08.04.2010 | Der Chefarztvertrag
Strukturänderungen, Kooperationen und Teilungen: Ist der Chefarzt schutzlos?
von RA Norbert H. Müller, FA Arbeitsrecht und Steuerrecht, c/o Kanzlei Klostermann, Dr. Schmidt, Monstadt, Dr. Eisbrecher
Spezialisierungen, Neustrukturierungen, Reorganisierung, Kooperationen, Teilungen und Verselbstständigungen: Das sind viele in jüngerer Zeit zunehmende Alltagsprobleme für Chefärzte. Bei allem Verständnis und sicherlich im Einzelfall auch bestehender Notwendigkeit derartiger Maßnahmen zum Erhalt von Fachabteilungen und Krankenhäusern sowie zur Verbesserung der wirtschaftlichen Situation und der Außenwirkung besteht für betroffene Chefärzte kein Grund, sich wie der „Hase vor der Schlange“ zu fühlen. Selbst wenn tatsächlich Gründe für eine solche Maßnahme sprechen mögen, rechtfertigt dies bei weitem nicht jegliche sofortige einseitige Umsetzung zum Nachteil des Chefarztes.
Eingriff in den Kernbereich im Wege des Weisungsrechts des Arbeitgebers nicht möglich
Ausgangspunkt der rechtlichen Absicherung ist zunächst der individuelle Chefarztvertrag. Die dort normierten Zuständigkeiten für die benannte Fachabteilung nebst der Behandlung aller dieser Fachabteilung zugehöriger Patienten stellen den Kernbereich des Beschäftigungsverhältnisses dar. Ein Eingriff in diesen Kernbereich - erst recht ein Entzug oder teilweiser Entzug und damit auch von einzelnen Leistungsspektren und/oder Geräten - ist nicht im Wege des Direktions- und/oder Weisungsrechts des Arbeitgebers möglich.
Nur Konkretisierung vertraglich geschuldeter Tätigkeiten
Über dieses Weisungsrecht steht dem Arbeitgeber lediglich die Möglichkeit der Konkretisierung vertraglich geschuldeter Tätigkeiten, nicht jedoch der Konstituierung zusätzlicher oder des Entzugs der artiger Tätigkeiten zu. Die Wegnahme und/oder Neuverteilung dieser Kernbereiche ist somit dem Weisungsrecht entzogen. Damit ist der Arbeitgeber nicht in der Lage, durch einseitige schriftliche Information - selbst wenn es gewichtige Gründe für eine solche Maßnahme geben mag - wirksam einen Entzug durchzusetzen.
Voraussetzung ist jedoch selbstverständlich, dass der jeweilige Chefarzt sich „wehrt“ und eine solche Maßnahme nicht schlicht einseitig akzeptiert. Zumindest sollte die Wahrung der vertraglichen und damit auch gesetzlich normierten Rechte den Chefarzt in die Lage versetzen, eine derartige Maßnahme - wenn schon nicht verhindern - so doch in seinen Folgen zeitlich und/oder inhaltlich abzumildern.
Die Umsetzung via Entwicklungsklausel
Soweit sich in diesem Kontext die Arbeitgeber auf die Ausübung einer in den meisten Chefarztverträgen normierten sogenannten Entwicklungsklausel berufen, dürfte auch dies in den meisten Fällen als Rechtfertigung für derartige Maßnahmen eher ungeeignet sein. Seit der Schuldrechtsreform zum 1. Januar 2002 finden die bisherigen AGB-Bestimmungen (Allgemeine Geschäftsbedingungen) nun auch im Arbeitsrecht Anwendung.
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