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  • 13.05.2020 · IWW-Abrufnummer 215606

    Finanzgericht Sachsen-Anhalt: Urteil vom 26.02.2020 – 1 K 629/19

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Sachsen-Anhalt

    Urteil vom 26.02.2020


    In dem Rechtsstreit
    des A,
    Kläger,
    bevollmächtigt:
    gegen
    das Finanzamt
    Beklagter,

    wegen Einkommensteuer 2014

    hat der 1. Senat aufgrund mündlicher Verhandlung vom 26. Februar 2020 durch
    den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht XXX,
    den Richter am Finanzgericht XXX,
    den Richter am Finanzgericht XXX,
    die ehrenamtliche Richterin XXX und
    den ehrenamtlichen Richter XXX
    für Recht erkannt:

    Tenor:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

    Tatbestand

    Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Fahrten des Klägers zwischen der Wohnung und der betrieblichen Einrichtung, die er arbeitstäglich aufsuchte, um seiner Tätigkeit als Lok- bzw. Triebwagenführer nachzugehen, unter Geltung des neuen Reisekostenrechts nach Dienstreisegrundsätzen oder lediglich nach Maßgabe der Entfernungspauschale als Werbungskosten anzusetzen sind.

    Der Kläger erzielte im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit bei der B. In der am 1. Juli 2015 beim Beklagten eingegangenen Einkommensteuererklärung machte der Kläger für seine arbeitstäglichen Fahrten von der Wohnung zum Bahnhof in Z, einfache Entfernung unstreitig 38 km, die Kosten nach Dienstreisegrundsätzen, nämlich für 220 Pkw-Fahrten mit einer Entfernung von 100 km (x 0,30 €) i.H.v. 6.600 € als Werbungskosten geltend.

    Auf Nachfrage übersandte der Kläger dem Beklagten eine Bescheinigung seines Arbeitgebers, der B, wonach die betriebliche Einrichtung in der Z als erste Tätigkeitsstätte festgelegt wurde.

    Mit Bescheid vom 22. September 2015 wurde der Kläger zur Einkommensteuer veranlagt, wobei die Fahrten zwischen seiner Wohnung und der ersten Tätigkeitsstätte in Z ausgehend von einer einfachen Entfernung von 38 km nur mit der Entfernungspauschale i.H.v. 2.508 € und nicht nach Dienstreisegrundsätzen berücksichtigt wurden.

    Dagegen legte der Kläger am 30. September 2015 Einspruch ein, weil er eine Fahrtätigkeit ausübe und der qualitative Schwerpunkt der Tätigkeit daher nicht in Z, sondern auf der Zugmaschine liege.

    Mit Einspruchsentscheidung vom 11. Januar 2016 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück, da das Reisekostenrecht ab dem Jahr 2014 neu geregelt worden sei und der Begriff der ersten Tätigkeitsstätte den der regelmäßigen Arbeitsstätte ersetzt habe. Nunmehr seien die Fahrtkosten des Klägers steuerlich nicht mehr nach Reisekostengrundsätzen zu berücksichtigen, da der Kläger arbeitstäglich einen Sammelpunkt aufsuche, um seiner Tätigkeit nachzugehen.

    Am 26. Januar 2016 hat der Kläger Klage erhoben. Das Verfahren hat zwischenzeitlich bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) in den Verfahren mit den Az. VI R 17/17 und VI R 27/17 geruht. Die Verfahren sind mittlerweile entschieden.

    Der Kläger meint, er habe keine erste Tätigkeitsstätte in Z inne, denn er sei mit seiner Lokomotive bundesweit tätig. Er erbringe seine Tätigkeit außerhalb der Wohnung und außerhalb einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung seines Arbeitgebers. Die Fahrten von der Wohnung zum Bahnhof seien daher nach Reisekostengrundsätzen abzurechnen.

    Nach Ergehen der Entscheidungen des BFH in den Verfahren mit den Az. VI R 17/17 und VI R 27/17 hat der Kläger im Schriftsatz vom 24. Februar 2020 vorgebracht, er habe in der Z zu keiner Zeit eine Arbeitsleistung erbracht. Er habe bei Arbeitsbeginn dort lediglich den Dienstplan kurz eingesehen. In dieser Einrichtung hätten keine morgendlichen Einsatzbesprechungen, Lehrgänge, Bürotätigkeiten, Gesundheitsprüfungen oder sonstigen Dienste stattgefunden.

    In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger die örtlichen Gegebenheiten auf dem Bahnhofsgelände dargestellt und seine dortigen Arbeitsleistungen wie folgt erläutert: Wenn er keine Züge übernommen habe, habe er teilweise die Betriebswagen selbst aufrüsten, d. h. einsatzbereit machen müssen. Dabei habe er technische Prüfarbeiten und eine Sichtkontrolle durchführen müssen, außerdem habe er die Sicherheitsfahrschaltung prüfen müssen. Wenn er den Zug in Z abgestellt habe, habe er den Ölstand und Wasserstand kontrollieren müssen. Bei Bedarf habe er an die zuständige Stelle in Y weitergegeben, dass nachgefüllt werden müsse. Beim Abstellen der Lok wurde entsprechend wie bei der Inbetriebnahme eine Sichtkontrolle des Fahrzeugs durchgeführt. Vor Beginn der Fahrt habe er noch eine Vielzahl von Arbeiten durchführen müssen wie z.B. die Durchführung einer Bremsprobe noch auf dem Gelände des Bahnhofs Z. Bevor er auf die Lok gegangen sei, habe er im Dienstgebäude die Arbeitsunterlagen einsehen müssen, die dort ausgehängt waren. Dort waren Langsamfahrstellen und Fahrplanänderungen zu entnehmen. Dazu lagen Blätter aus, auf denen dies stand, die man mit auf die Lok nahm. Im Jahr 2014 sei er im Rahmen der Personenbeförderung tätig gewesen. Diese sei durch dieselbetriebene Triebwagen erfolgt. Nach dem Abstellen der Triebwagen sei er durch diese noch mal durchgegangen, um zu überprüfen, ob etwas beschädigt sei oder ob sich noch Personen darin aufhalten. Der Kläger erläuterte weiter, er sei in der überwiegenden Anzahl lediglich auf bereits im Betrieb befindliche Triebwagen auf- oder abgestiegen.

    Der Kläger beantragt,

    den Bescheid für 2014 über Einkommensteuer vom 22. September 2015 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 11. Januar 2016 dahingehend zu ändern, dass die Steuer unter Berücksichtigung weiterer Reisekosten in Höhe von 2.508,00 € bei den Werbungskosten zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit festgesetzt wird.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Der Beklagte meint, nach der Neuregelung des Reisekostenrechts sei der Begriff der regelmäßigen Arbeitsstätte durch den der ersten Tätigkeitsstätte ersetzt worden. Nunmehr komme es primär auf arbeits- bzw. vertragsrechtliche bzw. subsidiär auf die qualitative Festlegung des Arbeitgebers an. Nach der vorliegenden Arbeitgeberbescheinigung sei der Kläger der Tätigkeitsstätte in Z zugeordnet. Es komme daher nicht darauf an, dass der Kläger an unterschiedlichen Stellen auf Züge aufsteigen könne.

    Nach Ergehen der Entscheidungen des BFH in den Verfahren mit den Az. VI R 17/17 und VI R 27/17 hat der Beklagte ausgeführt, der BFH habe bestätigt, dass die Neuregelung des Reisekostenrechts verfassungsgemäß sei. Es komme folglich darauf an, ob der Arbeitnehmer einer ersten Tätigkeitsstätte zugeordnet sei, was im Streitfall gegeben sei.

    Dem Senat hat eine Heftung der Einkommensteuer- und der Rechtsbehelfsakten vorgelegen.

    Entscheidungsgründe

    I. Der streitgegenständliche Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Kläger war der betrieblichen Einrichtung seines Arbeitgebers in der Z zugeordnet und er war dort auch in einem Umfang tätig, um diese betriebliche Einrichtung als erste Tätigkeitsstätte i.S.d. § 9 Abs. 4 Einkommensteuergesetz in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) einzuordnen.

    1. Beruflich veranlasste Fahrtkosten sind Erwerbsaufwendungen. Handelt es sich bei den Aufwendungen des Arbeitnehmers um solche für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte i.S.d. § 9 Abs. 4 EStG, ist zu deren Abgeltung für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die erste Tätigkeitsstätte aufsucht, grundsätzlich eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte von 0,30 € anzusetzen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Sätze 1 und 2 EStG).

    Erste Tätigkeitsstätte ist nach der Legaldefinition in § 9 Abs. 4 Satz 1 EStG die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens(§ 15 Aktiengesetz - AktG -) oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist. Der durch das Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom 20. Februar 2013 (BGBl I 2013, 285) neu eingeführte und in § 9 Abs. 4 Satz 1 EStG definierte Begriff der "ersten Tätigkeitsstätte" tritt an die Stelle des bisherigen unbestimmten Rechtsbegriffs der "regelmäßigen Arbeitsstätte".

    Ortsfeste betriebliche Einrichtungen sind räumlich zusammengefasste Sachmittel, die der Tätigkeit des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten dienen und mit dem Erdboden verbunden oder dazu bestimmt sind, überwiegend standortgebunden genutzt zu werden (vgl. dazu und im Folgenden BFH-Urteil vom 10. April 2019 VI R 17/17, juris). Eine (großräumige) erste Tätigkeitsstätte liegt auch vor, wenn eine Vielzahl solcher Mittel, die für sich betrachtet selbständige betriebliche Einrichtungen darstellen können (z.B. Werkstätten und Werkshallen, Bürogebäude und -etagen sowie Verkaufs- und andere Wirtschaftsbauten), räumlich abgrenzbar in einem organisatorischen, technischen oder wirtschaftlichen Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten stehen. Demgemäß kommt als eine solche erste Tätigkeitsstätte auch ein großflächiges und entsprechend infrastrukturell erschlossenes Gebiet (z.B. Werksanlage, Betriebsgelände, Bahnhof oder Flughafen) in Betracht.

    Die Zuordnung zu einer solchen Einrichtung wird gemäß § 9 Abs. 4 Satz 2 EStG durch die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen bestimmt. Nach der gesetzlichen Konzeption - und der die Neuordnung des steuerlichen Reisekostenrechts prägenden Grundentscheidung - wird die erste Tätigkeitsstätte vorrangig anhand der arbeits(vertrag)- oder dienstrechtlichen Zuordnung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber bestimmt, hilfsweise mittels quantitativer Kriterien (BTDrucks 17/10774, S. 15; ebenso BMF-Schreiben vom 24. Oktober 2014 - IV C 5 S 2353/14/10002, BStBl I 2014, 1412, Rz 2).

    Zu den arbeits- oder dienstrechtlichen Weisungen und Verfügungen (im weiteren Verlauf: arbeitsrechtliche) zählen alle schriftlichen, aber auch mündlichen Absprachen oder Weisungen (BTDrucks 17/10774, S. 15). Die Zuordnung kann also insbesondere im Arbeitsvertrag oder durch Ausübung des Direktionsrechts (bspw. im Beamtenverhältnis durch dienstliche Anordnung) kraft der Organisationsgewalt des Arbeitgebers oder Dienstherrn (im weiteren Verlauf: Arbeitgeber) vorgenommen werden. Die Zuordnung zu einer ersten Tätigkeitsstätte muss dabei nicht ausdrücklich erfolgen. Sie setzt auch nicht voraus, dass sich der Arbeitgeber der steuerrechtlichen Folgen dieser Entscheidung bewusst ist. Wird der Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber einer betrieblichen Einrichtung zugeordnet, weil er dort seine Arbeitsleistung erbringen soll, ist diese Zuordnung aufgrund der steuerrechtlichen Anknüpfung an das Dienst- oder Arbeitsrecht vielmehr auch steuerrechtlich maßgebend. Deshalb bedarf es neben der arbeitsrechtlichen Zuordnung zu einer betrieblichen Einrichtung keiner gesonderten Zuweisung zu einer ersten Tätigkeitsstätte für einkommensteuerrechtliche Zwecke. Denn der Gesetzgeber wollte mit der Neuregelung des steuerlichen Reisekostenrechts auch das Auseinanderfallen der arbeitsrechtlichen von der steuerrechtlichen Einordnung bestimmter Zahlungen als Reisekosten verringern (BTDrucks 17/10774, S. 15). Entscheidend ist, ob der Arbeitnehmer aus der Sicht ex ante nach den arbeitsrechtlichen Festlegungen an einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten tätig werden sollte.

    Die arbeitsrechtliche Zuordnungsentscheidung des Arbeitgebers als solche muss für ihre steuerliche Wirksamkeit nicht dokumentiert werden (a.A. BMF-Schreiben in BStBl I 2014, 1412, Rz 10). Eine Dokumentationspflicht ist § 9 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht zu entnehmen. Die Feststellung einer entsprechenden Zuordnung ist vielmehr durch alle nach der FGO zugelassenen Beweismittel möglich und durch das Finanzgericht (FG) im Rahmen einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu treffen. So entspricht es regelmäßig der Lebenswirklichkeit, dass der Arbeitnehmer der betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers zugeordnet ist, in der er tatsächlich tätig ist oder werden soll.

    Ist der Arbeitnehmer einer bestimmten Tätigkeitsstätte arbeitsrechtlich zugeordnet, kommt es aufgrund des Direktionsrechts des Arbeitgebers für das Auffinden der ersten Tätigkeitsstätte auf den qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit, die der Arbeitnehmer dort ausübt oder ausüben soll, entgegen der bis 2013 geltenden Rechtslage nicht mehr an (BTDrucks 17/10774, S. 15; BMF-Schreiben in BStBl I 2014, 1412, Rz 8). Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass der Arbeitnehmer am Ort der ersten Tätigkeitsstätte zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten zu erbringen hat, die er arbeitsvertraglich oder dienstrechtlich schuldet und die zu dem von ihm ausgeübten Berufsbild gehören. Nur dann kann die "erste Tätigkeitsstätte" als Anknüpfungspunkt für den Ansatz von Wegekosten nach Maßgabe der Entfernungspauschale und als Abgrenzungsmerkmal gegenüber einer auswärtigen beruflichen Tätigkeit dienen. Dies folgt nach Auffassung des BFH (beispielhaft BFH-Urteil vom 10. April 2019 VI R 17/17, juris) insbesondere aus § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG, der zumindest für den Regelfall davon ausgeht, dass der Arbeitnehmer an diesem Ort auch tätig werden soll. Darüber hinaus ist das Erfordernis einer arbeitsvertrag- oder dienstrechtlich geschuldeten Betätigung an diesem Ort nicht zuletzt dem Wortsinn des Tatbestandsmerkmals "erste Tätigkeitsstätte" geschuldet. Denn ein Ort, an dem der Steuerpflichtige nicht tätig wird (oder für den Regelfall nicht tätig werden soll), kann nicht als Tätigkeitsstätte angesehen werden. Schließlich zwingt auch das objektive Nettoprinzip, den Begriff der ersten Tätigkeitsstätte dahingehend auszulegen. Denn anderenfalls bestimmt sich die Steuerlast nicht - gleichheitsrechtlich geboten - nach der individuellen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen, sondern nach dem Belieben seines Arbeitgebers.

    Von einer dauerhaften Zuordnung ist ausweislich der in § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG aufgeführten Regelbeispiele insbesondere auszugehen, wenn der Arbeitnehmer unbefristet, für die Dauer des Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus an einer solchen Tätigkeitsstätte tätig werden soll. Fehlt eine solche dienst- oder arbeitsrechtliche Festlegung auf eine Tätigkeitsstätte oder ist sie nicht eindeutig, ist erste Tätigkeitsstätte entsprechend § 9 Abs. 4 Satz 4 EStG die betriebliche Einrichtung, an der der Arbeitnehmer dauerhaft 1. typischerweise arbeitstäglich tätig werden soll oder 2. je Arbeitswoche zwei volle Arbeitstage oder mindestens ein Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit tätig werden soll.

    Eine Zuordnung ist unbefristet i.S. des § 9 Abs. 4 Satz 3 1. Alternative EStG, wenn die Dauer der Zuordnung zu einer Tätigkeitsstätte aus der maßgeblichen Sicht ex ante nicht kalendermäßig bestimmt ist und sich auch nicht aus Art, Zweck oder Beschaffenheit der Arbeitsleistung ergibt. Die Zuordnung erfolgt gemäß § 9 Abs. 4 Satz 3 2. Alternative EStG für die Dauer des Arbeits- oder Dienstverhältnisses, wenn sie aus der maßgeblichen Sicht ex ante für die gesamte Dauer des Arbeits- oder Dienstverhältnisses Bestand haben soll. Dies kann insbesondere angenommen werden, wenn die Zuordnung im Rahmen des Arbeits- oder Dienstverhältnisses unbefristet oder (ausdrücklich) für dessen gesamte Dauer erfolgt.

    2. Nach diesen Maßstäben ist das Bahnhofsgelände um das Dienstgebäude in der Z steuerrechtlich als ortsfeste großräumige betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers des Klägers einzuordnen, welcher der Kläger aufgrund der eindeutigen Erklärung des Arbeitgebers vom 28. August 2015 dauerhaft zugeordnet war und in welcher der Kläger nicht nur in geringem Umfang arbeits- bzw. dienstrechtlich geschuldete Leistungen erbringen musste, die zu seinem Berufsbild gehören.

    a) Bei dem Bahnhofsgelände um das Dienstgebäude des Klägers herum handelt es sich um eine erste Tätigkeitsstätte, da hierunter nach der zitierten Rechtsprechung des BFH auch ein großflächiges und entsprechend infrastrukturell erschlossenes Gebiet, beispielsweise eben ein Bahnhof, zu fassen ist.

    b) Da der Kläger diesem Bahnhofsgelände in Z aufgrund der dienstrechtlichen Festlegung seines Arbeitgebers i.S.d. § 9 Abs. 4 Satz 1 EStG dauerhaft zugeordnet war, kommt es auf die Erfüllung der quantitativen Kriterien des § 9 Abs. 4 Satz 4 EStG im Streitfall nicht mehr an. Es ist insoweit auch unerheblich, ob - so der sinngemäße Vortrag des Klägers - der Kläger als Lok- bzw. Triebwagenfahrer regelmäßig in der Lok/dem Triebwagen sowie außerhalb des Betriebsgeländes in Z und damit nicht typischerweise arbeitstäglich auf dem Bahnhof in Z tätig ist, denn auf den Schwerpunkt der Tätigkeit kommt es nach der gesetzlichen Neuregelung eben gerade nicht mehr an.

    c) Der Senat hat sich vergewissern können, dass der Kläger auf dem Betriebsgelände in Z auch in dem erforderlichen Umfang tätig geworden ist, um diese betriebliche Einrichtung als erste Tätigkeitsstätte i.S.d. § 9 Abs. 4 EStG einzuordnen. Denn der Kläger hat dort nach eigenem Bekunden zumindest in geringem Umfang arbeitsvertraglich geschuldete, berufsbildbezogene Tätigkeiten ausgeübt.

    Er hat in der ersten Tätigkeitsstätte seine dienstlichen Unterlagen entgegengenommen, in denen der Schichtplan, die Langsamfahrstellen und andere Besonderheiten verzeichnet waren. Er hat sich sodann zum Ablöseort oder zum Abstellplatz der Triebwagen begeben. Soweit er den Triebwagen nicht lediglich übernommen hat, was in geringem Umfang vorgekommen ist, hat er das Triebfahrzeug in Betrieb setzen müssen. Dazu hat er diverse technische Prüfarbeiten, wie die Prüfung der Sicherheitsfahrschaltung sowie eine Bremsprobe auf dem Bahnhofsgelände, und eine Sichtkontrolle durchführen müssen.

    Bei Abstellen des Triebwagens auf dem Bahnhofsgelände hat der Kläger den Öl- und Wasserstand kontrollieren und bei Bedarf eine Nachfüllung über die zuständige Stelle in Y veranlassen müssen. Es musste erneut eine Sichtkontrolle durchgeführt und geschaut werden, dass sich keine Passgiere mehr im Triebwagen aufhalten.

    Bei diesen Tätigkeiten handelt es sich um sicherheitsrelevante Aufgaben von einigem Gewicht, die den Transport von Menschen überhaupt erst zulässig machen. Die Anzahl der Tage, an denen der Triebwagen in Betrieb gesetzt wird, statt nur übernommen, ist abhängig vom jeweiligen Schichtplan, dem Einsatz der Triebwagen und konnte vom Kläger selbst nicht gesteuert werden. Der Senat ist daher zu der Auffassung gelangt, dass der Kläger dem Bahnhofsgelände in Z nicht ohne Grund, quasi nur pro forma zugeordnet wurde, sondern weil er hier zumindest in geringem Umfang Arbeits- und Dienstleistungen erbracht hat, die er arbeitsvertraglich schuldet und die zu dem von ihm ausgeübten Berufsbild eines Triebwagenführers gehören.

    Soweit der darlegungsbelastete Kläger hier der Aufforderung des Gerichts zur Vorlage des Arbeitsvertrages und weiterer Dienstvereinbarungen nicht nachgekommen ist, geht dies im Übrigen zu seinen Lasten.

    II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

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