01.08.2007 | Aktuelle Rechtsprechung
Neues Urteil zur Aufklärungspflicht legt strengen Maßstab an
Ein Krankenhaus hat den materiellen Schaden zu ersetzen, der Eltern dadurch entsteht, dass ein Kind aufgrund einer schwangerschaftsverlängernden Maßnahme zwar lebensfähig, aber mit schweren Missbildungen geboren wird und die Eltern nicht ausreichend über die Risiken aufgeklärt worden sind. Zu diesem Ergebnis kam der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle (OLG) in einem aktuellen Urteil vom 2. Juli 2007 (Az: 1 U 106/06 – Abruf-Nr. 072415; der vollständige Urteilstext ist voraussichtlich erst in einigen Wochen abrufbar).
Der Sachverhalt
Die Patientin, die bereits zwei Fehlgeburten erlitten hatte, war in der 21. Schwangerschaftswoche aufgrund von Komplikationen in das Krankenhaus eingeliefert worden. Dort stellte man fest, dass sich der Gebärmuttermund bereits um einige Zentimeter geöffnet hatte. Man entschied sich, eine sogenannte „Cerclage“ anzulegen. Bei diesem besonderen Verfahren wird der Muttermund mit einer ringförmigen Naht verschlossen, um eine Frühgeburt zu verhindern. Die Geburt konnte jedoch nur weitere 17 Tage hinausgezögert werden. Das Kind war lebensfähig, litt jedoch unter schwersten Behinderungen. Hiermit musste bei einer Geburt zu diesem Zeitpunkt gerechnet werden.
Die Entscheidung der Richter
Das OLG rügte insbesondere folgende Punkte, die auch von Chefärztinnen und Chefärzten der Gynäkologie bei der Aufklärung beachtet werden sollten:
- Die werdende Mutter sei vor dem Legen der Cerclage nicht umfassend über die damit verbundenen Risiken und die Alternativen einer konservativen Behandlung aufgeklärt worden.
- Insbesondere sei die Patientin nicht über die Möglichkeit schwerster Missbildungen für den Fall, dass die Schwangerschaftsverlängerung nur kurzzeitig gelinge, informiert worden.
- Auch sei ihr nicht verdeutlicht worden, dass eine einmal gelegte Cerclage nicht jederzeit auf eigenen Wunsch wieder rückgängig gemacht werden könne, sondern der Indikation für einen Schwangerschaftsabbruch bedürfe. Eine solche hatte nicht vorgelegen.
Dass sich die werdende Mutter auch bei einer ordnungsgemäßen Aufklärung für eine Cerclage entschieden hätte, konnte das Krankenhaus nicht beweisen. Das Krankenhaus muss nun für den Unterhalt der Tochter aufkommen.
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