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  • 07.11.2019 · IWW-Abrufnummer 212118

    Finanzgericht Münster: Urteil vom 05.09.2019 – 8 K 2950/16 E

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Münster


    Tenor:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

    Die Revision wird zugelassen.

    1

    Tatbestand

    2

    Die Beteiligten streiten darüber, welche steuerlichen Folgen aus einem im Streitjahr 2013 erfolgten Bondstripping und der nachfolgenden Veräußerung von im Privatvermögen gehaltenen Anleihemänteln an eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), deren Alleingesellschafter der Kläger ist, zu ziehen sind.

    3

    Die Kläger sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

    4

    Der Kläger erzielte im Jahr 2013 hohe Einkünfte aus der Veräußerung von GmbH-Anteilen. Er wurde daraufhin von seinem „Family Office“, das den Kläger in Fragen der Vermögensverwaltung beriet, auf die Kanzlei O aufmerksam gemacht, um sich über Möglichkeiten einer Minderung der zu erwartenden Steuerlast zu informieren. Ab Mitte des Jahres 2013 wurde der Kläger von dieser Kanzlei beraten.

    5

    Im Oktober 2013 beauftragte der Kläger diese Kanzlei mit der Erstellung eines Gutachtens über die steuerlichen Chancen und Risiken eines Bondstripping, mit der Projektleitung bei der Durchführung der Transaktionen und mit der Vertretung in einem eventuellen späteren Rechtsstreit. Das Honorar gemäß gesonderter Vergütungsvereinbarung sollte 0,4 % der Investitionssumme betragen.

    6

    Ausführende Bank war die D-Bank in Luxemburg (im Folgenden: Bank). Diese übersandte dem Kläger Ende Oktober 2013 ein Schreiben mit dem Betreff „Transaktion mit Bundesanleihen“, das auf eine Mitteilung des Klägers Bezug nahm, dass er aufteilbare Bundesanleihen zu erwerben beabsichtige. Das Schreiben wies darauf hin, dass die Summe der Verkaufspreise der Kapital- und Zinsstrips unter normalen Bedingungen unter dem Verkaufspreis der ungeteilten Bundesanleihe liege. Weiter wies die Bank darauf hin, für die steuerlichen Folgen, insbesondere dafür, dass die Anschaffungskosten steuerlich allein dem Kapitalstrip zuzuordnen sind, keinerlei Gewähr zu leisten.

    7

    Anfang November 2013 gründete der Kläger die L-GmbH (im Folgenden: GmbH). Unternehmensgegenstand ist laut Handelsregister die Verwaltung eigenen Vermögens.

    8

    Am 25.11.2013 beauftragte der Kläger die Bank mit dem Kauf der Bundesanleihe mit der ISIN DE0001135366 (Laufzeit bis zum 04.07.2040). Die Menge sollte so bemessen sein, dass der Kaufpreis einschließlich Nebenkosten 60.000.000 EUR nicht überschritt. Mit gesondertem Fax vom gleichen Tag beantragte der Kläger gegenüber der Bank, die Bundesanleihen in einen Kapitalstrip und die Zinsstrips aufzuteilen (Bondstripping).

    9

    Mit einem dritten Schreiben beauftragte der Kläger die Bank, 397 Kontrakte des Typs „Bund Future März 2014“ zu verkaufen. Mit einem vierten Schreiben beauftragte er die Bank, 431 Kontrakte des Typs „Bund Future März 2014“ zu verkaufen, wobei als Bedingungen genannt wurde „Stop to sell 150 @ 139,30 / 150 @ 139,10 / 131 @ 189,90“. Der Auftrag sollte Gültigkeit behalten, bis er widerrufen werde. Mit einem fünften Schreiben beauftragte er die Bank unwiderruflich, etwaige am 12.12.2013 in seinem Depot befindliche Bundesanleihen, Zinsscheine und Anleihemäntel zu verkaufen; dieser Auftrag war dem Umstand geschuldet, dass die Bank ihr Angebot einer Handelsspanne von 1,1 % nur unter der Bedingung gemacht hatte, dass die (geteilte oder ungeteilte) Bundesanleihe nur bis zu diesem Zeitpunkt im Depot des Klägers gehalten würde.

    10

    Im Depot des Klägers bei der Bank sind am 27.11.2013 Bundesanleihen mit der ISIN DE0001135366 zum Nennwert von 42.247.000 EUR eingegangen. Der Gesamtkaufpreis belief sich einschließlich Bankgebühren auf 59.999.189,40 EUR; davon entfielen auf Stückzinsen 802.693,00 EUR. Die Anleihen wurden am gleichen Tag „gestrippt“. Der Anleihemantel trug die ISIN DE0001108546. Die ISIN-Kennungen der Zinsscheine und deren Kurswerte am 25.11.2013 sind aus der Tabelle ersichtlich, die diesem Urteil als Anlage 1 beigefügt ist. Der jährliche Zins betrug nominal 2.006.732 EUR (4,75 % des Nennwerts der Anleihe).

    11

    Am 28.11.2013 beauftragte der Kläger die Bank, die in seinem Depot befindlichen Zinsscheine zu veräußern. Am gleichen Tag wies er die Bank an, 397 Wertpapiere vom Typ „Bund Future März 2014“ zu kaufen.

    12

    Die Zinsscheine wurden am 29.11.2013 zu einem Gesamtbetrag von 39.225.427,10 EUR verkauft; der Betrag wurde dem Konto des Klägers am 03.12.2013 gutgeschrieben.

    13

    Am 03.12.2013 schloss der Kläger mit der GmbH einen Darlehensvertrag über 24.000.000 EUR und wies die Bank an, diesen Betrag auf das bei derselben Bank geführte Konto der GmbH zu überweisen. Das Darlehen war unverzinslich und sollte bis spätestens zum 30.03.2014 zurückgezahlt werden.

    14

    Am 06.12.2013 schloss der Kläger einen Vertrag über die Veräußerung des Anleihemantels (ISIN DE0001108645) mit der GmbH zum (dem Kurswert entsprechenden) Kaufpreis von 19.839.317,94 EUR, der vereinbarungsgemäß am 09.12.2013 gezahlt wurde. Ebenfalls am 06.12.2013 wies der Kläger die Bank an, mit Wertstellung zum 09.12.2013 den Anleihemantel auf das Depot der GmbH umzubuchen.

    15

    Am 09.12.2013 wies der Kläger die Bank an, den Verkaufsauftrag zu den Bund Future März 2014 zu streichen bzw. die Position wieder glattzustellen. Aus den Geschäften mit den Bund Futures entstand dem Kläger ein Verlust in Höhe von 219.958,40 EUR.

    16

    Die GmbH verkaufte den Anleihemantel am 10.12.2013 für 19.786.635,93 EUR weiter.

    17

    Dieses Vorgehen wiederholte der Kläger ab dem 11.12.2013 in vergleichbarer Weise:

    18

    Am 11.12.2013 beauftragte der Kläger die Bank mit dem Kauf der Bundesanleihe mit der ISIN DE0001135325 (Laufzeit bis zum 04.07.2039). Die Menge sollte so bemessen sein, dass der Kaufpreis einschließlich Nebenkosten 59.000.000 EUR nicht überschritt. Mit gesondertem Fax vom gleichen Tag beantragte der Kläger, die Bundesanleihen in den Kapitalstrip und die Zinsstrips aufzuteilen. Mit einem dritten Schreiben beauftragte der Kläger die Bank, 358 Kontrakte des Typs „Bund Future März 2014“ zu verkaufen. Mit einem vierten Schreiben beauftragte er die Bank unwiderruflich, etwaige am 23.12.2013 in seinem Depot befindliche Bundesanleihen, Zinsscheine und Anleihemäntel zu verkaufen. Dieser Auftrag war dem Umstand geschuldet, dass die Bank ihr Angebot einer Handelsspanne von 1,1 % nur unter der Bedingung gemacht hatte, dass die (geteilte oder ungeteilte) Bundesanleihe nur bis zu diesem Zeitpunkt im Depot des Klägers gehalten würde. Der Kläger erteilte zudem einen weiteren Auftrag, der einen bedingten Verkauf von Bund Futures enthielt, allerdings weder die Anzahl der Konktrakte noch die Bedingungen auswies. Dieser Auftrag wurde am 14.12.2013 erneut und vollständig erteilt, indem der Kläger die Bank beauftragte, 472 Kontrakte des Typs „Bund Future März 2014“ zu verkaufen. Unter „stop to sell“ hieß es: „158 @ 138,00 / 157 @ 137,80 / 157 @ 137,60“.

    19

    Im Depot des Klägers bei der Bank sind am 13.12.2013 Bundesanleihen mit der ISIN DE0001135325 zum Nennwert von 45.139.00 EUR eingegangen. Der Gesamtkaufpreis belief sich einschließlich Bankgebühren auf 58.148.059,80 EUR; davon entfielen auf Stückzinsen 851.457,58 EUR. Die Anleihen wurden am gleichen Tag in den Kapitalstrip und die Zinsstrips aufgeteilt. Der Kapitalstrip trug die ISIN DE0001108504. Die ISIN-Kennungen der Zinsscheine und deren Kurswerte am 11.12.2013 sind aus der Tabelle ersichtlich, die diesem Urteil als Anlage 1 beigefügt ist. Der jährliche Zins betrug nominal 1.918.408 EUR (4,25 % des Nennwerts der Anleihe).

    20

    Am 17.12.2013 beauftragte der Kläger die Bank, die in seinem Depot befindlichen Zinsscheine zu veräußern. Am gleichen Tag wies er die Bank an, 358 Wertpapiere vom Typ „Bund Future März 2014“ zu kaufen.

    21

    Die Zinsscheine wurden am 19.12.2013 zu einem Gesamtbetrag von 36.378.144,47 EUR verkauft; der Betrag wurde dem Konto des Klägers am 19.12.2013 gutgeschrieben.

    22

    Am 19.12.2013 schloss der Kläger mit der GmbH einen Darlehensvertrag über 23.500.000 EUR (unverzinslich mit Rückzahlung bis spätestens zum 30.04.2014).

    23

    Am 19.12.2013 wies der Kläger die Bank an, 23.500.000 EUR auf das Konto der GmbH zu überweisen.

    24

    Am 20.12.2013 schloss der Kläger einen Vertrag über die Veräußerung des Kapitalstrips (ISIN DE0001108504) mit der GmbH zum (dem Kurswert entsprechenden) Kaufpreis von 21.879.324,69 EUR, der am 23.12.2013 gezahlt wurde. Am gleichen Tag wies er die Bank an, mit Wertstellung zum 23.12.2013 den Wertpapiermantel auf das Depot der GmbH umzubuchen.

    25

    Am 23.12.2013 wies der Kläger die Bank an, den Verkaufsauftrag vom 11.12.2013 zu den Bund Future März 2014 zu streichen bzw. die Position wieder glattzustellen. Aus den Geschäften mit den Bund Futures entstand dem Kläger ein Verlust in Höhe von 1.553,20 EUR.

    26

    Die GmbH veräußerte den Anleihemantel am 23.12.2013 für 21.795.366,15 EUR.

    27

    Die Bank bescheinigte neben den Erlösen weitere (geringe) Einnahmen und Verluste aus Differenzgeschäften.

    28

    Mit zwei Schreiben vom 23.12.2013 stellte die ehemals als Prozessbevollmächtigte auftretende Kanzlei dem Kläger für „Wertpapier-Investment 1.
    Investitionsrunde“ und Wertpapier-Investment 2. Investitionsrunde“ jeweils 297.500 EUR einschließlich Umsatzsteuer mit Zahlungsziel innerhalb von zehn Tagen in Rechnung, wobei die erste Rechnung mit Schreiben vom 04.02.2014 um 28.560 EUR gekürzt wurde. Die Honorarrechnung wurde im Jahr 2014 bezahlt.

    29

    Die Kläger erklärten in ihrer Steuererklärung in Zeile 26 als Kapitalerträge aus der Veräußerung von sonstigen Kapitalforderungen, die der tariflichen Einkommensteuer unterliegen, einen Betrag von -75.625.914 EUR. Dieser Betrag setzte sich nach einer Anlage zur Einkommensteuererklärung zusammen aus den von der GmbH gezahlten Kaufpreisen abzüglich der auf die Bundesanleihen entfallenden Anschaffungskosten (ohne Stückzinsen). Die Beträge ergeben sich aus nachfolgender Tabelle (Beträge in dieser und den nachfolgenden Tabellen in EUR):


    30


    31

    Die Kläger erklärten in der Anlage KAP (unter Beifügung der entsprechenden Steuerbescheinigungen) als der Abgeltungsteuer unterliegende Kapitaleinkünfte folgende Beträge:

    32


    33

    Die Beträge in Zeile 7 wurden als korrigierte Beträge erklärt, weil eine Bankbescheinigung auch Beträge eines ausländischen thesaurierenden Fonds in Höhe von 7.455,56 EUR mit der Maßgabe, diese bei der Steuererklärung von den Kapitalerträgen abzuziehen, ausgewiesen hatte. Die Kläger haben zugleich den laut dieser Bankbescheinigung in Zeile 8 zu erfassenden Betrag korrigiert (auf den sich für Zeile 7 aus dieser Bescheinigung ergebenden Betrag). Der Betrag in Zeile 16 setzte sich aus den folgenden bescheinigten Beträgen zusammen:

    34

     
    35

    In einer Erläuterung zur Steuererklärung führten die Kläger aus, wegen der Veräußerung an die GmbH komme § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b Einkommensteuergesetz (EStG) zur Anwendung, weshalb die Einkünfte nicht dem Abgeltungssteuersatz unterlägen.

    36

    Mit Bescheid vom 07.05.2015 setzte der Beklagte die Einkommensteuer 2013 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest, wich jedoch in einigen Punkten von den erklärten Beträgen ab:

    37

    38

    Der Beklagte unterwarf den in Zeile 26 als Verlust aus der Einlösung von Kapitalanlagen, der der tariflichen Einkommensteuer unterliegt, dem Abgeltungsteuerregime. In den Erläuterungen hieß es, die Beträge seien nicht von einer Kapitalgesellschaft gezahlt worden; es sei lediglich an eine Kapitalgesellschaft verkauft worden.

    39
    Weitere Abweichungen von den erklärten Werten betrafen folgende Punkte:

    40

    - Die Korrektur in Zeile 7 um 7.455,56 EUR wurde nicht übernommen.

    41

    - Die Korrektur der Zeile 8 wurde nicht übernommen.

    42

    - In Zeile 16 wurde für die Kapitalerträge der in Zeile 18 als Verlust angegebene Betrag angesetzt.

    43

    - Die Verluste in Zeile 12 und 21 wurden nicht berücksichtigt.

    44

    - Der Verlust in Zeile 20 wurde nur in Höhe von 221.717 EUR berücksichtigt.

    45

    Im dagegen gerichteten Einspruch vom 03.06.2015 führten die Kläger aus:

    46

    § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG gelte auch für von einer Kapitalgesellschaft im Sinne des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG gezahlte Gewinne nach § 20 Abs. 2 Nr. 7 EStG, also solche aus der Veräußerung von sonstigen Kapitalforderungen jeder Art im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Um solche Erträge handele es sich bei der Veräußerung der beiden Anleihemäntel.

    47

    Der Beklagte wies die Kläger auf § 42 Abgabenordnung (AO) hin. Die Kläger ergänzten dazu: § 42 AO könne als Generalklausel neben der Missbrauchsregelung des § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG keine Anwendung finden.

    48

    Der Bescheid wurde im Laufe des Einspruchsverfahrens mehrfach aus für den Streitfall nicht erheblichen Gründen geändert. Mit Bescheid vom 23.03.2016 wurde zugleich der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben.

    49

    Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 19.08.2016 als unbegründet zurück. Der Verlust aus der Veräußerung der Anleihemäntel sei nach § 32d Abs. 1 EStG der Abgeltungssteuer zu unterwerfen. Die Veräußerung an die GmbH sei steuerlich nicht anzuerkennen.

    50

    Steuerbar sei nicht bereits die Aufteilung einer Anleihe, sondern erst die Veräußerung der Zinskupons und der Anleihemäntel.

    51

    Die Veräußerung der Zinskupons unterliege nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b Satz 1 EStG der Einkommensteuer. Beim Anleihemantel handele es sich um eine sonstige Kapitalforderung nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, deren Veräußerung nach § 20 Abs. 2 Nr. 7 EStG ebenfalls zu Einkünften aus Kapitalvermögen führe. Beide Gewinne unterlägen § 32d Abs. 1 EStG mit der Folge, dass der Abgeltungssteuersatz zur Anwendung gelange und Verluste nicht mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden oder nach § 10d abgezogen werden dürften, § 20 Abs. 6 Satz 1, § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 EStG.

    52

    Zwar sei die Vorschrift des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b EStG dem Wortlaut nach anwendbar. Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände handele es sich jedoch um einen Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten nach § 42 Abs. 2 AO. Dafür sprächen folgende Indizien:

    53

    Der durch die Zwischenschaltung der GmbH entstehende Steuervorteil sei gesetzlich nicht vorgesehen. § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG diene ausschließlich dem Zweck, Gestaltungen zu vermeiden, die durch eine Absaugung betrieblicher Gewinne die Spreizung zwischen der für die betrieblichen Gewinne geltenden Steuerbelastung und der Belastung durch die Abgeltungssteuer auszunutzen suchten.

    54

    Die streitgegenständliche Gestaltung sei unangemessen, weil sie regelmäßig auf einen wirtschaftlichen Totalverlust hinauslaufe. Selbst in den Einzelfällen, in denen die Veräußerungserlöse die Anschaffungskosten überstiegen, ergäbe sich unter Berücksichtigung weiterer Kosten (Gründung der GmbH, Abschluss der Darlehens- und Veräußerungsverträge, Beratungs- und Transaktionskosten) ein wirtschaftlicher Totalverlust.

    55

    Außersteuerliche Gründe seien von den Klägern nicht vorgebracht worden.

    56

    Es sei auch zu berücksichtigten, dass die Haltedauer nur wenige Tage betragen habe und dass die Bank ausdrücklich auf die wirtschaftlichen Risiken hingewiesen habe.

    57

    In der Folge entstehe nach § 42 Abs. 1 Satz 3 AO der Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entstünde. Da der steuerliche Vorteil hier aus der Veräußerung an die GmbH und der Anwendung des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b EStG entstanden sei, sei die Steuer unter Nicht-Anwendung dieser Vorschrift festzusetzen gewesen.

    58

    Mit ihrer am 20.09.2016 erhobenen Klage verfolgen die Kläger ihr Ziel weiter.

    59

    Sie tragen ergänzend vor: Das Risiko einer Kursänderung der Zinsscheine sei durch den Verkauf der Bund Futures am 25.11.2013 abgesichert worden. Nach Abschluss des Verkaufs der Zinsscheine seien Bund Futures in gleicher Menge gekauft worden. Dabei sei ein Verlust in Höhe von 219.958,40 EUR entstanden.

    60

    Gegen einen Kursverfall des Anleihemantels habe sich der Kläger erst ab einem Kursrückgang von 5 % absichern wollen. Daher habe er die Bund Futures aufschiebend bedingt verkauft. Diese Bedingung sei aber nicht eingetreten.

    61

    Entsprechendes gelte für den Verkauf der Zinsscheine ab dem 11.12.2013, wobei für die Absicherung einer Kursänderung der Zinsscheine ein Verlust durch den Verkauf und Kauf der Bund Futures in Höhe von 1.553,20 EUR eingetreten sei.

    62

    Die Zuordnung der Anschaffungskosten allein zum Anleihemantel entspreche der Verfügung der OFD Frankfurt vom 20.01.1997, FR 1997, 319.

    63

    Es handele sich bei der gewählten Gestaltung auch nicht um einen Fall des Gestaltungsmissbrauchs. § 42 AO komme schon gar nicht zur Anwendung, weil dieser von § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG als spezieller Missbrauchsregelung verdrängt werde. Darüber hinaus sei § 42 AO auch nicht einschlägig. Die Zwischenschaltung einer GmbH sei nicht rechtsmissbräuchlich, wenn sie auf Dauer angelegt sei und der Steuerpflichtige alle sich daraus ergebenden Konsequenzen zöge. Schließlich liege auch kein vom Gesetz nicht vorgesehener Steuervorteil vor. Dazu müsse der gesetzgeberische Wille anhand objektiver Indizien ermittelt werden. Die Ausnutzung im gesetzgeberischen System angelegter Gestaltungsspielräume begründe einen solchen Vorteil nicht. Die im Streitfall nach der Rechtsauffassung der Kläger eintretende Verlustausschöpfung und die Ausgleichsmöglichkeit mit sonstigen Einkünften seien gesetzlich vorgesehen. § 32d Abs. 1 Nr. 1 EStG sei für Zwecke der Verwaltungsvereinfachung bewusst typisierend ausgestaltet worden. Die Gefahr einer Ausnutzung der Steuersatzspreizung zwischen tariflichem und Abgeltungssteuersatz sei dem Gesetzgeber bewusst gewesen; der Steuerpflichtige könne vor diesem Hintergrund eine Gestaltung wählen, mit der er möglichst wenig Steuern zahle. Der Steuervorteil sei eine systemimmanente Folge der Einführung der Schedulensteuer.

    64

    Zudem sei es unzutreffend, dass der Kläger keinen Totalgewinn habe erzielen können. Die Handelsspanne der Bank habe bei 1,1 % gelegen. Der Kläger habe die Anleihemäntel sieben bzw. neun Tage gehalten. In fast einem Viertel der Sieben- bzw. Neun-Tages-Zeiträume seit Ausgabe der Anleihen habe der Wertzuwachs durch Kurssteigerungen der Anleihemäntel die Handelsspanne der Bank überschritten. Auf das Schreiben der Kläger vom 16.11.2016 und insbesondere die Anlagen K5 und K8 wird Bezug genommen.

    65

    Auf einen Hinweis des Berichterstatters hin tragen die Kläger des Weiteren vor:

    66

    Es sei keine Aufteilung der Anschaffungskosten auf die Anleihemäntel und die Zinsscheine vorzunehmen. Dies ergebe sich zum einen aus § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 3 EStG, wonach der gesamte „Erlös“ und nicht nur der Gewinn aus der Veräußerung von Zinsscheinen zu versteuern sei. Die Nichtzuordnung von Anschaffungskosten auf die Zinsscheine entspreche auch dem Zweck der Vorschrift. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 3 EStG solle die Besteuerung der Zinsen zeitlich vorverlagern. Ohne die Vorschrift müsste der Veräußerer des Zinsscheins die Zinsen im Zeitpunkt der Zinszahlung nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG versteuern, obwohl sie nicht ihm, sondern dem Erwerber zuflössen.

    67

    Auch die Neuregelung für Vorgänge nach dem 31.12.2016 in § 20 Abs. 2 Satz 4, Abs. 4 Satz 9 EStG sehe keine Aufteilung der Anschaffungskosten vor. Vielmehr gälten nach der Neuregelung die Bundesanleihen im Zeitpunkt des Stripping als veräußert und die durch das Stripping entstehenden Wertpapiere als angeschafft mit der Folge, dass der gemeine Wert der Bundesanleihe (und nicht deren Anschaffungskosten) im Zeitpunkt des Stripping den entstandenen Wertpapieren anteilig zuzuordnen sei.

    68

    § 20 Abs. 4 EStG sei nicht zu entnehmen, dass jedem Veräußerungsgewinn Anschaffungskosten gegenüberstünden. So lägen etwa bei der nach § 20 Abs. 2 Nr. 7, Abs. 4 Satz 1 EStG steuerbaren Vereinnahmung ausgewiesener Stückzinsen keine Anschaffungskosten vor.

    69

    Zudem läge auch keine Substanzaufspaltung vor, sondern ein bloßer Fall der Abtrennung von Früchten. Der Anleihemantel behalte nach dem Bondstripping die volle Substanz der Bundesanleihe, also den Rückzahlungsanspruch des Gläubigers und das Stimmrecht in einer Gläubigerversammlung. Nach § 4c Abs. 1 Bundesschuldenwesengesetz (BSchuWG) nehme nur derjenige, der einen Teil des Nennwerts der Bundesanleihe – also einen Teil des Rückzahlungsanspruchs – hält, an Beschlussfassungen über Umschuldungsmaßnahmen im Sinne von § 4b BSchuWG teil; der Inhaber eines Zinsscheins habe insoweit keine Rechte. Die Kläger verweisen diesbezüglich auf ein BMF-Schreiben zur Behandlung argentinischer Staatsanleihen bei deren Trennung.

    70

    Auf das Schreiben der Kläger vom 05.12.2018 wird ergänzend Bezug genommen.

    71

    Die Kläger tragen zudem ergänzend vor, dass die Vorschrift des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b EStG anwendbar und insbesondere nicht teleologisch zu reduzieren sei. Auf das Schreiben der Kläger vom 06.03.2019 wird ergänzend Bezug genommen.

    72

    Die Tätigkeit des Klägers sei auch von Einkünfteerzielungsabsicht getragen gewesen.

    73

    Nach Einführung der Abgeltungsteuer greife bei Kapitaleinkünften eine Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht. Dem müsse auch im Streitfall Rechnung getragen werden, auch wenn die Veräußerung der Anleihemäntel nicht der Abgeltungsteuer unterliege.

    74

    Beurteilungsgegenstand der Einkünfteerzielungsabsicht müsse jeweils die Gesamtheit des aus der jeweiligen ungestrippten Bundesanleihe hervorgehenden Mantels und der Zinsscheine sein. Da die Anschaffungskosten dem Mantel zugerechnet werden müssten, würde die Prognose stets zu Verlusten aus der Veräußerung des Mantels ergeben und umgekehrt stets zu Gewinnen aus der Veräußerung der Zinsscheine. Dies sei nicht sachgerecht.

    75

    Die Rechtsprechung fordere eine Wahrscheinlichkeitsprognose; es genüge, dass ein Totalüberschuss bei einer sachgerechten und einigermaßen verlässlichen Prognose möglich erscheine. Nach Einführung der Abgeltungsteuer sei die Trennung zwischen Ertrags- und Vermögenssphäre weitgehend aufgehoben; daher sei die Eintrittswahrscheinlichkeit nicht maßgeblich. Auch spekulative Geschäfte seien steuerbar. Daher genüge die Möglichkeit eines Überschusses.

    76

    Die Frage, ob eine verlustbringende Tätigkeit aus persönlichen Gründen ausgeübt worden sei, stelle sich erst in einem zweiten Schritt, wenn die Prognose negativ ausfalle.

    77

    Der Kläger habe folgendes Investitionskonzept verfolgt: Nach Veräußerung der Zinsscheine habe er jeweils nur den Anleihemantel gehalten. Da das Kapital beim Mantel für eine lange Restlaufzeit gebunden sei, ändere sich der Kurs des Anleihemantels überproportional zu Zinsänderungen am Markt. Sänken die Zinsen am Markt, steige der Kurs des Anleihemantels deutlich stärker als der Kurs der ungeteilten Bundesanleihe. Darauf sei der Kläger von der D-Bank Ende Oktober 2013 hingewiesen worden.

    78

    Der Kläger sei zudem objektiv nicht gehindert gewesen, die Anleihen für einen begrenzten längeren Zeitraum (bis zum Ende des mit der Bank vereinbarten maximalen Investitionszeitraums) zu halten. In diesem Zeitraum hätte er auf Kurssteigerungen spekulieren können.

    79

    Im Rahmen der Totalgewinnprognose sei auf Kostenseite zu berücksichtigen, dass der Kläger um Minimierung seiner Kosten bemüht gewesen sei. Andere Anlagen hätten einen weit höheren Ausgabeaufschlag als die 1,1 % des Investitionsvolumens im Streitfall. Es könne daher dahinstehen, ob zusätzlich Teile der Beratungskosten zu berücksichtigen seien.

    80

    Durch einen isolierten Erwerb der Anleihemäntel habe das Investitionskonzept nicht verwirklicht werden können. Denn dies hätte die steuerlichen Zielsetzungen nicht erreicht. Es sei aber auch wirtschaftlich nachteilig oder nicht zielführend gewesen. Der Briefkurs einer ungeteilten Bundesanleihe liege bei 0,1 bis 0,2 % über dem Geldkurs. Der Briefkurs eines Anleihemantels liege hingegen bei 2,5 bis 5,0 % des Geldkurses. Ein Erwerb der Mäntel von der GmbH hätte der Investitionsstrategie widersprochen. Es sei nämlich erwogen worden, einen Anleihemantel im Wert von etwa 40.000.000 EUR längerfristig zu halten. Die in der zweiten Investitionsrunde erworbene Bundesanleihe habe aber aufgrund der um ein Jahr kürzeren Restlaufzeit ein anderes Chance-Risiko-Profil als die in der ersten Runde erworbene.

    81

    Die Rechtsprechung zu Verlustzuweisungsgesellschaften sei nicht anwendbar, weil der Verlust nicht auf Ebene der Personengesellschaft, sondern im Privatvermögen des Klägers entstanden sei.

    82

    Auf das Schreiben der Kläger vom 23.08.2019 wird ergänzend Bezug genommen.

    83

    Der Bescheid wurde im Laufe des Klageverfahrens durch Bescheid vom 29.06.2018 geändert.

    84

    Die Kläger beantragen,

    85

    den Einkommensteuerbescheid 2013 vom 29.06.2018 dahingehend zu ändern, dass

    86

    - die Einkünfte des Klägers aus Kapitalvermögen, die dem progressiven Steuertarif unterliegen, um 75.625.914 EUR auf ./. 75.610.144 EUR gemindert werden,

    87

    - im Gegenzug die Einkünfte des Klägers aus Kapitalvermögen, die dem gesonderten Steuertarif des § 32d Abs. 1 EStG unterfallen, um 73.735.383 EUR auf 73.940.202 EUR erhöht werden und

    88

    - die Einkommensteuer entsprechend herabgesetzt wird,

    89

    hilfsweise, den Einkommensteuerbescheid 2013 vom 29.06.2018 dahin zu ändern, dass die Einkünfte des Klägers aus Kapitalvermögen die dem gesonderten Steuertarif des § 32d Abs. 1 EStG unterfallen, um 1.888.398 EUR auf ./. 1.684.110 EUR gemindert werden und die Einkommensteuer entsprechend herabgesetzt wird,

    90

    die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, sowie

    91

    hilfsweise, die Revision zuzulassen.

    92

    Der Beklagte beantragt,

    93

    die Klage abzuweisen.

    94

    Er verweist auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung. Ergänzend trägt er vor: Die Anschaffungskosten für den Erwerb der Bundesanleihen seien nach dem erfolgten Stripping auf die Zinsscheine und das Stammrecht aufzuteilen. Dies ergebe sich aus § 20 Abs. 4 EStG. Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG seien nicht nur die Einnahmen, sondern der Gewinn aus der Veräußerung der Zinsscheine steuerbar.

    95

    Das Gericht hat zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung verschiedene Übersichten und Berechnungsentwürfe zu den Kurswerten der Zinsscheine, den Gewinn- und Verlustrisiken und zu den gesetzlichen Gebühren des Rechtsstreits (Anlagen 1 bis 4 zu diesem Urteil) erstellt und diese den Beteiligten vor der mündlichen Verhandlung übersandt.

    96

    Die Sache ist am 06.06.2019 vor dem Berichterstatter erörtert und am 05.09.2019 vor dem Senat mündlich verhandelt worden. Auf die Sitzungsniederschriften, insbesondere auf den in der Senatssitzung gestellten Beweisantrag der Kläger, wird Bezug genommen.

    97

    Entscheidungsgründe

    98

    Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 29.06.2018, der nach § 68 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des Verfahrens geworden ist, ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.

    99

    Der geltend gemachte Verlust aus der Veräußerung der Anleihemäntel nach dem Bondstripping (begrifflich abgeleitet aus dem Akronym „strips“ für „Separate Trading of Registered Interest and Principal of Securities“) ist steuerlich nicht anzuerkennen, weil der Kläger ohne die erforderliche Einkünfteerzielungsabsicht gehandelt hat.

    100

    Bei den Einkünften aus Kapitalvermögen gilt – wie bei allen anderen Einkunftsarten – das Erfordernis der Einkünfteerzielungsabsicht. Die Beurteilung der Einkünfteerzielungsabsicht muss unter Berücksichtigung einkunftsartspezifischer Besonderheiten hinsichtlich der Einkünfteermittlung erfolgen.

    101

    Im Bereich der Kapitaleinkünfte greift grundsätzlich eine (widerlegbare) tatsächliche Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht. Denn – anders als vor Einführung der Abgeltungsteuer als Schedule – soll § 20 EStG zum einen umfassend alle Kapitalanlagen einschließlich realisierter Wertsteigerungen umfassen. Zum anderen enthält § 20 Abs. 9 EStG ein Werbungskostenabzugsverbot und § 20 Abs. 6 EStG eine Verlustabzugsbeschränkung. Zum dritten sind Kapitalerträge häufig von Währungspolitik und Aktienkurs abhängig (BFH, Urteil vom 14.03.2017 – VIII R 38/15 –, BFHE 258, 240, BStBl II 2017, 1040 m.w.N.; BFH, Urteil vom 14.03.2017 – VIII R 25/14 –, BFHE 258, 237, BStBl II 2017, 1038). Ob die Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht greift, ist von den Besonderheiten des Einzelfalls abhängig zu machen (Jachmann-Michel, DStR 2017, 1849, 1850).

    102

    Unter den Umständen des Streitfalls gilt die Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht nicht. Die geltend gemachten Verluste aus der Veräußerung der Anleihemäntel unterliegen nicht dem Abgeltungsteuerregime. Gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b Satz 1 EStG gilt der gesonderte Steuertarif des § 32d Abs. 1 EStG nicht, wenn Kapitalerträge nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG von einer Kapitalgesellschaft an einen Anteilseigner gezahlt werden, der zu mindestens 10 % an der Gesellschaft beteiligt ist.

    103

    § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b Satz 1 EStG ist im Streitfall anwendbar (ebenso in einem vergleichbaren Fall FG Düsseldorf, Urteil vom 29.03.2019 – 1 K 2163/16 E, F). Das Gericht sieht keinen Anlass, den Anwendungsbereich der Vorschrift teleologisch zu reduzieren.

    104

    Bei den Einkünften aus der Veräußerung der Anleihemäntel handelt es sich um Einkünfte nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG. Danach gehört zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch der Gewinn aus der Veräußerung von sonstigen Kapitalforderungen jeder Art im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG umfasst sonstige Kapitalforderungen jeder Art, wenn die Rückzahlung des Kapitalvermögens oder ein Entgelt für die Überlassung des Kapitalvermögens zur Nutzung zugesagt oder geleistet worden ist, auch wenn die Höhe der Rückzahlung oder des Entgelts von einem ungewissen Ereignis abhängt. Im Anleihemantel ist der Rückzahlungsanspruch gegenüber dem Bund verkörpert, sodass der Verkauf eine Veräußerung von sonstigen Kapitalforderungen darstellt (vgl. FG Düsseldorf, Urteil vom 29.03.2019 – 1 K 2163/16 E,F; Buge in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 20 EStG Rn. 459, 511 „Abgezinste Wertpapiere“; Geurts in: Bordewin/Brandt, EStG, § 20 Rn. 444).

    105

    Der Kläger ist zu 100 % an der GmbH beteiligt, die den Verkaufspreis gezahlt hat.

    106

    Zugleich finden damit nach § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 EStG auch die Vorschriften des § 20 Abs. 6 und 9 EStG keine Anwendung.

    107

    Es fehlt an der erforderlichen Einkünfteerzielungsabsicht.

    108

    Ein Steuerpflichtiger handelt mit Einkünfteerzielungsabsicht, wenn er mit der ausgeübten Tätigkeit auf Dauer gesehen nachhaltig Überschüsse erzielen will. Die Absicht, einen Überschuss zu erzielen, ist eine innere Tatsache, die nur anhand äußerlicher Merkmale beurteilt werden kann. Daher muss aus objektiven Umständen auf das Vorliegen oder Fehlen der Absicht geschlossen werden, wobei alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind (BFH, Beschluss vom 25.06.1984 – GrS 4/82 –, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751).

    109

    Im Bereich der Kapitaleinkünfte ist in gegenständlicher Hinsicht das Vorliegen der Einkünfteerzielungsabsicht getrennt für jede einzelne Kapitalanlage zu prüfen (BFH, Urteil vom 14.03.2017 – VIII R 25/14 –, BFHE 258, 237, BStBl II 2017, 1038 m.w.N.). In zeitlicher Hinsicht ist das Gesamtergebnis des Zeitraums der voraussichtlichen Vermögensnutzung maßgeblich (BFH, Urteil vom 27.07.1999 – VIII R 36/98 –, BFHE 189, 408, BStBl II 1999, 769).

    110

    Beweisanzeichen können – im Bereich der Gewinneinkünfte – die Wesensart eines Betriebs, die Art seiner Bewirtschaftung und die daraus folgende Eignung und Bestimmung zur Gewinnerwirtschaftung sein. Dabei sind die Verhältnisse der Vergangenheit als Anhaltspunkte heranzuziehen. Im Fall einer negativen Prognose muss für die Feststellung der fehlenden Einkünfteerzielungsabsicht zusätzlich festgestellt werden, dass der Steuerpflichtige die verlustbringende Tätigkeit nur aus im Bereich seiner Lebensführung liegenden persönlichen Gründen oder Neigungen ausübt (BFH, Beschluss vom 25.06.1984 – GrS 4/82 –, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751). Die Gewinnerzielungsabsicht kann sich im Laufe der Ausübung der Tätigkeit ändern, also erst nach Beginn der Tätigkeit einsetzen oder wegfallen (BFH, Beschluss vom 25.06.1984 – GrS 4/82 –, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751).

    111

    Sind die zu erwartenden Einnahmen von Unsicherheiten geprägt, können die Erfahrungswerte der Vergangenheit bei der Gesamtwürdigung verstärkt herangezogen werden (BFH, Urteil vom 15.12.1999 – X R 23/95 –, BFHE 190, 460, BStBl II 2000, 267). Eine sachgerechte und einigermaßen verlässliche Prognoseentscheidung darf sich nur auf solche Faktoren stützen, die bei objektiver Betrachtung vorhersehbar waren, damit grundsätzlich der Privatsphäre zuzuordnende Elemente der Spekulation aus dem Begriff des „Erwirtschaftens von Erwerbseinkünften“ soweit wie möglich herausgehalten werden (BFH, Urteil vom 15.12.1999 – X R 23/95 –, BFHE 190, 460, BStBl II 2000, 267).

    112

    Im Fall von Verlustzuweisungsgesellschaften spricht nach der Rechtsprechung des BFH eine Vermutung dafür, dass sie zunächst keine Gewinnerzielungsabsicht haben, sondern lediglich die Möglichkeit einer späteren Gewinnerzielung in Kauf nehmen. Eine Verlustzuweisungsgesellschaft ist dadurch gekennzeichnet, dass die erkennbaren Umstände typischerweise dafür sprechen, dass ihre Gründung in erster Linie dazu gedient hat, den Gesellschaftern eine Minderung der Steuern vom Einkommen dergestalt zu vermitteln, dass durch Zuweisung von Verlustanteilen andere Einkünfte nicht versteuert werden. Eine Gewinnerzielungsabsicht kann nach der Rechtsprechung des BFH erst ab dem Zeitpunkt angenommen werden, in dem nach dem Urteil eines ordentlichen Kaufmanns die Erzielung eines Totalgewinns (sehr) wahrscheinlich ist (BFH, Urteile vom 21.08.1990 – VIII R 25/86 –, BFHE 163, 524, BStBl. II 1991, 564; Urteil vom 10.09.1991 – VIII R 39/86 –, BFHE 165, 406, BStBl II 1992, 328; Urteil vom 12.12.1995 – VIII R 59/92 –, BFHE 179, 335, BStBl II 1996, 219; Urteil vom 15.12.1999 – X R 23/95 –, BFHE 190, 460, BStBl II 2000, 267). Auch im privaten Bereich hat der BFH es jedenfalls nicht ausgeschlossen, diese Rechtsprechung – insbesondere das Erfordernis der (sehr) hohen Gewinnwahrscheinlichkeit – auf private Anleger zu übertragen, wenn die Steuerersparnis der alleinige oder vorrangige Beweggrund für die Vertragsgestaltung war (BFH, Urteil vom 15.12.1999 – X R 23/95 –, BFHE 190, 460, BStBl II 2000, 267).

    113

    Nach dieser Maßgabe lässt sich eine Einkünfteerzielungsabsicht des Klägers nicht feststellen.

    114

    In zeitlicher Hinsicht ist die Einnahmenprognose jeweils für die Zeit ab dem Kauf der Bundesanleihen bis zum Verkauf des (nach dem Verkauf der Zinsscheine erfolgten) Anleihemantels vorzunehmen. Denn in diesem zeitlichen Rahmen hat sich die zeitliche Planung des Klägers realisiert: Der Kläger hat zunächst die Bundesanleihen gekauft und diese in Kapital- und Zinsscheine aufteilen lassen. Nach Eingang der aufgeteilten Kapital- und Zinsscheine hat er die Bank mit dem Verkauf der Zinsscheine beauftragt und nach deren Verkauf einen Darlehensvertrag mit der GmbH abgeschlossen. Anschließend hat er einen Kaufvertrag über den Anleihemantel mit der GmbH abgeschlossen. Zwischen den Einzelschritten lagen höchstens ein bis zwei Tage. Dies zeigt, dass der Kläger die Einzelschritte ohne Verzögerungen vornehmen wollte, weshalb der Prognose keine längere Haltedauer (mit entsprechenden Chancen auf Kurssteigerungen) zugrunde zu legen ist. Auch die Kläger selbst haben ihren Berechnungen diese Zeitspanne zugrunde gelegt.

    115

    In gegenständlicher Hinsicht ist trotz des Grundsatzes, dass jede Kapitalanlage einzeln zu berücksichtigen ist, eine Gesamtbetrachtung (jedenfalls) des Kaufs der Bundesanleihen und des Verkaufs der Kapital- und Zinstrips vorzunehmen. Den Klägern ist darin zuzustimmen, dass die Veräußerung der Zinsscheine und der Anleihemäntel nicht getrennt voneinander beurteilt werden kann. Dies gilt unabhängig davon, ob die Anschaffungskosten nur dem Anleihemantel zuzuordnen oder aufzuteilen sind, weil mit dem Kauf der Bundesanleihe eine Kapitalanlage erworben wurde, deren Teile später einzeln veräußert wurden. Die beiden Investitionsrunden sind angesichts ihrer zeitnahen und nahezu identischen Durchführung ebenfalls gemeinsam zu betrachten.

    116

    Nach Auffassung des Senats erfordert die Feststellung der Einkünfteerzielungsabsicht im Streitfall, dass eine Überschusserzielung wahrscheinlich ist. Dieser Maßstab, den die Rechtsprechung des BFH im Fall von Verlustzuweisungsgesellschaften anlegt, ist auch im Streitfall anzulegen. Dagegen spricht nicht, dass der Kläger die Investition nicht über eine Personengesellschaft, sondern im Privatvermögen getätigt hat. Denn es gibt keinen Grund, einen Anleger, der sein Kapital aus vornehmlich steuerlichen Gründen im Privatvermögen anlegt, gegenüber einem Anleger, der sein Kapital aus vornehmlich steuerlichen Gründen über eine Personengesellschaft anlegt, besserzustellen.

    117

    Der Kläger beabsichtigte im Streitfall vor allem, Einkommensteuerersparnisse zu erzielen. Ohne die in Aussicht gestellten Steuervorteile hätte der Kläger die Transaktion nicht durchgeführt. Dies ergibt sich aus einer Gesamtbetrachtung des tatsächlichen Geschehensablaufs.

    118

    Anlass für die Kapitalanlage war die zu erwartende hohe Steuerlast im Streitjahr. Der Kläger hat im Streitjahr hohe Einkünfte aus der Veräußerung von Anteilen an einer GmbH (nicht der L-GmbH) erzielt. Grund für die Kontaktaufnahme mit der Kanzlei O, die die streitgegenständliche Transaktion begleitet hat, war indes nicht die Anlage dieser Gewinne, sondern die Beratung über die Senkung der angesichts des hohen Veräußerungsgewinns zu erwartenden Steuerlast. Dementsprechend bezog sich der Vertrag mit der beauftragten Kanzlei allein auf die steuerliche (und nicht auf eine wirtschaftliche) Beratung. Aus Sicht des Gerichts entspricht der (auch im beauftragten Gutachten niedergelegte) Vorschlag der Kanzlei O, die Steuerlast durch die streitgegenständlichen Transaktionen zu senken, der Prospektwerbung mit Steuervorteilen durch eine Verlustzuweisungsgesellschaft. Wie eine Verlustzuweisungsgesellschaft die Steuervorteile in einem Prospekt gegenüber einer Vielzahl von Anlegern bewirbt, hat die Kanzlei O gegenüber dem Kläger die steuerlichen Vorteile der Kapitalanlage hervorgehoben.

    119

    Eine wirtschaftliche Beratung hat der Kläger demgegenüber nicht eingeholt; allein durch die standardisierten Schreiben der ausführenden Bank erhielt er allgemeine Hinweise auf wirtschaftliche Risiken. Dabei hatte der Kläger durchaus Anlass, die Wirtschaftlichkeit seines Vorgehens zu überdenken. Wie sich aus dem Schreiben der Bank von Ende Oktober 2013 ergibt, liegt die Summe der Verkaufspreise des Anleihemantels der Zinsscheine im Normalfall unter dem Verkaufspreis der ungeteilten Bundesanleihe. Der Kläger musste mithin (schon ohne Berücksichtigung von sonstigen Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Erwerb oder der Veräußerung) damit rechnen, durch den Verkauf des Kapitalstrips und der Zinsstrips nach dem Bondstripping einen Verlust zu erleiden. Der Kläger wollte auch nach Überzeugung des Gerichts keine wirtschaftlichen Chancen wahrnehmen. Die seitens der Prozessbevollmächtigten betonten Chancen auf außergewöhnliche Kursgewinne, auf die der Kläger spekuliert habe, sind allgemeiner Natur und besagen letztlich nur, dass bei frei handelbaren Finanzprodukten hohe Kursgewinne immer erhofft werden können. Konkrete Anlässe für solche Kursgewinne im streitgegenständlichen Zeitraum sind hingegen nicht vorgetragen und nicht ersichtlich. Auch ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Kläger die Zeitpunkte der Käufe und Verkäufe anhand der Kursentwicklungen oder zu erwartender Kursentwicklungen festgelegt hat. Der Kläger hat vielmehr die auf der steuerlichen Gestaltung beruhenden Zwischenschritte nacheinander ohne wesentliche Verzögerungen umgesetzt. Dies spricht dafür, dass der Kläger die Zeitpunkte der Käufe und Verkäufe eben nicht nach den Kurswerten, sondern allein nach dem modellhaft vorgegebenen zeitlichen Ablauf ausgerichtet hat.

    120

    Das Gericht wertet zudem die Tatsache, dass der Kläger in der zweiten Investitionsrunde zunächst den unausgefüllten Auftrag zum Verkauf der Bund Futures unterschrieben und an die Bank gesandt hat, als Indiz dafür, dass sich der Kläger nicht tiefergehend mit der Angelegenheit auseinandergesetzt hat, sondern nur die nach steuerlichen Maßstäben erforderlichen Schritte durchgeführt hat.

    121

    Die rein steuerlichen Motive werden auch bestätigt durch das Vorgehen bei der „2. Investitionsrunde“. Der Kläger hat den Anleihemantel der am 25.11.2013 erworbenen Bundesanleihe mit Vertrag vom 06.12.2013 an die GmbH veräußert; die Einbuchung in das Depot der GmbH erfolgte vertragsgemäß am 09.12.2013. Am 10.12.2013 veräußerte die GmbH den Anleihemantel weiter. Bei einem Rückerwerb des zweiten Anleihemantels von der GmbH hätte der Kläger sein angebliches Spekulationsziel ohne Weiteres erreichen können, hätte sich jedoch die Bankgebühren und die aufzuwendenden Stückzinsen erspart. Am 11.12.2013 erwarb der Kläger jedoch bei der ausführenden Bank eine weitere Bundesanleihe zu einem nahezu identischen Gesamtpreis wie bei der ersten Investitionsrunde. Dies geschah nach Angaben des Klägers zum einen deshalb, weil ansonsten die steuerlichen Ziele nicht erreicht worden wären. Zum anderen trägt der Kläger vor, dass die beiden Anleihemäntel unterschiedliche Restlaufzeiten und damit ein unterschiedliches Chance-Risiko-Profil ausgewiesen hätten. Es sei erwogen worden, nach Veräußerung der Strips der ersten Bundesanleihe nur die Zinsstrips der zweiten Bundesanleihe zu veräußern und den Anleihemantel zu halten. Das Gericht sieht den Vortrag der Kläger, dass beim Rückkauf von der GmbH nicht die beabsichtigte Investitionsstrategie hätte verfolgt werden können, weil die zuerst erworbene Bundesanleihe bis zum 04.07.2040, die zweite aber bis zum 04.07.2039 lief, als bloße Schutzbehauptung an. Das Gericht ist überzeugt, dass der Kläger nicht ernsthaft erwogen hat, einen Anleihemantel zu halten. Es spricht alles dafür, dass vielmehr von Anfang an beabsichtigt war, die beiden Investitionsrunden nahezu identisch durchzuführen. Dafür spricht, dass nur diesen Vorgehen dem steuerlichen Ziel diente und auch der „spread“ der ausführenden Bank die Veräußerung an die GmbH bereits beinhaltete. Es gab auch keinen Anlass, im Streitjahr unterschiedliche Kursentwicklungen des 2039 und des 2040 fälligen Anleihemantels zu erwarten. Auch der Kläger hat auf Nachfrage des Gerichts keine konkreten Anhaltspunkte für das unterschiedliche Chancen-Risiko-Profil der beiden Anleihen benannt. Zudem stand der längerfristigen Investition in den Anleihemantel der zweiten Investitionsrunde entgegen, dass – wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung angegeben hat – sowohl der Kläger als auch die GmbH verpflichtet waren, die Zinsscheine und die Anleihemäntel spätestens zum vereinbarten Stichtag an die D-Bank AG zu übertragen. Der Kläger hätte sein behauptetes Investitionsziel, nach Abschluss der Investitionen einen zum 04.07.2039 fälligen Anleihemantel zu halten, zudem schlicht dadurch erreichen können, dass er in der ersten Investitionsrunde die bis 2039 laufende Bundesanleihe gekauft hätte; er hätte dann eine erste Spekulationsphase vom 25.11.2013 bis zum 06.12.2013 und nach Rückkauf von der GmbH eine zweite Spekulationsphase vom 11.12.2013 bis zum 20.12.2013 durchlaufen können und hätte abschließend über die gewünschte Investition in einen zum 04.07.2039 fälligen Zero-Bond verfügt.

    122

    Der Kläger hat schließlich nicht beabsichtigt, gängige wirtschaftliche Möglichkeiten, die sich aus dem Stripping ergeben, zu nutzen. Wirtschaftliche Gründe für das Bondstripping sind zum einen die Möglichkeit, künftige Zinszahlungströme unabhängig von den Zinszahlungszeitpunkten der Anleihe realisieren zu können sowie die Ausnutzung von Arbitragegewinnen, wenn Unterschiedsbeträge zwischen dem Kurs der Anleihe „cum“ und der Summe der Kurse der Strips bestehen (vgl. Haisch/Bindl, Corporate Finance Law 5/1010, 319, 320). Der Kläger hat keine Liquiditätsflexibilisierung beabsichtigt und das Stripping auch nicht durch unterschiedliche Realisierungszeitpunkte für solche Zwecke genutzt. Der Kläger hat auch nicht behauptet, auf Arbitragegewinne abgezielt zu haben.

    123

    Die Möglichkeit, Überschüsse zu erzielen, war nicht wahrscheinlich und erst recht nicht sehr wahrscheinlich.

    124

    Der Kläger hat insgesamt schon dann einen Verlust erzielt, wenn man als Aufwendungen nur die Anschaffungskosten (einschließlich der Handelsspanne der Bank) und die verausgabten Stückzinsen ansetzt. Dies ergibt sich aus folgender Tabelle:

    125

    126

    Dass der Kläger negative Einnahmen erzielen würde, entspricht auch der Prognose, die jeweils mit Blick auf den Beginn der Ausführung der Geschäfte, also den Zeitpunkt des Kaufs der Bundesanleihen am 25.11.2013 und am 11.12.2013, aufzustellen ist. Der Kläger konnte nach den Erfahrungswerten der Vergangenheit nicht davon ausgehen, dass er einen Überschuss erzielen würde. Erst recht war ein Überschuss nicht wahrscheinlich.

    127

    Das Gericht berücksichtigt bei seiner Prognoserechnung allein die Kursänderungen der Anleihemäntel. Dies beruht darauf, dass der Kläger aus etwaigen Kursänderungen der Zinsscheine und durch Kursänderungen der Bund Futures keine Vorteile zu ziehen beabsichtigte; vielmehr sollten Gewinne und Verluste aus der Veräußerung der Zinsscheine durch den gegenläufigen Verkauf von Bund Futures weitestgehend neutralisiert werden. Aufgrund dieser Absicht und Erwartungshaltung des Klägers ist es einerseits sachgerecht, auch die Geschäfte mit den Bund Futures in die Prüfung der Überschusserzielungsabsicht miteinzubeziehen, dies aber andererseits in der Weise zu tun, dass von der gegenseitigen Aufhebung etwaiger Wertveränderungen der Zinsscheine und der Bund Futures ausgegangen wird. Die gilt nach Auffassung des Gerichts unabhängig davon, ob die Bund-Future-Geschäfte Aufwand darstellten, der in unmittelbarem Zusammenhang mit der Veräußerung der Zinsscheine stand (vgl. BFH, Urteil vom 09.04.2014 – I R 52/12 –, BFHE 245, 59, BStBl II 2014, 861). Da die Kursentwicklung der Anleihemäntel von der Marktentwicklung und diese wiederum von zahlreichen wirtschaftlichen und politischen Faktoren abhängt, sind die Erfahrungswerte der Vergangenheit verstärkt heranzuziehen (BFH, Urteil vom 15.12.1999 – X R 23/95 –, BFHE 190, 460, BStBl. II 2000, 267).

    128

    Die durchschnittliche Kursentwicklung des Anleihemantels mit der ISIN DE0001108546 betrug – wie sich aus der auf Grundlage der Anlage K8 erstellten Tabelle, die diesem Urteil als Anlage 2 beigefügt ist, ergibt – für einen (der Haltedauer im Streitfall entsprechenden) Neun-Tages-Zeitraum im Zeitraum ab Ausgabe der Anleihe +0,59 %. Dies entspricht bei einem Kurswert des Anleihemantels am Tag des Strippingauftrags in Höhe von 19.615.282,10 EUR einem durchschnittlichen Wertzuwachs von 116.174,75 EUR. Die durchschnittliche Kursentwicklung des Anleihemantels mit der ISIN DE0001108504 betrug – wie sich aus der auf Grundlage der Anlage K5 erstellten Tabelle, die diesem Urteil als Anlage 3 beigefügt ist, ergibt – für einen (der Haltedauer im Streitfall entsprechenden) Sieben-Tages-Zeitraum im Zeitraum ab Ausgabe der Anleihe +0,42 %. Dies entspricht bei einem Kurswert des Anleihemantels am Tag des Strippingauftrags in Höhe von 21.671.233,90 EUR einem durchschnittlichen Wertzuwachs von 91.225,45 EUR. Insgesamt konnte der Kläger also mit einen durchschnittlichen Wertzuwachs in Höhe von 207.400,20 EUR rechnen.

    129

    Die zu erwartenden Einnahmen bleiben deutlich hinter den Kosten, die für die Anschaffung und in unmittelbarem Zusammenhang mit der Veräußerung getätigt wurden, zurück. Zu diesen Kosten gehören die folgenden Aufwendungen:

    130

    - Die Gebühren der ausführenden Bank, die für die gesamte Transaktion (Kauf der Bundesanleihe, Stripping, Veräußerung) jeweils 1,1 % des Investitionsbetrags betrugen.

    131

    Das Gericht kann dahinstehen lassen, inwieweit diese Kosten als Anschaffungskosten und inwieweit sie als Veräußerungskosten im Sinne des § 20 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1 EStG anzusehen sind; es handelt sich jedenfalls um Aufwendungen, die steuerlich anzuerkennen damit bei der Überschussprognose zu berücksichtigen sind. Die Bankgebühren betrugen 1,1 % der Investitionsbeträge, also 659.991 EUR für die erste und 648.994 EUR für die zweite Investitionsrunde, insgesamt also 1.308.985 EUR.

    132

    - Das Beratungshonorar der ehemals prozessbevollmächtigten Kanzlei in Höhe von 566.433,84 EUR (jeweils 0,4 % der Investitionssumme zzgl.
    Umsatzsteuer) abzüglich der auf die spätere Vertretung im Einspruchs- und Klageverfahren entfallenden Kosten.

    133

    Die Honorarvereinbarung enthält keine Aufteilung des Honorars auf die einzelnen Leistungen (Gutachten, Projektleitung, eventuelle spätere Rechtsverfolgung). Mangels anderer Anhaltspunkte hat das Gericht den auf die Rechtsverfolgung entfallenden Betrag anhand der gesetzlichen Gebühren ermittelt. Es ergeben sich Gebühren für die Vertretung im Einspruchs-, Klage- und zu erwartenden Revisionsverfahren in Höhe von 316.837,65 EUR zzgl. Umsatzsteuer. Auf die Berechnung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 02.09.2019, die diesem Urteil als Anlage 4 beigefügt ist, wird Bezug genommen. Bei dem verbleibenden Betrag in Höhe von 189.397,04 EUR handelt sich auch nicht um Werbungskosten, die (teilweise) der Werbungskostenabzugsbeschränkung des § 20 Abs. 9 EStG unterlägen. Es handelt sich vielmehr (wie die Bankgebühren) um Kosten, die teilweise den Anschaffungskosten und teilweise den Veräußerungskosten zuzurechnen sind, wobei die genaue Aufteilung dahinstehen kann. Aufwendungen, die für den Erwerb einer Kapitalanlage gemacht werden, sind, anders als Aufwendungen bei einer bestehenden Kapitalanlage, nicht zu den Werbungskosten, sondern zu den Anschaffungskosten zu rechnen. Zu diesen gehört nicht nur der Kaufpreis im engeren Sinn, sondern alles, was der Erwerber aufwenden muss, um das Wirtschaftsgut zu erlangen, also auch die Nebenkosten. Dazu gehören auch die Kosten für vorbereitende Gutachten, sofern der Entschluss, die Kapitalanlage zu tätigen, bereits vor dem Gutachtenauftrag gefasst wurde (BFH, Urteil vom 27.03.2007 – VIII R 62/05 a–, BFHE 217, 491, BStBl II 2010). Im Streitfall ergibt sich dieser Entschluss bereits daraus, dass zusammen mit den Gutachten auch zugleich die Begleitung der Transaktion in Auftrag gegeben wurde.

    134

    - Die Stückzinsen in Höhe von (802.693,00 EUR+851.457,58 EUR=)1.654.150,58 EUR.

    135

    Das Gericht folgt bezüglich der Stückzinsen nicht dem Einwand der Kläger, bei den Stückzinsen habe es sich um „durchlaufende Posten“ gehandelt. Denn – anders als bei Weiterveräußerung der ungestrippten Bundesanleihe – konnte der Kläger keine zu vereinnahmenden Stückzinsen erwarten.

    136

    Die Anschaffungs- und Veräußerungsnebenkosten sowie die verausgabten Stückzinsen betragen mithin insgesamt 3.152.532,58 EUR. Die Erwartungsprognose liegt somit deutlich im negativen Bereich.

    137

    Die von den Klägern betonten Chancen auf Kurssteigerungen der Anleihen sind im Verhältnis zur Investition und zum Risiko des Klägers als äußerst gering einzustufen. Wie sich aus den Anlage 2 und 3 ergibt, hätte der Kläger nur in 6,27 % bzw. 6,13 % der vergleichbaren Zeiträume (neun bzw. sieben Börsentage) Kursgewinne des Anleihemantels erwirtschaftet, die mindestens den Aufwendungen entsprachen. Stellt man Kursschwankungen von 5 % zugrunde – was naheliegt, weil der Kläger sich gegen Kursverluste in dieser Höhe durch den aufschiebend bedingten Kauf von Bund Futures abgesichert hatte – hätte der Kläger mit einer Wahrscheinlichkeit von 10,75 % bzw. 8,66 % einen (weiteren) Verlust von 5 % des Nennwerts der Anleihemäntel erlitten; umgekehrt wäre ein Gewinn in Höhe von 5 % des Nennwerts der Anleihemäntel nur in 1,79 % bzw. 1,73 % der Vergleichszeiträume erwirtschaftet worden.

    138

    Dabei spielt es keine Rolle, dass der Kläger einzelne Zwischenschritte auch hätte umsetzen können, bevor der vorangehende Zwischenschritt abgeschlossen war. Der Kläger hätte etwa die Anleihemäntel schon an die GmbH veräußern können, bevor der Erlös aus der Veräußerung der Zinsscheine auf seinem Konto gutgeschrieben wurde. Umgekehrt hätte der Kläger die Anleihemäntel in der ersten Investitionsrunde auch (einige Tage) länger halten können. Die Kläger haben auch auf Nachfrage keine Anhaltspunkte dafür dargelegt, dass solche Überlegungen tatsächlich angestellt wurden. Das Gericht ist vielmehr – wie dargelegt – davon überzeugt, dass der Kläger die durchgeführten Schritte vollzogen hat, um die beabsichtigten Steuerwirkungen zu erzielen, ohne aber die Zeitpunkte der Einzelschritte nach den Kursentwicklungen ausrichten. Im Übrigen kann dahinstehen, ob seine Gewinnaussichten in diesem Fall höher gewesen wären, weil hypothetische, zwar realisierbare, aber tatsächlich nicht verwirklichte Sachverhalte und Gestaltungen für die Besteuerung nicht maßgeblich sind (BFH, Urteil vom 14.05.2014 – VIII R 37/12 –, BFH/NV 2014, 1883 m.w.N.).

    139

    Aus diesem Grund war nicht, wie von den Klägern beantragt, ein finanzmathematisches Gutachten zu der Frage einzuholen, wie hoch im konkreten Fall des Klägers die Wahrscheinlichkeit war, Gewinne zu erzielen. Die Kläger haben den diesbezüglichen Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung damit begründet, dass auch die Möglichkeit zur Veräußerung zu anderen Zeitpunkten bestanden habe. Diese theoretische Möglichkeit ist aber nach Auffassung des Gerichts nicht von Bedeutung. Im Übrigen ist der Beweisantrag nicht hinreichend substantiiert, weil nicht klar ist, welche Tatsachen unter Beweis gestellt werden. Insbesondere ist der Begriff des „Gewinns“ nicht geeignet, gutachterlich festgestellt zu werden, weil der Gewinn nicht ohne eine rechtliche Würdigung ermittelt werden kann.

    140

    In der Gesamtschau ist der Sachverhalt allein deshalb verwirklicht worden, um die mit der Gestaltung verfolgten steuerlichen Ziele zu erreichen. Diese ganz im Vordergrund stehende Absicht der Steuerersparnis verdrängt die bloße Inkaufnahme etwaiger Gewinne.

    141

    Aus Sicht des Gerichts ändert sich am Gesamtergebnis nichts, wenn die Stückzinsen – wie die Kläger meinen – nicht zu berücksichtigen wären. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Kursgewinne des Anleihemantels die Aufwendungen übersteigen, liegt dann bei 20,54% bzw. 20,45 %. Die Wahrscheinlichkeit eines weiteren Verlust in Höhe von 5 % des Nennwerts liegt (unverändert) bei 10,75 % bzw. 8,66 % und die Chance auf Gewinne in dieser Höhe bei 5,30 % bzw. 4,60 %.

    142

    Das Gericht geht angesichts der Gesamtumstände des Streitfalls davon aus, dass die Möglichkeit eines günstigen Kursentwicklung selbst dann nicht zur Annahme einer Überschusserzielungsabsicht führen würde, wenn die vom BFH zu Verlustzuweisungsgesellschaften entwickelten Maßstäbe – insbesondere das Erfordernis einer hohen Gewinnerwartung zur Widerlegung der Vermutung fehlender Gewinnerzielungsabsicht – im Streitfall nicht gelten würden. Denn bei einer Gesamtwürdigung der Umstände des Streitfalls ist die Tätigkeit des Klägers in einer Weise von der Absicht, Steuern zu sparen, geprägt, dass die Möglichkeit, aus der Kapitalanlage einen Überschuss zu erwirtschaften, völlig in den Hintergrund tritt und vom steuerlichen Motiv verdrängt wird. Dies gilt umso mehr, als der Verlustfall deutlich wahrscheinlicher ist als der Gewinnfall. Das Gericht geht davon aus, dass ein vernünftiger Anleger, selbst wenn er mit einer hohen Risikobereitschaft investieren wollte, die streitgegenständlichen Investitionen nicht getätigt hätte. Die bloße Möglichkeit einer Überschusserzielung mag bei langfristigen Kapitalanlagen, denen bei handelbaren Finanzprodukten stets ein gewisses spekulatives Element innewohnt, für die Feststellung der Überschusserzielungsabsicht genügen. Im Streitfall handelt es sich aber gerade nicht um eine langfristige Kapitalanlage.

    143

    Demnach sind weder die Gewinne aus der Veräußerung der Zinsscheine (insgesamt 75.611.834 EUR) noch die negativen Einnahmen aus den verausgabten Stückzinsen (insgesamt 1.654.150,58 EUR) noch die Verluste aus den Geschäften mit den Bund Futures (insgesamt 211.716,58) noch die erklärten Verluste aus der Veräußerung der Anleihemäntel (insgesamt 75.626.914 EUR) steuerlich zu berücksichtigen. Aus der Nicht-Berücksichtigung der mit dem Bondstripping in Zusammenhang stehenden Einnahmen und Aufwendungen ergibt sich, selbst wenn man im Übrigen die von den Klägern in der Anlage KAP erklärten Beträge ansetzt, eine Steuer, die die jetzt festgesetzte Steuer überschreitet. Das Gericht ist durch das Verböserungsverbot (§ 96 FGO, Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz) daran gehindert, die Steuerfestsetzung zum Nachteil der Kläger zu ändern. Die nach § 32d Abs. 1 EStG zu versteuernden Einkünfte ergeben sich aus nachfolgender Tabelle:

    144
     
    145

    Selbst wenn der Kläger aber mit Einkünfteerzielungsabsicht gehandelt hätte, wäre die Klage zum ganz überwiegenden Teil unbegründet. Ihm wäre durch die Veräußerung der Anleihemäntel an die von ihm zu 100 % beherrschte GmbH kein (nach § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b Satz 1 EStG nicht dem Abgeltungssteuersatz, sondern dem allgemeinen Steuertarif unterliegender) Veräußerungsverlust in Höhe von 75.625.914 EUR entstanden, sondern ein Veräußerungsgewinn in Höhe von 78.574,41 EUR. Allerdings wären die angesetzten Kapitalerträge um negative Einnahmen in Höhe der im Kaufpreis der Bundesanleihen enthaltenen Stückzinsen und die Verluste aus den Geschäften mit den Bund Futures zu Gunsten des Klägers herabzusetzen.

    146

    Die Veräußerung der Anleihemäntel erfüllt, wie oben dargelegt, den Tatbestand des § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG. Der Gewinn oder Verlust aus der Veräußerung ist nach § 20 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1 EStG zu ermitteln. Danach ist Gewinn im Sinne des Absatzes 2 der Unterschied zwischen den Einnahmen aus der Veräußerung nach Abzug der Aufwendungen, die im unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit dem Veräußerungsgeschäft stehen, und den Anschaffungskosten. Wie sich aus § 20 Abs. 6 EStG ergibt, unterfällt auch ein Veräußerungsverlust den Veräußerungstatbeständen nach § 20 Abs. 2 EStG (BFH, Urteil vom 12.06.2018 – VIII R 32/16 –, BFH/NV 2018, 1184).

    147

    Die Einnahmen aus der Veräußerung der Mäntel betrugen 19.839.317,94 (Anleihemantel mit der ISIN DE0001108546) und 21.879.324,69 EUR (Anleihemantel mit der ISIN DE 0001108504).

    148

    Die Anschaffungskosten für die Bundesanleihen betrugen 59.196.496,40 EUR bzw. 58.148.059,80 EUR.

    149

    Der Begriff der Anschaffungskosten in § 20 Abs. 4 EStG ist nach § 6 EStG, § 255 des Handelsgesetzbuches (HGB) zu bestimmen. Danach muss es sich um Aufwendungen handeln, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können. Wird ein Vermögensgegenstand nachträglich durch mehrere andere Vermögensgegenstände ersetzt, können sich die Anschaffungskosten – gleich, ob die Vermögensgegenstände im Privatvermögen oder im Betriebsvermögen gehalten werden – an den Ersatzvermögensgegenständen fortsetzen (BFH, Urteil vom 21.01.1999 – IV R 27/97 –, BFHE 188, 27, BStBl II 1999, 638; BFH, Urteil vom 22.05.2003 – IX R 9/00 –, BFHE 202, 309, BStBl II 2003, 712). Voraussetzung ist dabei, dass der ursprüngliche Vermögensgegenstand nicht nur eine Wertminderung, sondern eine Substanzminderung erfahren hat, also ein Substanzübergang vom ursprünglichen Vermögensgegenstand auf das oder die Ersatzvermögensgegenstände erfolgt ist (BFH, Urteil vom 21.01.1999, a.a.O.).

    150

    Der Kläger hat ursprünglich Bundesanleihen erworben. Diese vermitteln das Recht, zum Ende der Laufzeit die Zahlung des Nominalbetrags und jährlich die Zahlung eines sich aus dem Nominalbetrag und dem Zinssatz der jeweiligen Bundesanleihe Zinsbetrages zu verlangen. Die Aufteilung dieser Anleihe in die Zinsansprüche und Kapitalansprüche führt nicht lediglich dazu, dass eine bloße Wertminderung der Bundesanleihe eintritt oder dass lediglich die Früchte des Vermögensstamms abgespalten worden wären.

    151

    Die vermeintlichen „Früchte“, also die Zinsansprüche, sind vielmehr vor und nach dem Stripping in wirtschaftlicher Hinsicht mit dem Kapitalstamm vergleichbar. Beide stellen eine der Höhe und der Zeit nach bestimmte Geldforderung dar.

    152

    Der Anleihemantel verschafft seinem Eigentümer auch weder wirtschaftlich noch rechtlich eine Stellung, die der Eigentümer eines Zinsscheins nicht innehat.

    153

    Wirtschaftlich besteht weder vor noch nach dem Stripping die Möglichkeit, den Kurswert des Vermögensstamms oder den Umfang der Fruchtziehung zu beeinflussen. Sowohl der Anleihemantel als auch die Zinsscheine unterliegen (allein) den Schwankungen des Kapitalmarkts, auf die weder der Inhaber des Mantels noch der eines Zinsscheins Einfluss hat.

    154

    Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 4b, 4c Abs. 1 BSchuWG. Danach können die Gläubiger des Bundes bestimmte Umschuldungsmaßnahmen beschließen, wobei jeder Gläubiger nach Maßgabe des Nennwertes der ausstehenden Schuldverschreibungen teilnimmt. Zum einen sind die streitgegenständlichen Anleihen von dieser Vorschrift nicht erfasst, da die vom Kläger erworbenen Bundesanleihen noch vor Inkrafttreten der mit Gesetz vom 13.09.2012 (Bundesgesetzblatt I 2012, 1914) eingeführten §§ 4a ff. BSchuWG ausgegeben wurden und daher keine besonderen Gläubigerrechte vermitteln (Seitz, Umschuldungsklauseln [Collective Action Clauses] in Staatsanleihen des europäischen Währungsraumes, S. 325). Zum anderen ist der Fall des Bondstripping in § 4c BSchuWG nicht geregelt. Da kein Grund besteht, Gläubiger im Besitz eines Anleihemantels gegenüber Gläubigern im Besitz von Zinsscheinen zu bevorzugen, geht das Gericht davon aus, dass die Stimmrechte in der Gläubigerversammlung sowohl Inhabern von Anleihemänteln als auch Inhabern von Zinsscheinen zustehen und nach dem Wertverhältnis aufzuteilen sind. Dies sehen auch die europäischen Muster-Umschuldungsklauseln, auf denen § 4c BSchuWG beruht, vor (vgl. Seitz, Umschuldungsklauseln [Collective Action Clauses] in Staatsanleihen des europäischen Währungsraumes, S. 194 ff.).

    155

    Gegen die Zuordnung von Anschaffungskosten zu den Zinsscheinen spricht auch nicht der Wortlaut des § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 3 EStG. Es kann dahinstehen, ob die Veräußerung der Zinsscheine unter § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 3 EStG (so die Kläger) oder unter § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG (so FG Düsseldorf, Zwischenurteil vom 17.12.2018 – 2 K 3874/15 F –, EFG 2019, 505; FG Düsseldorf, Urteil vom 29.03.2019 – 1 K 2163/16 E,F –, juris) fällt. Nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 3 EStG gilt Satz 2 dieser Vorschrift entsprechend für die Abtretung von Zinsansprüchen auf Schuldbuchforderungen, die in ein öffentliches Schuldbuch eingetragen sind. Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG gilt Satz 1 dieser Vorschrift sinngemäß für die „Einnahmen“ aus der Abtretung von Dividenden- oder Zinsansprüchen oder sonstigen Ansprüchen im Sinne des Satzes 1, wenn die dazugehörigen Anteilsrechte oder Schuldverschreibungen nicht in einzelnen Wertpapieren verbrieft sind. Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. b Satz 1 EStG wiederum gehört zu den Einkünften aus Kapitalvermögen der „Gewinn“ aus der Veräußerung von Zinsscheinen und Zinsforderungen durch den Inhaber oder ehemaligen Inhaber der Schuldverschreibung, wenn die dazugehörigen Schuldverschreibungen nicht mitveräußert werden. Aus der Verwendung der Begriffe „Einnahmen“ und „Gewinn“ ergibt sich indes nach Auffassung des Gerichts nicht, dass Anschaffungskosten in den Fällen der Sätze 2 und 3 gleichsam gesetzlich ausgeschlossen sind; vielmehr bezieht sich die durch Satz 2 (und somit auch für Fälle des Satzes 3) angeordnete sinngemäße Anwendung des Satzes 1 auch auf den dort verwendeten Begriff des Gewinns (vgl. Ronig, NWB 2015, 2223, 2225; Hamacher/Dahm in: Korn, EStG, § 20 Rn. 332).

    156

    Die Anschaffungskosten für die Anleihemäntel ergeben sich aus dem Verhältnis der Marktwerte des Anleihemantels einerseits und der Summe der Zinskupons andererseits am Tag des Strippings. Für den Wert des Anleihemantels hat das Gericht den Kurswert der Anleihemäntel am 25.11.2013 bzw. 11.12.2013 (Schlusskurs an der Frankfurter Wertpapierbörse) herangezogen (veröffentlicht unter https://www.boerse-frankfurt.de/bond/DE0001108546 bzw. https://www.boerse-frankfurt.de/bond/DE0001108504). Der Kurswert des Anleihemantels mit der ISIN DE0001108546 lag am 25.11.2013 bei 46,43 und der Kurswert des Anleihemantels mit der ISIN DE0001180504 am 11.12.2013 bei 48,01. Die Werte der Zinsscheine sind ebenfalls öffentlich zugänglich, entweder unter https://www.boerse-frankfurt.de/bond/ gefolgt von der ISIN für noch nicht fällige Wertpapiere oder unter https://www.boerse.de/historische-kurse/Bundesanleihe-KPS-bis-04072014/DE0001143170 (unter Einsetzung des jeweiligen Fälligkeitsdatums und der ISIN-Kennung). Die Schlusskurse an der Frankfurter Wertpapierbörse der einzelnen Zinsscheine sind in Anlage 1 zum Urteil enthalten.

    157

    Bei einer Aufteilung der Anschaffungskosten ergibt sich folgender Gewinn aus der Veräußerung der Anleihemäntel:


    158
     
    159

    Nach diesem Ergebnis wären die Einnahmen aus der Veräußerung der Zinsscheine um 75.758.242,91 zu mindern und die Einnahmen aus der Veräußerung der Anleihemäntel um diesen Betrag zu erhöhen. Damit ergäben sich aus den streitgegenständlichen Vorgängen tariflich zu besteuernde Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 132.328,34 EUR. Daraus ergäbe sich (isoliert betrachtet) eine höhere Steuerlast als die jetzt festgesetzte. Allerdings ist der angefochtene Bescheid – worüber auch zwischen den Beteiligten Einigkeit besteht – hinsichtlich anderer Beträge fehlerhaft. Die Abweichungen von den in der Anlage KAP erklärten (korrigierten) Werten erfolgten weitgehend zu Unrecht. Nur die Abweichung vom korrigierten Wert in Zeile 8 der Anlage KAP ist gerechtfertigt, weil den Klägern hier ein Rechen- bzw. Übertragungsfehler unterlaufen ist. Die übrigen Abweichungen sind hingegen rechtsfehlerhaft. Insbesondere hat die Erhöhung des Betrags in Zeile 16 auf die in Zeile 18 erklärten Gewinne dazu geführt, dass die negativen Einnahmen aus den gezahlten Stückzinsen (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG) und die Verluste aus den Geschäften mit den Bund Futures (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a, Abs. 4 Satz 5 EStG) unberücksichtigt blieben. Daneben wurden kleiner Verlustbeträge ohne ersichtlichen Grund unberücksichtigt gelassen. Die Steuer wäre herabzusetzen. Die anzusetzenden Werte ergeben sich aus der nachfolgenden Tabelle:

    160
     
    161

    Das Gericht lässt dahinstehen, ob die vom Kläger gewählte Gestaltung – wovon der Beklagte ausgeht – einen Missbrauch steuerlicher Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne des § 42 AO darstellt und der Gewinn aus der Veräußerung der Anleihemäntel daher dem gesonderten Steuersatz für Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 32d Abs. 1 EStG zu unterwerfen ist.

    162

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    163

    Die Revision ist nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen, weil die Maßstäbe für die Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht für Fälle wie den Streitfall nicht hinreichend geklärt sind. Die Revision ist auch nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt.FGO zuzulassen, weil die Frage, ob die Anschaffungskosten nach einem Bondstripping auch den Zinsscheinen zuzuordnen sind, in der Rechtsprechung uneinheitlich beantwortet wird (vgl. FG Düsseldorf, Zwischenurteil vom 17.12.2018 – 2 K 3874/15 F –, EFG 2019, 505; FG Düsseldorf, Urteil vom 29.03.2019 – 1 K 2163/16 E,F –, juris).

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