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  • 08.05.2024 · IWW-Abrufnummer 241379

    Finanzgericht Nürnberg: Urteil vom 29.09.2023 – 7 K 1029/21

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Nürnberg 

    Urteil vom 29.09.2023


    In dem Rechtsstreit
    - Klägerin -
    gegen
    - Beklagter -

    wegen Einkommensteuer 2018

    hat der 7. Senat des Finanzgerichts Nürnberg

    aufgrund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 29. September 2023 für Recht erkannt:

    Tenor:
    1. Unter Abänderung des Einkommensteuerbescheids 2018 vom 22.06.2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21.07.2021 wird die Ablöse für den Vorbehaltsnießbrauch in Höhe von 1.931.520 € als Kapitaleinkünfte der Besteuerung unterworfen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
    2. Die Kosten des Verfahrens haben die Klägerin zu 9/10 und der Beklagte zu 1/10 zu tragen.
    3. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
    4. Die Revision gegen das Urteil wird zugelassen.

    Tatbestand

    Streitig ist die steuerliche Behandlung einer entgeltlichen Ablöse des zunächst unentgeltlich bestellten Vorbehaltsnießbrauchs an GmbH - Geschäftsanteilen im Streitjahr 2018.

    Die Klägerin war zunächst mit 20 % am Stammkapital der Z GmbH (Stammkapital insgesamt 250.000,00 Euro, Geschäftsanteile Nr. 4, Nr. 5, Nr. 7 und Nr. 9) beteiligt. Gemäß notarieller Urkunde vom yy.yy.2012 hat die Klägerin ihre sämtlichen Anteile an der Z GmbH im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf ihren Sohn S unentgeltlich übertragen und sich den Nießbrauch, insbesondere das Gewinnbezugsrecht vorbehalten. Zudem hat sich die Klägerin die unwiderrufliche Stimmrechtsvollmacht in Gesellschafterversammlungen und, im Falle des Vorversterbens ihres Sohnes, ein Rückübertragungsrecht einräumen lassen. Wegen der Einzelheiten wird auf den notariellen Vertrag verwiesen.

    Mit notariellem Vertrag vom xx.xx.2018 veräußerte u.a. der Sohn der Klägerin, S, die o.g. Geschäftsanteile an Mitgesellschaftern lastenfrei zu einem Kaufpreis von 2.400.000 € (§ 1 Abs. 1 des Vertrages).

    Des Weiteren wurde vereinbart, dass die Klägerin und ihr Sohn S das jeweilige Nießbrauchsrecht an den veräußerten Geschäftsanteilen aufheben. Die Aufhebung erfolgte entgeltlich gegen Zahlung eines Betrages in Höhe von 1.931.520 € (§ 1 Abs. 6 des Vertrages).

    In der Einkommensteuererklärung 2018 erklärte die Klägerin, dass es sich bei der Ablösezahlung um eine nicht steuerbare Vermögensumschichtung i.S.d. BMF-Schreibens vom 30.09.2013 (BStBl 2013 I, S. 1189 ff) handele, die nicht zu steuerpflichtigen Einkünften führen würde.

    Das beklagte Finanzamt folgte bei der Einkommensteuerveranlagung 2018 im Wesentlichen den Angaben in der Einkommensteuererklärung, berücksichtigte die Ablöse für das Nießbrauchsrecht jedoch abweichend als Einkünfte i.S.d. § 17 Einkommensteuergesetz (EStG). Der Gewinn wurde in Höhe von 1.158.912 € (Ablösebetrag 1.931.520 €, davon 40% = 772.608 € steuerfrei gemäß § 3 Nr. 40 EStG) errechnet und mit Bescheid vom 28.10.2020 angesetzt.

    Hiergegen wurde mit Schriftsatz der steuerlichen Vertreterin vom 18.11.2020 fristgerecht Einspruch eingelegt, mit welchem die Berücksichtigung der Ablösezahlung als Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S.d. § 24 Nr. 1 i.V.m. § 20 Abs. 1.Nr. 1 i.V.m. § 32d Abs. 1 EStG begehrt wurde.

    Bei der Ablösezahlung handele es sich im Wesentlichen um abgezinste zukünftige Gewinnausschüttungen.

    Es sei nicht von Einkünften i.S.d. § 17 EStG auszugehen, da die Klägerin im Zeitpunkt des Anteilsverkaufs weder rechtliche noch wirtschaftliche Eigentümerin der Anteile gewesen sei. Im Rahmen des Nießbrauchs habe sich die Klägerin lediglich das Gewinnbezugsrecht und das Stimmrecht in Gesellschafterversammlungen vorbehalten. Diese Stellung reiche jedoch nicht aus, um über die Anteile selbst zu verfügen oder diese veräußern zu können. Das vereinbarte Rückübertragungsrecht beträfe allein den Fall des Vorversterbens des Beschenkten. Darüber hinaus sei der Nießbrauch laut des zuständigen Registergerichts zeitlich vor der Veräußerung beendet worden, bereits deshalb sei die Berücksichtigung nach § 17 EStG ausgeschlossen.

    Zudem sei das wirtschaftliche Eigentum beim Beschenkten verblieben. Da es für das Vorliegen des wirtschaftlichen Eigentums nur vordergründig auf das rechtlich Vereinbarte ankomme, aber das tatsächlich Durchgeführte und das wirtschaftlich Gewollte ausschlaggebend sei, liege das wirtschaftliche Eigentum beim Beschenkten.

    Nach der Rechtsprechung stelle die Übertragung einer Beteiligung unter Vorbehaltsnießbrauch eine unentgeltliche Übertragung dar. Da keine Veräußerung im Jahr der Übertragung vorgelegen habe, sei nunmehr auch nicht die Berücksichtigung nachträglicher Einkünfte möglich. Der BFH habe in seinem Urteil vom 18.11.2014 die Behandlung der Ablöse beim Begünstigten ausdrücklich offengelassen.

    Das Einspruchsverfahren verlief erfolglos. Mit Einspruchsentscheidung vom 21.07.2021 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen.

    Erziele ein Steuerpflichtiger erst zu einem späteren Zeitpunkt Einnahmen aus einer Beteiligung im Sinne des § 17 EStG, so lägen nachträgliche Einkünfte i.S.d. § 24 Nr. 2 EStG vor.

    Die Ablösung des Nießbrauchs durch eine Zahlung des Beschenkten an die Klägerin führe beim Sohn zu nachträglichen Anschaffungskosten auf den ursprünglich unentgeltlich erworbenen GmbH-Anteil (Hinweis auf das Urteil des BFH vom 18.11.2014, IX R 49/13, BStBl 2015 II, S. 224). In diesem Urteil habe der BFH ausdrücklich offengelassen, wie die Zahlung beim Vorbehaltsnießbraucher ertragsteuerlich zu behandeln wäre.

    Nach einem Beschluss der Einkommensteuerreferatsleiter des Bundes und der Länder handele es sich beim Nießbraucher in vollem Umfang um nachträgliche Einkünfte nach § 17 EStG i.V.m. § 24 EStG. Anschaffungskosten seien beim Nießbraucher nicht zu berücksichtigen, weil diese durch die unentgeltliche Übertragung vollständig auf den Rechtsnachfolger übergegangen seien.

    Auch das beklagte Finanzamt gehe davon aus, dass das wirtschaftliche Eigentum beim Beschenkten liege. Dies sei jedoch nicht ausschlaggebend. Vielmehr handele es sich um nachträgliche Einnahmen, die aufgrund einer in der Vergangenheit vorliegenden Beteiligung an der GmbH entstanden seien.

    Auch die vorgeschlagene Berücksichtigung der Ablöse als Kapitaleinkünfte sei nicht möglich, da durch die Zahlung ein Recht an den GmbH-Anteilen abgelöst werde. Es stehe nicht die Ablöse zukünftiger Gewinnausschüttungen im Vordergrund.

    Hiergegen wurde mit Schreiben der Prozessbevollmächtigten vom 18.08.2021 fristgerecht Klage erhoben, mit welcher zunächst das Begehren aus dem Vorverfahren weiterverfolgt wird.

    Ergänzend zum Einspruchsverfahren wird sinngemäß vorgetragen, dass die vereinbarte Stimmrechtsvollmacht lediglich die laufenden Geschäfte umfasst habe, Grundlagengeschäfte habe die Klägerin nicht tätigen dürfen. Tatsächlich habe die Klägerin an keiner Gesellschafterversammlung teilgenommen, zumal sie dazu wegen der Satzung nicht befugt gewesen sei. Vielmehr habe der Sohn der Klägerin seine Gesellschafterrechte ohne jede Absprache oder Vorgabe seitens der Klägerin wahrgenommen und aktiv das Geschehen in der Gesellschaft mitbegleitet.

    Aufgrund von Meinungsverschiedenheiten zwischen den Gesellschaftern sei es in der Folge zu der Veräußerung der Anteile gekommen. Hierbei sei zwischen der Klägerin und ihrem Sohn vereinbart worden, dass der Nießbrauch finanzmathematisch unter Zugrundlegung der Lebenserwartung der Klägerin abzulösen sei. Der Ablösebetrag habe an die Klägerin fließen sollen, sobald der Kaufpreis für die Anteile bei ihrem Sohn eingegangen war. Auf Wunsch der Erwerber sei in der endgültigen Fassung die Nießbrauchablösung aufgenommen worden. Hierbei sei jedoch die verwendete Formulierung, dass die Nießbrauchvereinbarung mit dem Tag der Beurkundung aufgelöst sei, unzutreffend. Die Nießbrauchvereinbarung zwischen der Klägerin und ihrem Sohn sei zeitlich deutlich vor der Beurkundung abgeschlossen und im Nachgang zur Beurkundung auch dem Registergericht mitgeteilt worden.

    Zutreffend sei das Finanzamt davon ausgegangen, dass der Sohn der Klägerin mit der Übergabe im Jahr 2012 auch wirtschaftlicher Eigentümer der Anteile geworden sei. Dies sei durch Rechtsprechung und Kommentarliteratur hinreichend belegt. Die Klägerin habe zu keinem Zeitpunkt verhindern können, dass der Sohn die erhaltenen Anteile veräußert. Der vereinbarte Kaufpreis habe rechtlich allein dem veräußernden Sohn der Klägerin zugestanden, lediglich zur Abkürzung des Zahlungsweges sei das Entgelt für den vorbehaltenen Nießbrauch direkt an die Klägerin ausbezahlt worden.

    Gemäß ständiger Rechtsprechung des BFH sei die Übertragung einer Beteiligung im Sinne des § 17 EStG unter Vorbehaltsnießbrauch eine unentgeltliche Übertragung. Somit stelle die Übertragung der Anteile von der Klägerin auf ihren Sohn im Jahr 2012 mangels Entgeltlichkeit kein Veräußerungsgeschäft nach § 17 EStG dar.

    Ein früheres unentgeltliches Rechtsgeschäft könne bei Ablösung des Nießbrauchs grundsätzlich nicht zu einem entgeltlichen Rechtsgeschäft umgedeutet werden (Hinweis auf das Urteil des BFH vom 14.06.2005, VIII R 14/04), sofern der Verzicht auf das Nießbrauchsrecht auf einer neuen Entwicklung der Verhältnisse beruhe. Davon könne im Streitfall ausgegangen werden, da bei der Übergabe der Anteile im Jahr 2012 eine Veräußerung der Anteile nicht angedacht gewesen sei. Der Ablösevertrag sei weder zivilrechtlich noch steuerrechtlich der ursprünglichen Bestellung des Nutzungsrechts zuzurechnen und als nachgeschobene Auflage der ursprünglichen Schenkung zu beurteilen.

    Die Rechtsausführungen der Beklagten, dass im Umkehrschluss beim Nießbraucher deshalb ein Veräußerungsgeschäft nach § 17 EStG vorliegen müsse, weil der Ablösebetrag des Nießbrauchs beim Übernehmer zu nachträglichen Anschaffungskosten der GmbH-Anteile führe, seien unzutreffend.

    Entgegen den Ausführungen des Beklagten sei das Gewinnbezugsrecht der Kern und die Essenz der vorweggenommenen Erbfolgeregelung, einzig dessen Wert sei in die Abfindungsregelung eingeflossen. Dies schon vor dem Hintergrund, dass die Klägerin bis zum Zeitpunkt der Ablösung nur dieses Recht geltend gemacht habe.

    In der mündlichen Verhandlung führten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin aus, dass im Streitfall die Ablösung des Vorbehaltsnießbrauchs gegen eine Geldzahlung eine nicht steuerbare Vermögensumschichtung sei.

    Die Klägervertreter beantragen,

    unter Änderung des Einkommensteuerbescheids für 2018 vom 22.06.2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21.07.2021 die Nießbrauchsablösung gegen Einmalbetrag als nicht steuerbare Vermögensumschichtung im Rahmen der vorgenommenen Erbfolge zu behandeln und die Einkommensteuer 2018 entsprechend niedriger festzusetzen.

    Hilfsweise wird beantragt, unter Änderung des Einkommensteuerbescheids für 2018 vom 22.06.2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21.07.2021 den Ablösebetrag für den Nießbrauch gemäß §§ 20, 32d EStG zu versteuern und die Einkommensteuer 2018 entsprechend niedriger festzusetzen.

    Hilfsweise wird für den Fall des Unterliegens mit dem Hauptantrag beantragt, die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, die darin zu sehen ist, dass die steuerliche Behandlung der Ablöse eines Vorbehaltsnießbrauchs bei GmbH Anteilen bisher nicht höchstrichterlich geklärt ist.

    Der Vertreter des beklagten Finanzamtes beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Hilfsweise für den Fall des Unterliegens beantragt der Vertreter des beklagten Finanzamtes die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung bzw. Rechtsfortbildung wegen der Frage, ob die streitgegenständliche Ablöse des Vorbehaltsnießbrauchs nach § 20 EStG oder § 17 EStG, jeweils in Verbindung mit § 24 Nr. 1 bzw. Nr. 2 EStG, zu versteuern ist.

    Der Beklagte verweist auf die bisherigen Ausführungen in der Einspruchsentscheidung. Es sei aufgrund der aktuell gültigen Verwaltungsanweisungen entschieden worden.

    Wegen der Einzelheiten wird auf die vorliegenden Akten sowie auf die Sitzungsniederschrift über die mündliche Verhandlung am 29.09.2023 verwiesen.

    Entscheidungsgründe

    I. Die Klage ist mit dem Hauptantrag unbegründet. Die Nießbrauchsablösung gegen Einmalbetrag ist nicht als nicht steuerbare Vermögensumschichtung im Rahmen der vorgenommenen Erbfolge zu behandeln.

    Die Klage ist mit dem Hilfsantrag begründet. Es handelt sich um steuerbare Kapitaleinkünfte, der Ablösebetrag für den Nießbrauch ist gemäß §§ 24 Nr.1a i.V.m. 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu versteuern. Insoweit ist der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2018 zuletzt in Gestalt des geänderten Bescheids vom 22.06.2021 und der Einspruchsentscheidung vom 21.07.2021 rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung - FGO).

    Es liegen keine nachträglichen Einkünfte gemäß § 17 EStG i.V.m. § 24 Nr. 2 EStG vor.

    Die Berechnung der festzusetzenden Einkommensteuer 2018 wird entsprechend § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem beklagten Finanzamt aufgegeben.

    II. Der Ablösebetrag für den Nießbrauch ist gemäß §§ 24 Nr.1a i.V.m. 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu versteuern.

    1. Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören die in § 20 Abs. 1 Nr. 1 bis 11 EStG aufgeführten (laufenden) Kapitalerträge sowie Gewinne aus Veräußerungen und gleichgestellten Vorgängen gemäß § 20 Abs. 2 EStG.

    Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören - wie vorliegend - gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG insbesondere Gewinnanteile (Dividenden) und sonstige Bezüge aus Anteilen an einer GmbH. Gewinnanteil i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG ist der Anteil an dem offen ausgeschütteten Gewinn der Gesellschaft, der dem Gesellschafter aufgrund seines Gewinnbezugsrechts zugewendet wird (BFH, Urteil vom 28. September 2021 - VIII R 25/19 -, BFHE 274, 457, Rn. 11).

    2. Die laufenden Dividendeneinkünfte im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 sind der Klägerin zuzurechnen.

    a) Einkünfte sind demjenigen zuzurechnen, der den Tatbestand der Erzielung der Einkünfte erfüllt (§ 2 Abs. 1 Satz 1 EStG). Einnahmen aus Kapitalvermögen erzielt derjenige, der die rechtliche und tatsächliche Macht hat, das in § 20 Abs. 1 Nrn. 1 bis 7 EStG genannte Kapitalvermögen entgeltlich auf Zeit zur Nutzung zu überlassen (BFH, Urteil vom 29. März 2001 - IV R 71/99 -, juris.), wobei das Rechtsverhältnis maßgebend ist, auf dem die Überlassung des Kapitalvermögens zur Nutzung beruht.

    Zurechnungssubjekt einer Ausschüttung durch eine GmbH ist danach grundsätzlich der Anteilseigner (§ 20 Abs. 2a Sätze 1 und 2 EStG a.F., § 39 Abs. 1 AO). Einem zivilrechtlich hiervon abweichenden Gläubiger der Ausschüttung (z.B. aufgrund einer Abtretung gemäß § 398 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB-- oder aufgrund einer Nießbrauchbestellung gemäß § 1068 BGB) ist diese nur dann einkommensteuerlich zuzurechnen, wenn ihm die Dispositionsbefugnis über die Einkunftsquelle eingeräumt ist und seine Rechtsposition somit über das bloße Empfangen der Einkünfte hinausgeht.

    Hierfür reicht es nicht aus, wenn an einem GmbH-Geschäftsanteil unentgeltlich ein Nießbrauch zugunsten eines Dritten bestellt wurde, der dem Nießbrauchberechtigten lediglich einen Anspruch auf den mit der Beteiligung verbundenen Gewinnanteil gemäß § 1068 Abs. 2, § 1030 i.V.m. § 99 Abs. 2, § 100, § 101 Nr. 2 BGB einräumt. Erforderlich ist vielmehr, dass der Nießbrauchberechtigte --z.B. durch Übergang der Mitverwaltungsrechte, insbesondere der Stimmrechte oder durch Einräumung einer Stimmrechtsvollmacht-- eine Rechtsposition innehat, die ihm entscheidenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft verschafft und insofern dem zivilrechtlichen Gesellschafter gleichstellt (vgl. BFH, Urteil vom 14. Februar 2022 - VIII R 30/18 -, BFHE 276, 58, BStBl II 2022, 548, Rn. 16, m.w.N.).

    b) Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist der Senat der Auffassung, dass der Klägerin die laufenden Kapitaleinkünfte zuzurechnen sind. Nach den vertraglichen Absprachen, insbesondere über das Bestehen einer unwiderruflichen Stimmrechtsvollmacht, hatte die Klägerin eine Rechtsposition inne, welche über das bloße Empfangen der Einkünfte hinausgeht.

    Hinsichtlich des Bezugs der laufenden Einkünfte gilt die Klägerin gemäß § 20 Abs. 5 Satz 3 EStG damit als Anteilseignerin. Die Kapitalerträge sind nach Meinung des Senats dem Vorbehaltsnießbraucher zuzurechnen (vgl. hierzu Bleschik in: Kirchhof/Seer, EStG, 22. Aufl., § 20 Rn. 167). Davon scheinen die Beteiligten auch auszugehen, nach Mitteilung der Klägerseite in der mündlichen Verhandlung wurden die laufende Kapitaleinkünfte in den vorausgehenden Veranlagungen erklärt und als solche erfasst.

    Im Folgenden kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass das wirtschaftliche Eigentum an den Geschäftsanteilen bereits mit der Übertragung der Anteile an den Sohn der Klägerin im Jahr 2012 übergegangen ist (s.u. zu § 17 EStG). Nach der Übertragung der Anteile ist die Klägerin weder rechtliche noch wirtschaftliche Eigentümerin der Anteile. Aus Sicht des Gerichts besteht dadurch kein Widerspruch zu der Zurechnung der Kapitalerträge im Sinne des § 20 Abs. 5 Satz 3 EStG. Der Kapitalertrag ist lediglich ein Teilbereich des Geschäftsanteils. Die Zurechnung von erzielten Erträgen ist nicht davon abhängig, ob (beispielweise) der Anteilseigner an der Veräußerung seiner Anteile gehindert ist.

    3. Ein Veräußerungstatbestand im Sinne des § 20 Abs. 2 EStG liegt nicht vor.

    a) § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 S. 1 EStG erfasst den Gewinn aus der Veräußerung von "Anteilen" an einer Körperschaft.

    Gemeint ist damit die gesellschaftsrechtliche Stellung als Anteilseigner. Es soll die Veräußerung der Aktie, des GmbH-Anteils etc. erfasst werden (Bleschick in: Kirchhof/Seer, aaO, Rn. 120).

    Im Streitfall fehlt es nach Meinung des Senats bereits hieran. Das wirtschaftliche Eigentum an den Anteilen ist bereits mit der Übertragung der Anteile auf den Sohn der Klägerin übergegangen (s.u.).

    b) Eine Besteuerung nach § 20 Abs. 2 Nr. 2a EStG (vgl. Blatt 12 der Veranlagungsakte) kommt nach Auffassung des Senats ebenfalls nicht in Betracht. Nach dem Wortlaut der Norm werden Veräußerungen durch den Inhaber des Stammrechts erfasst, hieran fehlt es bereits.

    4. Es liegen Einnahmen gemäß § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG vor.

    a) Gemäß § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG gehören zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 1 EStG Entschädigungen, die gewährt worden sind als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen.

    Der im Entschädigungsbegriff vorausgesetzte Schaden besteht im Wegfall von steuerpflichtigen Einkünften. So verhält es sich im Streitfall (s.o.), die Entschädigungen sind als Ersatz für entgehende Kapitaleinnahmen gewährt worden.

    b) Der Begriff der Entschädigung ist im Gesetz nicht definiert. Er setzt nach seinem Wortlaut voraus, dass der Steuerpflichtige einen Schaden durch den Wegfall von Einnahmen erlitten hat und die Zahlung unmittelbar dazu bestimmt ist, diesen Schaden auszugleichen. Zahlungen, die nicht an die Stelle weggefallener Einnahmen treten, sondern bürgerlich-rechtlich Erfüllungsleistungen eines Rechtsverhältnisses sind, gehören nicht zu den Entschädigungen; dementsprechend muss die an die Stelle der bisherigen Einnahmen tretende Ersatzleistung auf einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage beruhen (BFH, Urteil vom 1. Juli 2004 - IV R 23/02 -, BFHE 206, 287, BStBl II 2004, 876, Rn. 15, m.w.N.).

    Eine Entschädigung setzt begrifflich voraus, dass es sich um eine Ersatzleistung handelt. Sie darf nicht die vertraglich vereinbarte Erfüllungsleistung sein (BFH, Urteil vom 14. Juli 1993 - I R 84/92 -, Rn. 16, juris).

    Aus der Rechtsprechung des BFH, wonach die Annahme einer Entschädigung i.S. des § 24 Nr.1 EStG eine neue Rechts- oder Billigkeitsgrundlage voraussetzt, darf nicht geschlossen werden, dass jede Leistung des Vertragspartners, die auf einem neuen Vertrag beruht, bereits eine Entschädigung i.S. des § 24 Nr.1 EStG ist. Es kann sich in solchen Fällen auch um Anschlussverträge oder um einen Vertrag handeln, der an die Stelle eines rechtsunwirksamen oder eines in seiner Rechtswirksamkeit zweifelhaften Vertrages tritt. Derartige Verträge, die Erfüllungspflichten, nicht aber Ersatzverpflichtungen begründen, unterscheiden sich von den nach § 24 Nr.1 EStG erfassten Abfindungsverträgen insbesondere dadurch, dass sie beiden Vertragspartnern für die Zukunft neubegründete Leistungspflichten auferlegen und eine Zahlung Gegenleistung für eine künftige Leistung des anderen Vertragspartners ist (BFH, Urteil vom 14. Juli 1993 - I R 84/92 -, Rn. 17, juris).

    Im Streitfall ist die Ablöse für das Nießbrauchsrecht als Entschädigung für weggefallene Einnahmen zu qualifizieren.

    Die Einräumung des Nießbrauchs und die später erfolgte Ablöse stellen unterschiedliche Rechtsvorgänge dar, bei der anstelle der bisherigen Einnahmen tretenden Ersatzleistung handelt es sich um eine neue Rechtsgrundlage (s.u.).

    Nach Meinung des Senats handelt es sich dabei um eine Ersatzleistung für entgangene Einnahmen sowie einer einnahmebegründenden Rechtsposition, die auch weitere Rechte umfasste (z.B. Stimmrechte, Verwaltungsrechte). Ein Anschlussvertrag im o.g. Sinne, mit welchem Erfüllungs- und keine Ersatzpflichten begründen werden, kann das Gericht bereits mangels künftiger Leistungsverpflichtungen nicht erkennen.

    Entgegen den Ausführungen der Prozessbevollmächtigten der Klägerin handelt es sich nach Auffassung des Senats nicht um eine reine Vermögensumschichtung, die ohne steuerliche Relevanz wäre. Die Ablöse für das Nießbrauchsrecht ist als (steuerbare) Entschädigung für weggefallene Einnahmen zu qualifizieren.

    Wie die Prozessbevollmächtigten in ihrer Einspruchsbegründung selbst vorgetragen haben (vgl. Blatt 39 der Veranlagungsakte) stellt der Ablösebetrag nichts Anderes dar, als die abgezinsten zukünftigen Gewinnausschüttungen.

    Bereits im Bereich der Vermietungseinkünfte, worauf die Prozessbevollmächtigen zuletzt in der mündlichen Verhandlung als Begründung hingewiesen haben (vgl. BFH, Urteil vom 25. November 1992 - X R 34/89 -, BFHE 170, 76, BStBl II 1996, 663, Rn. 12), kann von einer neuen Rechtsgrundlage der Abfindung ausgegangen werden, wenn sich die Höhe der ausgehandelten Abfindung an den ausstehenden Mietzahlungen orientiert hat. Vielmehr wird dadurch bestätigt, dass damit ein Ersatz für entgehende Einnahmen i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG geleistet werden sollte (BFH, Urteil vom 11. Januar 2005 - IX R 67/02 -, Rn. 14, juris).

    Für Kapitaleinkünfte und auch für den Streitfall gilt das gleichermaßen. Dies entspricht auch der höchstrichterlichen Rechtsprechung.

    Wird dem Inhaber von Genussrechten, die keine Beteiligung am Unternehmensvermögen vermitteln, ein Entgelt dafür gewährt, dass ihm aufgrund der vorzeitigen Beendigung des Genussrechtsverhältnisses Einnahmen aus der Verzinsung des Genussrechtskapitals entgehen, handelt es sich um eine gemäß § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG steuerpflichtige Entschädigung (BFH, Urteil vom 11. Februar 2015 - VIII R 4/12 -, BFHE 249, 154, BStBl II 2015, 647).

    Mit seinem "obiter dictum" (vgl. BFH, Urteil vom 18. November 2014 - IX R 49/13 -, BFHE 247, 435, BStBl II 2015, 224, Rn. 21) hat der BFH zwei Alternativen aufgezeigt. Bezeichnenderweise wurde eine dritte Variante (Steuerfreiheit) dabei nicht erwähnt.

    c) Einer Qualifizierung der Einkünfte als steuerbare Entschädigungsleistung nach § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG steht schließlich auch nicht entgegen, dass die Klägerin durch ihre Zustimmung selbst zum Wegfall der Einnahmen beigetragen hat.

    Nach der (bisher ständigen) Rechtsprechung des BFH setzt der Begriff der Entschädigung u.a. voraus, dass der Steuerpflichtige unter einem nicht unerheblichen rechtlichen, wirtschaftlichen oder tatsächlichen Druck handelt, sich also in einer nicht von ihm, sondern von dem Leistenden herbeigeführten Zwangssituation befindet. Dem steht eine einverständliche Regelung allerdings nicht entgegen. Es reicht aus, wenn der Empfänger in einer Konfliktsituation zur Vermeidung von Streitigkeiten, obwohl ihm eine andere Lösung lieber gewesen wäre, letztlich nachgegeben hat (vgl. BFH-Urteil vom 29. Februar 2012 IX R 28/11, BFHE 237, 56, BStBl II 2012, 569, unter II.1.b).

    Im Streitfall kann dahinstehen, ob im Rahmen des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG an dem Erfordernis der Zwangssituation festzuhalten ist (vgl. BFH, Urteil vom 23. November 2016 - X R 48/14 -, BFHE 256, 290, BStBl II 2017, 383, Rn. 25 - 26). Im Bereich der nachträglichen Kapitaleinkünfte, die der Abgeltungssteuer unterliegen, kommt ergänzend hinzu, dass eine Tarifbegünstigung gemäß § 34 Abs. 1 EStG, welche die Grundlage der o.g. Rechtsprechung zur Zwangssituation darstellt, grundsätzlich nicht vorgesehen ist (s.u.).

    Jedenfalls kann vorliegend von einer solchen Drucksituation ausgegangen werden, nachdem sich im Streitjahr Meinungsverschiedenheiten zwischen den Gesellschaftern um die künftige personelle und inhaltliche Geschäftspolitik zunehmend verschärft hatten. Der Ankauf der Anteile zusammen mit der notariellen Nießbrauchsablösung war eine von der Käuferseite favorisierte Lösung und diente letztlich zur Vermeidung von Streitigkeiten in einer Konfliktsituation. Wegen der Einzelheiten wird insoweit ergänzend auf die Klagebegründung verwiesen.

    d) Es liegen zwar außerordentliche Einkünfte vor (vgl. § 34 Abs. 1 und Abs. 2 EStG).

    Außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 1 und Abs. 2 EStG werden in ständiger Rechtsprechung grundsätzlich nur bejaht, wenn die zu begünstigenden Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum zu erfassen sind und durch die Zusammenballung von Einkünften erhöhte steuerliche Belastungen entstehen (BFH, Urteil vom 15. Dezember 2022 - VI R 19/21 -, Rn. 14, juris). Das ist vorliegend der Fall (vgl. § 2 des notariellen Vertrages vom xx.xx.2018).

    Die tarifbegünstigte Rechtsfolge (§ 34 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 2 EStG) setzt jedoch voraus, dass die außerordentlichen Einkünfte in dem zu versteuernden Einkommen enthalten sind. Das ist aufgrund des § 2 Abs. 5b EStG nicht der Fall.

    5. Die Besteuerung der Kapitaleinkünfte ist nicht nachrangig entsprechend § 20 Abs. 8 EStG. Im Streitfall liegen keine gewerblichen Einkünfte gemäß § 17 EStG bzw. in Verbindung mit § 24 Nr. 2 EStG vor.

    a) Nach § 17 Abs. 1 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften, wenn der Gesellschafter innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft qualifiziert beteiligt war und er die Beteiligung in seinem Privatvermögen gehalten hat.

    b) Veräußerung i.S. des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG ist die Übertragung von Anteilen gegen Entgelt (vgl. BFH, Urteil vom 8. April 2014 - IX R 4/13 -, juris, m.w.N.).

    Vollendet ist die Veräußerung mit dem Zeitpunkt, zu dem das rechtliche oder zumindest das wirtschaftliche Eigentum an den veräußerten Anteilen auf den Erwerber übergegangen ist (vgl. BFH, Urteil vom 18. November 2014 - IX R 30/13 -, Rn. 18, juris).

    Entgeltlich ist die Übertragung von Gesellschaftsanteilen, wenn ihr eine gleichwertige Gegenleistung gegenübersteht. Das Gegenstück zur entgeltlichen Veräußerung ist die unentgeltliche Übertragung von Anteilen (s. § 17 Abs. 1 Satz 4, Abs. 2 Sätze 5 und 6 Buchst. a EStG), die dadurch gekennzeichnet ist, dass der Übertragende dem Empfänger eine freigiebige Zuwendung machen will (BFH, Urteil vom 9. Mai 2017 - IX R 1/16 -, BFHE 259, 36, BStBl II 2018, 94, Rn. 16).

    c) Im Streitfall ist mit Abschluss des notariellen Vertrages im Jahr 2012 das rechtliche und wirtschaftliche Eigentum an den Geschäftsanteilen auf den Sohn der Klägerin übergegangen.

    aa) Wirtschaftsgüter sind dem Eigentümer zuzurechnen (§ 39 Abs. 1 AO). Abweichend von der zivilrechtlichen Eigentümerstellung an Wirtschaftsgütern sind Wirtschaftsgüter demjenigen zuzurechnen, der die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO). Das wirtschaftliche Eigentum an einem Kapitalgesellschaftsanteil geht nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO auf einen Erwerber über, wenn er aufgrund eines (bürgerlich-rechtlichen) Rechtsgeschäfts bereits eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position erworben hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann und die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen Rechte (insbesondere Gewinnbezugsrecht und Stimmrecht) sowie das Risiko einer Wertminderung und die Chance einer Wertsteigerung auf ihn übergegangen sind (vgl. BFH, Urteil vom 24. Januar 2012 - IX R 51/10 -, BFHE 236, 356, BStBl II 2012, 308, Rn. 15, m.w.N.).

    Der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an einem Wirtschaftsgut ist nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen. Ausschlaggebend ist nicht lediglich das formal Erklärte oder formal - rechtlich Vereinbarte, sondern das wirtschaftlich Gewollte und das tatsächlich Bewirkte. Dazu bedarf es grundsätzlich einer tatrichterlichen Würdigung (vgl. BFH, Urteil vom 24. Januar 2012 - IX R 51/10 -, BFHE 236, 356, BStBl II 2012, 308).

    bb) Das erkennende Gericht geht mit den Beteiligten davon aus, dass mit der notariellen Übertragung der Anteile im Jahr 2012 kein wirtschaftliches Eigentum an den Anteilen bei der Klägerin verblieb.

    Aufgrund des notariellen Rechtsgeschäfts erwarb der Sohn der Klägerin die Rechtsinhaberschaft an den Geschäftsanteilen, und damit eine Position, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann.

    Gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO ist wirtschaftliches Eigentum zu bejahen, wenn ein anderer als der (zivilrechtliche) Eigentümer die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann (BFH, Urteil vom 22. September 2016 - IV R 1/14 -, BFHE 255, 244, BStBl II 2017, 171, Rn. 20, m.w.N.).

    Das ist jedoch tatsächlich im Streitfall nicht der Fall. Bereits nach den Vertragsbestimmungen ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin ihren Sohn von der Nutzung der Rechtsinhaberschaft hätte ausschließen können. Für den Sohn wäre die Veräußerung der Anteile jederzeit möglich gewesen. Der Wille der späteren Erwerber (die Mitgesellschafter), die Geschäftsanteile unbelastet zu erwerben, spricht nicht dagegen. Es zeigt vielmehr, dass ein Erwerb der Anteile unmittelbar vom Rechtsinhaber grundsätzlich möglich gewesen wäre. Die Einräumung eines Rückübertragungsrechts im Falle des Vorversterbens des Sohnes, stellt nach Meinung des Senats eine Regelung für eine außergewöhnliche Entwicklung dar. Diese gibt nicht Aufschluss darüber, ob der Rechtsinhaber im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausgeschlossen werden konnte.

    Zwar hat sich die Klägerin das Gewinnbezugsrecht vorbehalten und sich zudem eine unwiderrufliche Stimmrechtsvollmacht in Gesellschafterversammlungen einräumen lassen. Nach der o.g. Rechtsprechung handelt es sich hierbei um die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen Rechte. Andererseits ist nach den vertraglichen Absprachen nicht ersichtlich geworden, dass der Sohn als Inhaber der Anteile dadurch von seinem Stimmrecht ausgeschlossen werden sollte. Nach den unwidersprochen gebliebenen Einlassungen der Klägerseite hat sich die Klägerin (dadurch) tatsächlich aus der Gesellschaft zurückgezogen und die Abstimmung in den Gesellschafterversammlungen den Gesellschaftern überlassen.

    Das Risiko einer Wertminderung und die Chance einer Wertsteigerung des GmbH-Anteils sind nach Meinung des Gerichts ebenfalls auf den Sohn übergegangen. Zu den Mitgliedschaftsrechten, die der Geschäftsanteil repräsentiert, gehören neben dem Gewinnbezugsrecht (§ 29 Abs. 1 GmbHG) auch das Recht an der Beteiligung am Liquidationserlös (§ 72 GmbHG). Es ist weder dargetan noch erkennbar, dass sich die Klägerin ein Recht am Liquidationserlös vorbehalten hätte.

    d) Der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an der Gesellschaftsbeteiligung erfolgte unentgeltlich. Insoweit mangelt es an einer Veräußerung der Anteile im Sinne des §17 EStG.

    aa) Die Übertragung einer wesentlichen Beteiligung i.S. von § 17 EStG unter Vorbehalt eines Nießbrauchsrechts im Wege der vorweggenommenen Erbfolge ist als unentgeltliche Vermögensübertragung keine Veräußerung i.S. von § 17 Abs. 1 EStG.

    Eine Anteilsveräußerung liegt auch dann nicht vor, wenn das Nießbrauchsrecht später abgelöst wird und der Nießbraucher für seinen Verzicht eine Abstandszahlung erhält, sofern der Verzicht auf einer neuen Entwicklung der Verhältnisse beruht (BFH, Urteil vom 14. Juni 2005 - VIII R 14/04 -, BFHE 210, 278, BStBl II 2006, 15).

    Ein sachlicher Zusammenhang zwischen der Übertragung der Anteile und der für die Ablösung des Nießbrauchsrechts geleisteten Zahlungen liegt bei einem abgeschlossenen Rechtsgeschäft nur vor, wenn der Rechtsgrund für die später geleisteten Zahlungen bereits in dem ursprünglichen Rechtsgeschäft angelegt ist. Der erforderliche sachliche Zusammenhang ergibt sich nicht schon daraus, dass das Entgelt für den Verzicht auf das im Vertrag über die vorweggenommene Erbfolge vereinbarte Nießbrauchsrecht gezahlt worden ist. Der Verzicht auf ein vorbehaltenes Nutzungsrecht kann Gegenstand eines selbständigen Rechtsgeschäfts sein; der Ablösevorgang ist weder zivilrechtlich noch steuerrechtlich der ursprünglichen Bestellung des Nutzungsrechts zuzurechnen und als nachgeschobene Auflage der ursprünglichen Schenkung zu beurteilen (vgl. BFH, Urteil vom 14. Juni 2005 - VIII R 14/04 -, Rz. 16 - 17. m.w.N.).

    bb) So verhält es sich im Streitfall. Die Übertragung der Anteile mit notariellem Vertrag vom yy.yy.2012 erfolgte unentgeltlich.

    Der im Jahr 2018 erfolgte Verzicht auf das Nießbrauchsrecht erfolgte zwar entgeltlich. Nach Meinung des Gerichts war Grundlage hierfür jedoch ein selbständiges Rechtsgeschäft, der somit vereinbarte Ablösevorgang ist weder zivilrechtlich noch steuerrechtlich der ursprünglichen Bestellung des Nutzungsrechts zuzurechnen.

    Klägerseits wurden mit der Klagebegründung diejenigen Umstände beschrieben, die zum erfolgten Verzicht auf das Nießbrauchsrecht im Jahr 2018 führten. Grundlagen hierfür waren Meinungsunterschiede innerhalb der neuen Gesellschafterstruktur, die im Streitjahr entstanden sind. Der realisierte unbelastete Anteilsankauf stellte eine der möglichen Lösungen dar. Für das Gericht sind keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich, dass diese Entwicklung bereits im Jahr 2012 bei der ursprünglichen Bestellung des Nießbrauchs erkennbar gewesen wäre. Erst recht ist nicht erkennbar, dass der Rechtsgrund für die später geleisteten Zahlungen bereits in dem ursprünglichen Rechtsgeschäft angelegt wäre. In den notariellen Verträgen, zwischen denen eine Zeitspanne von ca. 6 Jahren liegt, finden sich diesbezüglich auch keinerlei Regelungen oder Hinweise. Ein Widerruf der ursprünglichen Anteilsabtretung ist im Abtretungsvertrag nicht selbst angelegt. Insbesondere erfolgte die Übertragung nicht etwa unter der auflösenden Bedingung, dass zu Lebzeiten des Veräußerers eine Übertragung der Geschäftsanteile erfolgt.

    e) Das beklagte Finanzamt führte in der Einspruchsentscheidung als weiteres Argument an, dass die Ablösung des Nießbrauchs durch eine Zahlung des Beschenkten an die Klägerin beim Sohn zu nachträglichen Anschaffungskosten auf den ursprünglich unentgeltlich erworbenen GmbH-Anteil führe (Hinweis auf BFH, Urteil vom 18.11.2014, IX R 49/13, BStBl 2015 ll, S. 224).

    Nachträgliche Anschaffungskosten auf die Beteiligung beim Sohn führen jedoch nicht zwangsläufig zu einer Veräußerung bzw. zu Veräußerungseinkünften bei der Klägerin, eine solche Korrespondenz ist für das Gericht nicht ersichtlich (vgl. auch ErbStB 2010, 328-329).

    Im Hinblick auf die zutreffende Individualbesteuerung stellt sich vielmehr die (vorliegend nicht streiterhebliche) Frage, ob die Lösung der Finanzverwaltung in der Einspruchsentscheidung zutreffend erfolgt ist. Demnach soll die Klägerin zwar Einkünfte nach § 17 EStG in vollem Umfang versteuern, Anschaffungskosten auf die Beteiligung sollen ihr jedoch nicht zustehen, weil diese durch die unentgeltliche Übertragung vollständig auf den Rechtsnachfolger übergegangen sind. Ein einheitlicher Sachverhalt kann jedoch nicht (gänzlich) entgeltlich und gleichzeitig unentgeltlich sein.

    f) Nachträgliche Einkünfte gemäß § 24 Nr. 2 i.V.m § 17 EStG sind im Streitfall nicht gegeben.

    aa) Nach § 24 Nr. 2 EStG gehören zu den Einkünften i.S. des § 2 Abs.1 EStG "auch ... Einkünfte aus einer ehemaligen Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs.1 Nr.1 bis 4 EStG" (vorliegend aus Sicht des Finanzamtes: aus Gewerbebetrieb i.S. von § 2 Abs.1 Nr. 2 EStG).

    Einkünfte aus einer ehemaligen Tätigkeit liegen dann vor, wenn die Einkünfte in wirtschaftlichem Zusammenhang mit einer ehemaligen steuerbaren Tätigkeit stehen, insbesondere ein Entgelt für die im Rahmen einer steuerbaren Tätigkeit vom Rechtsvorgänger erbrachten Leistungen darstellen (BFH, Urteil vom 24. Januar 1996 - X R 14/94 -, BFHE 179, 406, BStBl II 1996, 287, Rn. 16).

    Es genügt nicht jede lose Verbindung zur früheren Erwerbstätigkeit; die Einkünfte müssen vielmehr ihre rechtliche Grundlage in der früheren Einkünfteerzielung des Steuerpflichtigen haben (Mellinghoff in: Kirchhof/Seer, Einkommensteuergesetz, 22. Auflage, § 24, 1. Grundlagen., Rn. 26).

    § 24 Nr. 2 EStG ordnet Einkünfte, die dem Steuerpflichtigen aus einer ehemaligen Tätigkeit oder einem früheren Rechtsverhältnis zufließen, der von ihm in der Vergangenheit verwirklichten Einkunftsart zu (Horn in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 321. Lieferung, 10/2023, § 24 EStG, Rn. 70). § 24 EStG schafft keine selbständige Einkunftsart, sondern die darin umschriebenen Einkünfte werden derjenigen Einkunftsart zugewiesen, mit der sie sachlich zusammenhängen (vgl. Horn in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 321. Lieferung, 10/2023, § 24 EStG, Rn. 10, m.w.N. zur Rechtsprechung).

    bb) Nach Maßgabe dieser Grundsätze sind im Streitfall die Voraussetzungen des § 24 Nr. 2 EStG nicht erfüllt.

    Im Zeitpunkt der Ablösung des Nießbrauchs hatte die Klägerin den Tatbestand einer gewerblichen Einkunftsart nicht verwirklicht, mangels Entgeltlichkeit lagen die Voraussetzungen des § 17 EStG nicht vor (s.o.). Zu diesem Zeitpunkt hat sie zudem bereits das wirtschaftliche Eigentum an den Anteilen übertragen.

    Aus Sicht des Gerichts genügt nicht eine potentiell mögliche Einkunftsart, diese musste vielmehr in der Vergangenheit begründet und verwirklicht sein. Das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift. Die Einlassung des Finanzamtes in der mündlichen Verhandlung, dass eine eventuelle Verstrickung zu einem Betriebsvermögen bestünde, überzeugt nicht, denn § 17 EStG besteuert Anteilsveräußerungen, die im Privatvermögen gehalten werden.

    Das Gericht ist zudem nicht der Auffassung, dass der Zeitpunkt der Entgeltlichkeit, welche ggf. zu einer Verwirklichung des § 17 EStG führen könnte, und den nachträglichen Einkünften im Sinne des § 24 Nr. 2 EStG zeitlich zusammenfallen kann. Nach dem Wortlaut und nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift wird insoweit eine zeitliche Reihenfolge zwischen einer ehemalig verwirklichten Einkunftsart und den danach folgenden nachträglichen Einnahmen festgelegt.

    Nach Auffassung des Gerichts würde die Annahme von nachträglichen Einkünften im Sinne des § 24 Nr. 2 EStG zudem zu einem Wertungswiderspruch mit der Entscheidung des BFH (vgl. BFH, Urteil vom 14. Juni 2005 - VIII R 14/04 -, BFHE 210, 278, BStBl II 2006, 15) führen. Der Verzicht auf das Nießbrauchsrecht beruhte im Streitfall auf einer neuen Entwicklung der Verhältnisse, die Abstandszahlung war Gegenstand eines selbständigen Rechtsgeschäfts (s.o.). Nachträgliche Einnahmen führen demnach nicht allgemein bzw. ohne Betrachtung des Rechtsgrundes zur Entgeltlichkeit der ursprünglichen Anteilsübertragung.

    Im Übrigen kann dahinstehen, ob die Erfassung der nachträglichen Einkünfte gemäß § 17 i.V.m § 24 Nr. 2 EStG zutreffend im Streitjahr erfolgt ist.

    Der Veräußerungsgewinn ist grundsätzlich für den Zeitpunkt zu ermitteln, in dem er entstanden ist. Dies ist regelmäßig der Zeitpunkt der Veräußerung, d.h. der Zeitpunkt, zu dem das rechtliche oder zumindest das wirtschaftliche Eigentum an den veräußerten Anteilen auf den Erwerber übergegangen ist (BFH, Urteil vom 23. Mai 2012 - IX R 32/11 -, BFHE 237, 234, BStBl II 2012, 675, m.w.N.).

    Die (unentgeltliche) Übertragung der Anteile vollzog sich bereits im Jahr 2012. Nachträgliche Einnahmen, die aus Sicht des Beklagten zur Entgeltlichkeit der Veräußerung führen würden, beruhen auf einer neuen Rechtsgrundlage. Insoweit lag im Streitjahr auch keine gestreckte (entgeltliche) Veräußerung der Geschäftsanteile vor.

    III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 FGO und orientiert sich am gegenseitigen Maß des Obsiegens und Unterliegens.

    Die Klägerin unterlag mit ihrem Hauptantrag, der Hilfsantrag war hingegen erfolgreich.

    Nach den Berechnungen des Gerichts hätte der Hauptantrag rechnerisch eine Reduzierung der festgesetzten Einkommensteuer um 521.510 € zur Folge gehabt. Mit dem erfolgreichen Hilfsantrag reduziert sich die festgesetzte Einkommensteuer um 48.097 €. Das entspricht einem rechnerischen Obsiegen der Klägerin mit rd. 9,22 %, die quotale Kostenaufteilung ergibt sich aus dem Tenor.

    Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird gemäß § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO für notwendig erklärt.

    IV. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.

    Die Beteiligten haben für den Fall des jeweiligen Unterliegens die Zulassung der Revision beantragt.

    Die steuerliche Behandlung der entgeltlichen Ablöse eines unentgeltlich bestellten Vorbehaltsnießbrauchs an GmbH - Geschäftsanteilen ist höchstrichterlich nicht abschließend geklärt. Im Hinblick auf die höchstrichterlichen Ausführungen zur Erfassung der Ablösezahlung beim Nießbrauchsberechtigten (vgl. BFH, Urteil vom 18. November 2014 - IX R 49/13 -, BFHE 247, 435, BStBl II 2015, 224, Rn. 21) ist die Zulassung der Revision geboten.

    RechtsgebietEStGVorschriften§ 24 Nr. 1 EStG; § 20 Abs. 1.Nr. 1 EStG; § 32d Abs. 1 EStG

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