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  • 04.10.2023 · IWW-Abrufnummer 237638

    Finanzgericht München: Urteil vom 25.08.2022 – 11 K 812/22

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht München

    Urteil vom 25.08.2022

    11 K 812/22

    In der Streitsache
    xxx
    gegen Finanzamt Beklagter
    wegen Einkommensteuer 2016

    hat der 11. Senat des Finanzgerichts München durch die Richterin am Finanzgericht als Einzelrichterin auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 25. August 2022 für Recht erkannt:

    Tenor:

    1.Die Klage wird abgewiesen.
    2.Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

    Tatbestand

    Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigung von krankheitsbedingten Aufwendungen für die Tante des Klägers als außergewöhnliche Belastungen im Streitjahr 2016.

    Die Kläger wurden im Streitjahr als Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. In der Ein-kommensteuererklärung für das Jahr 2016 erklärten sie Unterstützungsleistungen des Klägers in Höhe von insgesamt gerundet xx.xxx € für die im XY M. lebende Tante des Klägers, Frau K., die im Einzelnen aus Zuzahlungen für das Pflegeheim von xx,xx €, Fahrtkosten von xxx,xx €, Telefonkosten von xx,xx €, Wohnungsnebenkosten von xxx,xx € sowie Reinigungskosten von x.xxx,xx € bestanden.

    Die im Jahr 1923 geborene Frau K. war vom 6. Oktober 2015 bis 15. September 2016 auf der Geron-tostation krankheitsbedingt im XY in M. untergebracht, hatte Pflegestufe 3 und verstarb am 15. September 2016. Das XY M. adressierte die Rechnungen für erbrachte Leistungen an Frau K.

    Der Kläger und Frau K. waren je zur Hälfte an der K. Gesellschaft des Bürgerlichen Rechts (GbR) sowie an der Erbengemeinschaft K. beteiligt. Aus der K. GbR erzielten sie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus dem Objekt in W., T-Str. sowie Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft.

    Im Eigentum der Erbengemeinschaft befanden sich die bebauten Grundstücke in W., T-Str. (Mehrfa-milienhaus) und B-Str. (Einfamilienhaus). Außerdem gehörte Frau K. jeweils ein hälftiger Anteil an den land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken mit den FIurnummern xxxx in der Gemarkung S. und xxx, xxx, xxx, xxx, xxx, xxx, xxx, xxx und xxx in der Gemarkung B. Sie bezog im Streitjahr Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft laut gesonderter und einheitlicher Feststellung vom 27. August 2018 von - xxx €, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung laut gesonderter und einheitlicher Feststellung vom 27. August 2018 von x.xxx €, steuerpflichtige Renteneinkünfte von x.xxx € und steuerfreie Ren-teneinkünfte von x.xxx €.

    Im unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erlassenen Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 27. Juni 2018 erkannte der Beklagte (das Finanzamt - FA -) die Unterstützungsleistungen nicht als außergewöhnliche Belastungen an. Das FA erkannte hingegen sonstige außergewöhnliche Belas-tungen von x.xxx € an, die jedoch die zumutbare Belastung nicht übersteigen. Die Einkommensteuer wurde auf xx.xxx € festgesetzt. In den Erläuterungen führte das FA aus, das Frau K. nicht unterhalts-berechtigt gewesen sei.

    Mit Schriftsatz vom 23. Juli 2018 legten die Kläger Einspruch ein. Während des Rechtsbehelfsverfah-rens legten die Kläger zum Nachweis der geltend gemachten Zuzahlungen und der Pflegebedürftigkeit von Frau K. die Rechnungen des XY s M. vor und beantragten die Berücksichtigung eines korrigierten Betrages der Zuzahlungen in Höhe von xx.xxx,xx €. Außerdem erklärten sie hinsichtlich der Fahrtkos-ten, dass es sich nicht um Besuchsfahrten, sondern um krankheitsbedingte Fahrtkosten gehandelt habe.

    In der Einspruchsentscheidung vom 29. März 2022 wurde der Einspruch als unbegründet zurückge-wiesen.

    Die Kläger machen in ihrer dagegen durch Schriftsatz vom 28. April 2022 erhobenen Klage geltend, dass die Zuzahlungen der Kläger zum Pflegeheim insgesamt xx.xxx,xx € betragen hätten; die Summe der Unterstützungsleistungen betrage xx.xxx,xx €. Die Wohnungsnebenkosten würden sich aus Ne-benkostenzahlungen für neun Monate von xxx,xx € zzgl. xx,xx € abschließende Nachzahlung (= xxx,xx €) sowie wöchentlichen Kosten für Reinigung, Winterdienst, Gartenpflege und Beaufsichtigung von xx,xx €/Woche für die Zeit vom 01.01. - 10.10.2016, d.h. 40 Wochen (= x.xxx,xx €) zusammen set-zen.

    Im Rahmen der Ermittlung der Einkünfte und Bezüge von Frau K. sei sowohl der steuerpflichtige An-teil ihrer Altersrente von x.xxx € als auch der steuerfreie Anteil von x.xxx € zu berücksichtigen. Das Gleiche gelte für den Betrag für den persönlichen Bedarf, welcher sich lediglich auf jährlich x.xxx € belaufe. Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung seien jedoch nur mit einem Betrag von x.xxx,xx € anzusetzen, da hier der Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 2016 vom 27. August 2018 maßgeblich sei. Die Summe der Einkünfte be-trage damit xx.xxx,xx €. Bringe man nun von den Einkünften von Frau K. den Betrag für persönlichen Bedarf von x.xxx € in Abzug, beliefen sich die heranzuziehenden Einkünfte auf xx.xxx,xx €. Saldiere man die von den Klägern getragenen Unterstützungsleistungen von xx.xxx,xx € ergebe sich ein Betrag von x.xxx,xx €, der nicht von den Einkünften der Frau K. abgedeckt sei.

    In dieser Höhe seien die Ausgaben der Kläger als außergewöhnliche Belastungen im Sinne von § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) abziehbar. Insoweit habe eine Zwangsläufigkeit auf Grund sitt-licher Gründe vorgelegen, derer sich die Kläger nicht hätten entziehen können. Die Tante des Klägers habe unter Hintanstellung jeglicher eigener, insbesondere auch privater Belange beide Eltern des Klä-gers, also ihre Schwester und ihren Schwager, versorgt und gepflegt, als diese jeweils über Jahre hin-weg gesundheitlich nicht mehr zu Verrichtungen des täglichen Lebens in der Lage gewesen seien. Zunächst habe die Mutter des Klägers die Fähigkeit verloren, sich ohne Hilfe fortzubewegen und sei ab etwa 1987 auf Gehhilfen angewiesen gewesen, ab dem Jahr 1993 sei sie bis an ihr Lebensende auf einen Rollstuhl angewiesen gewesen. Hinzu sei gekommen, dass der Vater des Klägers im Jahre 1993 einen Schlaganfall erlitten habe und kurz darauf einen zweiten, sodass auch er auf vergleichbare Hilfe und Unterstützung durch Frau K. bis zu seinem Ableben 1995 angewiesen gewesen sei. Frau K. habe über 15 Jahre den gesamten Haushalt wie auch die Pflege in Form von täglichen Hilfestellungen bei Toilettengängen, Körperhygiene, etc. erledigt. Dazu sei die aus Oberfranken gebürtige Frau K. im Haushalt der Eltern des Klägers eingezogen.

    Die Vorgaben des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 27. Februar 1987 (III R 209/81, BStBl II 1987, 432) hätten damit vorgelegen. Die Kläger hätten sich vor dem Hintergrund der auch von Frau K. innerhalb des engsten Familienkreises der Kläger erbrachten (unentgeltlichen) Leistungen zu den Unterstützungsleistungen verpflichtet halten müssen. Es wäre - abgesehen von ihrer moralischen Gebotenheit - undenkbar gewesen, die getätigten Unterstützungsleistungen zu unterlassen, nach-dem sich "im Gegenzug" Frau K. bis an den Rand der Selbstaufgabe über Jahre um die Eltern des Klä-gers gekümmert hatte.

    Weiter führen die Kläger unter Verweis auf das Urteil des BFH vom 11. Februar 2010 (VI R 61/08, BStBl II 2010, 621) aus, dass § 33a EStG lex specialis zu § 33 EStG sei und die in § 33a EStG enthalte-nen Sondervorschriften nicht auf § 33 EStG ausgedehnt werden dürften. Diese Feststellung sei entge-gen der Ansicht des FA auch nicht lediglich auf den dort entschiedenen Einzelfall beschränkt gewesen. Das eigene Vermögen der pflegebedürftigen Person sei deshalb unbeachtlich. Dies ergebe sich auch aus Hinweis H 33.1 - 4 der Einkommensteuerhinweise (EStH; Stichwort "Krankheitskosten"). Es müs-se daher dabei bleiben, dass eine Heranziehung des Vermögens des Empfängers von Unterstützungs-leistungen nur in Fällen des § 33a EStG in Betracht komme und auch hierauf beschränkt bleibe.

    Selbst wenn das Vermögen der Frau K. im Rahmen der Prüfung der Zwangsläufigkeit heranzuziehen sein sollte, kämen allenfalls die land- und forstwirtschaftlichen Grundstücke in Betracht. Denn die Immobilien seien die Grundlage ihrer - ohnehin geringen - Einkünfte gewesen. Hätte sie diese veräu-ßert, hätte sie sich im Folgenden der Basis ihrer Einkünfte beraubt.

    Die Kläger beantragen,
    den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2016 vom 27. Juni 2018 in Gestalt der Einspruchsent-scheidung vom 29. März 2022 dahingehend abzuändern, dass Aufwendungen von x.xxx,xx € als au-ßergewöhnliche Belastungen zum Abzug gebracht werden.
    Das FA beantragt,
    die Klage abzuweisen.

    Das FA vertritt die Auffassung, dass die für die Tante des Klägers übernommenen krankheitsbeding-ten Aufwendungen bei diesem keine außergewöhnlichen Belastungen nach § 33 EStG darstellen würden. Es habe weder eine rechtliche noch eine tatsächliche noch eine sittliche Verpflichtung des Klägers zur Begleichung der Aufwendungen bestanden. Die sittliche Verpflichtung scheide aus, weil Frau K., die im Streitjahr keine ausreichenden Einkünfte und Bezüge gehabt habe, über ein nicht nur geringes Vermögen in Form von Immobilien verfügt habe, welches zunächst zur Begleichung der Kos-ten hätte eingesetzt werden müssen, bevor eine sittliche Verpflichtung zur Übernahme von Kosten durch andere hätte entstehen können.

    Die Berücksichtigung der Eigentums- und Vermögensverhältnisse der unterhaltenen Person ergebe sich im Rahmen der Auslegung von § 33 EStG, der eigene Maßgaben zur Zwangsläufigkeit enthalte, sowie in Anwendung der BFH-Rechtsprechung. In dem vom Kläger zitierten BFH-Urteil vom 11. Februar 2010 (VI R 61/08, BStBl II 2010, 621) sei entschieden worden, dass ein schwerbehinder-tes Kind Vermögen besitzen dürfe. Obwohl volljährige Kinder grundsätzlich verpflichtet seien, vor-rangig ihr eigenes Vermögen zum Unterhalt einzusetzen, sei die minderjährige Tochter im dort ent-schiedenen Fall nicht verpflichtet gewesen, den Stamm ihres Vermögens anzugreifen. Da sich die im Jahr 1923 geborene Frau K. bereits im hohen Rentenalter befunden habe und nicht mehr zur Alters-vorsorge Vermögen bilden musste, sondern im Gegenteil dieses zur Deckung des Lebensbedarfs im Alter und für krankheits- oder pflegebedingte Mehraufwendungen hätte einsetzen können, sei diese Rechtsprechung nicht auf den Streitfall übertragbar.

    Selbst wenn bei einer Prüfung der Zwangsläufigkeit im Rahmen von § 33 EStG eine Anrechnung des Vermögens nicht zu erfolgen hätte, wären die beantragten Aufwendungen im Übrigen dennoch nicht in voller Höhe als außergewöhnliche Belastungen abziehbar, da in jedem Fall eine Anrechnung der eigenen Einkünfte und Bezüge von Frau K. erfolgen müsse. Zu den Bezügen würden alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert gehören, also auch nicht steuerbare oder für steuerfrei erklärte Einnahmen, die nicht bereits im Rahmen der einkommensteuerrechtlichen Einkunftsermittlung erfasst wurden, so-fern sie zur Bestreitung des Unterhalts bestimmt oder geeignet seien. Zu den Einkünften und Bezügen würde im Streitfall auch der steuerfreie Teil der Leibrente von x.xxx € zählen, weshalb Einkünfte und Bezüge von xx.xxx € zu berücksichtigen seien. Davon sei ein Betrag für zusätzlichen persönlichen Be-darf in Höhe von jährlich höchstens 1.500 € (vgl. Schreiben des Bundesministers der Finanzen - BMF - vom 2. Dezember 2002, BStBl. I 2002, 1389) abzuziehen. Die Übernahme der krankheitsbedingten Kosten von Frau K. wäre somit nur insoweit bei den außergewöhnlichen Belastungen zu berücksich-tigen, als sie die um den persönlichen Bedarf gekürzten eigenen Einkünfte und Bezüge in Höhe von xx.xxx € (xx.xxx € - x.xxx €) übersteigen würden und nachgewiesen worden wären.

    Die Aufwendungen seien auch nicht nach § 33a Abs. 1 EStG berücksichtigungsfähig, da Frau K. ge-genüber dem Kläger nicht unterhaltsberechtigt gewesen sei.

    Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Akten des FA, die Ge-richtsakte sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 25. August 2022 nach § 105 Abs. 3 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) verwiesen.

    Entscheidungsgründe

    1. Die zulässige Klage ist unbegründet. Die von den Klägern geltend gemachten Aufwendungen sind nicht als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig.

    a. Nach § 33 Abs. 1 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der über-wiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögens-verhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen. Aufwendungen entstehen einem Steuer-pflichtigen nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächli-chen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann, soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.

    aa. Liegt ein durch Krankheit veranlasster Aufenthalt in einem Pflegeheim vor, stellen die Aufwen-dungen für die Heimunterbringung Krankheitskosten dar. Die Unterbringungskosten bzw. das Pau-schalentgelt - abzüglich einer Haushaltsersparnis - sind als außergewöhnliche Belastungen zu berück-sichtigen, wenn die Unterbringung in einem Altenheim ausschließlich durch eine Krankheit veranlasst ist, weil der Betroffene infolge einer Krankheit pflegebedürftig geworden ist, nicht dagegen, wenn der Untergebrachte erst während des Aufenthalts erkrankt ist (BFH-Urteil vom 15. April 2010 VI R 51/09, BStBl II 2010, 794). Zu den nach § 33 EStG anzuerkennenden Mehraufwendungen gehören grundsätzlich die gesamten vom Heim in Rechnung gestellten Unterbringungskosten einschließlich der Kosten für ärztliche Betreuung und für Pflege, gemindert um eine Haushaltsersparnis.

    Krankheitsbedingte Unterbringungskosten in einer dafür vorgesehenen Einrichtung sind grundsätz-lich aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig und daher dem Grunde nach als außergewöhnliche Be-lastungen i.S. des § 33 EStG zu berücksichtigen (vgl. BFH-Urteil vom 14. November 2013 VI R 21/12, BFH/NV 2014, 832). Unerheblich ist, ob der Kranke oder Pflegebedürftige die außergewöhnlichen Aufwendungen selbst trägt, oder ob diese ein unterhaltsverpflichteter Dritter übernimmt (BFH-Urteil vom 24. Februar 2000 III R 80/97, BStBl II 2000, 294).

    Im Streitfall liegen weder rechtliche Gründe noch tatsächliche Gründe vor, die zu einer Zwangsläufig-keit führen. Denn im Streitfall war die Tante des Klägers zwar krankheitsbedingt in einem Pflegeheim im Streitjahr untergebracht. Der Kläger war jedoch gegenüber seiner Tante weder gesetzlich noch vertraglich unterhaltsverpflichtet.

    bb. Auch sittliche Gründe sind im Streitfall nicht gegeben.

    Sittliche Gründe liegen dann vor, wenn nach dem Urteil der Mehrzahl billig und gerecht denkender Menschen ein Steuerpflichtiger sich zu der betreffenden Leistung verpflichtet sehen kann. Sittlich zu billigende oder besonders anerkennenswerte Gründe allein reichen nicht aus. Das sittliche Gebot muss vielmehr ähnlich einem Rechtszwang von außen her als eine Forderung oder zumindest eine Erwartung der Gesellschaft in der Weise in Erscheinung treten, dass die Unterlassung Nachteile im sittlich-moralischen Bereich oder auf gesellschaftlicher Ebene zur Folge haben kann. Infolgedessen ist eine Zwangsläufigkeit nicht schon gegeben, wenn sich der Steuerpflichtige subjektiv verpflichtet fühlt; auch ist nicht jede aus sittlichen Gründen verständliche Unterstützung Dritter zwangsläufig. Vorausgesetzt wird vielmehr, dass der Steuerpflichtige keine Möglichkeit hatte, den Aufwendungen auszuweichen, sich ihnen zu entziehen. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist eine Zwangsläu-figkeit aus sittlichen Gründen nur anzunehmen, wenn die sittliche Verpflichtung so unabdingbar ist, dass sie einer Rechtspflicht gleichkommt (BFH-Urteil vom 15. April 2010 VI R 51/09, BStBl II 2010, 794).

    Bereits diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Zwar ist es verständlich, dass sich der Kläger entschieden hatte, die Unterbringungskosten seiner Tante im Streitfall zu bezahlen. Denn diese pflegte und versorgte unter Hintanstellung eigener, insbesondere auch privater Belange beide Eltern des Klägers über 15 Jahre, weil diese krankheitsbedingt überwiegend nicht mehr zu Verrich-tungen des täglichen Lebens in der Lage waren. Nach Auffassung des erkennenden Gerichts erwartet die Gesellschaft nicht unausweichlich und unabdingbar, dass ein Neffe die Heimkosten seiner vermö-genden, aber pflegebedürftigen Tante übernimmt.

    Zwar kommt die das eigene Vermögen des Unterhaltsempfängers betreffende Bestimmung des § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG im Rahmen des § 33 EStG nicht ergänzend zur Anwendung, weil § 33a EStG ge-genüber der allgemeinen Regelung des § 33 EStG eine Sondervorschrift darstellt (BFH-Urteil vom 11. Februar 2010 VI R 61/08, BStBl II 2010, 621).

    Eine sittliche Verpflichtung i.S. des § 33 Abs. 1 EStG, Aufwendungen für dritte Personen zu tragen, kommt aber nur dann in Betracht, wenn die unterstützte Person nicht selbst in der Lage ist, die Auf-wendungen aus eigenen Mitteln zu bestreiten. Verfügt der Empfänger über eigenes, nicht nur gering-fügiges Vermögen, sind die Aufwendungen nicht zwangsläufig. Denn die Gesellschaft erachtet es als zumutbar, wenn nicht gar als selbstverständlich, dass zunächst eigenes Vermögen eingesetzt und erst danach die Unterstützung naher Angehöriger beansprucht wird. Darüber hinaus ist zu prüfen, ob der Bedarf nicht durch ein langfristiges Darlehen gedeckt werden kann (BFH-Urteil vom 12. Dezember 2002 III R 25/01, BStBl II 2003, 299).

    Eine Zwangsläufigkeit aus sittlichen Gründen scheidet im Streitfall deshalb aus, weil die Tante des Klä-gers zwar nicht über erhebliche Einkünfte, aber über eigenes, nicht nur geringfügiges Vermögen im Streitjahr verfügte, das sie zunächst für ihre Unterbringung im Pflegeheim hätte einsetzen müssen. Denn Frau K. befand sich im Streitjahr zusammen mit dem Kläger in einer ungeteilten Erbengemein-schaft. Beide waren jeweils zur Hälfte Miterben. Im Eigentum der Erbengemeinschaft befanden sich die bebauten Grundstücke in W., T-Str. (Mehrfamilienhaus) und B-Str. (Einfamilienhaus). Außerdem gehörten ihr jeweils hälftige Anteile an den land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken mit den FIurnummern xxxx in der Gemarkung S. und xxx, xxx, xxx, xxx, xxx, xxx, xxx, xxx und xxx in der Gemar-kung B. Es ist nicht sittlich anstößig und wird von der Gemeinschaft nicht mit Sanktionen im gesell-schaftlichen Bereich beantwortet, wenn ein Unterhaltsverpflichteter von dem Unterhaltsberechtig-ten die Erfüllung seiner bürgerlich-rechtlichen Obliegenheiten und damit die vorrangige Verwertung dessen eigenen Vermögens verlangt und erst, sollte dieses erschöpft sein, selbst mit Unterhaltsleis-tungen eintritt. Dies muss erst recht gelten, wenn - wie im Streitfall - keine Unterhaltsverpflichtung besteht.

    Auch ein volljähriges Kind ist nach der Rechtsprechung des BFH (BFH-Urteil vom 11. Februar 2010 VI R 61/08, BStBl II 2010, 621) grundsätzlich verpflichtet, vorrangig seinen Vermögensstamm zu ver-werten, bevor es seine Eltern auf Unterhalt in Anspruch nimmt. Dies folgt im Umkehrschluss aus § 1602 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Der Grundsatz kommt jedoch nicht zur Anwen-dung, wenn die Vermögensverwertung im Einzelfall unzumutbar ist. Inwieweit das Vermögen einzu-setzen ist, muss daher jeweils aufgrund einer Zumutbarkeitsabwägung unter Berücksichtigung aller bedeutsamen Umstände und insbesondere auch der Lage der Unterhaltsverpflichteten entschieden werden. Schwerbehinderte volljährige Kinder, die ihren angemessenen Bedarf nicht selbst decken können und bei denen ungewiss ist, ob ihr Unterhaltsbedarf im Alter durch Unterhaltsleistungen der Eltern gedeckt werden kann, dürfen deshalb nach dieser Rechtsprechung maßvoll Vermögen bilden; eine als Altersvorsorge dienende vermietete Eigentumswohnung braucht deshalb nicht vor der Inan-spruchnahme elterlichen Unterhalts verwertet zu werden.

    Diese Rechtsprechung ist jedoch auf den Streitfall schon deshalb nicht übertragbar, weil die Tante des Klägers diesem gegenüber nicht unterhaltsberechtigt war. Darüber hinaus bestand bei der im Jahr 1923 geborenen Tante des Klägers keine Notwendigkeit mehr, zur Altersvorsorge Vermögen zu bil-den. Es ist in dieser Situation nicht sittlich anstößig, wenn der gegenüber seiner Tante nicht unter-haltsverpflichtete Kläger erst nach der Verwertung eigenen Vermögens der Tante - ggfs. nach Ge-samtauseinandersetzung der Erbengemeinschaft, auch im Wege einer Teilungsversteigerung - oder Verwendung desselben als Sicherheit für die Inanspruchnahme von Darlehen selbst mit Unterhalts-leistungen eintritt.

    b. Eine Berücksichtigung der geltend gemachten Aufwendungen nach § 33a Abs. 1 EStG scheidet ebenfalls aus, weil Frau K. gegenüber dem Kläger nicht unterhaltsberechtigt war.

    2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    RechtsgebietEStGVorschriften§ 33 Abs. 1 EStG, § 33 Abs. 2 S. 1 EStG

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