akzeptablem Tauschangebot des Händlers).

    Sonstiges

    • Irreführende Werbung: Erweckt die Werbung eines Autohändlers den Eindruck, dass ein angebotenes „Neufahrzeug“ zu dem angegebenen Preis von jedermann gekauft werden kann, gilt der Preis aber nur, wenn für den Wagen eine Tageszulassung vorgenommen wird und zum anderen nur für die Verbraucher, die ein Gebrauchtfahrzeug in Zahlung geben, liegt bezüglich beider Punkte eine „dreiste Lüge“ vor (OLG Köln, Urteil vom 05.04.2019, Az. 6 U 179/18, Abruf-Nr. 208595; siehe ASR 6/2019, Seite 19 → Abruf-Nr. 45894696).

     

    • Neu im Sinne von § 2 Nr. 1 PKW-EnVKV: Der Händler war der Auffassung, er sei zu den Hinweisen gemäß § 3 PKW-EnVKV nicht verpflichtet gewesen, da das auf einer Messe ausgestellte Fahrzeug angesichts seiner Laufleistung und seines Alters nicht neu im Sinne von § 2 Nr. 1 PKW-EnVKV gewesen sei. Abgesehen davon sei der von ihm auf dem Messestand angebrachte Hinweis ausreichend gewesen. In beiden Punkten konnte er sich mit seiner Argumentation nicht durchsetzen (OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 25.07.2019, Az. 6 U 160/18, Abruf-Nr. 212644).

     

    • Fernabsatz: Ein auch für den NW-Handel bedeutsames Urteil hat das LG Osnabrück in einer GW-Sache gefällt, in der alles ‒ von der Internetanzeige bis zum Vertragsschluss ‒ online gelaufen war. Dennoch war es kein Fernabsatzgeschäft mit Widerrufsrecht für den Verbraucher (LG Osnabrück, Urteil vom 16.09.2019, Az. 2 O 683/19, Abruf-Nr. 211500). Begründung: Das Autohaus habe die Vermutungsregel des § 312c BGB widerlegt und substanziiert dargelegt, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems stattgefunden habe.
    Quelle: Ausgabe 01 / 2020 | Seite 15 | ID 46271712