01.04.2006 | Haftung
Schadenersatz wegen verzögerter Erstellung ärztlicher Zeugnisse oder Gutachten?
Ärzte sollten darauf achten, Gutachten und Zeugnisse innerhalb einer angemessenen Frist abzugeben. Ansonsten laufen sie Gefahr, Schadenersatz leisten zu müssen. Dieser Schluss ist aus einer aktuellen Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 22. November 2005 zu ziehen (Az: VI ZR 126/04; Abruf-Nr. 060068). Im verhandelten Fall war es auf Grund der verzögerten Erstellung eines ärztlichen Zeugnisses nicht zum Abschluss einer Risikolebensversicherung gekommen, weil der Patient in der Zwischenzeit gestorben war.
Der beklagte Kardiologe musste jedoch in letzter Instanz den geforderten Schadenersatz in Höhe von über 102.000 Euro nicht leisten, weil die Versicherung und nicht der Patient die Übersendung des ärztlichen Attestes angemahnt hatte. Um einen Verzug des Arztes mit der Übersendung des Attestes auszulösen, bedarf es nach Auffassung des BGH aber grundsätzlich einer Mahnung durch den Gläubiger des konkreten Anspruchs (hier des Patienten). Alternativ müsste ein Dritter (hier die Versicherung) dazu von dem Gläubiger bevollmächtigt werden.
Aber: Die Richter halten es für möglich, dass ein Arzt zum Ausgleich eines durch die verspätete Zusendung eines Attestes eintretenden Vermögensschadens verpflichtet wird. Zu der Frage, was unter einer „angemessenen Frist“ zu verstehen ist, wurden allerdings keine konkreten Vorgaben gemacht. Dies sei vom Einzelfall abhängig, wobei aus berufsrechtlicher Sicht (§ 25 MBO-Ä) überwiegend von einem Zeitraum von drei bis vier Wochen ausgegangen wird.