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  • · Fachbeitrag · § 20 EStG

    Scheinrenditen aus betrügerischen Anlagemodellen

    Wenn Kapital gegen Entgelt überlassen wird, ist der Einkunftstatbestand des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG erfüllt, wobei alle Entgelte, die für eine Kapitalüberlassung im weitesten Sinne zufließen, anzusetzen sind. Dabei ist es ohne Belang, ob die Beträge tatsächlich erwirtschaftet worden sind und ob die Anleger des Kapitals insoweit einen zivilrechtlich durchsetzbaren Anspruch besessen haben, sodass auch sog. Scheinrenditen hierunter fallen.

     

    Sachverhalt

    Streitig war, ob die Steuerpflichtige in den Streitjahren 2007 bis 2010 durch ihre Beteiligungen an Anlagemodellen Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielt hatte.

     

    Entscheidung

    Nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art, wenn die Rückzahlung des Kapitalvermögens oder ein Entgelt für dessen Überlassung zur Nutzung zugesagt oder geleistet worden ist, auch wenn die Höhe der Rückzahlung oder des Entgelts von einem ungewissen Ereignis abhängt. Dies gilt nach Satz 2 der Bestimmung unabhängig von der Bezeichnung und der zivilrechtlichen Ausgestaltung der Kapitalanlage.

     

    Für eine Zuordnung der zugeflossenen Beträge zu den Einkünften i. S. v. §§ 2 Abs. 1 Nr. 5, 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG ist es ohne Belang, ob die Beträge tatsächlich erwirtschaftet worden sind und ob die Anleger einen zivilrechtlich durchsetzbaren Anspruch besaßen. Auch wenn Kapital zum Aufbau oder Erhalt eines sogenannten „Schneeballsystems“ verwendet wird und dem Anleger aus dem Kapital anderer getäuschter Anleger oder gar aus seinem eigenen Kapital eine „Scheinrendite“ gezahlt wird, liegen Einkünfte aus Kapitalvermögen vor.

     

    Einnahmen i. S. d. § 8 Abs. 1 EStG sind dem Steuerpflichtigen gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG zugeflossen, sobald der Steuerpflichtige über sie wirtschaftlich verfügen kann. Eine Gutschrift kann auch ohne Zahlung einen Zufluss bewirken, wenn in der Gutschrift nicht nur das buchmäßige Festhalten einer Schuld zu sehen ist, sondern darüber hinaus zum Ausdruck gebracht wird, dass der Betrag dem Berechtigten von nun an zur Verwendung zur Verfügung steht.

     

    Ein Zufluss kann zudem durch eine gesonderte Vereinbarung zwischen Schuldner und Gläubiger bewirkt werden, dass der Betrag fortan aus einem anderen Rechtsgrund geschuldet werden soll. In dieser Schuldumschaffung (Novation) kann eine Verfügung des Gläubigers über seine bisherige Forderung liegen, die einkommensteuerrechtlich so zu werten ist, als ob der Schuldner die Altschuld durch tatsächliche Zahlung beglichen hätte (=Zufluss beim Gläubiger) und der Gläubiger den vereinnahmten Betrag infolge des neu geschaffenen Verpflichtungsgrundes dem Schuldner sofort wieder zur Verfügung gestellt hätte (=Wiederabfluss des Geldbetrages beim Gläubiger). Der zuletzt beschriebene lange Leistungsweg wird durch die Novationsvereinbarung lediglich verkürzt, indem auf den überflüssigen Umweg der Aus- und Rückzahlung des Geldbetrags verzichtet wird.

     

    Von einem Zufluss der Altforderung i. S. v. § 11 Abs. 1 EStG kann in derartigen Fällen der Schuldumschaffung dann ausgegangen werden, wenn sich die Novation als Folge der Ausübung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht des Gläubigers (Steuerpflichtigen) über den Gegenstand der Altforderung darstellt, also auf einem freien Entschluss des Gläubigers beruht.

     

    Gutschriften oder die Wiederanlage von Renditen in Schneeballsystemen führen zu Einnahmen aus Kapitalvermögen, wenn der Betreiber des Schneeballsystems bei Erteilung der Gutschriften oder der Wiederanlage leistungsbereit und -fähig ist. Der Anleger muss bei beiden „Zuflusstatbeständen“ im Zeitpunkt der Gutschrift oder Novation in den Büchern des Betreibers des Schneeballsystems tatsächlich in der Lage gewesen sein, die Auszahlung ohne weiteres Zutun herbeizuführen.

     

    Von einem nicht mehr leistungsbereiten und -fähigen Betreiber eines Schneeballsystems kann vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über dessen Vermögen aber erst ausgegangen werden, wenn dieser auf einen Auszahlungswunsch des Anlegers hin eine sofortige Auszahlung ablehnt und stattdessen über anderweitige Zahlungsmodalitäten verhandelt. Ob eine Deckungslücke zwischen den dem Betreiber des Schneeballsystems tatsächlich zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln und den tatsächlich bestehenden Forderungen aller Anleger, wenn diese hypothetisch gleichzeitig zu befriedigen wären, im Zeitpunkt der Novation oder Gutschrifterteilung bestanden hat, ist hingegen unbeachtlich. Aus einer solchen Deckungslücke lässt sich für die Frage des Zuflusses von Erträgen jedenfalls so lange nichts herleiten, wie das Schneeballsystem als solches funktioniert, d. h. die Auszahlungsverlangen der Anleger ohne Einschränkung bedient werden.

     

    FAZIT | Im Streitfall war das FG von einem Zufluss der Renditen ausgegangen. Denn ein Zufluss der (wiederangelegten) Beträge ließ sich zum einen aus den Gutschriften, die alle Anleger automatisch und standardmäßig nach einheitlichem Muster jährlich erhielten, begründen. In sämtlichen Fällen waren formularmäßige jährliche Mitteilungen über die Verlängerung und Höhe der Beteiligung an die jeweiligen Anleger erfolgt. Die regelmäßigen Mitteilungen enthielten standardmäßige Ausführungen darüber, wie sich der Wert der einzelnen Beteiligung voraussichtlich entwickeln werde. Die Anleger wurden darauf hingewiesen, dass sie bei abweichender Wertermittlung separat benachrichtigt würden. Ein Zufluss der wiederangelegten Beträge ergab sich zudem aus den abgeschlossenen Novationsvereinbarungen.

     

    Fundstelle

    Quelle: ID 48630295

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