· Fachbeitrag · § 33 EStG
Aufwendungen für PID mit nachfolgender künstlicher Befruchtung
Sachverhalt
Bei dem Partner der im Streitjahr (2019) ledigen Steuerpflichtigen besteht eine chromosomale Translokation, welche mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu führt, dass ein auf natürlichem Weg gezeugtes gemeinsames Kind an schwersten körperlichen oder geistigen Behinderungen leiden würde und unter Umständen nicht lebensfähig ist.
Aus diesem Grund begaben sich die Steuerpflichtige und ihr Partner zum Ende des Jahres 2018 in Behandlung.
In ihrer Einkommensteuererklärung beantragte die Steuerpflichtige den Abzug von Aufwendungen im Zusammenhang mit der künstlichen Befruchtung i. H. v. rund 23.000 EUR als außergewöhnliche Belastungen. Hierbei handelte es sich im Wesentlichen um Kosten für an die Steuerpflichtige adressierte Rechnungen und auf sie ausgestellte Rezepte, die teilweise von ihr gezahlt, teilweise aber auch von ihrem Partner beglichen wurden. Das FA lehnte eine Berücksichtigung der Behandlungskosten ab. Das FG gab der Klage statt.
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Entscheidung des FG und wie die Revision des FA zurück.
Die durchgeführten Behandlungsmaßnahmen der PID i. V. m. der künstlichen Befruchtung der Steuerpflichtigen waren medizinisch indiziert, um die Krankheit des Partners auszugleichen und mithin deren nachteilige Folgen zu umgehen. Denn die durch die chromosomale Translokation des Partners der Steuerpflichtigen entstehende Gefährdung des Kindes bei natürlicher Befruchtung konnte durch eine PID einschließlich nachfolgender künstlicher Befruchtung umgangen werden.
Unerheblich ist, dass mit den ärztlichen Maßnahmen nicht bezweckt ist, die Ursachen der chromosomalen Translokation zu beseitigen. Denn dem Begriff der Linderung einer Krankheit wohnt gerade nicht inne, dass damit auch eine Behebung ihrer Ursachen verbunden ist. Von der Linderung einer Krankheit kann vielmehr schon dann gesprochen werden, wenn die ärztliche Tätigkeit auf die Abschwächung oder eine partielle oder völlige Unterbindung von Krankheitsfolgen gerichtet ist.
Da die ärztlichen Maßnahmen in ihrer Gesamtheit dem Zweck dienten, eine durch Krankheit beeinträchtigte körperliche Funktion des Partners der Steuerpflichtigen auszugleichen, sind ausnahmsweise auch die Aufwendungen für die Behandlungsschritte, die bei der gesunden Steuerpflichtigen vorzunehmen waren, zwangsläufig entstanden. Denn wegen der biologischen Zusammenhänge konnte ‒ anders als bei anderen Erkrankungen ‒ durch eine medizinische Behandlung allein des Partners der Steuerpflichtigen keine Linderung der Krankheit eintreten.
Entsprechend steht es der Zwangsläufigkeit der an der Steuerpflichtigen vorgenommenen Behandlungsmaßnahmen nicht entgegen, dass hierfür ein anomaler Zustand aufseiten ihres Partners ursächlich war.
Der Abziehbarkeit steht auch nicht entgegen, dass die Steuerpflichtige und ihr Partner nicht verheiratet waren. Denn in Fällen künstlicher Befruchtung können grundsätzlich auch Behandlungsmaßnahmen von nicht verheirateten Partnern als außergewöhnliche Belastungen abziehbar sein. Dies gilt auch für Behandlungsmaßnahmen, die an dem selbst nicht erkrankten Partner vorzunehmen sind, soweit diese aufgrund untrennbarer biologischer Zusammenhänge zur Linderung einer Krankheit erforderlich sind.
Fundstelle
- BFH 29.2.24, VI R 2/22, iww.de/astw, Abruf-Nr. 241432