02.10.2019 · IWW-Abrufnummer 211468
Hessisches Finanzgericht: Urteil vom 06.03.2019 – 7 K 739/15
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Hessisches Finanzgericht
7. Senat
06.03.2019
7 K 739/15
Tatbestand
1
Die Beteiligten streiten über die Frage der Anwendung des § 15b EStG im Zusammenhang mit einem im Jahr 2006 erfolgten Erwerb fremdfinanzierter Inhaberschuldverschreibungen.
2
Die Klägerin ist am xx.xx. 2006 gegründet worden. Kommanditisten sind Kommanditist 1 mit einem Ergebnisanteil von 83,80 v.H. und Kommanditist 2 mit einem Ergebnisanteil von 15,80 v.H. Atypisch stiller Gesellschafter ist St mit einem Ergebnisanteil von 0,40 v.H. Herr Kommanditist 1 ist als sogenannter geschäftsführender Kommanditist zur Geschäftsführung berufen. Komplementärin ohne vermögenswerte Beteiligung war in 2006 eine in 1974 errichtete X GmbH. Gesellschaftszweck der Klägerin ist der Erwerb und die Verwaltung von Wertpapieren, Schuldverschreibungen, Schuldscheindarlehen und sonstiger Instrumente, die wirtschaftlich ähnlich sind. Die Klägerin ist nicht originär gewerblich tätig. Das Gesellschaftskapital belief sich nach einer Kapitalerhöhung vom 10.12.2006 einschließlich der Einlage des stillen Gesellschafters auf rund Millionen €.
3
Noch im Jahr 2006 investierte die Klägerin xxx Millionen € in Schuldverschreibungen mit Bonuszinsabrede und 10-jähriger Laufzeit. Emittentin der Schuldverschreibungen war die in Luxemburg ansässige Y- S.A. Die Anleihebedingungen sahen eine jährliche Verzinsung mit einem festen Zinssatz von 4,00 % p.a. bezogen auf den Gesamtnennbetrag vor, d.h. es sollten jährlich nachschüssig € Zinsen von der Emittentin gezahlt werden. Zusätzlich war ein fester Bonusbetrag zum Endfälligkeitstermin von € zzgl. € vereinbart. Daneben sollte zu diesem Zeitpunkt ein an den Dow Jones EURO STOXX 50 Performance Index gekoppelter variabler Bonuszins gezahlt werden.
4
Die Finanzierung des Erwerbs erfolgte über ein Darlehen der im Inland ansässigen Y & CO Bank i.H.v. €. Der ausbezahlte Nettodarlehensbetrag (= Bruttodarlehensbetrag abzüglich Disagio i.H.v. 5 v.H.) entsprach den Anschaffungskosten der Schuldverschreibung. Neben dem Disagio i.H.v. € leistete die Klägerin im Streitjahr € an vorschüssig zu zahlenden Zinsen für das Darlehen.
5
In 2009 wurden die Verträge rückabgewickelt, was nach Angaben des Beigeladenen St in der mündlichen Verhandlung vom xx.xx.2019 dazu geführt habe, dass von den eingesetzten € nur rund € zurückgeflossen seien.
6
Mit ihrer Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellung erklärte die Klägerin Werbungskosten i.H.v. € sowie Zinseinnahmen i.H.v. €. Mit Feststellungsbescheid vom 24. April 2009 stellte das damals zuständige Finanzamt A – einer durchgeführten Betriebsprüfung (Bp) folgend – die laufenden Einkünfte mit 0 € und einen nach § 15b EStG verrechenbaren Verlust i.H.v. € fest. Nach den Feststellungen der Bp würden den Zinserträgen ab 2007 in Höhe von € jährlich Darlehenszinsen in gleicher Höhe gegenüberstehen, so dass im Ergebnis erst 2016 Einkünfte aus Kapitalvermögen zu versteuern seien und somit durch den Werbungskostenüberschuss im Erstjahr die Möglichkeit geboten werde, Verluste mit übrigen Einkünften zu verrechnen. Der variable Bonuszins in 2016 solle gewährleisten, dass aus der Anlage ein Totalgewinn erzielt werde.
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Nach erfolglosem Vorverfahren hat die Klägerin Klage erhoben, mit der sie sich gegen die Anwendung des § 15b EStG wendet. Nach Ergehen des BFH-Urteils vom 17.01.2017 (VIII R 7/13) trägt die Klägerin vor, dass der BFH dort über eine nahezu identische Sachverhaltskonstellation im Sinne der dortigen Kläger entschieden habe und eine Anwendung sowohl des § 15b EStG als auch des § 42 AO auf entsprechende Investments ausgeschlossen habe, da der dort wie auch im Streitfall tätig gewordene Berater (B) nicht als Initiator eines vorgefertigten Konzepts agiert habe, sondern als Rechtsanwalt/Steuerberater im Rahmen seines Mandatsverhältnisses. Dem BFH sei bekannt gewesen, dass der Berater in 2006 und 2007 mehrere Mandanten bei der Eingehung in ein steueroptimiertes Investment in eine Schuldverschreibung steuerlich beraten hat. Die damalige Beratersozietät sei aus haftungsrechtlichen Gründen gewählt worden.
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Auch im Streitfall habe die Klägerin nicht lediglich auf ein vorgefertigtes Konzept zurückgegriffen.
9
Die Klägerin habe zu Beginn der Rechtsberatung durch den seinerzeitigen Berater B nicht existiert. Sie habe erst noch gegründet werden müssen. Der Gesellschaftsvertrag der Klägerin sei von den Gesellschaftern vollständig selbst entworfen und verfasst worden. Die die Geschäftsführung der Klägerin ausführenden Personen seien in keiner Art und Weise vorgegeben gewesen. Die in das Investment involvierten Bankhäuser seien durch die Gesellschafter der Klägerin bestimmt worden und hätten nicht im Vorfeld festgestanden. Hinsichtlich des spekulativen Elements der Kapitalanlage hätten die Investoren das so genannte Referenzaktivum frei auswählen können. Die Höhe der von den involvierten Bankhäusern aufgerufenen Gebühren und Kosten wären nicht vorgegeben gewesen, sondern hätten sich offenkundig nach dem jeweiligen Verhandlungsgeschick und den eingesetzten Beträgen gerichtet. Die Investoren hätten die Verhandlungen mit den involvierten Bankhäusern nahezu vollständig selbst geführt. Die Laufzeit des Investments habe im Belieben der Investoren gestanden. Es habe kein vorformuliertes einheitliches Vertragswerk existiert, auf welches die Investoren hätten zugreifen können. Ein solches sei weder durch die involvierten Bankhäuser noch durch die seinerzeitige Beratersozietät bereitgestellt worden. Die Art und Funktionsweise des Investments in eine fremdfinanzierte Schuldverschreibung unter Leistung eines Disagios i.H.v. 5 % sei vor Eingehung des Investments nicht bloß in Fachkreisen bekannt gewesen, sondern sei auch durch Veröffentlichungen in den der überregionalen Tagespresse einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht worden. Die Idee, eine Einkunftsquelle fremdfinanziert unter Leistung eines 5 %igen Disagios zu erwerben, stamme nicht von dem seinerzeitigen Rechtsberater bzw. der seinerzeitigen Beratersozietät, sondern stelle steuerberaterliches Allgemeinwissen dar.
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Der Beklagte beschränke sich bei seinem Vortrag zu § 15b EStG allein darauf zu behaupten, dass die vielen unstreitigen Individualisierungen unerheblich für den Steuereffekt in Gestalt des Überschusses der Werbungskosten über die Einnahmen im Investitionsjahr gewesen seien. Dabei verkenne der Beklagte, dass es auf den bloßen Effekt des Werbungskostenüberhangs für die Frage der Anwendung des § 15b EStG alleine nicht ankomme, da § 15b EStG steueroptimierte Investments, welche zu einem Steuerstundungseffekt führen, gerade nicht ausschließe und dies auch nicht die Intention des Gesetzgebers gewesen sei. Der Gesetzgeber habe gerade nicht im Sinn gehabt, dass ein Rechtsanwalt/Steuerberater eine individuelle Beratung im Zusammenhang mit einem steueroptimierten Investment nur gegenüber einem einzigen Mandanten vornehmen dürfe. Ziel und gedankliche Grundlage für den Gesetzgeber seien vielmehr Fondsmodelle gewesen, die am Markt beworben wurden und für die auf unterschiedlichen Vertriebswegen Anleger gewonnen werden sollten. Die Anleger fanden in diesen Beteiligungs- und Investitionsstrukturen vor, an denen sie sich beteiligten konnten, ohne auch nur den geringsten Einfluss auf die Vertragsgestaltung oder die wirtschaftlichen Parameter zu haben, mithin seien die Anleger in diesen Fällen nur „ passiv“ gewesen. Die Gesellschafter der Klägerin seien aber gerade nicht „ passiv“ bei der Eingehung des Investments gewesen.
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Zum Konkurrenzverhältnis zwischen § 15b EStG und § 42 AO habe der BFH abschließend entschieden. Im Anwendungsbereich des § 15b EStG sei dieser als Spezialmissbrauchsverhinderungsnorm gegenüber § 42 AO vorrangig.
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Die Klägerin beantragt,
den mit der Klage angegriffenen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2006 und des verrechenbaren Verlustes nach § 15b Abs. 4 EStG vom 24.04.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.03.2015 dergestalt abzuändern, dass dieser der Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen, eingegangen bei dem Finanzamt A am 18.01.2008, entspricht, mithin, dass erklärungsgemäß veranlagt wird
sowie
die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären sowie
hilfsweise
die Revision zuzulassen.
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Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen
hilfsweise
die Revision zuzulassen.
14
Der Beklagte ist der Auffassung, dass für die Anwendung des § 15b EStG die Funktion des Beraters und die Umstände der Modellentwicklung und dessen Andienung zu beurteilen seien. Der seinerzeitige Berater B sei Initiator/Anbieter einer modellhaften Einzelinvestition gewesen, deren Konzept in den wesentlichen Grundlagen vorgefertigt gewesen und bei der die konkret erfolgten individuellen Anpassungen auf die Verhältnisse der Klägerin bzw. ihrer Gesellschafter unerheblich seien. Der Beklagte verweist unter Darstellung als wörtliche Zitierung aus den Akten Dritter auf diverse ihm bekannte, ähnlich gelagerte Steuerfälle, in denen jeweils B eingebunden gewesen sei. Die Verträge hätten in all diesen Fällen einem Muster geglichen, bei dem lediglich wenige, für das Eintreten eines Steuerstundungseffekts nicht maßgebliche Elemente verändert worden seien.
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Dies stehe dem durchgängigen Vortrag der Klägerin, wie auch der Beteiligten in den anderen bekannten Fällen, entgegen, dass lediglich eine Idee des jeweiligen Investors von den involvierten Beratern umgesetzt wurde. Wegen der Einzelheiten wird insoweit auf den Schriftsatz des Beklagten vom 20.09.2017 verwiesen. Vorliegend hätte der Investor nur entscheiden müssen, in welcher Höhe er investieren möchte (d.h. in welcher Höhe er steuerliche Verluste braucht) und welche (mindestens fünfjährige) Laufzeit die Investition haben soll. Sodann habe die Y & CO Bank die ,,up front fee" mitgeteilt und man hätte die durch den seinerzeitigen Berater bereits vorgehaltenen Verträge einfach nur noch zu unterschreiben brauchen.
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Die Möglichkeit, den Gesellschaftsvertrag der investierenden Personengesellschaft anders zu gestalten, einen alternativen Bankkonzern (aus einer überschaubaren Vorauswahl) auszuwählen oder auch eine andere Indexwette abzuschließen, führe aber nicht dazu, dass eine individuelle Beratung bei der Umsetzung einer eigenen Idee des Investors vorliege. Dies stelle lediglich einen Kundenservice dar, eventuelle Wünsche bei unwesentlichen Grundlagen zu berücksichtigen. Nach den Ausführungen der Klägerin würde jede Form der Aktivität des Investors oder seines steuerlichen Beraters das Gebotenwerden eines vorgefertigten Konzepts ausschließen.
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Aus der Antwort vom 02.10.2018 auf ein seitens des Beklagten an die Y & CO Bank gerichtetes Auskunftsersuchen ergebe sich, dass das Zeichnen der Schuldverschreibung und der Abschluss des Darlehensvertrages eng aufeinander abgestimmt gewesen seien und das Konzept des darlehensfinanzierten Erwerbs der Schuldverschreibung auf einer Initiative des damaligen Beraters der Klägerin beruht habe, der die Transaktion an die Y & Co Bank herangetragen hätte. Insgesamt seien in den Jahren 2006 und 2007 je 8 Transaktionen mit insgesamt 13 Investoren abgeschlossen worden. Hierbei habe es sich jeweils um Mandanten des B gehandelt. Im Fall der Klägerin sei ihr damaliger Berater im Jahr 2006 an die Bank mit der Frage heran getreten, ob diese bereit sei, der Klägerin ein Darlehen und eine Schuldverschreibung bereitzustellen. Die einzelnen Parameter der Transaktionen seien von dem damaligen Berater der Bank anhand eines Term Sheet vorgegeben worden. Dies bestätige die Auffassung des Beklagten, wonach die Gestaltung auf einem Konzept des damaligen Beraters beruht habe und der Abschluss der Verträge auf seine Initiative hin nach von ihm vorgegebenen Parametern erfolgt sei. Aus der Antwort ergebe sich auch, dass B für die Vermittlung der Klägerin Anfang 2007 eine Provision von € erhalten habe. Der Betrag stelle einen Anteil des von der Bank vereinnahmten Transaktionsentgeltes dar.
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Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin Z. Wegen des Beweisthemas wird auf den Beweisbeschluss vom 30.10.2018 in der Fassung vom 22.11.2018 und wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme auf die Sitzungsniederschrift vom 06.03.2019 verwiesen.
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Es lagen vor: xxSteuerakten, xxFallheft BP, ein Leitzordner Schriftsatz vom xx mit Anlagen sowie ein weiterer Leitzordner mit neutralisierten Auszügen aus den Steuerakten weiterer Investoren.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist nicht begründet. Der Beklagte hat zu Recht den der Höhe nach unstreitigen Verlust der Klägerin in 2006 als lediglich verrechenbar nach § 15b Abs. 4 S. 1 EStG und dementsprechend die laufenden Einkünfte mit 0,00 € festgestellt.
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Nach § 15b Abs. 1 Satz 1 EStG dürfen Verluste im Zusammenhang mit einem Steuerstundungsmodell weder mit Einkünften aus Gewerbebetrieb noch mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden; sie dürfen auch nicht nach § 10d EStG abgezogen werden. Die Verluste mindern jedoch nach § 15b Abs. 1 Satz 2 EStG die Einkünfte, die der Steuerpflichtige in den folgenden Wirtschaftsjahren aus derselben Einkunftsquelle erzielt. Der nach § 15b Abs. 1 EStG nicht ausgleichsfähige Verlust ist jährlich gesondert festzustellen (§ 15b Abs. 4 Satz 1 EStG).
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§ 15b EStG ist durch das Gesetz zur Beschränkung der Verlustverrechnung im Zusammenhang mit Steuerstundungsmodellen vom 22. Dezember 2005 (BGBl I 2005, 3683, BStBl I 2006, 80) in das Gesetz gelangt. Nach der Begründung zum Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD (BT-Drucks. 16/107) sollte die Attraktivität sog. Steuerstundungsmodelle eingeschränkt werden, indem die Verluste nur noch mit späteren positiven Einkünften aus derselben Einkunftsquelle verrechnet werden dürfen (vgl. Gesetzesbegründung, Allgemeiner Teil, BT-Drucks. 16/107). § 15b EStG war gem. § 20 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG a. F. auf Anteile des stillen Gesellschafters am Verlust des Betriebs sinngemäß anwendbar. Seit dem JStG 2007 vom 13. Dezember 2006 (BGBl. I 2006, 2878) ist § 15b EStG aufgrund der Rechtsgrundverweisung in § 20 Abs. 2b Satz 1 EStG a. F. (jetzt § 20 Abs. 7 Satz 1 EStG) erstmals ab dem Veranlagungszeitraum 2006 auf sämtliche Einkünfte aus Kapitalvermögen anwendbar (Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 16. April 2018 – 10 K 201/17 –, EFG 2018, 1950).
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Ein Steuerstundungsmodell i.S. des § 15b Abs. 1 EStG ist anzunehmen, wenn auf Grund einer modellhaften Gestaltung steuerliche Vorteile in Form negativer Einkünfte erzielt werden sollen (§ 15b Abs. 2 Satz 1 EStG). Dies ist der Fall, wenn dem Steuerpflichtigen auf Grund eines vorgefertigten Konzepts die Möglichkeit geboten werden soll, zumindest in der Anfangsphase der Investition Verluste mit übrigen Einkünften zu verrechnen (§ 15b Abs. 2 Satz 2 EStG). Dabei ist es ohne Belang, auf welchen Vorschriften die negativen Einkünfte beruhen (§ 15b Abs. 2 Satz 3 EStG). Ob in der Sache ein Steuerstundungsmodell gegeben ist, ist im Wege einer wertenden Gesamtbetrachtung der entsprechenden Einzelfallumstände zu ermitteln (BFH-Urteil vom 17. Januar 2017 -VIII R 7/13-, BFHE 256, 492, BStBl II 2017, 700 m.w.N.).
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Es genügt für die Annahme eines Steuerstundungsmodells i.S. des § 15b Abs. 1 EStG nicht, dass eine rechtliche Gestaltung vorliegt, die auf steuerliche Vorteile durch Verlustabzug/-verrechnung ausgelegt ist und ohne die Möglichkeit der (sofortigen) Verlustverrechnung nicht gewählt worden wäre. Voraussetzung für die Annahme eines Steuerstundungsmodells ist vielmehr stets, dass auf ein vorgefertigtes Konzept i.S. des § 15b Abs. 2 Satz 2 EStG zurückgegriffen wird. Daher führt auch das bloße Aufgreifen einer (in Fachkreisen) bekannten Gestaltungsidee mit dem Ziel einer sofortigen Verlustverrechnung nicht ohne Weiteres zur Annahme eines Steuerstundungsmodells.
25
Als Konzept kann nicht jegliche Investitionsplanung, sondern nur die Erstellung einer umfassenden und regelmäßig an mehrere Interessenten gerichteten Investitionskonzeption angesehen werden (BFH-Urteil vom 6. Februar 2014 –IV R 59/10-, BFHE 244, 385, BStBl II 2014, 465).
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Da das Konzept nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes vorgefertigt sein muss, muss es bereits vor der eigentlichen Investitionsentscheidung festgelegt worden sein. Ist Teil des Konzeptes die Gründung einer Gesellschaft, gilt dies sowohl bezogen auf den Geschäftsgegenstand der Gesellschaft als auch auf ihre Konstruktion vor der eigentlichen Investitionsentscheidung (vgl. BFH-Urteil in BFHE 244, 385, BStBl II 2014, 465). Ein Konzept ist danach vorgefertigt, wenn der Anwender es vorfindet und zumindest die wesentlichen Grundlagen für ein geplantes Vorhaben einsetzen kann und nicht erst selbst die Strategien und Maßnahmen zur Umsetzung seines Vorhabens entwickeln muss (BFHUrteil in BFHE 256, 492, BStBl II 2017, 700 m.w.N.).
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Das vorgefertigte Konzept muss von einer vom Steuerpflichtigen verschiedenen Person (Anbieter/Initiator) erstellt worden sein, denn nur dann kann diesem dem Wortlaut des § 15b Abs. 2 Satz 2 EStG entsprechend die Möglichkeit "geboten" werden, zumindest in der Anfangsphase der Investition Verluste mit übrigen Einkünften zu verrechnen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 244, 385, BStBl II 2014, 465). Charakteristisch ist insoweit die Passivität des Investors/An-legers bei der Entwicklung der Geschäftsidee und der Vertragsgestaltung (vgl. (BFH-Urteil in BFHE 256, 492, BStBl II 2017, 700 m.w.N.).
28
Gibt hingegen der Investor/Anleger die einzelnen Leistungen und Zusatzleistungen sowie deren Ausgestaltung – sei es von Anfang an oder in Abwandlung des zunächst vorgefertigten Konzepts – selbst vor und bestimmt er damit das Konzept nicht nur unwesentlich mit, so handelt es sich nicht (mehr) um ein vorgefertigtes Konzept (BFH-Urteil in BFHE 256, 492, BStBl II 2017, 700 m.w.N.).
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Somit liegt eine modellhafte Gestaltung i.S. des § 15b EStG vor, wenn eine von einem Anbieter/Initiator abstrakt entwickelte Investitionskonzeption für Interessierte am Markt zur Verfügung steht, auf die der Investor/Anleger "nur" noch zugreifen muss, nicht hingegen, wenn der Investor/Anleger eine von ihm selbst oder dem in seinem Auftrag – nicht aber im Auftrag eines Anbieters/Initiators – tätigen Berater entwickelte oder modifizierte und individuell angepasste Investition umsetzt (BFH-Urteil in BFHE 256, 492, BStBl II 2017, 700).
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Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt sich zur Überzeugung des Senats, dass der im Jahr 2006 erfolgte Erwerb fremdfinanzierter Inhaberschuldverschreibungen durch die zuvor gegründete Klägerin auf einem vor der Investitionsentscheidung von einem Dritten für eine Vielzahl von Anlegern vorgefertigten Konzept beruht, auf das die Klägerin nur in für das eigentliche Steuerstundungsmodell unwesentlichen Punkten Einfluss nehmen konnte und genommen hat.
31
Ausweislich eines von der Staatsanwaltschaft aus den Akten des dort geführten Ermittlungsverfahrens übermittelten Telefaxes des B an die Y & CO Bank übersandte dieser unter Bezugnahme auf eine vorherige Absprache bereits am xx.xx.2006 „folgende Dokumente zur P Struktur:
Steuerliches Gutachten,
Executive Summary einschließlich bilanzieller Implikationen,
aufsichtsrechtliches Memorandum und
Stellungnahme zu Implikationen möglicher Gesetzesänderungen.“
32
Zum Ziel der Anlage heißt es unter Ziffer 1 des Executive Summary des B vom xx.xx.2006: „Ziel des nachfolgend dargestellten Investments ist die Schaffung von steuerlichem Verlustverrechnungspotential im Jahr 2006 für in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtige private Investoren („Privatinvestoren“). Es handelt sich demnach um ein sog. Steuerstundungsmodell.“ Die nachfolgende Darstellung der Anlagestruktur entspricht dem von der Klägerin getätigten Investment.
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Aufgrund des zeitlichen Ablaufs kann ausgeschlossen werden, dass B bei der Vorstellung der P Struktur gegenüber der Y & CO Bank im xx 2006 im Auftrag der Klägerin tätig geworden ist. Dessen Beauftragung erfolgte nach dem vorliegenden für die Klägerin von B erstellten steuerlichen Gutachten zu einer fremdfinanzierten Investition in Inhaberschuldverschreibungen vom xx.xx.2007 erst im November 2006.
34
Es kann auch dahingestellt bleiben, ob es sich bei der Idee der Zeichnung einer fremdfinanzierten Inhaberschuldverschreibung unter Vereinbarung eines Disagios und vorschüssig zu leistenden Darlehenszinsen sowie einer Bonuszinsabrede um eine am Markt bereits bekannte Gestaltung oder aber vielmehr um eine Entwicklung des B, wie es dieser gegenüber dem für seine eigene Besteuerung zuständigen Finanzamt selbst behauptet hat, handelt. Nach der Rechtsprechung des BFH (BFH-Urteil in BFHE 256, 492, BStBl II 2017, 700) kann zwar beim Aufgreifen einer am Markt bekannten Gestaltungsidee nicht „ohne Weiteres“ eine modellhafte Gestaltung angenommen werden, es ist indes nicht ausgeschlossen. Entscheidend ist hier, dass B diese Gestaltung jedenfalls mit der Y & CO Bank, was hier allein von Interesse ist, schon ab Juni 2006 abgestimmt und am Markt für interessierte Anleger vorgehalten hat. Diese Abstimmung erfolgte zum einen zur Sicherung der Interessen der Bank (bilanzielle Implikationen, aufsichtsrechtliches Memorandum) zum anderen zur Überzeugung des Senats aber auch zur Festlegung eines einheitlichen Vertragswerks. Die Y & CO Bank hat auf ein Auskunftsersuchen des Beklagten mitgeteilt, dass das Zeichnen der Schuldverschreibung und der Abschluss des Darlehensvertrages eng aufeinander abgestimmt gewesen seien. Auch die Zeugin Z hat bestätigt, dass der Bank in Form eines term sheet die Namen der Anleger, die Investitionssumme und Einzelheiten des Produkts, immer erst etwa eine Woche vor Vertragsschluss mitgeteilt wurden, woraufhin sie die Verträge finalisiert hätte. Am Tag der Unterzeichnung im Büro der Sozietät des B habe es verschiedene Termine gegeben. Die Klägerin sei nicht der einzige Kunde gewesen. Für die eigentliche Vertragsunterzeichnung seien je Fall 20 bis 30 Minuten von B vorgegeben worden. Dies sei auch im Fall der Klägerin zunächst so vorgesehen gewesen. Ohne im Vorhinein festgelegte und abgestimmte Vertragsmuster wäre eine solche Vorgehensweise zur Überzeugung des Senats undenkbar. Dabei kann es offenbleiben, ob die Vertragsmuster nun von Herrn B allein oder unter wesentlicher Mitbestimmung der Bank entwickelt wurden. Der von der Zeugin bekundete Umstand, dass die Bank ein derartiges Produkt nur an den Kunden des B vertrieben hat sowie die Provisionszahlungen der Y & CO Bank an B zeigen, dass beide in einem Lager standen und das Produkt P am Markt für interessierte Anleger vorhielten. Dabei mag die Fremdfinanzierung unter Vereinbarung vorschüssig zu zahlender Zinsen und eines Disagios zum Allgemeinwissen eines Steuerberaters gehören. Die Modellhaftigkeit gewinnt die Gestaltung durch das Ineinandergreifen der vorgefertigten und in einer Vielzahl von Fällen verwandten Vertragsmuster, die im Zusammenhang mit den hier allein relevanten Verträgen nur in Nuancen voneinander abwichen. Auch der zeitliche Ablauf spricht für den Rückgriff auf ein vorgefertigtes Konzept. Die Beigeladenen standen im November 2006 unter erheblichem Zeitdruck. Das Investment musste noch vor dem Jahreswechsel abgeschlossen sein, um die auf den im Streitjahr erzielten Gewinn aus der Veräußerung von Immobilien der X-Gruppe anfallende steuerliche Belastung zumindest zunächst zu vermeiden. In dem Termin zur mündlichen Verhandlung vom xx.xx.2018 hat es der Beigeladene X so ausgedrückt, dass die Alternative gewesen wäre, Mio. € Steuern zu zahlen, womit das Geld weg gewesen wäre.
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Das Bemühen der Klägerin und – wie von dem Beklagten durch Vorlage von Auszügen aus deren Steuerakten belegt – auch der anderen Anleger, die nahezu gleich lautende Verträge abgeschlossen haben, die Zeichnung der Schuldverschreibungen als „individuelles Einzelinvestment für in Deutschland ansässige Privatpersonen“ (Executive Summary des B in der Fassung 2007 –Anlage 1 zum Schriftsatz des Beklagten vom 20.09.2017 in schwarzem Extraordner –) darzustellen, ist zur Überzeugung des Senats auf die Ausweitung der Anwendung des § 15b EStG auch auf Einkünfte aus Kapitalvermögen durch das JStG 2007 vom 13. Dezember 2006 zurückzuführen. So bezeichnet das Executive Summary in der der Y & CO Bank im Juni 2006 übersandten Fassung die P Struktur abweichend noch als „Steuerstundungsmodell“.
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Die von der Klägerin angeführte individuelle Anpassung an ihre Verhältnisse, steht der Bewertung als modellhafte Gestaltung nicht entgegen, da sich ihre Einflussmöglichkeiten nur auf für die Gestaltung unwesentliche Punkte beschränkte.
37
Soweit die Beigeladenen ihre Eigeninitiative im Vorfeld einer Entscheidung für die von B gebotene Gestaltung etwa durch Kontaktaufnahme zur Bank 2 und der Bank 3 betonen, ist dies für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits unerheblich, da es hier nur um die Beurteilung der Modellhaftigkeit der gewählten Gestaltung mit der Y & CO Bank und nicht um die etwaiger, im Endeffekt nicht gewählter Alternativen geht.
38
Auch hat die Errichtung der KG durch die Beigeladenen nur eine haftungsbegrenzende Funktion und bleibt für die steuerliche Wirkung der Gestaltung ohne Belang. Zur Überzeugung des Senats vermag diese Eigeninitiative in einem Randbereich nicht zu der Annahme führen, dass die Beigeladenen das Konzept nicht nur unwesentlich mitbestimmt hätten, was nach der Rechtsprechung des BFH der Annahme einer modellhaften Gestaltung entgegenstehen würde. Hierzu bedarf es weitergehender Aktivitäten, als sie von den Beigeladenen gezeigt wurden.
39
Die Investitionssumme, die Laufzeit, die Bank und das für die Berechnung des Bonuszinses gewählte Referenzaktivum waren wählbar. Sie wurden vor Beginn der abschließenden Verhandlungen festgelegt und der Y & CO Bank von B in einem term sheet mitgeteilt. Diese Möglichkeit der Festlegung aus einer – bis auf die naturgemäß von der individuellen Leistungsfähigkeit abhängigen Investitionssumme – vorgegebenen begrenzten Auswahl stellt für den Senat eine nur unwesentliche Mitwirkung dar, die die Modellhaftigkeit der Gestaltung nicht in Frage stellt. Die wesentlichen Parameter für den gewollten Steuerstundungseffekt, wie fremd finanzierte Inhaberschuldverschreibung, Disagio, abweichender Zinszahlungs- und Zinszuflusszeitpunkt bei einander entsprechendem Zinssatz sowie das Ineinandergreifen mit der für die Erzielung eines Totalgewinnes erforderlichen Bonuszinsabrede, waren vorgegeben. Der Beklagte weist zu Recht daraufhin, dass nicht jede Form der Aktivität des Investors bereits die Annahme einer modellhaften Gestaltung hindert. Dazu bedarf es vielmehr der Vorgabe der einzelnen Leistungen und Zusatzleistungen sowie deren Ausgestaltung durch den Anleger und damit einer nicht nur unwesentlichen Mitbestimmung des Konzepts, die nicht schon angenommen werden kann, wenn die Möglichkeit der Auswahl aus mehreren Vorgaben wahrgenommen wird, die überdies keinen Einfluss auf die steuerliche Auswirkung haben.
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Schließlich war nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme Gegenstand der Verhandlungen unmittelbar vor der Vertragsunterzeichnung nicht die Ausgestaltung wesentlicher Elemente des vorgefertigten Konzepts mit steuerlicher Auswirkung in 2006, sondern bei genauerer Betrachtung lediglich die Höhe der an die Y & CO Bank zu leistenden Vergütung. Nach § 3 Abs. 1 Buchst. c) der Anleihebedingungen war die Höhe des variablen Bonuszinses abhängig von der Anzahl der Kaufoptionen (N), die mit der Differenz zwischen dem Schlusskurs des Basiswertes am dritten Geschäftstag vor dem Endfälligkeitstermin und dem Ausübungspreis der Kaufoption (= 5.900 €) multipliziert werden sollte. Die Anzahl der Kaufoptionen wiederum war abhängig davon, wieviel von den eingesetzten Mio. € für deren Erwerb noch zur Verfügung stand. Abzugsposten waren insoweit der Kaufpreis der als Sicherung des eingesetzten Kapitals gedachten Zerobonds und die Vergütung der Y & CO Bank. Da der Kaufpreis der Zerobonds und der Kaufpreis der Kaufoptionen nach den marktüblichen Verhältnissen zu einer bestimmten Uhrzeit am Zeichnungstag der Anleihe bestimmt werden sollte, war das einzig variable Element die Vergütung der Y & CO Bank. Je niedriger die ausfiel, umso mehr Kaufoptionen konnten erworben werden und umso höher würde der (in 2016 erwartete) Bonuszins ausfallen. Gegenstand der Verhandlungen vor Vertragsabschluss konnten also weder die Höhe des Bonuszinses noch die Anzahl der Kaufoptionen sein. Beides war nur rechnerische Folge der einzigen variablen Größe, nämlich der Höhe der Vergütung der Y. So hat auch die Zeugin Z ausgesagt, dass sie zunächst nicht verstanden habe, was Gegenstand der Änderungswünsche gewesen sei. Ihr Kollege habe sie dann aufgeklärt, dass es um die Gebühren der Bank gegangen sei. Wenn aber nur um den Preis der Gestaltung verhandelt wurde, kann zur Überzeugung des Senats von einer Mitgestaltung der Anleger aber nicht die Rede sein.
41
Da auch die Verlustgrenze des § 15b Abs. 3 EStG überschritten wurde, sind die geltend gemachten Verluste als nur verrechenbar zu behandeln.
42
Die Kosten des Verfahrens trägt die in dem Rechtsstreit unterlegene Klägerin (§ 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung –FGO–). Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren nicht dem FA oder der Staatskasse aufzuerlegen. Voraussetzung für eine Billigkeitsentscheidung in diesem Sinne wäre, dass die Beigeladenen den Obsiegenden unterstützt hätten (BFH-Urteil vom 23. Januar 1985 II R 2/83, BFHE 143, 119, BStBl II 1985, 368). Das ist jedoch nicht der Fall. Im Hinblick auf das BFH-Urteil in BFHE 256, 492, BStBl II 2017, 700 war die Revision zuzulassen. Dem BFH sollte Gelegenheit gegeben werden, den die Annahme einer modellhaften Gestaltung hindernden Grad der individuellen Abweichung vom vorgefertigten Konzept näher zu definieren.
7. Senat
06.03.2019
7 K 739/15
Tatbestand
1
Die Beteiligten streiten über die Frage der Anwendung des § 15b EStG im Zusammenhang mit einem im Jahr 2006 erfolgten Erwerb fremdfinanzierter Inhaberschuldverschreibungen.
2
Die Klägerin ist am xx.xx. 2006 gegründet worden. Kommanditisten sind Kommanditist 1 mit einem Ergebnisanteil von 83,80 v.H. und Kommanditist 2 mit einem Ergebnisanteil von 15,80 v.H. Atypisch stiller Gesellschafter ist St mit einem Ergebnisanteil von 0,40 v.H. Herr Kommanditist 1 ist als sogenannter geschäftsführender Kommanditist zur Geschäftsführung berufen. Komplementärin ohne vermögenswerte Beteiligung war in 2006 eine in 1974 errichtete X GmbH. Gesellschaftszweck der Klägerin ist der Erwerb und die Verwaltung von Wertpapieren, Schuldverschreibungen, Schuldscheindarlehen und sonstiger Instrumente, die wirtschaftlich ähnlich sind. Die Klägerin ist nicht originär gewerblich tätig. Das Gesellschaftskapital belief sich nach einer Kapitalerhöhung vom 10.12.2006 einschließlich der Einlage des stillen Gesellschafters auf rund Millionen €.
3
Noch im Jahr 2006 investierte die Klägerin xxx Millionen € in Schuldverschreibungen mit Bonuszinsabrede und 10-jähriger Laufzeit. Emittentin der Schuldverschreibungen war die in Luxemburg ansässige Y- S.A. Die Anleihebedingungen sahen eine jährliche Verzinsung mit einem festen Zinssatz von 4,00 % p.a. bezogen auf den Gesamtnennbetrag vor, d.h. es sollten jährlich nachschüssig € Zinsen von der Emittentin gezahlt werden. Zusätzlich war ein fester Bonusbetrag zum Endfälligkeitstermin von € zzgl. € vereinbart. Daneben sollte zu diesem Zeitpunkt ein an den Dow Jones EURO STOXX 50 Performance Index gekoppelter variabler Bonuszins gezahlt werden.
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Die Finanzierung des Erwerbs erfolgte über ein Darlehen der im Inland ansässigen Y & CO Bank i.H.v. €. Der ausbezahlte Nettodarlehensbetrag (= Bruttodarlehensbetrag abzüglich Disagio i.H.v. 5 v.H.) entsprach den Anschaffungskosten der Schuldverschreibung. Neben dem Disagio i.H.v. € leistete die Klägerin im Streitjahr € an vorschüssig zu zahlenden Zinsen für das Darlehen.
5
In 2009 wurden die Verträge rückabgewickelt, was nach Angaben des Beigeladenen St in der mündlichen Verhandlung vom xx.xx.2019 dazu geführt habe, dass von den eingesetzten € nur rund € zurückgeflossen seien.
6
Mit ihrer Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellung erklärte die Klägerin Werbungskosten i.H.v. € sowie Zinseinnahmen i.H.v. €. Mit Feststellungsbescheid vom 24. April 2009 stellte das damals zuständige Finanzamt A – einer durchgeführten Betriebsprüfung (Bp) folgend – die laufenden Einkünfte mit 0 € und einen nach § 15b EStG verrechenbaren Verlust i.H.v. € fest. Nach den Feststellungen der Bp würden den Zinserträgen ab 2007 in Höhe von € jährlich Darlehenszinsen in gleicher Höhe gegenüberstehen, so dass im Ergebnis erst 2016 Einkünfte aus Kapitalvermögen zu versteuern seien und somit durch den Werbungskostenüberschuss im Erstjahr die Möglichkeit geboten werde, Verluste mit übrigen Einkünften zu verrechnen. Der variable Bonuszins in 2016 solle gewährleisten, dass aus der Anlage ein Totalgewinn erzielt werde.
7
Nach erfolglosem Vorverfahren hat die Klägerin Klage erhoben, mit der sie sich gegen die Anwendung des § 15b EStG wendet. Nach Ergehen des BFH-Urteils vom 17.01.2017 (VIII R 7/13) trägt die Klägerin vor, dass der BFH dort über eine nahezu identische Sachverhaltskonstellation im Sinne der dortigen Kläger entschieden habe und eine Anwendung sowohl des § 15b EStG als auch des § 42 AO auf entsprechende Investments ausgeschlossen habe, da der dort wie auch im Streitfall tätig gewordene Berater (B) nicht als Initiator eines vorgefertigten Konzepts agiert habe, sondern als Rechtsanwalt/Steuerberater im Rahmen seines Mandatsverhältnisses. Dem BFH sei bekannt gewesen, dass der Berater in 2006 und 2007 mehrere Mandanten bei der Eingehung in ein steueroptimiertes Investment in eine Schuldverschreibung steuerlich beraten hat. Die damalige Beratersozietät sei aus haftungsrechtlichen Gründen gewählt worden.
8
Auch im Streitfall habe die Klägerin nicht lediglich auf ein vorgefertigtes Konzept zurückgegriffen.
9
Die Klägerin habe zu Beginn der Rechtsberatung durch den seinerzeitigen Berater B nicht existiert. Sie habe erst noch gegründet werden müssen. Der Gesellschaftsvertrag der Klägerin sei von den Gesellschaftern vollständig selbst entworfen und verfasst worden. Die die Geschäftsführung der Klägerin ausführenden Personen seien in keiner Art und Weise vorgegeben gewesen. Die in das Investment involvierten Bankhäuser seien durch die Gesellschafter der Klägerin bestimmt worden und hätten nicht im Vorfeld festgestanden. Hinsichtlich des spekulativen Elements der Kapitalanlage hätten die Investoren das so genannte Referenzaktivum frei auswählen können. Die Höhe der von den involvierten Bankhäusern aufgerufenen Gebühren und Kosten wären nicht vorgegeben gewesen, sondern hätten sich offenkundig nach dem jeweiligen Verhandlungsgeschick und den eingesetzten Beträgen gerichtet. Die Investoren hätten die Verhandlungen mit den involvierten Bankhäusern nahezu vollständig selbst geführt. Die Laufzeit des Investments habe im Belieben der Investoren gestanden. Es habe kein vorformuliertes einheitliches Vertragswerk existiert, auf welches die Investoren hätten zugreifen können. Ein solches sei weder durch die involvierten Bankhäuser noch durch die seinerzeitige Beratersozietät bereitgestellt worden. Die Art und Funktionsweise des Investments in eine fremdfinanzierte Schuldverschreibung unter Leistung eines Disagios i.H.v. 5 % sei vor Eingehung des Investments nicht bloß in Fachkreisen bekannt gewesen, sondern sei auch durch Veröffentlichungen in den der überregionalen Tagespresse einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht worden. Die Idee, eine Einkunftsquelle fremdfinanziert unter Leistung eines 5 %igen Disagios zu erwerben, stamme nicht von dem seinerzeitigen Rechtsberater bzw. der seinerzeitigen Beratersozietät, sondern stelle steuerberaterliches Allgemeinwissen dar.
10
Der Beklagte beschränke sich bei seinem Vortrag zu § 15b EStG allein darauf zu behaupten, dass die vielen unstreitigen Individualisierungen unerheblich für den Steuereffekt in Gestalt des Überschusses der Werbungskosten über die Einnahmen im Investitionsjahr gewesen seien. Dabei verkenne der Beklagte, dass es auf den bloßen Effekt des Werbungskostenüberhangs für die Frage der Anwendung des § 15b EStG alleine nicht ankomme, da § 15b EStG steueroptimierte Investments, welche zu einem Steuerstundungseffekt führen, gerade nicht ausschließe und dies auch nicht die Intention des Gesetzgebers gewesen sei. Der Gesetzgeber habe gerade nicht im Sinn gehabt, dass ein Rechtsanwalt/Steuerberater eine individuelle Beratung im Zusammenhang mit einem steueroptimierten Investment nur gegenüber einem einzigen Mandanten vornehmen dürfe. Ziel und gedankliche Grundlage für den Gesetzgeber seien vielmehr Fondsmodelle gewesen, die am Markt beworben wurden und für die auf unterschiedlichen Vertriebswegen Anleger gewonnen werden sollten. Die Anleger fanden in diesen Beteiligungs- und Investitionsstrukturen vor, an denen sie sich beteiligten konnten, ohne auch nur den geringsten Einfluss auf die Vertragsgestaltung oder die wirtschaftlichen Parameter zu haben, mithin seien die Anleger in diesen Fällen nur „ passiv“ gewesen. Die Gesellschafter der Klägerin seien aber gerade nicht „ passiv“ bei der Eingehung des Investments gewesen.
11
Zum Konkurrenzverhältnis zwischen § 15b EStG und § 42 AO habe der BFH abschließend entschieden. Im Anwendungsbereich des § 15b EStG sei dieser als Spezialmissbrauchsverhinderungsnorm gegenüber § 42 AO vorrangig.
12
Die Klägerin beantragt,
den mit der Klage angegriffenen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2006 und des verrechenbaren Verlustes nach § 15b Abs. 4 EStG vom 24.04.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.03.2015 dergestalt abzuändern, dass dieser der Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen, eingegangen bei dem Finanzamt A am 18.01.2008, entspricht, mithin, dass erklärungsgemäß veranlagt wird
sowie
die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären sowie
hilfsweise
die Revision zuzulassen.
13
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen
hilfsweise
die Revision zuzulassen.
14
Der Beklagte ist der Auffassung, dass für die Anwendung des § 15b EStG die Funktion des Beraters und die Umstände der Modellentwicklung und dessen Andienung zu beurteilen seien. Der seinerzeitige Berater B sei Initiator/Anbieter einer modellhaften Einzelinvestition gewesen, deren Konzept in den wesentlichen Grundlagen vorgefertigt gewesen und bei der die konkret erfolgten individuellen Anpassungen auf die Verhältnisse der Klägerin bzw. ihrer Gesellschafter unerheblich seien. Der Beklagte verweist unter Darstellung als wörtliche Zitierung aus den Akten Dritter auf diverse ihm bekannte, ähnlich gelagerte Steuerfälle, in denen jeweils B eingebunden gewesen sei. Die Verträge hätten in all diesen Fällen einem Muster geglichen, bei dem lediglich wenige, für das Eintreten eines Steuerstundungseffekts nicht maßgebliche Elemente verändert worden seien.
15
Dies stehe dem durchgängigen Vortrag der Klägerin, wie auch der Beteiligten in den anderen bekannten Fällen, entgegen, dass lediglich eine Idee des jeweiligen Investors von den involvierten Beratern umgesetzt wurde. Wegen der Einzelheiten wird insoweit auf den Schriftsatz des Beklagten vom 20.09.2017 verwiesen. Vorliegend hätte der Investor nur entscheiden müssen, in welcher Höhe er investieren möchte (d.h. in welcher Höhe er steuerliche Verluste braucht) und welche (mindestens fünfjährige) Laufzeit die Investition haben soll. Sodann habe die Y & CO Bank die ,,up front fee" mitgeteilt und man hätte die durch den seinerzeitigen Berater bereits vorgehaltenen Verträge einfach nur noch zu unterschreiben brauchen.
16
Die Möglichkeit, den Gesellschaftsvertrag der investierenden Personengesellschaft anders zu gestalten, einen alternativen Bankkonzern (aus einer überschaubaren Vorauswahl) auszuwählen oder auch eine andere Indexwette abzuschließen, führe aber nicht dazu, dass eine individuelle Beratung bei der Umsetzung einer eigenen Idee des Investors vorliege. Dies stelle lediglich einen Kundenservice dar, eventuelle Wünsche bei unwesentlichen Grundlagen zu berücksichtigen. Nach den Ausführungen der Klägerin würde jede Form der Aktivität des Investors oder seines steuerlichen Beraters das Gebotenwerden eines vorgefertigten Konzepts ausschließen.
17
Aus der Antwort vom 02.10.2018 auf ein seitens des Beklagten an die Y & CO Bank gerichtetes Auskunftsersuchen ergebe sich, dass das Zeichnen der Schuldverschreibung und der Abschluss des Darlehensvertrages eng aufeinander abgestimmt gewesen seien und das Konzept des darlehensfinanzierten Erwerbs der Schuldverschreibung auf einer Initiative des damaligen Beraters der Klägerin beruht habe, der die Transaktion an die Y & Co Bank herangetragen hätte. Insgesamt seien in den Jahren 2006 und 2007 je 8 Transaktionen mit insgesamt 13 Investoren abgeschlossen worden. Hierbei habe es sich jeweils um Mandanten des B gehandelt. Im Fall der Klägerin sei ihr damaliger Berater im Jahr 2006 an die Bank mit der Frage heran getreten, ob diese bereit sei, der Klägerin ein Darlehen und eine Schuldverschreibung bereitzustellen. Die einzelnen Parameter der Transaktionen seien von dem damaligen Berater der Bank anhand eines Term Sheet vorgegeben worden. Dies bestätige die Auffassung des Beklagten, wonach die Gestaltung auf einem Konzept des damaligen Beraters beruht habe und der Abschluss der Verträge auf seine Initiative hin nach von ihm vorgegebenen Parametern erfolgt sei. Aus der Antwort ergebe sich auch, dass B für die Vermittlung der Klägerin Anfang 2007 eine Provision von € erhalten habe. Der Betrag stelle einen Anteil des von der Bank vereinnahmten Transaktionsentgeltes dar.
18
Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin Z. Wegen des Beweisthemas wird auf den Beweisbeschluss vom 30.10.2018 in der Fassung vom 22.11.2018 und wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme auf die Sitzungsniederschrift vom 06.03.2019 verwiesen.
19
Es lagen vor: xxSteuerakten, xxFallheft BP, ein Leitzordner Schriftsatz vom xx mit Anlagen sowie ein weiterer Leitzordner mit neutralisierten Auszügen aus den Steuerakten weiterer Investoren.
Entscheidungsgründe
20
Die Klage ist nicht begründet. Der Beklagte hat zu Recht den der Höhe nach unstreitigen Verlust der Klägerin in 2006 als lediglich verrechenbar nach § 15b Abs. 4 S. 1 EStG und dementsprechend die laufenden Einkünfte mit 0,00 € festgestellt.
21
Nach § 15b Abs. 1 Satz 1 EStG dürfen Verluste im Zusammenhang mit einem Steuerstundungsmodell weder mit Einkünften aus Gewerbebetrieb noch mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden; sie dürfen auch nicht nach § 10d EStG abgezogen werden. Die Verluste mindern jedoch nach § 15b Abs. 1 Satz 2 EStG die Einkünfte, die der Steuerpflichtige in den folgenden Wirtschaftsjahren aus derselben Einkunftsquelle erzielt. Der nach § 15b Abs. 1 EStG nicht ausgleichsfähige Verlust ist jährlich gesondert festzustellen (§ 15b Abs. 4 Satz 1 EStG).
22
§ 15b EStG ist durch das Gesetz zur Beschränkung der Verlustverrechnung im Zusammenhang mit Steuerstundungsmodellen vom 22. Dezember 2005 (BGBl I 2005, 3683, BStBl I 2006, 80) in das Gesetz gelangt. Nach der Begründung zum Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD (BT-Drucks. 16/107) sollte die Attraktivität sog. Steuerstundungsmodelle eingeschränkt werden, indem die Verluste nur noch mit späteren positiven Einkünften aus derselben Einkunftsquelle verrechnet werden dürfen (vgl. Gesetzesbegründung, Allgemeiner Teil, BT-Drucks. 16/107). § 15b EStG war gem. § 20 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG a. F. auf Anteile des stillen Gesellschafters am Verlust des Betriebs sinngemäß anwendbar. Seit dem JStG 2007 vom 13. Dezember 2006 (BGBl. I 2006, 2878) ist § 15b EStG aufgrund der Rechtsgrundverweisung in § 20 Abs. 2b Satz 1 EStG a. F. (jetzt § 20 Abs. 7 Satz 1 EStG) erstmals ab dem Veranlagungszeitraum 2006 auf sämtliche Einkünfte aus Kapitalvermögen anwendbar (Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 16. April 2018 – 10 K 201/17 –, EFG 2018, 1950).
23
Ein Steuerstundungsmodell i.S. des § 15b Abs. 1 EStG ist anzunehmen, wenn auf Grund einer modellhaften Gestaltung steuerliche Vorteile in Form negativer Einkünfte erzielt werden sollen (§ 15b Abs. 2 Satz 1 EStG). Dies ist der Fall, wenn dem Steuerpflichtigen auf Grund eines vorgefertigten Konzepts die Möglichkeit geboten werden soll, zumindest in der Anfangsphase der Investition Verluste mit übrigen Einkünften zu verrechnen (§ 15b Abs. 2 Satz 2 EStG). Dabei ist es ohne Belang, auf welchen Vorschriften die negativen Einkünfte beruhen (§ 15b Abs. 2 Satz 3 EStG). Ob in der Sache ein Steuerstundungsmodell gegeben ist, ist im Wege einer wertenden Gesamtbetrachtung der entsprechenden Einzelfallumstände zu ermitteln (BFH-Urteil vom 17. Januar 2017 -VIII R 7/13-, BFHE 256, 492, BStBl II 2017, 700 m.w.N.).
24
Es genügt für die Annahme eines Steuerstundungsmodells i.S. des § 15b Abs. 1 EStG nicht, dass eine rechtliche Gestaltung vorliegt, die auf steuerliche Vorteile durch Verlustabzug/-verrechnung ausgelegt ist und ohne die Möglichkeit der (sofortigen) Verlustverrechnung nicht gewählt worden wäre. Voraussetzung für die Annahme eines Steuerstundungsmodells ist vielmehr stets, dass auf ein vorgefertigtes Konzept i.S. des § 15b Abs. 2 Satz 2 EStG zurückgegriffen wird. Daher führt auch das bloße Aufgreifen einer (in Fachkreisen) bekannten Gestaltungsidee mit dem Ziel einer sofortigen Verlustverrechnung nicht ohne Weiteres zur Annahme eines Steuerstundungsmodells.
25
Als Konzept kann nicht jegliche Investitionsplanung, sondern nur die Erstellung einer umfassenden und regelmäßig an mehrere Interessenten gerichteten Investitionskonzeption angesehen werden (BFH-Urteil vom 6. Februar 2014 –IV R 59/10-, BFHE 244, 385, BStBl II 2014, 465).
26
Da das Konzept nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes vorgefertigt sein muss, muss es bereits vor der eigentlichen Investitionsentscheidung festgelegt worden sein. Ist Teil des Konzeptes die Gründung einer Gesellschaft, gilt dies sowohl bezogen auf den Geschäftsgegenstand der Gesellschaft als auch auf ihre Konstruktion vor der eigentlichen Investitionsentscheidung (vgl. BFH-Urteil in BFHE 244, 385, BStBl II 2014, 465). Ein Konzept ist danach vorgefertigt, wenn der Anwender es vorfindet und zumindest die wesentlichen Grundlagen für ein geplantes Vorhaben einsetzen kann und nicht erst selbst die Strategien und Maßnahmen zur Umsetzung seines Vorhabens entwickeln muss (BFHUrteil in BFHE 256, 492, BStBl II 2017, 700 m.w.N.).
27
Das vorgefertigte Konzept muss von einer vom Steuerpflichtigen verschiedenen Person (Anbieter/Initiator) erstellt worden sein, denn nur dann kann diesem dem Wortlaut des § 15b Abs. 2 Satz 2 EStG entsprechend die Möglichkeit "geboten" werden, zumindest in der Anfangsphase der Investition Verluste mit übrigen Einkünften zu verrechnen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 244, 385, BStBl II 2014, 465). Charakteristisch ist insoweit die Passivität des Investors/An-legers bei der Entwicklung der Geschäftsidee und der Vertragsgestaltung (vgl. (BFH-Urteil in BFHE 256, 492, BStBl II 2017, 700 m.w.N.).
28
Gibt hingegen der Investor/Anleger die einzelnen Leistungen und Zusatzleistungen sowie deren Ausgestaltung – sei es von Anfang an oder in Abwandlung des zunächst vorgefertigten Konzepts – selbst vor und bestimmt er damit das Konzept nicht nur unwesentlich mit, so handelt es sich nicht (mehr) um ein vorgefertigtes Konzept (BFH-Urteil in BFHE 256, 492, BStBl II 2017, 700 m.w.N.).
29
Somit liegt eine modellhafte Gestaltung i.S. des § 15b EStG vor, wenn eine von einem Anbieter/Initiator abstrakt entwickelte Investitionskonzeption für Interessierte am Markt zur Verfügung steht, auf die der Investor/Anleger "nur" noch zugreifen muss, nicht hingegen, wenn der Investor/Anleger eine von ihm selbst oder dem in seinem Auftrag – nicht aber im Auftrag eines Anbieters/Initiators – tätigen Berater entwickelte oder modifizierte und individuell angepasste Investition umsetzt (BFH-Urteil in BFHE 256, 492, BStBl II 2017, 700).
30
Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt sich zur Überzeugung des Senats, dass der im Jahr 2006 erfolgte Erwerb fremdfinanzierter Inhaberschuldverschreibungen durch die zuvor gegründete Klägerin auf einem vor der Investitionsentscheidung von einem Dritten für eine Vielzahl von Anlegern vorgefertigten Konzept beruht, auf das die Klägerin nur in für das eigentliche Steuerstundungsmodell unwesentlichen Punkten Einfluss nehmen konnte und genommen hat.
31
Ausweislich eines von der Staatsanwaltschaft aus den Akten des dort geführten Ermittlungsverfahrens übermittelten Telefaxes des B an die Y & CO Bank übersandte dieser unter Bezugnahme auf eine vorherige Absprache bereits am xx.xx.2006 „folgende Dokumente zur P Struktur:
Steuerliches Gutachten,
Executive Summary einschließlich bilanzieller Implikationen,
aufsichtsrechtliches Memorandum und
Stellungnahme zu Implikationen möglicher Gesetzesänderungen.“
32
Zum Ziel der Anlage heißt es unter Ziffer 1 des Executive Summary des B vom xx.xx.2006: „Ziel des nachfolgend dargestellten Investments ist die Schaffung von steuerlichem Verlustverrechnungspotential im Jahr 2006 für in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtige private Investoren („Privatinvestoren“). Es handelt sich demnach um ein sog. Steuerstundungsmodell.“ Die nachfolgende Darstellung der Anlagestruktur entspricht dem von der Klägerin getätigten Investment.
33
Aufgrund des zeitlichen Ablaufs kann ausgeschlossen werden, dass B bei der Vorstellung der P Struktur gegenüber der Y & CO Bank im xx 2006 im Auftrag der Klägerin tätig geworden ist. Dessen Beauftragung erfolgte nach dem vorliegenden für die Klägerin von B erstellten steuerlichen Gutachten zu einer fremdfinanzierten Investition in Inhaberschuldverschreibungen vom xx.xx.2007 erst im November 2006.
34
Es kann auch dahingestellt bleiben, ob es sich bei der Idee der Zeichnung einer fremdfinanzierten Inhaberschuldverschreibung unter Vereinbarung eines Disagios und vorschüssig zu leistenden Darlehenszinsen sowie einer Bonuszinsabrede um eine am Markt bereits bekannte Gestaltung oder aber vielmehr um eine Entwicklung des B, wie es dieser gegenüber dem für seine eigene Besteuerung zuständigen Finanzamt selbst behauptet hat, handelt. Nach der Rechtsprechung des BFH (BFH-Urteil in BFHE 256, 492, BStBl II 2017, 700) kann zwar beim Aufgreifen einer am Markt bekannten Gestaltungsidee nicht „ohne Weiteres“ eine modellhafte Gestaltung angenommen werden, es ist indes nicht ausgeschlossen. Entscheidend ist hier, dass B diese Gestaltung jedenfalls mit der Y & CO Bank, was hier allein von Interesse ist, schon ab Juni 2006 abgestimmt und am Markt für interessierte Anleger vorgehalten hat. Diese Abstimmung erfolgte zum einen zur Sicherung der Interessen der Bank (bilanzielle Implikationen, aufsichtsrechtliches Memorandum) zum anderen zur Überzeugung des Senats aber auch zur Festlegung eines einheitlichen Vertragswerks. Die Y & CO Bank hat auf ein Auskunftsersuchen des Beklagten mitgeteilt, dass das Zeichnen der Schuldverschreibung und der Abschluss des Darlehensvertrages eng aufeinander abgestimmt gewesen seien. Auch die Zeugin Z hat bestätigt, dass der Bank in Form eines term sheet die Namen der Anleger, die Investitionssumme und Einzelheiten des Produkts, immer erst etwa eine Woche vor Vertragsschluss mitgeteilt wurden, woraufhin sie die Verträge finalisiert hätte. Am Tag der Unterzeichnung im Büro der Sozietät des B habe es verschiedene Termine gegeben. Die Klägerin sei nicht der einzige Kunde gewesen. Für die eigentliche Vertragsunterzeichnung seien je Fall 20 bis 30 Minuten von B vorgegeben worden. Dies sei auch im Fall der Klägerin zunächst so vorgesehen gewesen. Ohne im Vorhinein festgelegte und abgestimmte Vertragsmuster wäre eine solche Vorgehensweise zur Überzeugung des Senats undenkbar. Dabei kann es offenbleiben, ob die Vertragsmuster nun von Herrn B allein oder unter wesentlicher Mitbestimmung der Bank entwickelt wurden. Der von der Zeugin bekundete Umstand, dass die Bank ein derartiges Produkt nur an den Kunden des B vertrieben hat sowie die Provisionszahlungen der Y & CO Bank an B zeigen, dass beide in einem Lager standen und das Produkt P am Markt für interessierte Anleger vorhielten. Dabei mag die Fremdfinanzierung unter Vereinbarung vorschüssig zu zahlender Zinsen und eines Disagios zum Allgemeinwissen eines Steuerberaters gehören. Die Modellhaftigkeit gewinnt die Gestaltung durch das Ineinandergreifen der vorgefertigten und in einer Vielzahl von Fällen verwandten Vertragsmuster, die im Zusammenhang mit den hier allein relevanten Verträgen nur in Nuancen voneinander abwichen. Auch der zeitliche Ablauf spricht für den Rückgriff auf ein vorgefertigtes Konzept. Die Beigeladenen standen im November 2006 unter erheblichem Zeitdruck. Das Investment musste noch vor dem Jahreswechsel abgeschlossen sein, um die auf den im Streitjahr erzielten Gewinn aus der Veräußerung von Immobilien der X-Gruppe anfallende steuerliche Belastung zumindest zunächst zu vermeiden. In dem Termin zur mündlichen Verhandlung vom xx.xx.2018 hat es der Beigeladene X so ausgedrückt, dass die Alternative gewesen wäre, Mio. € Steuern zu zahlen, womit das Geld weg gewesen wäre.
35
Das Bemühen der Klägerin und – wie von dem Beklagten durch Vorlage von Auszügen aus deren Steuerakten belegt – auch der anderen Anleger, die nahezu gleich lautende Verträge abgeschlossen haben, die Zeichnung der Schuldverschreibungen als „individuelles Einzelinvestment für in Deutschland ansässige Privatpersonen“ (Executive Summary des B in der Fassung 2007 –Anlage 1 zum Schriftsatz des Beklagten vom 20.09.2017 in schwarzem Extraordner –) darzustellen, ist zur Überzeugung des Senats auf die Ausweitung der Anwendung des § 15b EStG auch auf Einkünfte aus Kapitalvermögen durch das JStG 2007 vom 13. Dezember 2006 zurückzuführen. So bezeichnet das Executive Summary in der der Y & CO Bank im Juni 2006 übersandten Fassung die P Struktur abweichend noch als „Steuerstundungsmodell“.
36
Die von der Klägerin angeführte individuelle Anpassung an ihre Verhältnisse, steht der Bewertung als modellhafte Gestaltung nicht entgegen, da sich ihre Einflussmöglichkeiten nur auf für die Gestaltung unwesentliche Punkte beschränkte.
37
Soweit die Beigeladenen ihre Eigeninitiative im Vorfeld einer Entscheidung für die von B gebotene Gestaltung etwa durch Kontaktaufnahme zur Bank 2 und der Bank 3 betonen, ist dies für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits unerheblich, da es hier nur um die Beurteilung der Modellhaftigkeit der gewählten Gestaltung mit der Y & CO Bank und nicht um die etwaiger, im Endeffekt nicht gewählter Alternativen geht.
38
Auch hat die Errichtung der KG durch die Beigeladenen nur eine haftungsbegrenzende Funktion und bleibt für die steuerliche Wirkung der Gestaltung ohne Belang. Zur Überzeugung des Senats vermag diese Eigeninitiative in einem Randbereich nicht zu der Annahme führen, dass die Beigeladenen das Konzept nicht nur unwesentlich mitbestimmt hätten, was nach der Rechtsprechung des BFH der Annahme einer modellhaften Gestaltung entgegenstehen würde. Hierzu bedarf es weitergehender Aktivitäten, als sie von den Beigeladenen gezeigt wurden.
39
Die Investitionssumme, die Laufzeit, die Bank und das für die Berechnung des Bonuszinses gewählte Referenzaktivum waren wählbar. Sie wurden vor Beginn der abschließenden Verhandlungen festgelegt und der Y & CO Bank von B in einem term sheet mitgeteilt. Diese Möglichkeit der Festlegung aus einer – bis auf die naturgemäß von der individuellen Leistungsfähigkeit abhängigen Investitionssumme – vorgegebenen begrenzten Auswahl stellt für den Senat eine nur unwesentliche Mitwirkung dar, die die Modellhaftigkeit der Gestaltung nicht in Frage stellt. Die wesentlichen Parameter für den gewollten Steuerstundungseffekt, wie fremd finanzierte Inhaberschuldverschreibung, Disagio, abweichender Zinszahlungs- und Zinszuflusszeitpunkt bei einander entsprechendem Zinssatz sowie das Ineinandergreifen mit der für die Erzielung eines Totalgewinnes erforderlichen Bonuszinsabrede, waren vorgegeben. Der Beklagte weist zu Recht daraufhin, dass nicht jede Form der Aktivität des Investors bereits die Annahme einer modellhaften Gestaltung hindert. Dazu bedarf es vielmehr der Vorgabe der einzelnen Leistungen und Zusatzleistungen sowie deren Ausgestaltung durch den Anleger und damit einer nicht nur unwesentlichen Mitbestimmung des Konzepts, die nicht schon angenommen werden kann, wenn die Möglichkeit der Auswahl aus mehreren Vorgaben wahrgenommen wird, die überdies keinen Einfluss auf die steuerliche Auswirkung haben.
40
Schließlich war nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme Gegenstand der Verhandlungen unmittelbar vor der Vertragsunterzeichnung nicht die Ausgestaltung wesentlicher Elemente des vorgefertigten Konzepts mit steuerlicher Auswirkung in 2006, sondern bei genauerer Betrachtung lediglich die Höhe der an die Y & CO Bank zu leistenden Vergütung. Nach § 3 Abs. 1 Buchst. c) der Anleihebedingungen war die Höhe des variablen Bonuszinses abhängig von der Anzahl der Kaufoptionen (N), die mit der Differenz zwischen dem Schlusskurs des Basiswertes am dritten Geschäftstag vor dem Endfälligkeitstermin und dem Ausübungspreis der Kaufoption (= 5.900 €) multipliziert werden sollte. Die Anzahl der Kaufoptionen wiederum war abhängig davon, wieviel von den eingesetzten Mio. € für deren Erwerb noch zur Verfügung stand. Abzugsposten waren insoweit der Kaufpreis der als Sicherung des eingesetzten Kapitals gedachten Zerobonds und die Vergütung der Y & CO Bank. Da der Kaufpreis der Zerobonds und der Kaufpreis der Kaufoptionen nach den marktüblichen Verhältnissen zu einer bestimmten Uhrzeit am Zeichnungstag der Anleihe bestimmt werden sollte, war das einzig variable Element die Vergütung der Y & CO Bank. Je niedriger die ausfiel, umso mehr Kaufoptionen konnten erworben werden und umso höher würde der (in 2016 erwartete) Bonuszins ausfallen. Gegenstand der Verhandlungen vor Vertragsabschluss konnten also weder die Höhe des Bonuszinses noch die Anzahl der Kaufoptionen sein. Beides war nur rechnerische Folge der einzigen variablen Größe, nämlich der Höhe der Vergütung der Y. So hat auch die Zeugin Z ausgesagt, dass sie zunächst nicht verstanden habe, was Gegenstand der Änderungswünsche gewesen sei. Ihr Kollege habe sie dann aufgeklärt, dass es um die Gebühren der Bank gegangen sei. Wenn aber nur um den Preis der Gestaltung verhandelt wurde, kann zur Überzeugung des Senats von einer Mitgestaltung der Anleger aber nicht die Rede sein.
41
Da auch die Verlustgrenze des § 15b Abs. 3 EStG überschritten wurde, sind die geltend gemachten Verluste als nur verrechenbar zu behandeln.
42
Die Kosten des Verfahrens trägt die in dem Rechtsstreit unterlegene Klägerin (§ 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung –FGO–). Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren nicht dem FA oder der Staatskasse aufzuerlegen. Voraussetzung für eine Billigkeitsentscheidung in diesem Sinne wäre, dass die Beigeladenen den Obsiegenden unterstützt hätten (BFH-Urteil vom 23. Januar 1985 II R 2/83, BFHE 143, 119, BStBl II 1985, 368). Das ist jedoch nicht der Fall. Im Hinblick auf das BFH-Urteil in BFHE 256, 492, BStBl II 2017, 700 war die Revision zuzulassen. Dem BFH sollte Gelegenheit gegeben werden, den die Annahme einer modellhaften Gestaltung hindernden Grad der individuellen Abweichung vom vorgefertigten Konzept näher zu definieren.