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  • 01.01.2006 | Arbeitsrecht

    Streik im Krankenhaus, Teil 1: In welcher Rechtslage befinden sich die Krankenhausärzte?

    von Dr. Guido Mareck, Richter am Arbeitsgericht Iserlohn

    Der Krankenhaussektor steht Kopf: Die Krankenhausärzte wollen ihren Forderungen – von der Verbesserung der Arbeitsbedingungen bis zu um 30 Prozent höheren Gehältern – durch Streiks an ihren Krankenhäusern Nachdruck verleihen. Die Meldungen sind verwirrend: Geplante Streiks werden angekündigt und wieder abgesagt, von zwei Tarifverträgen ist die Rede, von denen der eine nicht anwendbar sei und der andere gekündigt werden muss. Letztlich weiß auch keiner, welche Gewerkschaft zuständig ist: der Marburger Bund (MB) oder Verdi. Dieser Beitrag soll Licht in das Dunkel bringen und den Chefarzt auf wichtige Punkte hinweisen, falls es Anfang Februar – wie vom MB angekündigt – tatsächlich zum Streik an kommunalen Krankenhäusern kommen sollte.  

    Was bisher geschah

    Der MB rief seine Mitglieder zum Streik am 13. Dezember 2005 auf. Am 12. Dezember untersagte das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln in seiner Entscheidung (Az: 2 Ta 457/05 – Abruf-Nr. 053659) den Mitgliedern den Arbeitskampf – in Form eines so genannten „Warnstreiks“. Der Beschluss bezieht sich eigentlich nur auf die Kliniken in Köln. Doch um die Mitglieder vor möglichen Schadenersatzforderungen der Arbeitgeber zu schützen, blies MB-Chef Frank Ulrich Montgomery die Streikaktionen noch in der Nacht ab. Viele Ärzte demonstrierten daraufhin spontan am nächsten Tag in der Mittagspause. Die Richterin begründete ihre Entscheidung damit, dass die Gewerkschaft bislang den gültigen Bundesangestellten-Tarifvertrag (BAT) nicht gekündigt habe und deshalb in der Friedenspflicht sei. Am 17. Dezember hat daraufhin die MB-Tarifkommission entschieden, den BAT zu kündigen, um die Arbeitsniederlegungen, die für Anfang Februar 2006 in kommunalen Krankenhäusern geplant sind, rechtssicher zu machen.  

    Kliniken Hamburg: Ein Pilotprojekt mit Modellcharakter?

    Keine Streiks wird es allerdings für die 3.000 Krankenhausärzte an den Kliniken Hamburgs geben: Hier einigten sich der MB und der Krankenhaus-Arbeitgeberverband auf ein neues Arbeitszeitmodell, das auch Modellcharakter für andere Regionen haben könnte. Danach erhält jeder Arzt ein Mitspracherecht bei der Länge seiner persönlichen Arbeitszeit. So könnten überlange Schichten vermieden und der europäischen Arbeitszeitrichtlinie Genüge getan werden. Für die Arbeitgeber ist dieses Modell interessant, weil sie zukünftig haus- und abteilungsspezifische Arbeitszeitmodelle anbieten können.  

    Zwei Tarifverträge: der BAT und der TVöD

    Das LAG hat es deutlich gemacht: Die Gewerkschaft hat den BAT nicht gekündigt. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass der neue Tarifvertrag im öffentlichen Dienst (TVöD) für Klinikärzte nicht gilt, was die kommunalen Arbeitgeber allerdings deutlich in Zweifel ziehen. Den TVöD hatten die öffentlichen Arbeitgeber gegen den Widerstand des MB mit der Gewerkschaft Verdi abgeschlossen.  

    Die einzelnen Gewerkschaften

    Problematisch ist hier, dass Klinikärzte meist vom MB und die weiteren Klinikmitarbeiter von der Gewerkschaft Verdi vertreten werden. Nach dem Prinzip „Ein Betrieb, eine Gewerkschaft“ gab es bisher keine Konkurrenz in den jeweiligen Organisationsbereichen. Nunmehr hat der MB seine Kooperation mit Verdi gekündigt: Statt sich weiter von der Tarifpolitik im öffentlichen Dienst abhängig zu machen, will er – in Konkurrenz dazu – einen Sonder-Tarifvertrag für Klinikärzte erkämpfen. Inwieweit er als eigenständiger Tarifpartner für die Arbeitgeber anerkannt wird (unabhängig von der Frage seiner Mächtigkeit und Koalitionsfähigkeit), bleibt abzuwarten.  

    Dürfen auch Nicht-Mitglieder am Streik teilnehmen?

    Das Recht zum Streik folgt aus der Freiheit der koalitionsmäßigen Betätigung im Sinne des Artikel 9 Grundgesetz. Doch wer darf nun streiken? Auch Personen, die nicht Mitglied in einer Gewerkschaft sind? Die herrschende Meinung bejaht das. Auch die „nicht organisierten“ Arbeitnehmer – also im vorliegenden Fall nicht im MB organisierte Ärzte – dürfen am Streik teilnehmen.