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  • 10.03.2021 · IWW-Abrufnummer 221051

    Finanzgericht München: Urteil vom 20.10.2020 – 12 K 832/16

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht München

    Urteil vom 20.10.2020


    In der Streitsache
    [Kl] Kläger
    prozessbevollmächtigt:
    [...]
    gegen
    Finanzamt [...] Beklagter

    wegen Einkommensteuer 2005

    hat der 12. Senat des Finanzgerichts München durch
    [...]
    auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 20. Oktober 2020 für Recht erkannt:

    Tenor:

    1. Die Klage wird abgewiesen.
    2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
    3. Die Revision wird zugelassen.

    Gründe

    I.

    Der Kläger erzielte im Streitjahr 2005 Einkünfte aus Gewerbebetrieb, aus selbständiger Tätigkeit, aus Kapitalvermögen sowie sonstige Einkünfte. Er hielt stimmrechtslose Vorzugsgesellschaftsanteile i.H.v. 0,9798 Prozent an der R-GmbH. Mit Gesellschafterbeschluss vom [XX.] Dezember 2004 beschlossen die Gesellschafter der R-GmbH im Rahmen des Projekts [...] die gesamten Anteile an der R-GmbH an die A-GmbH zu veräußern und im Anschluss die R-GmbH auf die A-GmbH zu verschmelzen. Der Kläger war bei der Gesellschafterversammlung anwesend und bevollmächtigte noch am selben Tag die B-GmbH mit dem Verkauf seiner Anteile an der R-GmbH an die A-GmbH. Noch bevor diese Veräußerung durchgeführt wurde, erwarb die R-GmbH - ohne Wissen des Klägers - am [XX + 11 Tage = YY] Dezember 2004 eigene Anteile i.H.v. 1.137.471,06 € von der B-GmbH. Der Gesellschaftsanteil des Klägers an der R-GmbH wurde am [XX.] Februar 2005 für 5.079.381 € an die A-GmbH veräußert. Am selben Tag veräußerte auch die R-GmbH ihre eigenen Anteile an die A-GmbH. Am [XX. ...] 2005 wurde die R-GmbH mit steuerlicher Wirkung zum [XX. ...] 2005 auf die A-GmbH verschmolzen.

    In der am [...] beim Beklagten eingegangenen Einkommensteuererklärung des Klägers für 2005 wurde kein Veräußerungsgewinn erklärt. Das Finanzamt folgte im Einkommensteuerbescheid für 2005 vom [...] den Angaben in der Erklärung. Aufgrund eines Antrags auf schlichte Änderung erging am [...] aus hier nicht streitigen Gründen ein Änderungsbescheid.

    Mit Schreiben vom [...] an den Beklagten erklärte der damalige steuerliche Berater des Klägers Einkünfte nach § 17 Einkommensteuergesetz (EStG) nach, da der Gesellschaftsanteil des Klägers an der R-GmbH zum Veräußerungszeitpunkt [XX.] Februar 2005 aufgrund des Erwerbs eigener Anteile durch die R-GmbH mit 1,00004 Prozent zu berechnen sei.

    Das Finanzamt erließ daraufhin am [...] einen geänderten Einkommensteuerbescheid für 2005. Der Veräußerungsgewinn gemäß § 17 EStG wurde dabei i.H.v. 3.331.382 € berücksichtigt. Unter Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens ermittelte das Finanzamt einen Veräußerungsgewinn i.H.v. 1.665.691 €.

    Zur Begründung des dagegen eingelegten Einspruchs trug der Kläger (u.a.) vor, der Begriff der wesentlichen Beteiligung müsse wirtschaftlich ausgelegt werden. Die Gestaltungs- und Einflussmöglichkeiten der Gesellschafter hätten sich durch den Erwerb der eigenen Anteile nicht erhöht. Die Gesellschafter der R-GmbH hätten im Rahmen eines Gesamtplans auf der Gesellschafterversammlung am [XX.] Dezember 2004 beschlossen, im Paket die gesamten Gesellschaftsanteile an der R-GmbH zeitnah an die A-GmbH zu veräußern. Zwischen dem Kauf der eigenen Anteile durch die R-GmbH und dem Verkauf der Gesellschaftsanteile durch den Kläger sei nach dem Gesamtplan der Gesellschafter nicht beabsichtigt gewesen bei der R-GmbH noch Gewinnausschüttungen vorzunehmen und Gesellschafterrechte in Gesellschafterversammlungen auszuüben, da die R-GmbH nach dem Verkauf der Gesellschaftsanteile auf die A-GmbH verschmolzen werden sollte. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) könne bei einer nur kurzfristigen Überschreitung der maßgeblichen Beteiligungsschwelle aufgrund eines Gesamtvertragskonzepts die wirtschaftliche Verfügungsbefugnis fehlen. Der Kläger habe außerdem nur stimmrechtslose Vorzugsanteile an der R-GmbH gehalten und auch erst im [...] vom Erwerb der eigenen Anteile durch die R-GmbH am [YY.] Dezember 2004 erfahren.

    Hinsichtlich der ebenfalls streitigen Höhe des Veräußerungsgewinns wurde im Laufe des Einspruchsverfahrens Einigung erzielt. Mit Teilabhilfebescheid vom [...] setzte das Finanzamt unter Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens einen Veräußerungsgewinn i.H.v. 1.175.782 € an und die Einkommensteuer 2005 auf 491.514 € fest.

    Mit Einspruchsentscheidung vom [...] wies das Finanzamt den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, auch eine nur kurzfristige Beteiligung von mehr als 1 Prozent führe zu einem Überschreiten der Beteiligungsgrenze des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG. Auf die Kenntnis des Klägers komme es ebenso wenig an, wie auf die Frage, ob sich die Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten des Klägers verstärkt hätten. Ein Gesamtkonzept zeitgleich abgeschlossener, korrespondierender Verträge sei nicht erkennbar, denn der Erwerb der eigenen Anteile durch die R-GmbH und die Veräußerung der Anteile durch den Kläger falle zeitlich auseinander. Es seien auch keine Vereinbarungen getroffen worden, dass der Geschäftsanteil des Klägers die 1 Prozent Grenze nicht erreichen dürfe. Letztlich sei das Vorliegen eines Gesamtplans ohnehin ohne Bedeutung, denn der Kläger habe die Geschehensabläufe nicht beherrschen können.

    Zur Begründung der dagegen erhobenen Klage wiederholt der Kläger im Wesentlichen die bereits im Einspruchsverfahren vorgetragenen Argumente. Ergänzend führt er aus, die Veräußerung von Geschäftsanteilen an der R-GmbH am [XX.] Februar 2005 sei kein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft i. S. d. § 17 EStG gewesen, da er zwischen dem Zeitpunkt des Erwerbs der eigenen Anteile durch die R-GmbH am [YY.] Dezember 2004 und dem Verkauf des Geschäftsanteils am [XX.] Februar 2005 zu keinem Zeitpunkt die tatsächliche Möglichkeit gehabt habe, die aus einer wesentlichen Beteiligung resultierenden Rechte auszuüben oder effektiv durchzusetzen. Die Rechtsprechung des BFH, dass bei der Entscheidung darüber, ob der Steuerpflichtige wesentlich i. S. d. § 17 EStG beteiligt war, von einem um die eigenen Anteile der Kapitalgesellschaft verminderten Nennkapital auszugehen sei, werde insbesondere damit begründet, dass der Begriff der wesentlichen Beteiligung wirtschaftlich auszulegen sei und sich die Gestaltungs- und Einflussmöglichkeiten der Gesellschafter auf die Höhe der Gewinnausschüttungen durch die ruhende eigene Beteiligung der GmbH wirtschaftlich anteilig verstärken würde. Dies hätte bei der vorliegenden Gestaltung jedoch nicht eintreten können, da es aufgrund des auf der Gesellschafterversammlung Anfang Dezember 2004 gefassten Gesamtplans zur Veräußerung und Verschmelzung nicht beabsichtigt gewesen wäre, bei der R-GmbH noch Gesellschafterrechte wahrzunehmen oder Gewinnausschüttungen vorzunehmen. Eine Verstärkung seiner Gestaltungs- und Einflussmöglichkeiten habe schon deshalb nicht eintreten können, da er stimmrechtlose Vorzugsgesellschaftsanteile gehabt habe. Außerdem habe er keine Kenntnis vom Kauf der eigenen Anteile durch die R-GmbH gehabt.

    Der Kläger beantragt,

    unter Änderung des Einkommensteuerbescheids 2005 vom [...] in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom [...] bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb keinen Veräußerungsgewinn anzusetzen und die Einkommensteuer entsprechend festzusetzten,

    hilfsweise die Revision zuzulassen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er verweist auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung. Ergänzend weist er darauf hin, dass die Beteiligungsgrenze des § 17 EStG i.H.v. 1 Prozent im Zeitraum vom [YY.] Dezember 2004 bis [XX.] Februar 2005 überschritten worden sei und deshalb ein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft vorläge.

    Am 20. Oktober 2020 hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden. Auf die Niederschrift wird verwiesen.

    II.

    Die Klage ist unbegründet.

    1. Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG gehört der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1 Prozent beteiligt war. Dies gilt auch, wenn der Geschäftsanteile mit keinem Stimmrecht verbunden ist (BFH-Urteil vom 25. November 1997 VIII R 36/9 BFH/NV 1998, 691 [BFH 25.11.1997 - VIII R 36/96]). Auch nur ein kurzfristiges Innehaben der wesentlichen Beteiligung in einer sogenannten logischen Sekunde kann ausreichen (BFH-Urteil vom 26. Januar 2011 IX R 7/09, BStBl II 2011, 540).

    Die Höhe der Beteiligung orientiert sich grds. am Nennkapital, jedoch vermindert um die eigenen Anteile der Kapitalgesellschaft. Hält eine GmbH eigene Geschäftsanteile, so vermitteln diese Anteile nur formal einem Gesellschafter eine Beteiligung. Die Höhe der Beteiligung der übrigen Anteile ist nicht aus dem nominellen Stammkapital zu berechnen. Dieses ist vielmehr um den Wert der eigenen Anteile zu kürzen. Die eigenen Anteile werden nicht als Beteiligung berücksichtigt und die Beteiligungsquote der übrigen Anteile entsprechend erhöht. Dies beruht darauf, dass die mit den eigenen Anteilen verbundenen Rechte die Rechtsstellung der übrigen Anteilsinhaber nicht schmälern, diese also tatsächlich entsprechend höher beteiligt sind (ständige Rechtsprechung vgl. BFH-Urteile vom 18. April 1989 VIII R 329/84, BFH/NV 1990, 27, Rz. 17; in BFH/NV 1998, 691 [BFH 25.11.1997 - VIII R 36/96], Rz. 34 m.w.N.; vom 28. Oktober 2009 IX R 17/09, BStBl II 2010, 539, Rz. 12; Gosch in Kirchhof, EStG, 19. Auflage 2020, § 17 Rz. 19 m.w.N.; Schmidt in Herrmann/Heuer/Raupach EStG/KStG, Stand August 2018, § 17 Rz. 114).

    Nach diesem Maßstab war der Kläger im Zeitraum [YY.] Dezember 2004 bis [XX.] Februar 2005 zu mehr als einem Prozent am Kapital der R-GmbH beteiligt.

    2. Eine wesentliche Beteiligung i. S. d. § 17 EStG ist jedoch dann nicht anzunehmen, wenn im Zuge von Anteilsübertragungen in mehreren Teilakten zwar vorübergehend die Beteiligungsgrenze des § 17 EStG überschritten wird, der Gesellschafter aber nach dem vertraglichen Gesamtkonzept im Ergebnis unterhalb dieser Grenze beteiligt sein soll. Voraussetzung für die Zurechnung einer (weiterveräußerten) Beteiligung i. S. d. § 17 EStG ist das (zumindest) wirtschaftliche Eigentum. Das wirtschaftliche Eigentum an einem Kapitalgesellschaftsanteil geht auf einen Erwerber über, wenn der Käufer des Anteils aufgrund eines (bürgerlich-rechtlichen) Rechtsgeschäfts bereits eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position erworben hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann, und die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen (Verwaltungs- und Vermögens-) Rechte (insbesondere Gewinnbezugsrecht und Stimmrecht) sowie Risiko und Chance von Wertveränderungen auf ihn übergegangen sind. Danach erlangt wirtschaftliches Eigentum, wer nach dem Inhalt der getroffenen Abrede alle mit der Beteiligung verbundenen wesentlichen Rechte (Vermögens- und Verwaltungsrechte, insbesondere Gewinnbezugs- und Stimmrecht) ausüben und im Konfliktfall effektiv durchsetzen kann. Der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums ist nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen. (vgl. BFH-Urteil vom 5. Oktober 2011 IX R 57/10, BStBl II 2012, 318).

    Der Streitfall ist nicht mit den Fällen vergleichbar, in denen im Zuge von Anteilsübertragungen in mehreren Teilakten zwar vorübergehend die Beteiligungsgrenze des § 17 EStG überschritten wird, der Gesellschafter aber nach dem vertraglichen Gesamtkonzept im Ergebnis unterhalb dieser Grenze beteiligt sein soll. Zwar hat der Kläger nur für einen kurzen Zeitraum - vom [YY.] Dezember 2004 bis [XX.] Februar 2005 - die Beteiligungsgrenze von einem Prozent geringfügig überschritten, jedoch zielte der den Ereignissen zugrundeliegende Gesamtplan nicht darauf ab, dass als Endergebnis der Kläger unterhalb der Beteiligungsgrenze beteiligt sein sollte. Dieses Ergebnis war nicht vorgesehen und ist auch nicht eingetreten. Die Konsequenz, dass durch den Erwerb eigener Anteile durch die R-GmbH von der B-GmbH die Beteiligungen einzelner Gesellschafter über die Beteiligungsgrenze rutschen würden, scheint bei der Gestaltung der Umstrukturierungen übersehen worden zu sein, denn der Kläger trägt glaubhaft vor, dass ihm nicht bekannt war, dass die R-GmbH eigene Anteile erwerben wollte. Dagegen, dass der Erwerb eigener Anteile durch die R-GmbH von der B-GmbH Teil des Gesamtkonzepts war, spricht auch der folgende Umstand: Die B-GmbH war auch in der Gesellschafterversammlung am [XX.] Dezember 2004 vertreten [...] und zur Veräußerung ihrer Anteile an die R-GmbH vor der Veräußerung aller Anteile an die A-GmbH als Teil eines Gesamtplanes ist dem Protokoll der Gesellschaftersammlung nichts zu entnehmen. Außerdem fehlt es an der weiteren Voraussetzung für ein Gesamtkonzept, dass die abgeschlossenen Verträge aufeinander abgestimmt waren.

    Der Gewinn aus der Veräußerung der Anteile des Klägers unterliegt somit der Besteuerung; die Höhe des Gewinns ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig

    3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    4. Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Die Rechtsprechung des BFH zur Bestimmung der Höhe der nominellen Beteiligung über das durch eigene Anteile verminderte Stammkapital, die diesem Urteil zugrunde liegt, entstammt Entscheidungen, die zu einer Zeit ergangen sind, als die Beteiligungsgrenze i.S.d § 17 EStG wesentlich höher war als im Streitjahr.

    RechtsgebieteAO, EStG; GmbHGVorschriftenAO § 39 Abs. 2 Nr. 1; EStG § 17 Abs. 1 S. 1; GmbHG § 5 Abs. 1, § 33 Abs. 2

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